Guten Abend, Rudolf!
Wenn Du schon „Christiansen“ erwähnst, möchte auch ich meinem Unmut etwas Luft lassen. Zum einen finde ich es seltsam, dass wir zumeist entweder banale Talkshows mit Stars und Sternchen oder Jedermann vorfinden, oder eben Talkshows mit Politikern. Letztere bieten unseren Gewählten eine Plattform, aber es sind Sandkastenspiele: der eine wirft ein Argumentschäufelchen, der andere wirft zurück, doch nachvollziehbar sind diese Dinge nicht.
Einmal gab es etwas Bezeichnendes, und zwar in der Sendung „Vorsicht Friedman“. (Leider gibt’s kein Archiv auf der HR-Seite, weshalb ich es nur unvollständig wiedergeben kann.) Eine Politikerin äusserte sich zur PISA-Studie und stützte darauf ihre Argumente, woraufhin der intelligente und mir sehr sympathische Journalist Ranga Yogeshwar ihr ins Wort fuhr, dass man bestimmte Details, die die Politikern anscheinend nicht wusste, auf den letzten Seiten der Studie nachlesen könne, womit die Situation eine ganz andere sei, als die von ihr beschriebene.
Politiker sprechen in Allgemeinplätze, die noch möglichst gut klingen sollen, ohne dass in solchen Augenblicken der tatsächliche Wahrheitsgehalt überprüft werden. Aber solche Shows dienen trotzdem der Meinungsbildung, wobei ich es einigermassen merkwürdig finde, wer dort eingeladen wird. Ich hatte mir vergangen Woche mal die Arbeit gemacht und die Parteien herausgeschrieben, denen die seit Jahresbeginn eingeladenen Politiker angehören:
28x SPD
32x CDU/CSU
10x Grüne
9x FDP
6x PDS
1x "Schill-Partei"
Die letzten Bundestagswahlen werden wohl kaum als Präferenz dafür dienen:
CDU 28,4 %
CSU 6,7 %
SPD 40,9 %
B90 6,7 %
FDP 6,2 %
PDS 5,1 %
Sonstige 5,9 %
Abgesehen davon, dass ich nicht verstehe, weshalb nur einige Politiker etablierter Parteien doppelt und dreifach eingeladen werden - sind deren Ansichten „seriöser“ als die von anderen? -, wundert mich auch die Christiansensche „Zurückhaltung“ bei der PDS. Sieht man einmal von zwei Sendungen ab, zu der PDS-Politiker eingeladen werden „mussten“ (Parteienfinanzierung, Stasi), findet sich aber beispielsweise keiner davon bei der Sendung vom 04.08. über die Bonusmeilen-Affäre, von der diese Partei durch Gysi selbst betroffen war. Und noch nicht einmal ein kritischer Politikwissenschaftler à la Hans Herbert von Arnim, der die Aussagen der Politiker nachweislich untermauern oder widerlegen könnte, fand sich in den Reihen der geladenen Gäste. Jedoch wiederum welche von SPD, Grüne, CDU, FDP.
Meiner Ansicht ist „Christiansen“ eine Sendung, in der sich vorwiegend „genehme“ Gäste wiederfinden. Doch es bleibt ein belangloses Geplaudere von Politikern unter sich. Und wenn es schon Politiker sein müssen: es gibt auch noch etliche andere Parteien hierzulande, deren Meinung ich in öffentlichen Diskussionen gerne auch einmal hören möchte. Aber dass es diese Parteien gibt, ersehen wir erst wieder am 22. September aus dem Stimmzettel.
Marco