Das stimmt und liegt in der Natur der Sache. Aber tatsächlich machen wir ja auch nichts, was wirklich wirkt, wenn man jetzt von den ersten zaghaften Versuchen absieht, die Kontakte zu reduzieren. So lange man aber auch bei einer Inzidenz von über 50/100.000/7 noch Veranstaltungen von 100 Leuten ohne Hygienekonzept (was ja ohnehin immer nur ein Feigenblatt ist) veranstalten darf, läuft jede Beschränkung auf fünf oder zehn Personen im öffentlichen Raum, völlig ins Leere.
Auch da haben wir es mit intakten Trends zu tun:
Und wir sind ja bei allen Zahlen ein bis drei Wochen hinter der Realität zurück bzw. die aktuellen Infektionen schlagen erst in ca. zwei auf die Krankenhäuser durch.
Ein Problem ist das Dogma, die Schulen und Kindergärten offen zu halten. Kinder haben weiterhin keine Symptome, d.h. es grenzt schon an Zufall, mal ein infiziertes und infektiöses Kind zu testen. Die sind dann mehr Beifang, wenn in der Familie ein Fall unter Erwachsenen auftritt und dann die ganze Familie getestet wird. Daß die Schulen eine Rolle spielen, sieht man hier (wie alle bunten Bildchen vom RKI, die unprätentiösen Graphen sind von mir):
Die Ausbildungsstätten, in denen die Schulen enthalten sind, gehen nach den Sommerferien hoch. Die Universitäten können frühestens in der 39./40. KW auftauchen.
Hinzu kommen noch zwei andere Infektionsorte, in denen die Schulen und Kindergärten indirekt enthalten sein können, nämlich die Wohnstätten und die weiteren (unbekannten). In beiden Fällen können dahinter Infektionen stecken, die von Kindern in den Haushalt eingetragen worden sind. Dafür spricht auch, daß die Infektionszahlen seit der 37. KW massiv ansteigen, d.h. der Zeitpunkt der Infektion lag in der 35. oder 36. KW. Außer in BW und Bayern hatte der Schulbetrieb da wieder begonnen. Das läßt sich dann auch mit den hohen Infektionszahlen in Hessen, RP, NRW und Berlin (z.B.) in Einklang bringen (dort begannen die Schulen wieder Anfang/Mitte August). Die ebenfalls hohen Zahlen in Bayern und BW sprechen nicht unmittelbar dagegen, weil die die ganze Zeit über eine hohe Inzidenz hatten, d.h. das Virus hat sich erkennbar und natürlich unentdeckt in der gesamten Bevölkerung ausgebreitet.
Ich bin insofern überzeugt, daß die Schulen (und Kindergärten) den Schlüssel zur Eindämmung der Infektion darstellen, sofern es der Rest der Bevölkerung nicht schafft, kompromißlos Abstand zu halten und Kontakte so weit wie möglich zu vermeiden. Ich gehe sogar so weit, daß wir es nicht schaffen werden die Infektionen einzudämmen, wenn wir den Schulbetrieb nicht in irgendeiner Form einschränken - entweder über irgendeine Form von Rotation oder eben die gelegentliche Schließung aller Schulen für zwei bis drei Wochen.
Ich bin mir darüber im Klaren, daß die Argumentation alles andere als wasserdicht ist, aber die Schulen (und die Kindergärten; ich meine immer beides, wenn ich „Schulen“ schreibe) erklären den Epidemieverlauf in Deutschland ganz hervorragend.
Ja, darüber sprachen wir schon. Ich sehe das ganz genauso, bin mir aber auch darüber im Klaren, daß das viele, viele Menschen in Deutschland völlig anders gesehen haben. Die Zahlen zur häuslichen Gewalt insbesondere in den Großstädten haben mich durchaus schockiert.
Insofern sehe ich Schulschließungen keinesfalls als erstrebenswert an, aber mir scheint, daß wir die Sache ohne einschneidende Maßnahmen in den Schulen nicht in den Griff bekommen werden. Wenn ich mich irre, freue ich mich. Allerdings hatte ich bisher schon ziemlich oft recht. So z.B. mit den Infektionszahlen in der ersten Runde, wie neulich bekanntgegeben wurde:
Man hätte mich ja einfach mal fragen können…