Theorie und Praxis.
Vorab, ich komme aus der Elektronikentwicklung.
Manches ist auch Branchenabhängig.
Ursachen sind schlampige/optimistische Vorkalkulation oder auch Taktik.
Die Taktik kann darin liegen die Einkäufer unter Druck zusetzen aber auch darin das Projekt überhaupt bewilligt zu bekommen.
Dann kann die Vorkalkulation auf 1’000 Stück basieren, es wird aber nur Material für 100 Stück eingekauft.
Neue Bauteile sind Anfangs recht teuer und werden innerhalb von Monaten günstiger.
Schau dir mal die Preise für PC-CPUs an. Besonders wenn das Nachfolgemodell raus kommt, fallen die Preise für die alten CPUs. Dabei kann man sich gewaltig verschätzen, besonders wenn das Nachfolgemodell erst mit Verzögerung auf den Markt kommt.
Möglich ist auch, dass ein Hersteller grosse Mengen eines Bauteils abnimmt, dann steigen die Preise, manchmal ganz extrem. Wir haben in der Elektronik so alle 2 Jahre dieses Problem mit einem bestimmten Bauteil. So Ender der 70er Jahre war der 7405 (ein einfaches IC) ein solches Sorgenkind. Diese war im Apple ][ verbaut, durch Apple und die taiwanesischen Nachbauten wurde das Bauteil weltweit knapp. der Preis stieg dann von etwa 0.20 CHF auf 15-18 CHF pro Stück. Der Preis stieg innerhalb einiger Wochen. Wenn man jetzt noch 10 von diesen Teilen in der Schaltung verbaut hatte …
Ein paar Jahre später waren dann die Elkos dran.
Das Problem dabei sind die Amis und deren Rechtssystem. Wenn ein Bauteil fehlt und die Fabrikation steht, muss sich der Einkäufer Mittags einen neuen Job suchen. Wenn er das Gras wachsen hört bestellt er die nötige Menge bei 3-5 Anbietern. Wenn der erste absagt, bestellt er bei den anderen einfach ab, das geht nach US-Recht problemlos.
Deshalb ist in den USA auch das Book to Bill Verhältnis (Bestellte Menge zu tatsächlich verkaufter Menge) eine wichtige Kenngrösse.
Dann ist, auch in den 70er Jahren, der Goldpreis explodiert. Seither bestehen die Preise für vergoldete Bauteile (z.B. Stecker) aus zwei Teilen: dem Grundpreis für das Bauteil und der Goldmenge zum Tagespreis.
Heute wird beim Kupfer so gerechnet.
Manchmal ist die Vorkalkulation auch schon recht alt und stammt aus den Anfängen der Entwicklung.
Manchmal zeigt sich auch am Ende der Entwicklung, dass an Bauteile höhere Anforderungen gestellt werden müssen, was sie teurer macht. Dies kann technische Gründe haben, aber auch gesetzliche (Neue Normen/Vorschriften).
Ich hatte auch mal das umgekehrte! Ein Direktor hatte den Einkauf für die Prototypen selbst gemacht. Dabei aber zwei grundsätzliche Fehler begangen. Einerseits hat er nur bei den billigen Bauteilen gefeilscht, da haben die Lieferanten eh kaum eine Marge und zweitens war er recht unangenehm dabei. Ich bekam die ganzen Rechnungen in einem Orden und über stand „Spezialpreis“.
Ich habe dann rund 20% günstiger eingekauft, das meiste sogar bei den selben Lieferanten Dabei habe ich erfahren, dass der Herr Direktor in der ganzen Branche bekannt war. Wenn der angerufen hat, hat man einfach den Preis 50% rauf gesetzt und sich dann 40% runterhandeln lassen.
Bis in die 80er Jahre war es für die Vorkalkulation auch üblich die Bauteilliste an die Lieferanten zu Senden und sich eine Offerte erstellen zu lassen. Später war dann dieser Aufwand nicht mehr gratis.
Meine Erfahrung war, dass man mit einem guten Verhältnis zu den Lieferanten günstiger eingekauft hat, als mit hartem feilschen. Ich wusste meistens sogar die Einkaufspreise meiner Lieferanten und mit der Zeit auch wo sie etwa welche Verdienstspannen hatten. Manche Lieferanten hatten auch die interne Order, Konkurrenzangebote auf jeden Fall zu unterbieten.
Meist war es auch günstiger ganze Verpackungseinheiten zu kaufen. z.B. waren 12 ICs in einer Stange verpackt. Dann bekam man 108 Stück zum selben Preis wie 100 Stück, hatte aber schon 8 Stück gratis im Lager für allfällige Reparaturen in der Produktion.
MfG Peter(TOO)