Hallo,
Bei allem Respekt vor den Leistungen historischer Analyse. Wir sollten immer vor Augen haben, was die Fakten (auch die Frage) für einen SINN haben sollen. Wie bereits hier und an vielen anderen Stellen immer wieder diskutiert, stehen wir ja ALLE vor dem Problem, dass a) es keine Originalzitate geben kann und b) selbst wenn es solche wären, sie zu einer ganz anderen Zeit und damit in einem ganz anderen soziologischen Zusammenhang zu sehen sind.
Aber - so kommt dann immer wieder die Frage auf - was kann man dann überhaupt noch glauben? Wer kann einem DAS ALLES in das JETZT übersetzen. Wir brauchen die tiefgehende Analyse und die historischen Zusammenhänge, das ist keine Frage, aber was doch hier auf solche Fragen gefordert ist, ist der Sinn, der hinter dem (geamten) Text und dem Zusammenhang mit dem gesamten NT steht. Und da dürfen wir uns nicht in der Schrift- und Geschichtsanalyse verirren!
Vielmehr muss die Botschaft des NT ins Blickfeld gerückt werden. Viele der Gleichnisse, Ereignisse passen wie ein Puzzle (siehe die Beispiele, zu denen übrigens auch Zachäus passt) zusammen zu einem Gesamtbild, das ich Botschaft Jesu nennen möchte. Und da können und müssen natürlich Historiker, Archäologen, Bibelforscher, Sprachforscher ihren Beitrag leisten (um eben zu einen möglichst authentischen Inhalt zu gelangen).
Aber wenn wir uns bei so eindeutig erkennbarem Zusammenhang der zentralen Botschaft des NT, nämlich der Nächstenliebe, mit der klaren Aufforderung Jesu (wie jetzt hier mit den „Geringsten“ aufgebracht) den im weitesten Sinne Not leidenden Menschen (dazu gehören auch Sünder ) zu helfen, nach der begrüßenswerten Analyse in den Details verlieren, ist doch bei DIESER FRAGE keinem geholfen. Man kann darüber diskutieren, ob diese Frage ernst gemeint war, aber so oder so wurde doch mit dieser Frage der, der die Misstände beenden will (Jesus), zum Täter ernannt.
Sehen wir den Zusammenhang (ich habe mehrere Beispiele genannt und möchte mich nicht wiederholen). Kann sein, dass der eine oder andere „objektive“ Bibelforscher es auch nicht als seine Aufgabe ansieht, hier als religiöser Botschafter aufzutreten - einverstanden. Aber wenn wir uns die Frage ansehen, muss ich mich doch fragen, ob wir hier mit vereinzelten isolierten Wortanalysen allein dem Sinn des NT und dem SINN DER FRAGE näher kommen. Auch der „objektive“ Wissenschaftler hat die Aufgabe Zusammenhänge zu sehen und Fakten „einzuordnen“. Auch nach dem heutigen Stand der Wissenschaft! Wenn wir den gesamten Text des NT sehen und ihn versuchen zu deuten, helfen dann Beipiele wie
- Es geht um keine soziale/politische Umwälzung
- als „Geringsten“ sind da wohl Sklaven anzusehen
- „Ihnen“ (Jesus) ging es nicht um soziale Gerechtigkeit… „bestenfalls“ Humansisierung
- genausogut hätte er predigen können: „Was ihr dem höchsten meiner Brüder getan habt…“ inhaltlich wäre das dieselbe Botschaft gewesen
Helfen diese Aussagen, die gestellte Frage einigermaßen erschöpfend zu beantworten?
Hat man damit den Kontext des NT insbesondere AUCH vor dem historischen Hintergrund wirklich verstanden und vermittelt?
Ich glaube eigentlich, dass die Antwort auf die Frage, die hier gestellt wurde, im (gesamten) Text selbst liegt. Es braucht gar keine historische Analyse. Es braucht nur gesunden Menschenverstand und guten Willen, das zu sehen, was offensichtlich ist, in diesem Text.
In diesem Zusammenhang fällt mir die Diskussion um das „Kamel“ und dem „Nadelöhr“ ein: κάμιλος/kamilos versus κάμηλος/kámêlos.
Ich finde diese Frage überaus spannend, ob es nun ein Kamel oder ein Seil war. Die Bibelforscher sollten sich weiter bemühen. Aber auch hier ergibt sich doch vieles aus dem Zusammenhang des (diesmal) folgenden Textes und des gesamten NT. Egoistischer Reichtum angesichts von Not ist nach diesem Beispiel ein Problem (Ob Seil oder Kamel), womit wir wieder bei dem „revolutionären“ wären, das Jesus bewusst nicht als Volksaufstand verstanden hatte, denn es war in bestimmten Situationen weder „seine Stunde“ noch „sein Königreich“, aber ein umjubelter Einzug in ein unterdrücktes Jerusalem…(lassen wir mal dahingestellt, was das wirklich damals bedeutete).
Bleibt die schwierige Frage nur, wie Reich wir denn nun sein dürfen. Auch hier sicher wichtig, die RICHTIGEN Worte zu identifizieren, aber viel wichtiger, die Botschaft zu erkennen und (jetzt wirds fast unmöglich) sie ins JETZT zu interpretieren.
Als objektiver Bibelfoscher würde ich da meine Meinung zu „Seil“ oder „Kamel“ äußern, aber doch NICHT ohne auf den Kontext hinzuweisen, dass es so oder so nach den Worten des NT schwierig wird, als „Reicher“ in das Himmelreich zu gelangen. Das ist die WISSENSCHAFTLICH aus dem NT zu identifizierende Botschaft, die jeder objektive Bibelforscher erkennen und vermitteln kann (freilich gerne mit dem Zusatz, dass keineswegs damit bewiesen wäre, ob das alles wirklich existent ist).
Nicht vergessen - manchmal sind Weglassungen schlimmer als Lügen…
Also - auch im Namen der Wissenschaft - es ist schön auch seltene, exotische Bäume in einem Wald zu kennen, aber es ist wichtig, die Wechselwirkungen und das Gesamtbild Wald zu erkennen (nicht nur für Romantiker).
Es wäre schön, wenn Fragesteller hier künftig bei vielen sich auftürmenden Bäumen auch noch den Wald erkennen könnten.
Danke
ikarusfly