Corona: AG ordnet "vorsichtshalber" Minusstunden an - Wer trägt diese?

Hallo liebe Helfer!

Ich benötige bitte euren Rat in folgendem besonderen Fall.

Der AG betreibt eine etwas größere Apotheke mit ca. 16 AN. Zu Beginn der Corona-Krise ordnete er als Vorsichtsmaßnahme an, dass die AN in zwei Gruppen geteilt werden, die sich nicht mehr begegnen und tagesweise abwechselnd arbeiten kommen sollten. Somit sollte im Falle einer Coronainfektion eines AN bewirkt werden, dass nur eine Hälfte der Belegschaft in Quarantäne geschickt würde und die andere „gesunde“ Häfte den Betrieb der Apotheke allein hätte fortsetzen können. So wollte der AG dem Risiko einer vollständigen Schließung vorbeugen. Allerdings führte diese Einschränkung der Arbeitszeiten zu teils hohen Minusstunden bei den AN.

Zu Beginn dieser Situation sagte der AG lediglich sinngemäß: „Sorgt euch nicht um die Überstunden, wir finden nach dieser Krise eine gemeinsame Lösung dafür.“

Nun, nach einigen Wochen, möchte der AG, dass sich die AN Gedanken machen, wie sie diese Minusstunden abbauen könnten, z.B. über den Verzicht auf Urlaub, Nacharbeiten etc., da er diese nicht tragen könne. Die AN haben allerdings Zweifel daran, weil der Betrieb die ganze Zeit aufrechterhalten wurde und mehr oder weiger gut lief. Des Weiteren gibt der AG zu verstehen, dass die aktuelle Teilung des Teams und somit weiter anfallende Minusstunden, ersteinmal so fortgesetzt werden.

Kann der AG verlangen, dass die bisherigen Minusstunden von den AN getragen werden? Oder gilt hier § 615 BGB und der AG ist im Annahmeverzug, weil die AN normal arbeiten kommen würden, er dies aber nicht zulässt.

Sollten die AN spätestens jetzt dem AG schriftlich erklären, dass sie weiteren Minusstunden nicht zustimmen und wenn der AG trotzdem darauf besteht, er dann den vollen Lohn weiterzahlen müsse?

Vielen Dank im Voraus für eure Hilfe!

Hallo,

wenn das Pandemiebedingt war, dann trägt in der Tat der AG das sog. „Betriebsrisiko“ des § 615 BGB und das daraus resultierende Risiko von Minusstunden.

Offensichtlich wollte sich der AG den Aufwand eines Antrags auf Kurzarbeitergeld sparen, der in der geschilderten Situation schon bei einer Arbeitszeitreduzierung um 10% möglich gewesen wäre und jetzt auch noch für die Zukunft möglich ist.

Ggfs. müssten die AN jetzt die Ansprüche aus der Vergangenheit schriftlich beweisbar geltend machen und sich auf keinen Fall auf irgendwelche Vereinbarungen zum Abbau der Minusstunden einlassen - erst recht nicht durch Unterschrift. Hoffentlich haben die AN nicht am falschen Platz, dem Rechtsschutz im Arbeitsrecht gespart.
Ach ja, auch in so einem kleinen Betrieb mit 16 AN können die AN auch einen BR wählen, der dann u.a. bei der Arbeitszeit volle Mitbestimmung hätte.

Alberca

Hallo Alberca,

vielen Dank für deine bestätigende Antwort.

Viele Grüße!

Hallo Alberca,

jetzt fällt mir dazu noch eine wichtige Frage ein:

Sollten die AN vorsichtshalber noch einmal schriftlich anzeigen, dass sie ihre Arbeitsleistung gemäß der im Arbeitsvertrag geregelten Arbeitszeiten anbieten? Schließlich will der AG die aktuelle Praxis auf unbestimmte Zeit fortsetzen.

Oder ist das überflüssig, weil der AG die AN in gewisser Weise einseitig freistellt, indem er sie lediglich jeden zweiten Tag einteilt, was ja indirekt einem Arbeitsverbot an den anderen Tagen gleichkommt und zwangsläufig zu Minusstunden führt?

Hallo,

es ist empfehlenswert, regelmäßig die Arbeitskraft im Rahmen des arbeitsvertraglich geschuldeten Umfangs ausdrücklich anzubieten.
Spätestens dabei sollte aber fachlicher Rat (gewerkschaftlicher Rechtsschutz, Fachanwalt/-Anwältin für Arbeitsrecht) in Anspruch genommen werden, damit dieses Angebot auch rechtssicher und beweisbar ist.

Unter bestimmten Bedingungen nach einer gewissen Zeitspanne kann nämlich das Schweigen auch Zustimmung zu einer „stillen“ Arbeitsvertragsänderung bedeuten.

Und nochmal: Denkt über die Gründung eines BR nach. Dazu reichen grundsätzlich drei aktive AN gem. § 17 Abs. 3 BetrVG
https://www.gesetze-im-internet.de/betrvg/__17.html
in Verbindung mit § 28 BR-WO:
https://www.gesetze-im-internet.de/betrvgdv1wo/__28.html
die dann auch den Besonderen Kündigungsschutz des § 15 Abs. 3a KSchG
https://www.gesetze-im-internet.de/kschg/__15.html
genießen

Alberca

Das heißt, du würdest als AN in diesem Fall nicht einfach sinngemäß schreiben, dass du dem AG Montags bis Freitags in der Zeit von … bis … Uhr und Samstags von … bis … Uhr zur Erbringung der vereinbarten Wochenstundenzahl von … h zur Verfügung stehst und weitere Minusstunden ablehnst, sondern hier schon die Rechtschutz einschalten?

Ja,
denn schon die Nennung konkreter Zeiten kann ein Fehler sein - je nachdem, was im Arbeitsvertrag steht.

Alberca

OK, wir werden das beherzigen.

Nochmal vielen Dank für deine hilfreichen Antworten!!!

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