Containern

Hi,

ich bin mir unsicher, in welches Brett meine Anfrage passen würde, aber da es sich um Lebensmittel handelt, versuche ich es einfach mal hier.

Ein guter Freund von mir holt sich seit vielen Jahren weggeschmissene Lebensmittel von Supermärkten. Das, was man heute so modisch „Containern“ nennt, macht er nun schon seit mindestens zwanzig bis dreißig Jahren, vielleicht sogar noch länger. Doch während er früher richtig viele und gute Sachen abräumen konnte, mit denen er sich, seine Familie und seine Freunde versorgte, wird es offensichtlich immer schwerer an die Ware zu kommen.
Zum einen ist die Qualität der Lebensmittel schlechter geworden (weniger Frisches, mehr eingeschweißtes, haltbares Zeug). Dies könnte ich mir vielleicht dadurch erklären, dass in den letzten Jahren ja auch die Hamburger Tafel mehr und mehr Spenden bekommt und so möglicherweise nicht mehr die besten Sachen weggeworfen werden.

Was ich aber wirklich nicht verstehe - und dahin zielt meine Frage - ist, warum die Supermärkte rigoroser unterbinden, dass sich Menschen was aus dem Weggeworfenen holen. Mein Freund hat gestern zum Beispiel von einem Fall erzählt, wo er eine gefüllt Plastiktüte wieder in den Container ausleeren musste. Wie kann denn sowas angehen? Dem Supermarkt entsteht doch kein Verlust dadurch? Oder gibt es irgendwelche schärferen Gesetze oder Hygieneverordnungen, die Supermärkte dazu zwingen, das Containern zu verhindern?

Schöne Grüße
Burkhard

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Hallo,

Was ich aber wirklich nicht verstehe - und dahin zielt meine
Frage - ist, warum die Supermärkte rigoroser unterbinden, dass
sich Menschen was aus dem Weggeworfenen holen. Mein Freund hat
gestern zum Beispiel von einem Fall erzählt, wo er eine
gefüllt Plastiktüte wieder in den Container ausleeren musste.
Wie kann denn sowas angehen?

mehrere (mögliche) Gründe:

  1. Nur, weil es die Mitarbeiter der Supermärkte nicht mögen bzw. unterbinden, heißt das nicht, daß das Unternehmenspolitik ist.
  2. Wenn subjektiv brauchbare Ware weggeworfen wird, bedeutet das potentiell schlechte Presse, auch wenn die subjektiv brauchbare Ware aufgrund von Blessuren oder eines abgelaufenen MHD in den Auslagen nichts mehr verloren hat.
  3. Niemand mag tote Menschen in seinem Müll. Kommt es zu einem Unfall, bedeutet das Ärger und schlechte Presse.
  4. Früher hat niemand daran gedacht, daß fremde Leute im eigenen Müll herumwühlen, auch wenn es schon damals vielleicht jemanden gestört heute. Heute hat man eher ein Auge darauf.

Oder gibt es irgendwelche schärferen Gesetze
oder Hygieneverordnungen, die Supermärkte dazu zwingen, das
Containern zu verhindern?

Ganz sicher nicht. Die Hygienevorschriften enden dort, wo eine Ware nicht mehr in Verkehr gebracht wird.

Gruß
C.

Hi,

analog dazu: Welcher Unternehmer mag es schon wenn sein Geschäft damit in Verbindung gebracht wird „dass da nachts Leute über den Zaun klettern und die Container durchsuchen“. Würde MIR nichts ausmachen, aber viele Kunden würde das irritieren und sie kaufen woanders. Vielleicht hätten sie auch Angst dass sie ausgeraubt werden, denn wer Müll durchsucht isst bestimmt auch kleine Kinder. Da Filialleiter sicher auch Familie haben, werden sie die Vorgaben von oben tunlichst umsetzen da sie sonst gefeuert werden. Auch wenn sie gerne anders handeln würden. Spass macht es sicher niemandem Lebensmittel wegzuwerfen.

Gruss
K

Hallo Burkhard,

Mein Freund hat
gestern zum Beispiel von einem Fall erzählt, wo er eine
gefüllt Plastiktüte wieder in den Container ausleeren musste.
Wie kann denn sowas angehen? Dem Supermarkt entsteht doch kein
Verlust dadurch?

Doch, die Verluste entstehen dem Supermarkt schon.
Stell dir vor, jeder Kunde wartet bis die Waren in der Tonne landen um sich für lau daraus zu bedienen.

Jeder, der sich beim Containern versorgt, der kauft nichts mehr.

Grüße,
Tinchen

Hi Tinchen,

danke für Deine Antwort.

Doch, die Verluste entstehen dem Supermarkt schon.
Stell dir vor, jeder Kunde wartet bis die Waren in der Tonne
landen um sich für lau daraus zu bedienen.

Naja, aber das ist ja rein hypothetisch, denn die Gruppe derjenigen, die sich aus den Abfällen versorgen, wird immer ein kleine Minderheit bleiben.

Jeder, der sich beim Containern versorgt, der kauft nichts
mehr.

Auch das hinkt etwas, denn dieser Freund beispielsweise hätte diese Waren gar nicht erst gekauft, wenn sie nicht im Müll gelandet wären. Er hat halt nur eine minimale Rente und würde sich im Zweifelsfall irgendwie anders durchschlagen (er baut z.B. Gemüse an)

Schöne Grüße
Burkhard

Hallo,

Jeder, der sich beim Containern versorgt, der kauft nichts
mehr.

ich glaube, dabei handelt es sich um zwei verschiedene Zielgruppen mit einem ausgesprochen geringen Potential für eine nennenswerte Schnittmenge.

Gruß
C.

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Hi,

  1. Nur, weil es die Mitarbeiter der Supermärkte nicht mögen
    bzw. unterbinden, heißt das nicht, daß das Unternehmenspolitik
    ist.

Das ist sicher richtig. Es ist aber ganz offensichtlich in den letzten Jahren eine Veränderung des Verhaltens der Mitarbeiter zu konstatieren. Nach dieser Begründung müsste sich ja die Zusammensetzung des Personals geändert haben oder die Charakterstruktur der Mitarbeitenden anders sein als früher. Das ist natürlich auch gut möglich, dass sich die Verkäufer mehr mit dem Laden identifizieren oder weniger Empathie mit Bedürftigen haben oder so. Aber irritierend ist das schon, finde ich.

  1. Wenn subjektiv brauchbare Ware weggeworfen wird, bedeutet
    das potentiell schlechte Presse, auch wenn die subjektiv
    brauchbare Ware aufgrund von Blessuren oder eines abgelaufenen
    MHD in den Auslagen nichts mehr verloren hat.

Auch dieser Punkt könnte natürlich zutreffen. Gerade weil das Thema der Vernichtung von Lebensmitteln in der letzten Zeit viel in den Medien ist, könnte es da Empfindlichkeiten geben.

Ganz sicher nicht. Die Hygienevorschriften enden dort, wo eine
Ware nicht mehr in Verkehr gebracht wird.

Interessant in diesem Zusammenhang ist die Beobachtung meines Freundes, dass die abgeholten Container, die vermutlich in eine Biogasanlage abgefahren werden, früher einfach wieder hingestellt wurden, heute jedoch sauberst gereinigt zurück kommen. Da hat es offensichtlich auch eine Veränderung gegeben.

Schöne Grüße
Burkhard

Hallo,

Geschäft damit in Verbindung gebracht wird „dass da nachts
Leute über den Zaun klettern und die Container durchsuchen“.

richtig.

isst bestimmt auch kleine Kinder. Da Filialleiter sicher auch
Familie haben, werden sie die Vorgaben von oben tunlichst
umsetzen da sie sonst gefeuert werden. Auch wenn sie gerne
anders handeln würden.

Mal abgesehen davon, daß so schnell niemand rausgeworfen wird: das Problem ist ein anderes. Normalerweise ist der Plan der großen Ketten, daß alles, das noch eßbar, aber nicht verkäuflich ist, bei den lokalen Tafeln landen soll. Wenn dann doch etwas im Container liegt, das objektiv noch brauchbar ist, haben sich wohl Mitarbeiter an diese Vorgabe nicht gehalten. Hielte man sich an die Vorgaben, gäbe es auch keinen Anlaß, jemanden aus dem Container zu werfen. Mal abgesehen davon, daß man natürlich zu recht etwas dagegen haben kann, wenn sich jemand unerlaubterweise Zugang zu fremdem Grund und Boden verschafft.

Gruß
C.

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Hi,

aber viele Kunden würde das
irritieren und sie kaufen woanders. Vielleicht hätten sie auch
Angst dass sie ausgeraubt werden, denn wer Müll durchsucht
isst bestimmt auch kleine Kinder.

Mag sein, aber warum hat sich diese Einstellung geändert? Früher hat sich offensichtlich kein Kunde daran gestört bzw. hatten die Supermärkte keine Sorge, dass sich die Kunden daran stören könnten. Was hat die Veränderung bewirkt?

Schöne Grüße
Burkhard

Hi

Ich meine mich daran erinnern zu können, dass der Müll in den Containern der jeweiligen Müllentsorgungsgesellschaft gehört und wenn der Container dann leer ist gibt es Ärger (keine Ahnung ob die per Kilo bezahlt werden…)

lg
Kate

Hallo Burkhard,

Vielleicht wäre es eine interessante Frage im Rechtsbrett, ob ein Supermarkt, der das Containern wissentlich ignoriert und somit quasi toleriert, im Falle einer Lebensmittelvergiftung nicht schadensersatzpflichtig sein könnte…

Gruß
Hardey

Hallo,

Vielleicht wäre es eine interessante Frage im Rechtsbrett, ob
ein Supermarkt, der das Containern wissentlich ignoriert und
somit quasi toleriert, im Falle einer Lebensmittelvergiftung
nicht schadensersatzpflichtig sein könnte…

wie kommt man nur auf solche Ideen? Meinst Du, man müßte auf seiner Mülltonne einen Aufkleber mit der Aufschrift „Vorsicht Müll, nicht zum Verzehr geeignet“ anbringen?

Fassungslos
C.

hallo,
auf jeden Fall ist das kein deutsches Problem. Ich habe vor einiger Zeit eine Sendung über Obdachlose in Spanien gesehen. Die haben auch die noch „essbaren“ Sachen aus dem Müll der Supermärkte geholt. Eigentlich hätten ihnen die Angestellten die Sachen, die weggeworfen werden sollten, lieber so gegeben, aber sie durften nicht. Die Dinger mussten erst in den Container. Warum, das wussten sie auch nicht. Vermutet wurde, dass sie sonst als verkauft gelten und deshalb besteuert werden würden.
lg
Richard

Vielen Dank für den Hinweis! Sehr interessant! Es bleibt also spannend.

Schöne Grüße
Burkhard

Hallo Kate,

interessant, das würde allerdings der Aussage widersprechen, dass die Supermärkte fürs Abfahren bezahlen müssen. Danach müssten sie eigentlich ein Interesse daran haben, weniger im Container zu haben.

Liebe Grüße
Burkhard

Ich meine mich daran erinnern zu können, dass der Müll in den
Containern der jeweiligen Müllentsorgungsgesellschaft gehört
und wenn der Container dann leer ist gibt es Ärger (keine
Ahnung ob die per Kilo bezahlt werden…)

lg
Kate

Hi,

Meinst Du, man müßte auf
seiner Mülltonne einen Aufkleber mit der Aufschrift „Vorsicht
Müll, nicht zum Verzehr geeignet“ anbringen?

Naja, denkbar ist mir alles sowas. Wir sind zwar nicht in den Staaten, wo man auf die Klamotten oder das Bügeleisen oder so schreiben muss, dass man die Kleider nicht am Körper bügelt, aber die Vorsichtsmaßnahmen entwickeln schon manche Blüte.
An einer Pommesbude habe ich übrigens mal ein Schild gesehen „Einbruch auf eigene Gefahr“…

Schöne Grüße
Burkhard

Hallo Burkhard,

Mag sein, aber warum hat sich diese Einstellung geändert?
Früher hat sich offensichtlich kein Kunde daran gestört bzw.
hatten die Supermärkte keine Sorge, dass sich die Kunden daran
stören könnten.

die Einstellung armen Menschen gegenüber hat sich in den letzten Jahrzehnten insgesamt verändert. Vor zwanzig Jahre wäre es völlig undenkbar gewesen, so über die Bezieher von Arbeitslosengeld herzuziehen, wie es inzwischen leider üblich ist (man lese nur die Kommentarseiten der ZEIT und des SPIEGEL).

Dazu passt dann eben auch, dass das Containern - bei dem sich ja jemand mit Lebensmitteln versorgt, „ohne etwas dafür zu tun“ - erschwert bis ganz verhindert wird.

Was hat die Veränderung bewirkt?

Wenn ich jetzt das Stichwort „Neo-Liberalismus“ fallen lassen würde, kämen bestimmt gleich mehrere zum Steppen bereite Bären angerannt. ^^

Beste Grüße

Billi

Hallo,

Vielen Dank für den Hinweis! Sehr interessant! Es bleibt also
spannend.

durchaus ein Problem, das in Deutschland eine kurze Zeit zu entstehen drohte:
http://www.t-online.de/wirtschaft/id_58070496/fiskus…

Aber inzwischen:
http://www.iww.de/sb/praxisfaelle/umsatzsteuer-leben…

Aber selbst wenn es so gekommen wäre, würde das ja eher auf mehr Ware im Müll hinauslaufen als auf weniger.

Gruß
C.

Hallo,

Mag sein, aber warum hat sich diese Einstellung geändert?
Früher hat sich offensichtlich kein Kunde daran gestört bzw.
hatten die Supermärkte keine Sorge, dass sich die Kunden daran
stören könnten. Was hat die Veränderung bewirkt?

die Berichterstattung. Während Müll früher allenfalls an öffentlichen Mülltonnen sichtbar stattfand, berichten die Medien seit etwa fünf Jahren häufiger über Containern, Foodsharing und die diversen anderen Trends, Gruppierungen usw., die sich in dem Dunstkreis gebildet haben.

Das hat vermutlich nicht einmal Auswirkungen auf die jeweilige Einstellung der Einzelhändler, nur schaut jetzt vermutlich ab und zu mal jemand auch außerhalb der Öffnungszeiten der Märkte nach dem Müll (ob nun tatsächlich als Mensch oder per Kamera, sei dahingestellt). Und noch ein Punkt: gerade die dem Containern eher kritisch gegenübersehende REWE-Gruppe hat die Öffnungszeiten ihrer Märkte in den vergangenen Jahren deutlich ausgeweitet (in den Städten teilweise bis 24 Uhr). Auch das macht es wahrscheinlicher, daß noch ein Mensch anwesend ist, wenn die Müllschatzsucher ihren Aktivitäten nachgehen und diese bemerkt.

Gruß
C.

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Da könnte man sagen, daß es Diebstahl ist. Auch wenn etwas aus dem Container genommen wird.