Dalai Lama - Buddhismus und Politik

Hallo Marion,
wir kommen hier in ein Fahrwasser, das mit den ursprünglichen Threads nicht mehr viel zu tun hat. Ich erlaube mir daher, einen neuen Thread zu eröffnen.

Der Dalai Lama ist ein tibetischer
Exilpolitiker und war bis 1959 nominelles Haupt der Regierung
Tibets, des Kashag. Mit Buddhismus hat das herzlich wenig zu
tun.

Zur Klarstellung: ich habe nicht gesagt, der Dalai Lama hat nichts mit Buddhismus zu tun, sondern tibetische (Exil-)politik hat nichts mit Buddhismus zu tun.

Der Dalai Lama hat mit Buddhismus insofern etwas zutun, als dass
er als Verkörperung des Bodhisattva Avalokitesvara gilt.

Bei den Katholiken wiederum gilt ein 84-jähriger, schwer parkinson-kranker Pole als Stellvertreter Gottes auf Erden. Für manche hat das etwas mit Christentum zu tun, für Andere nicht das Geringste. Wie auch immer - ich habe nichts dagegen. So lange man nicht verpflichtet ist, so etwas zu glauben …

Für die Tibeter verkörpert der Dalai Lama tatsächlich Avalokitesvara,
wie er sich in unserer heutigen Welt manifestiert, also als ein Bodhisattva,
der real unter uns lebt. Die Tibeter haben das Empfinden, dass durch den
Dalai Lama das gesamte Tibet, ihre Tradition, ihr Leben in Kontakt mit
dem Transzendenten der buddhistischen Lehre ist. Daraus erklärt sich
auch die ungemeine Verehrung und Emotionalität vieler Tibeter gegenüber
dem Dalai Lama.

Das mag für viele oder sogar die meisten Tibeter durchaus zutreffen. Eine allgemein buddhistische Doktrin ist es jedenfalls nicht. Wenn z.B. ich aus Verehrung für Avalokitesvara das Daihi Shin Dharani oder die Fumonbon Ge aus dem Lotossutra rezitiere, denke ich nicht im Traum daran, das irgendwie speziell mit Seiner Heiligkeit Tenzin Gyatso in Verbindung zu bringen - genauso wenig wie Millionen anderer Buddhisten auch. Avalokitesvara ist eine Personifikation spiritueller Qualitäten, ist Mitgefühl und unterscheidende Weisheit. Avalokitesvara manifestiert sich auf unzählige Arten - in jedem, der die Bodhisattva-Gelübde auf sich genommen hat. Natürlich auch im Dalai Lama. Einen speziellen Menschen allerdings als DIE Verkörperung von Avalokitesvara anzusehen, halte ich schon für problematisch. Und wenn nur aus dem einen Grund, dass es gilt, die Qualitäten, für die Avalokitesvara steht, in sich selbst freizulegen, anstatt sie auf andere Menschen zu projizieren.

Wenn man dann noch in Betracht zieht, dass der Dalai Lama ja gleichzeitig auch die Reinkarnation seiner Vorgänger sein soll, dann wird es schon recht schwierig, das noch irgendwie sinnvoll mit Buddhas Anatman-Lehre zu vereinbaren - wie überhaupt das ganze Tulku-System. [Anmerkung: Tulku = ein hochrangiger Mönch, der als Reinkarnation seines Amtsvorgängers betrachtet wird. Es gibt ca. 500 Tulkus, wobei der Dalai Lama der bekannteste ist.] Ein ‚Tulku‘ scheint mir mit dem hinduistischen Konzept des Avatar sehr viel mehr gemein zu haben als mit dem Buddhadharma.

Wenn man sich die Geschichte Tibets und speziell der Dalai Lamas seit dem späten 16. Jahrhundert (älter ist diese Institution ja nicht) anschaut, dann wird der machtpolitische Hintergrund solch frommer Legenden nur allzu deutlich. Religiöse Überhöhung als Herrschaftssicherung, das altbekannte Rezept. Ich denke, man tut dem Dharma im Westen keinen guten Dienst, wenn man solch fragwürdige Lehren (oder sagen wir vorsichtig ‚nationale Eigentümlichkeiten‘) kritiklos übernimmt, zumal sie der im Westen bei Nicht-Buddhisten häufig so verzerrten Auffassung von ‚Buddhismus‘ (speziell was das Thema Reinkarnation angeht) Vorschub leisten.

Wohlgemerkt - ich halte die ‚Tulku‘-Doktrin (die man ja in anderen Schulen auch nicht findet) für unbuddhistisch und für eine durch den Hinduismus inspirierte und machtpolitisch motivierte Zutat. Das tut meiner sonstigen Wertschätzung der tibetischen buddhistischen Schulen und ihrer Lehren keinen Abbruch. Zumal die Tulku-Doktrin mE ein durchaus verzichtbarer (um nicht zu sagen überflüssiger) Bestandteil ist.

Ihn wie du als machst als „Exilpolitiker“ abzuwatschen, halte ich schon
für ziemlich beleidigend.

Es war durchaus nicht beleidigend gemeint. Ich halte diesen freundlichen älteren Herren für einen durchaus fähigen, verantwortungsvollen und vernünftigen Exilpolitiker und auch für jemanden, der spirituell außerordentlich gereift ist. Trotzdem ist er nicht - wie behauptet - „Führer der tibetischen Buddhisten“. Das trifft weder in politischer noch in spiritueller Hinsicht in dieser Ausschließlichkeit zu.

Aber diese immer wieder gern kolportierte Behauptung berührt einen besonders unangenehmen Aspekt, nämlich die Verquickung von Politik und Religion. Dies habe ich versucht, aufzutrennen - was aber nicht heißen soll, dass ich den Dalai Lama ausschließlich als Exilpolitiker sehe. Ohne dies nun speziell dem Dalai Lama anlasten zu wollen, so besteht doch bei vielen Tibetern und ihren wohlmeinenden westlichen Unterstützern die Tendenz, beides mehr oder weniger bewusst miteinander zu vermengen und den Buddhismus als Sympathieträger, als Mittel für Zwecke tibetischer Exilpolitik, in Beschlag zu nehmen und zu instrumentalisieren. Dabei ist der Dalai Lama das öffentlichkeitswirksame Aushängeschild. Ich für meinen Teil halte es nicht für heilsam, wenn man versucht, Menschen über den Dharma für einen politischen Kampf zu rekrutieren.

Übrigens steht der
Dalai Lama in seiner eigenen Sekte erst an vierter Stelle der
Hierarchie - nach den Leitern der Klosteruniversitäten Gaden
und Sera (die allerdings nicht auf Lebenszeit amtieren) und
dem Panchen Lama.

Hierarchie bedeutet für mich auch Weisungsbefugnis. In wiefern
siehst du die von dir genannten gegenüber dem Dalai Lama als
weisungsbefugt ?

Hierarchie bedeutet nicht per se Weisungsbefugnis. Es gibt auch protokollarische Hierarchieen. In Deutschland z.B. steht der Bundeskanzler auch erst an vierter Stelle der Hierarchie (nach Bundespräsident, Bundestagspräsident und Bundesratspräsident), ohne dass er Weisungen unterworfen wäre.

Aber die tibetische Spielart ist für den Buddhismus
insgesamt nicht repräsentativ, auch wenn die Wahrnehmung in
den westlichen Medien da anders ist.

Der tibetische Buddhismus ist genau so repräsentativ für den
Buddhismus, wie andere Schulen auch.

Genau so viel, aber auch genau so wenig. Mir ging es bei meinem Ursprungsposting darum, den im Westen so stark verengten Blickwinkel (Buddhismus = tibetischer Buddhismus, der Dalai Lama als spiritueller Popstar) etwas zu weiten. Daher rührt ja auch das populäre Mißverständnis, der Dalai Lama sei so etwas wie der buddhistische Papst.

Man sollte allerdings nicht den Fehler machen, und bespielsweise
weltliche Angelegenheiten oder Fragen der Staatsführung mit denen
der buddhistischen Lehre in einen Topf werfen auch wenn des im
Fall des Dalai Lama als Bodhisattva ja quasi sein „Sinn“ ist, sich um
sein Volk, sein Land und alle Lebewesen zu kümmern.

Zum ersten Halbsatz meine uneingeschränkte Zustimmung. Wie sicher klar geworden ist, halte ich jedoch den zweiten Punkt für eine sehr problematische und sogar potentiell für den Dharma im Westen schädliche Konstruktion. Tibet und Dalai Lama haben momentan eine gute Presse. Das liegt allerdings unter anderem auch daran, dass über die soziale Wirklichkeit der tibetischen ‚Theokratie‘ vor 1950 im Westen nicht viel bekannt ist. Es handelte sich da keineswegs, wie gerne (auch durch Hollywood) suggeriert wird, um ein idyllisches, von weisen und abgeklärten Menschen bevölkertes Shangri-La, das durch bösartige kommunistische Horden überfallen und versklavt wurde. Von der himmelschreienden sozialen Rückständigkeit einmal abgesehen (um beispielhaft nur die weitverbreitete Leibeigenschaft zu nennen) war es auch ein Land mit einer Staatsreligion. Und Staatsreligion war nicht etwa der Buddhismus schlechthin, sondern es war der Buddhismus der Gelug-Sekte, die den Anspruch erhob, sich exklusiv „um sein Volk, sein Land und alle Lebewesen zu kümmern“. Alle anderen tibetischen Buddhisten (Nicht-Buddhisten sowieso) waren von der politischen Mitwirkung ausgeschlossen. Versteht sich, dass eine solche politische Ordnung mit militärischen Mitteln (z.B. mongolischen Truppen) und nicht unerheblichem Blutvergießen etabliert und aufrecht erhalten werden musste.

Ich will damit nichts rechtfertigen und auch nicht Opfer zu Tätern umdeklarieren - aber eine etwas differenziertere Sicht vermitteln. Vieles, was in westlichen Köpfen zu den Themen ‚Tibet‘ und ‚Dalai Lama‘ herumspukt, ist kaum mehr als Projektion einer verschwommenen Heile-Welt-Sehnsucht.

Diese Problematik hast du aber nicht nur in Tibet, sondern auch in
anderen buddhistischen Ländern Asiens. Ich gehe jedenfalls davon aus,
dass du die Ausprägungsformen der Militärdiktatur in Burma auch
nicht mit buddhistischer Lehre vermengst.

Richtig - wobei es in Burma allerdings mW auch keine Überschneidung von politischen und religiösen Ämtern bzw. eine Personalunion von politischer und religiöser Autorität gibt. Und ich halte auch - aktuelles Thema - die Einmischung von Mönchen in die Politik Sri Lankas (noch dazu mit deutlich nationalistischen Untertönen) für äußerst bedenklich und unheilsam. Entsprechend scharf wird sie auch in Sri Lanka selbst von Buddhisten kritisiert.

Namo Guan Shi Yin Pusa,
Ralf

Moin Ralf,

darf ich meinen Handschuh wiederhaben ? :smile:

Der Dalai Lama ist ein tibetischer
Exilpolitiker und war bis 1959 nominelles Haupt der Regierung
Tibets, des Kashag. Mit Buddhismus hat das herzlich wenig zu
tun.

Zur Klarstellung: ich habe nicht gesagt, der Dalai Lama hat
nichts mit Buddhismus zu tun, sondern tibetische
(Exil-)politik hat nichts mit Buddhismus zu tun.

hm…wer macht denn deiner Meinung nach tibetische (Exil)-politik ?
Der ganze alte tibetische Feudaladel wurde meines Wissens von den Chinesen umgebracht. Darüber hinaus sind mir keine im Ausland lebenden „weltlichen“ Tibeter bekannt, die irgend eine nennenswerte From der Exilpolitik betreiben. Die einzigen Tibeter, die hier eine nennenswerte Form der „Politik“ betreiben, sind die geflohenen tibetischen Mönche (bis hinauf zum Dalai Lama) und deren Arbeit erkenne ich zu 95% darin, die in der buddhistischen Welt einzigartige Form des tibetischen Buddhismus zu bewahren und sich um den nach wie vor nicht enden Strom der tibetischen Flüchtlinge zu kümmern. Somit hat das für mich sehr wohl etwas mit Buddhismus zutun. Ohne die unermüdliche Arbeit dieser Exiltibeter wäre die buddhistische Welt um eine sehr hoch kultivierte, reiche Form des Buddhismus ärmer, die nur außerhalb von Tibet überleben konnte.

Der Dalai Lama hat mit Buddhismus insofern etwas zutun, als dass
er als Verkörperung des Bodhisattva Avalokitesvara gilt.

Wie auch immer - ich habe nichts dagegen.
So lange man nicht verpflichtet ist, so etwas zu glauben …

Du kannst natürlich glauben was du willst, aber darum ging es nicht. Es ging hier darum, die Position des Dalai Lama in einem Buddhistischen Kontext zu erklären und da wäre es vermutlich wenig hilfreich gewesen zu sagen: Ich glaube der Dalai Lama ist ein netter alter Typ mit Brille :smile:

Für die Tibeter verkörpert der Dalai Lama tatsächlich Avalokitesvara,
wie er sich in unserer heutigen Welt manifestiert, also als ein Bodhisattva,
der real unter uns lebt. Die Tibeter haben das Empfinden, dass durch den
Dalai Lama das gesamte Tibet, ihre Tradition, ihr Leben in Kontakt mit
dem Transzendenten der buddhistischen Lehre ist. Daraus erklärt sich
auch die ungemeine Verehrung und Emotionalität vieler Tibeter gegenüber
dem Dalai Lama.

Das mag für viele oder sogar die meisten Tibeter durchaus
zutreffen.

Um etwas anderes ging es hier auch nicht.

Eine allgemein buddhistische Doktrin ist es
jedenfalls nicht.

Einverstanden. Hat hier auch niemand behauptet.

Avalokitesvara ist eine Personifikation
spiritueller Qualitäten, ist Mitgefühl und unterscheidende
Weisheit. Avalokitesvara manifestiert sich auf unzählige Arten

  • in jedem, der die Bodhisattva-Gelübde auf sich genommen hat.

Richtig, das entspricht auch der Vorstellungswelt des tibetischen Buddhismus.

Natürlich auch im Dalai Lama. Einen speziellen Menschen
allerdings als DIE Verkörperung von Avalokitesvara
anzusehen, halte ich schon für problematisch.

Der Dalai Lama wird nicht als die Verkörperung von Avalokitesvara angesehen, auch nicht in Tibet, hat hier auch niemand behauptet.

Und wenn nur aus
dem einen Grund, dass es gilt, die Qualitäten, für die
Avalokitesvara steht, in sich selbst freizulegen, anstatt sie
auf andere Menschen zu projizieren.

Verehren nicht auch die Zen-Buddhisten ihre Lehrer ohne „zu projizieren“ ? Ansonsten finde ich, hängst du die Latte ganz schön hoch :smile:

Wenn man dann noch in Betracht zieht, dass der Dalai Lama ja
gleichzeitig auch die Reinkarnation seiner Vorgänger sein
soll, dann wird es schon recht schwierig, das noch irgendwie
sinnvoll mit Buddhas Anatman-Lehre zu vereinbaren - wie
überhaupt das ganze Tulku-System. [Anmerkung: Tulku = ein
hochrangiger Mönch, der als Reinkarnation seines
Amtsvorgängers betrachtet wird. Es gibt ca. 500 Tulkus, wobei
der Dalai Lama der bekannteste ist.]
Ein ‚Tulku‘ scheint
mir mit dem hinduistischen Konzept des Avatar sehr viel mehr
gemein zu haben als mit dem Buddhadharma.

Dann sei hier die Frage gestattet, in wieweit du dich mit der tibetischen Tulku-Vorstellung auseinandergesetzt hast. Ich nehme an, dir sind das tibetische Totenbuch und die darin beschriebenen karmischen Vorgänge bekannt. Es wird im tibetischen Buddhismus oft genug darauf hingewiesen, dass es nichts im Sinne von Person, Seele oder irgend etwas Beständigem gibt, was reinkarniert wird. Dies entspricht buddhistischer Lehre im Gegensatz zum Hinduismus. Dies ist auch kein Gegensatz zur Tulku-Vorstellung. Ein Tulku ist jemand, der Verwirklichung erlangt hat, für ihn spielen die Gesetze des Karma keine Rolle mehr, er hat sie gemeistert (statt dass er ihnen unterworfen ist). Bei einer Reinkarnation eines Tulku setzt sich aber nicht die selbse Persönlichkeit fort. Was weitergegeben wird, ist etwas, was man vielleicht als „Talent“ oder „Fähigkeit“ beschreiben könnte. So inkarniert sich (u.a.) im Dalai Lama die „Fähigkeit“ des Avalokiteschvara, also das unendliche Mitgefühl. In einem Tulku sind jedoch lediglich diese Anlagen vorhanden, die geweckt und kultiviert werden müssen. Ein Tulku muss sich erst beweisen. Fällt er durch, war er wohl keiner :smile: Und wie du weißt, sind ja auch in der Vergangenheit längst nicht alle designierten Dalai Lamas ihrer Rolle gerecht geworden. Manche haben es nicht mal bis zur Thronbesteigung geschafft (unter anderem auch, weil man sie vorher dahingemeuchelt hat). Nur, was solls, die Tibeter sind nicht sonderlich dogmatisch :smile:

Wenn man sich die Geschichte Tibets und speziell der Dalai
Lamas seit dem späten 16. Jahrhundert (älter ist diese
Institution ja nicht) anschaut, dann wird der machtpolitische
Hintergrund solch frommer Legenden nur allzu deutlich.
Religiöse Überhöhung als Herrschaftssicherung, das altbekannte
Rezept.

Naja, da hat man sich aber ein ziemlich miserables System ausgedacht, wenn es dazu dienen sollte, einen machtpolitischen Hintergrund zu erfüllen. Der Knackpunkt an diesem System ist nämlich, dass vom Tod des einen Dalai Lama bis zur Einsetzung des nächsten Dalai Lama mindestens 16-20 Jahre vergehen. In dieser Lücke hattest du jedes Mal eine Art Machtvakuum, das von Regenten, Panchen Lamas oder wem auch immer ausgefüllt wurde, der es geschafft hat, sich hochzuspielen. Zudem konnten dadurch keinerlei Dynastien gefestigt werden, wie es beispielsweise in anderen Ländern der Fall war. Kein Mensch konnte wissen, wo der nächste Dalai Lama auftauchen würde. Es konnte in deinem Nachbarhaus sein, in irgend einer adeligen Familie, bei rückständigen Nomaden oder wo auch immer. Mir ist zumindest kein Fall bekannt, dass der Dalai Lama zweimal hintereinander aus der gleichen Familie gekommen wäre. Was willst du da also machtpolitisch absichern ?

Ich denke, man tut dem Dharma im Westen keinen guten

Dienst, wenn man solch fragwürdige Lehren (oder sagen wir
vorsichtig ‚nationale Eigentümlichkeiten‘) kritiklos
übernimmt, zumal sie der im Westen bei Nicht-Buddhisten häufig
so verzerrten Auffassung von ‚Buddhismus‘ (speziell was das
Thema Reinkarnation angeht) Vorschub leisten.

Da geb ich dir Recht. Aber ich finde, man tut dem tibetischen Buddhismus unrecht, wenn man ihn in der Weise kritisiert, wie du es hier machst. Die verzerrten Auffassungen von Buddhismus sind Folge von mangelnder fundierter Auseinandersetzung mit dem Buddhismus. Und dies gilt insbesondere auch für den tibetischen Buddhismus.

Wohlgemerkt - ich halte die ‚Tulku‘-Doktrin (die man ja in
anderen Schulen auch nicht findet) für unbuddhistisch und für
eine durch den Hinduismus inspirierte und machtpolitisch
motivierte Zutat.

Jetzt immer noch ? Wenn ja, möchte ich dich bitten, dies zu begründen, falls möglich mit Verweis auf Literatur des tibetischen Buddhismus, in der die Tulku-Vorstellung erläutert wird.

Es war durchaus nicht beleidigend gemeint. Ich halte diesen
freundlichen älteren Herren für einen durchaus fähigen,
verantwortungsvollen und vernünftigen Exilpolitiker und auch
für jemanden, der spirituell außerordentlich gereift ist.
Trotzdem ist er nicht - wie behauptet - „Führer der
tibetischen Buddhisten“. Das trifft weder in politischer noch
in spiritueller Hinsicht in dieser Ausschließlichkeit zu.

Da werden sowohl ich, wie vermutlich auch der Dalai Lama selbst dir zustimmen. Ich wüsste zumindest nicht, wo sich der Dalai Lama selbst als solchen bezeichnet hätte. Und dass andere Leute dummes Zeug quatschen, kannst du dem Dalai Lama nicht anhängen.

Ohne dies nun speziell
dem Dalai Lama anlasten zu wollen, so besteht doch bei vielen
Tibetern und ihren wohlmeinenden westlichen Unterstützern die
Tendenz, beides mehr oder weniger bewusst miteinander zu
vermengen und den Buddhismus als Sympathieträger, als Mittel
für Zwecke tibetischer Exilpolitik, in Beschlag zu nehmen und
zu instrumentalisieren.

In wiefern ? Kannst du Beispiele, für diese „Zwecke der tibetischen Exilpolitik“ nennen ?

Dabei ist der Dalai Lama das
öffentlichkeitswirksame Aushängeschild. Ich für meinen Teil
halte es nicht für heilsam, wenn man versucht, Menschen über
den Dharma für einen politischen Kampf zu rekrutieren.

Für welche politischen Kampf ? Und wie werden da deiner Meinung nach Menschen über den Dharma rekrutiert ? Ich versteh hier wirklich nicht, was du meinst.

Übrigens steht der
Dalai Lama in seiner eigenen Sekte erst an vierter Stelle der
Hierarchie - nach den Leitern der Klosteruniversitäten Gaden
und Sera (die allerdings nicht auf Lebenszeit amtieren) und
dem Panchen Lama.

Hierarchie bedeutet für mich auch Weisungsbefugnis. In wiefern
siehst du die von dir genannten gegenüber dem Dalai Lama als
weisungsbefugt ?

Hierarchie bedeutet nicht per se Weisungsbefugnis. Es gibt
auch protokollarische Hierarchieen.

Ok, in wiefern also protokollarische Hierarchieen ? Und mit welchen machtpolitischen Auswirkungen ? Übrigens wusste ich nicht, dass es überhaupt noch Leiter der Kloseruniversitäten von Gaden und Sera gibt. Ganden wurde von den Chinesen komplett zerstört, von Sera gibt es noch ein paar Überreste, in denen ein paar Mönche leben. Wohl nichts, was man noch eine „Universität“ nennen könnte.

Der tibetische Buddhismus ist genau so repräsentativ für den
Buddhismus, wie andere Schulen auch.

Genau so viel, aber auch genau so wenig. Mir ging es bei
meinem Ursprungsposting darum, den im Westen so stark
verengten Blickwinkel (Buddhismus = tibetischer Buddhismus,
der Dalai Lama als spiritueller Popstar) etwas zu weiten.
Daher rührt ja auch das populäre Mißverständnis, der Dalai
Lama sei so etwas wie der buddhistische Papst.

Ja, und dafür gibt es ja unter anderem z.B. dieses Brett, damit Leute wie wir mit unserem Fachwissen dafür sorgen können, das mit diesen Missverständnissen aufgeräumt wird, und das, ohne möglichst neue zu erzeugen :smile:

Man sollte allerdings nicht den Fehler machen, und bespielsweise
weltliche Angelegenheiten oder Fragen der Staatsführung mit denen
der buddhistischen Lehre in einen Topf werfen auch wenn des im
Fall des Dalai Lama als Bodhisattva ja quasi sein „Sinn“ ist, sich um
sein Volk, sein Land und alle Lebewesen zu kümmern.

Zum ersten Halbsatz meine uneingeschränkte Zustimmung. Wie
sicher klar geworden ist, halte ich jedoch den zweiten Punkt
für eine sehr problematische und sogar potentiell für den
Dharma im Westen schädliche Konstruktion. Tibet und Dalai Lama
haben momentan eine gute Presse.

Und wem nützt das was ?
Wenn der Dalai Lama in D weilt, dann traut sich kein führender Politiker, ihn zu empfangen, weil es sich niemand mit den Chinesen verscherzen will.

Das liegt allerdings unter
anderem auch daran, dass über die soziale Wirklichkeit der
tibetischen ‚Theokratie‘ vor 1950 im Westen nicht viel bekannt
ist.

Nein, das liegt IMHO daran, dass der Dalai Lama in den Jahrzehnten seines Wirkens uns seines unermüdlichen Einsatzes für den Frieden und alle Lebewesen sich einen weltweiten Respekt und eine Anerkennung erworben hat, die weit über die buddhistische Welt hinaus gehen.

Es handelte sich da keineswegs, wie gerne (auch durch
Hollywood) suggeriert wird, um ein idyllisches, von weisen und
abgeklärten Menschen bevölkertes Shangri-La, das durch
bösartige kommunistische Horden überfallen und versklavt
wurde.

Nein, es handelte sich um ein nach unseren Maßstäben reichlich rückständies Feudalsystem mit einer spirituellen Bildung auf einem schier unglaublichen Niveau, das von der Armme des kommunistischen China überfallen wurden, die im Zuge dieses Überalls für den Tod von Hundertausenden Tibetern (entweder durch Massaker oder Hungersnöte) verantwortlich sind und ein buddhistischen Bildungssystem inklusive der dazugehörigen Bibliotheken zerstört haben, das auf der Welt nicht seinesgleichen hatte und woran gemessen der Brand der Bibliothek von Alexandria ein niedliches kleines Feuerchen war.

Ich bedauer nicht den Verlust der goldenen Buddhastatuen Ralf, aber ich weine um die Bibliotheken von Sera und Ganden.

Ansonsten geb ich dir völlig recht, so hoch entwickelt die Religion in Tibet war, so destaströs war die Staatspolitik. Dass es der nomale tibetische Michel unter den Chinesen leichter hat, wage ich aber arg zu bezweifeln. Nicht abreißende Flüchtlingsströme aus Tibet sprechen da jedenfalls eine andere Sprache.

Ich will damit nichts rechtfertigen und auch nicht Opfer zu
Tätern umdeklarieren - aber eine etwas differenziertere Sicht
vermitteln. Vieles, was in westlichen Köpfen zu den Themen
‚Tibet‘ und ‚Dalai Lama‘ herumspukt, ist kaum mehr als
Projektion einer verschwommenen Heile-Welt-Sehnsucht.

Einverstanden.

Richtig - wobei es in Burma allerdings mW auch keine
Überschneidung von politischen und religiösen Ämtern bzw. eine
Personalunion von politischer und religiöser Autorität gibt.
Und ich halte auch - aktuelles Thema - die Einmischung von
Mönchen in die Politik Sri Lankas (noch dazu mit deutlich
nationalistischen Untertönen) für äußerst bedenklich und
unheilsam. Entsprechend scharf wird sie auch in Sri Lanka
selbst von Buddhisten kritisiert.

Tja, das ist nun wieder ein ganz anderes Thema, in wieweit sich Buddhisten (und insbesonere Ordinierte) politisch betätigen sollten. Vielleicht stellt sich hier die Situation für einen Teravadin (Sri Lanka) auch noch anders dar, als für einen Mahayana-Buddhisten. Wie war das weiter oben mit Alvalokitesvara und den Bodhisattva-Gelübten ?

Namo Guan Shi Yin Pusa,
-)

Om Tare Tuttare Ture Svaha.
Marion

Namnd Marion,

darf ich meinen Handschuh wiederhaben ? :smile:

Aber sicher doch. Ich sammle sowas nicht (zumindest bewahre ich sie nicht auf) :wink:

hm…wer macht denn deiner Meinung nach tibetische
(Exil)-politik ?

Nun, vor allem die Assembly of Tibetan People’s Deputies (ATPD). 46 Delegierte, dabei sind jeweils zwei von den vier großen buddhistischen Sekten und der Bön-Sekte nominiert. Drei werden vom Dalai Lama nach Gutdünken ernannt. Der Rest wird gewählt; wahlberechtigt ist jeder Tibeter über 25 Jahre, wobei dieses Recht natürlich nur Exilanten wahrnehmen können. Dann der Nachfolger des Kashag, die Central Tibetan Administration (CTA) und die Supreme Justice Commission (SJC). Klassische Gewaltenteilung, allerdings mit einer institutionell verankerten sehr deutlichen Führungsrolle des Dalai Lama. Erinnert (mich zumindest) ein wenig an eine konstitutionelle Monarchie.

Zur Klarstellung: ich habe nicht gesagt, der Dalai Lama hat
nichts mit Buddhismus zu tun, sondern tibetische
(Exil-)politik hat nichts mit Buddhismus zu tun.

Also eine weitere Klarstellung: ich habe nicht gesagt, der Dalai Lama hat nichts mit Politik zu tun (ich habe ihn im Gegenteil einen „Exilpolitiker“ genannt). Aber ich frage mich, was tibetische Exilpolitik mit Buddhismus hat. Die Verbindung ist ja wohl nur eine indirekte - eben über den Dalai Lama. Macht das diese Politik ‚buddhistisch‘? Und wenn, was ist dann das spezifisch ‚buddhistische‘ daran im Vergleich zu - sagen wir - kurdischer Exilpolitik? Die Gewaltfreiheit? Bevor Präsident Nixon 1972 Beijing besuchte und sich die politische Großwetterlage änderte, sah das ja auch etwas anders aus. Danach beendeten die USA den Stellvertreterkrieg, die CIA zahlte keine Subsidien mehr und bildete keine Khampa mehr aus. Der Dalai Lama forderte per Tonbandbotschaft die Khampa in Mustang (ca. 6000 Guerillakämpfer, in chinesischer Diktion ‚Terroristen‘) auf, die Waffen niederzulegen. Die Wenigen, die sich weigerten, wurden dann von der nepalesischen Armee massakriert, ohne Deckung durch die USA konnte Nepal keinen Konflikt mit China riskieren. Auf den Kleinkrieg folgte - durchaus begrüßenswert - eine noch immer anhaltende politische Offensive des Lächelns. Ich habe wohl schon erwähnt, dass der Dalai Lama für diese Art Politik meine Hochachtung und meinen Respekt besitzt. Trotzdem darf man sich durchaus fragen, ob das Lob des Friedensstifters nicht eher Nixon als ihm zukommt. O.K. - das war jetzt bewusst provokant; im Unterschied zum Dalai Lama unterstelle ich Nixon nun wirklich keine humanitären Motive.

Der ganze alte tibetische Feudaladel wurde meines Wissens von
den Chinesen umgebracht. Darüber hinaus sind mir keine im
Ausland lebenden „weltlichen“ Tibeter bekannt, die irgend eine
nennenswerte From der Exilpolitik betreiben.

Aber wie ist der Strategiewechsel 1972 zu erklären? Hatte sich der Dalai Lama unter dem Druck der Lage zum Pazifisten gewandelt? Oder hat sich eine pazifistische Fraktion gegen eine militante durchgesetzt (ich neige eher zu dieser Annahme)? Wenn Letzteres, was ist aus der militanten Fraktion geworden? Und welche Rolle spielen oder spielten dort ordinierte Mönche?

Mehr als an einer Antwort auf diese Fragen bin ich allerdings an dem grundsätzlichen Problem interessiert, das hier sichtbar wird - dem Verhältnis von buddhistischen Amts- und Würdenträgern zur staatlichen (‚legitimen‘) Gewalt. Ich will hier keine Tibetpolitik diskutieren, dafür wäre es das falsche Brett. Mich interessiert die Vereinbarkeit von buddhistischem Lehramt und politischer Gewalt. Lassen wir den 14. Dalai Lama mal beiseite - fassen wir die 13 Vorgänger ins Auge (o.k., dass man Nr. 1 und 2 sowie meinen Lieblings-Dalai-Lama Nr. 6 nicht so ganz mitrechnen darf, weiss ich …). Also Avalokitesvara als Politiker und Staatsoberhaupt, nicht als machtloser Exilpolitiker. Als jemand, der Truppen befehligt und sie in den Kampf schickt, über Hinrichtungen oder Inhaftierungen von Kriminellen und natürlich auch von politischen Gegnern entscheidet. Sicherlich oft genug nur nominell, als Marionette - aber beileibe nicht immer. Mich erinnert das sehr fatal an parallele Entwicklungen in der europäischen Geschichte, an den Kirchenstaat. Mit allem häßlichen Drum und Dran.

Einmal eine sehr ketzerische Überlegung: was wäre, wenn sich der tibetische Klerus glaubhaft und vollständig aus der Politik zurückzöge? Sicher, die tibetische Exilregierung würde weitgehend aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwinden und könnte etwa mit iranischen Exilanten um die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit konkurrieren. Aber das chinesische Regime sähe durch tibetische Buddhisten nicht mehr automatisch die Machtfrage gestellt. Ist es denkbar, dass dies das Beste wäre, was den Buddhisten und dem Buddhismus in Tibet passieren könnte?

Du kannst natürlich glauben was du willst, aber darum ging es
nicht. Es ging hier darum, die Position des Dalai Lama in
einem Buddhistischen Kontext zu erklären und da wäre es
vermutlich wenig hilfreich gewesen zu sagen: Ich glaube
der Dalai Lama ist ein netter alter Typ mit Brille :smile:

Das war schon klar. Nur wie gesagt - Avalokitesvara als Politiker halte ich für einen Irrweg, und ich denke, die Geschichte beweist es. Das einzig Positive, was der tibetische Kirchenstaat bewirkt hat, ist sein eigener Zusammenbruch - weil dadurch viele fähige Dharma-Lehrer in den Westen gekommen sind, als der Westen reif für sie war.

Kommen wir zum Thema Tulkus.

Dann sei hier die Frage gestattet, in wieweit du dich mit der
tibetischen Tulku-Vorstellung auseinandergesetzt hast.

Nicht sehr tiefgehend. Wie Du weißt, komme ich aus einer anderen Schule, und ‚Tulkus‘ sind ein speziell tibetisches Thema. Speziell tibetisch insofern, als die Tulku-Doktrin als ein sehr spätes Anhängsel des Mahayana bzw. Vajrayana entstand (daher hatte ich mir auch erlaubt, sie als „verzichtbar“ bzw. „überflüssig“ zu bezeichnen). Meines Wissens entstand sie erst mit der ‚Auffindung‘ des dritten Karmapa (1284-1339); gelegentlich wird auch der 2. Karmapa (1204-1283) als erster Tulku genannt. Ich kenne mich also mit den Feinheiten dieser Doktrin wie gesagt nicht sonderlich aus, doch wird mW zu ihrer Erklärung in der Regel die Trikaya- (Dreikörper-)Lehre bemüht. Die Interpretation der Trikaya-Lehre in meiner Tradition weicht offensichtlich stark von der tibetischen ab. Jedenfalls kann ich persönlich vermittels der Trikaya-Lehre nicht den Widerspruch zwischen kontinuierlichen ‚Existenzlinien‘ und den lakshana (Seinsmerkmalen) anitya und anatman (Unbeständigkeit und Wesenslosigkeit) auflösen. Womöglich ist das ein zu speziell buddhologisches Problem, um es hier zu diskutieren. Ich denke, wir können uns damit begnügen, hier unterschiedliche Standpunkte zu konstatieren. Bekanntlich hat selbst Shakyamuni Spekulationen über Reinkarnation als fruchtlos verworfen …

Wenn man sich die Geschichte Tibets und speziell der Dalai
Lamas seit dem späten 16. Jahrhundert (älter ist diese
Institution ja nicht) anschaut, dann wird der machtpolitische
Hintergrund solch frommer Legenden nur allzu deutlich.
Religiöse Überhöhung als Herrschaftssicherung, das altbekannte
Rezept.

Naja, da hat man sich aber ein ziemlich miserables System
ausgedacht, wenn es dazu dienen sollte, einen machtpolitischen
Hintergrund zu erfüllen. Der Knackpunkt an diesem System ist
nämlich, dass vom Tod des einen Dalai Lama bis zur Einsetzung
des nächsten Dalai Lama mindestens 16-20 Jahre vergehen.

Der Knackpunkt ist der, dass dieses System Kontinuität sichert. Der Dalai Lama ist tot, aber sein ‚Kabinett‘, sein Mitbeiterstab, seine Berater behalten die Macht in Händen und erziehen ein Kind in ihrem Sinne. Ein erwachsener Nachfolger würde seine eigenen Günstlinge einsetzen und die alte Clique nach Möglichkeit entmachten. Ein Mechanismus, der sich in jeder absoluten Monarchie beobachten lässt. Unmündige Thronfolger waren schon immer die beste Garantie für die Bewahrung bestehender Verhältnisse. 1959 allerdings hatte diese Politik endgültig versagt.

Übrigens gibt es auch aus den Reihen tibetischer Dharma-Lehrer Kritik am Tulku-System. Ein Korrespondenzpartner von mir nennt da als Beispiel seinen eigenen Lehrer Dagyab Kyabgön Rinpoche - selbst ein hochrangiger Tulku. Er hat mir etwas Material dazu angeboten, werde mich da noch etwas einlesen.

Übrigens wusste ich
nicht, dass es überhaupt noch Leiter der Kloseruniversitäten
von Gaden und Sera gibt. Ganden wurde von den Chinesen
komplett zerstört, von Sera gibt es noch ein paar Überreste,
in denen ein paar Mönche leben. Wohl nichts, was man noch eine
„Universität“ nennen könnte.

Ganden wird z.Z. in Mundgod im indischen Bundesstaat Karnataka wieder aufgebaut. Der ‚Posten‘ des Ganden Tripa, des höchsten Repräsentanten der Gelug-Tradition, blieb von der Zerstörung 1959 unberührt. Das zum Sera-Kloster gehörende Mé-College hat noch ca. 125 Mönche (vor 1959 3000-5000). Außerdem gibt es seit 1970 in Byalakuppe (ebenfalls in Karnataka) eine Neugründung.

Freundliche Grüße,
Ralf

Moin Ralf

darf ich meinen Handschuh wiederhaben ? :smile:

Aber sicher doch. Ich sammle sowas nicht (zumindest bewahre
ich sie nicht auf) :wink:

Passt er ? :smile:

Administration
(CTA) und die Supreme Justice Commission (SJC). Klassische
Gewaltenteilung, allerdings mit einer institutionell
verankerten sehr deutlichen Führungsrolle des Dalai
Lama. Erinnert (mich zumindest) ein wenig an eine
konstitutionelle Monarchie.

Mich erinnert das ein wenig an einen Schützenverein. Welche „Gewalt“ hat denn dieser ATPD ? Ich hab jedenfalls ehrlich gesagt noch nie was bemerkenswertes von diesen Leuten vernommen.

Also eine weitere Klarstellung: ich habe nicht gesagt, der
Dalai Lama hat nichts mit Politik zu tun (ich habe ihn im
Gegenteil einen „Exilpolitiker“ genannt). Aber ich frage mich,
was tibetische Exilpolitik mit Buddhismus hat.

Nun ja, das hab ich dich auch gefragt :smile:
Du warst schließlich derjenige, der tibetische Exilpolitik in diese Diskussion reingebracht hat.

Die Verbindung
ist ja wohl nur eine indirekte - eben über den Dalai Lama.
Macht das diese Politik ‚buddhistisch‘?

Gibt es eine buddhistische Art und Weise, den Garten zu haken ? Ja und nein. Mich wundert, dass diese Anmerkungen von einem Zen-Buddhisten kommen :smile:

Und wenn, was ist dann
das spezifisch ‚buddhistische‘ daran im Vergleich zu - sagen
wir - kurdischer Exilpolitik?

Dazu müsste man sich die tibetische Exilpolitik im einzelnen Anschauen und vergleichen, in wiefern diese (bzw. eben einzelen Bestandteile davon) in Übereinstimmung mit der buddhistischen Lehre stehen. Das scheint mir eine recht aufwendige Frage zu sein, aber warum nicht. Dazu muss man die tibetische Exilpolitik aber erstmal im einzelnen kennen. Ich frag mich allerdings ein wenig nach dem Sinn dieses Unterfangens. Was bringt es dir, wenn du letztendlich sagen kannst, diese politische Maßnahme ist in Übereinstimmung mit der buddhistischen Lehre, jene aber nicht ?

Der ganze alte tibetische Feudaladel wurde meines Wissens von
den Chinesen umgebracht. Darüber hinaus sind mir keine im
Ausland lebenden „weltlichen“ Tibeter bekannt, die irgend eine
nennenswerte From der Exilpolitik betreiben.

Aber wie ist der Strategiewechsel 1972 zu erklären? Hatte sich
der Dalai Lama unter dem Druck der Lage zum Pazifisten
gewandelt? Oder hat sich eine pazifistische Fraktion gegen
eine militante durchgesetzt (ich neige eher zu dieser
Annahme)? Wenn Letzteres, was ist aus der militanten Fraktion
geworden? Und welche Rolle spielen oder spielten dort
ordinierte Mönche?

Wie wäre es, wenn wir dies im Brett Auslandspolitik oder Geschichte weiterdiskutieren ? Ich sehe hier nicht mehr den Zusammenhang zum Brett „Religion“ und finde, allein die Anzahl der von dir angesprochenen Aspekte, macht den thread hier sehr schwierig zu handhaben.

Mehr als an einer Antwort auf diese Fragen bin ich allerdings
an dem grundsätzlichen Problem interessiert, das hier sichtbar
wird - dem Verhältnis von buddhistischen Amts- und
Würdenträgern zur staatlichen (‚legitimen‘) Gewalt.

Ich nehme an, es ist das gleiche Verhältnis wie das eines Zen-Meisters zum Haken seines Gartens.

Ich will
hier keine Tibetpolitik diskutieren, dafür wäre es das falsche
Brett. Mich interessiert die Vereinbarkeit von buddhistischem
Lehramt und politischer Gewalt.

Wo siehst du hier Unvereinbarkeiten ?
Im übrigen war es auch im „alten“ Tibet selten so, dass sich diese beiden Aufgabenbereiche überschnitten, allein schon deshalb, weil „weltliche“ Anforderungen den Leuten gar keine Zeit ließ, nebenher noch ein „Lehramt“ auszuüben oder umgekehrt.

Also
Avalokitesvara als Politiker und Staatsoberhaupt, nicht als
machtloser Exilpolitiker.

??? Avalokitesvara ist ein buddhistischer Aspekt , ein Symbol wenn du so willst, aber sicher keine Person , die irgendwas machen oder befehligen kann.

Mich
erinnert das sehr fatal an parallele Entwicklungen in der
europäischen Geschichte, an den Kirchenstaat. Mit allem
häßlichen Drum und Dran.

Wenn du hier Parallelen siehst, dann erklärt das zumindest für mich deine bisher doch etwas aggressiv ablehnend erscheinende Haltung gegenüber dem tibetischen Buddhismus. Nur, ehrlich gesagt, ich sehe diese Parallelen nicht. Bist du sicher, dass du genug über die „alte“ tibetische Gesellschaft und den tibetischen Buddhismus weißt, um zu einem entsprechenden Urteil zu kommen ?

Einmal eine sehr ketzerische Überlegung: was wäre, wenn sich
der tibetische Klerus glaubhaft und vollständig aus der
Politik zurückzöge?

Was verstehst du unter tibetischem Klerus ? Jeden, der die Ausbildung bis zum Geshe durchlaufen hat und monastisch lebt ? Falls ja, wäre deine Frage vergleichbar mit der Frage: was wäre, wenn sich Menschen mit Promotion und Doktortitel glaubhaft und vollständig aus der Politik zurückzögen ? Macht das Sinn ? Wenn ja, welchen ?

Sicher, die tibetische Exilregierung würde
weitgehend aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwinden und
könnte etwa mit iranischen Exilanten um die Aufmerksamkeit der
Weltöffentlichkeit konkurrieren. Aber das chinesische Regime
sähe durch tibetische Buddhisten nicht mehr automatisch die
Machtfrage gestellt. Ist es denkbar, dass dies das Beste wäre,
was den Buddhisten und dem Buddhismus in Tibet passieren
könnte?

Nicht der Dalai Lama ist eine Gefahr für die Chinesen, sondern der tibetische Buddhismus. Das beste, was einem Tibeter in Tibet passieren kann ist, kein Buddhist mehr zu sein. Nur dies entscheidet weder der Dalai Lama, noch die Chinesen, sondern jeder einzelne Tibeter ganz allein für sich.

Das einzig Positive, was der tibetische
Kirchenstaat bewirkt hat, ist sein eigener Zusammenbruch -
weil dadurch viele fähige Dharma-Lehrer in den Westen gekommen
sind, als der Westen reif für sie war.

Du meinst, wir sollten den Chinesen dankbar dafür sein, dass sie Tibet überfallen, hunderttausende von Tibetern massakriert, fast die gesamte tibetische Kultur ausgerottet und zerstört und hunderttausende in die Flucht geschalgen haben, weil wir im Westen so auch ein paar gute Dharma-Lehrer abbekommen haben ? Sorry, ich finde diese Einstellung reichlich zynisch.

Dann sei hier die Frage gestattet, in wieweit du dich mit der
tibetischen Tulku-Vorstellung auseinandergesetzt hast.

Nicht sehr tiefgehend. Wie Du weißt, komme ich aus einer
anderen Schule, und ‚Tulkus‘ sind ein speziell tibetisches
Thema. Speziell tibetisch insofern, als die Tulku-Doktrin als
ein sehr spätes Anhängsel des Mahayana bzw. Vajrayana entstand

Das ist nicht richtig.
Einen kleinen link zum Thema Tulkus, den ich auf die Schnelle im Netz gefunden hab, hab ich dir hier angehängt: http://www.wisdom-books.com/FocusDetail.asp?FocusRef=11

(daher hatte ich mir auch erlaubt, sie als „verzichtbar“ bzw.
„überflüssig“ zu bezeichnen).

Ach Ralf, ich gehe davon aus, dass einem tibetischen Buddhisten der Zen-Buddhismus genau so unverständlich erscheinen mag und er sicher auch viel darin findet, was er als „verzichtbar“ ansieht. Aber das ist nicht die Ebene der Kommunikation zwischen unterschiedlichen buddhistischen Schulen, die ich mir wünsche. Wie wäre es, wenn wir statt nach „Verzichtbarem“ lieber nach Aspekten suchen würde, wo die unterschiedlichen Schulen voneinander lernen könnten ?

Ich kenne mich also mit den Feinheiten dieser
Doktrin wie gesagt nicht sonderlich aus, doch wird mW zu ihrer
Erklärung in der Regel die Trikaya- (Dreikörper-)Lehre bemüht.
Die Interpretation der Trikaya-Lehre in meiner Tradition
weicht offensichtlich stark von der tibetischen ab.

In wiefern ?

Jedenfalls
kann ich persönlich vermittels der Trikaya-Lehre nicht den
Widerspruch zwischen kontinuierlichen ‚Existenzlinien‘ und den
lakshana (Seinsmerkmalen) anitya und anatman (Unbeständigkeit
und Wesenslosigkeit) auflösen.

Musst du auch nicht, da es diese kontinuierlichen „Exisxtenzlinien“ auch beim Tulku-Konzept nicht gibt. Sogyal Rinpoche hat es mal so ausgedrückt, dass man sich das Tulku-Konzept nicht wie eine Perlenkette vorstellen sollte, wo sich die Perlen auf einer Schnur (welche wohl dieser von dir angesprochenen Existenzlinie entsprechen) aneinanderreihen (und diese Vorstellung wäre in der Tat mehr hinduistisch, als buddhistisch), sondern eher wie einen Turm aus individuellen Würfeln, die aufeinander stehen.

Bekanntlich hat
selbst Shakyamuni Spekulationen über Reinkarnation als
fruchtlos verworfen …

Mag sein, aber er hat sich ziemlich deutlich zu anatman geäußert und witziger Weise finde ich die beiden buddhistischen Schulen, die auf diesen Aspekt das größte Schwergewicht setzen und in ihrer Praxis am höchsten verfeinert haben, ausgerechnet den tibetischen Buddhismus und den Zen-Buddhismus. Um hier den Bogen spannen zu können, möchte ich dir das Buch „ZEN“ von Chung-Yuan Chang, ISBN: 3810503665 Buch anschauen empfehlen, der mit seinen Erläutereungen im Wesentlichen zum chinesischen Buddhismus hier das Bindeglied zwischen tibetischem Buddhismus und japanischem Zen-Buddhismus schafft.

Naja, da hat man sich aber ein ziemlich miserables System
ausgedacht, wenn es dazu dienen sollte, einen machtpolitischen
Hintergrund zu erfüllen. Der Knackpunkt an diesem System ist
nämlich, dass vom Tod des einen Dalai Lama bis zur Einsetzung
des nächsten Dalai Lama mindestens 16-20 Jahre vergehen.

Der Knackpunkt ist der, dass dieses System Kontinuität
sichert. Der Dalai Lama ist tot, aber sein ‚Kabinett‘, sein
Mitbeiterstab, seine Berater behalten die Macht in Händen…

hm… du meinst also, wenn unser Bundes-Schröder morgen das zeitliche segnet, und mit einer Reinkarnation gerechnet wird, die in ca. 20 Jahren wieder die Regierungsgeschäft übernehmen kann, dann sichert das Kontinuität ? Ich wage da mal berechtigte Zweifel anzubringen, zumal es sich in 20 Jahren bei dem jetzigen Kabinett um ziemliche Greise handeln dürfte, sofern sie überhaupt noch am Leben sind. Aber vielleicht klappt es ja, wenn wir die Opposition, allen voran Stäuber und Merkel so lange in einem buddhistischen Kloster parken *fg*.

Übrigens gibt es auch aus den Reihen tibetischer Dharma-Lehrer
Kritik am Tulku-System. Ein Korrespondenzpartner von mir nennt
da als Beispiel seinen eigenen Lehrer Dagyab Kyabgön Rinpoche

  • selbst ein hochrangiger Tulku.

Natürlich, warum sollten tibetische Buddhisten das Tulku-System nicht kritisieren ? Nach meiner Erfahrung zeichnet sich der tibetische Buddhismus durch ein hohes Maß an Selbstreflektion und eigener Kritikfähigkeit aus. Die meisten sogenanten Tulkus werden nach einem Losverfahren eingesetzt. Na und ? Ein Lehrer ist ein Lehrer, wenn er Schüler hat, nicht wenn er sich Tulku nennt. Ich glaube, die Tibeter selbst sehen das wesentlich gelassener, als du vielleicht denkst :smile:

Ganden wird z.Z. in Mundgod im indischen Bundesstaat Karnataka
wieder aufgebaut. Der ‚Posten‘ des Ganden Tripa, des höchsten
Repräsentanten der Gelug-Tradition, blieb von der Zerstörung
1959 unberührt. Das zum Sera-Kloster gehörende Mé-College hat
noch ca. 125 Mönche (vor 1959 3000-5000). Außerdem gibt es
seit 1970 in Byalakuppe (ebenfalls in Karnataka) eine
Neugründung.

Eben. Im Vergleich zur Hochblüte der tibetischen Kultur ist das reichlich traurig. Aber ich bin froh um wenigstens das , und ohne den Einsatz der Exiltibeter gäbe es vermutlich nicht mal das.

Lieben Gruß
Marion

Fundstück
In seinem „Handbuch des Buddhismus“, S.340-346, schreibt H. W. Schumann über Tulkus und zitiert dort Lharampa Samdhong Rinpoche (Vorsitzende der tibet. Exilregierung) aus einem Vortrag 1994 an der Uni Bonn:

„… die Tulku-Praxis weise innere Unstimmigkeiten auf und gehe mit der
Lehre des Buddha allenfalls konform auf der Basis der Bodhisattva-Lehre.
… Es sei Zeit, die Tulku-Praxis nicht weiterzuführen, sondern sie als
historisches und zeitfremd gewordenes Phänomen dem ´Religionsmuseum´
einzuordnen.“

Moin,

„… die Tulku-Praxis weise innere Unstimmigkeiten auf und
gehe mit der
Lehre des Buddha allenfalls konform auf der Basis der
Bodhisattva-Lehre.
… Es sei Zeit, die Tulku-Praxis nicht weiterzuführen,
sondern sie als
historisches und zeitfremd gewordenes Phänomen dem
´Religionsmuseum´
einzuordnen.“

Schön, wenn die tibetischen Buddhisten die Tulku-Praxis aufgeben wollten, soll mir das recht sein. Ich hab da persönlich keine Aktien drin. Ich würde es sogar befürworten, da die meisten Tulkus heutzutage aus politischen Gründen von den Chinesen ernannt werden. Das hat mir Buddhismus nun überhaupt gar nichts mehr zutun. Das ändert aber nichts daran, in wiefern man das Tulku- Prinzip durchaus vor buddhistischem Hintergrund beleuchtet.

Im übrigen wäre es mir auch recht, wenn die Zen-Buddisten endlich ihre schwar/grauen Wallegewänder ins Religionsmuseum hängen würden. Meinst du nicht, da ist ein bisschen zuviel japanische Folklore und ein bisschen zu wenig Konformität mit buddhistischer Lehre dabei ? *zwinker*

Lieben Gruß
Marion

Namnd Marion.
ist ein bißchen viel, um da jetzt so auf die Schnelle eine Antwort zurechtzuschustern. Bin nicht weg - nur ab morgen früh im Sesshin / Retreat (bis Montag).

Bis denne,
herzliche Grüße,
Ralf

Im übrigen wäre es mir auch recht, wenn die Zen-Buddisten
endlich ihre schwar/grauen Wallegewänder ins Religionsmuseum
hängen würden.

Oooch - die sind doch so bequem beim Sitzen …

Meinst du nicht, da ist ein bisschen zuviel
japanische Folklore und ein bisschen zu wenig Konformität mit
buddhistischer Lehre dabei ? *zwinker*

Nun ja, unsere Kesas mögen zwar nicht mehr aus gesammelten Lumpen bestehen, aber immerhin nähen wir sie noch immer selbst … :wink:

Herzliche Grüße,
Ralf

Hallo Marion,
bin wieder zurück auf dem Marktplatz …

Passt er ? :smile:

Nein, der Handschuh will nicht so recht passen …

dann erklärt das zumindest für mich deine bisher doch etwas aggressiv
ablehnend erscheinende Haltung gegenüber dem tibetischen Buddhismus.

Ich habe mich mehr als einmal bemüht, deutlich zu machen, dass es mir gar nicht um Kritik am tibetischen Buddhismus selbst geht, sondern um seine Funktion als Herrschaftsideologie einer in vieler Hinsicht (vor allem sozialer) rückständigen Feudalgesellschaft vor 1959 bzw. als Instrument internationaler Sympathiewerbung für die ins Exil getriebenen Verteidiger dieser alten Ordnung nach 1972.

Wenn ich speziell das Tulku-System angegriffen habe, dann ging es mir auch da vorrangig um dessen Funktion. Dass ich es (auch) in buddhologischer Hinsicht für nicht konsistent halte, ist eher nebensächlich (und ich befinde mich dabei durchaus in guter Gesellschaft). Was die Kritik der Funktion angeht, so hat diese kein geringerer als ein gewisser Dalai Lama mit dem Verfassungsentwurf (Draft Constitution) von 1962 selbst eingeleitet. Danach sollte die soziale Rolle eines Tulku auf seiner Persönlichkeit und seinen Qualifikationen und nicht auf einem besonderen Status oder Titel beruhen. Der Titel ‚Tulku‘ samt seiner Privilegien würde damit eines Tages entbehrlich. Es ist ja auch logisch: wenn ein Kind besondere Fähigkeiten und Qualitäten besitzt, so werden sie auch von allein und auf natürliche Weise zum Vorschein kommen - auch dann, wenn kein Titel und Privilegien damit verbunden werden.

Kurz zum ‚Exilparlament‘:

Mich erinnert das ein wenig an einen Schützenverein. Welche „Gewalt“ hat denn
dieser ATPD ? Ich hab jedenfalls ehrlich gesagt noch nie was bemerkenswertes
von diesen Leuten vernommen.

Der ATPD ist die gewählte Vertretung der Exiltibeter. Erst diese Institution gibt dem Dalai Lama die Möglichkeit, als legitimer Repräsentant der Exiltibeter aufzutreten. Auch der Bundestag erinnert häufig an einen Schützenverein und im Ausland ist über die Abgeordneten wohl auch nicht allzu viel Bemerkenswertes bekannt. Aber ohne ihn könnte sich unsere Regierung nicht darauf berufen, im Auftrag des Volkes zu handeln.

Das einzig Positive, was der tibetische
Kirchenstaat bewirkt hat, ist sein eigener Zusammenbruch -
weil dadurch viele fähige Dharma-Lehrer in den Westen gekommen
sind, als der Westen reif für sie war.

Du meinst, wir sollten den Chinesen dankbar dafür sein, dass sie Tibet
überfallen, hunderttausende von Tibetern massakriert, fast die gesamte
tibetische Kultur ausgerottet und zerstört und hunderttausende in die Flucht
geschalgen haben, weil wir im Westen so auch ein paar gute Dharma-Lehrer
abbekommen haben ? Sorry, ich finde diese Einstellung reichlich zynisch.

Nein, das meine ich nicht. Und gesagt habe ich das auch nirgendwo. Was unterstellst Du mir da eigentlich? Was ich meine ist, dass sich die Herrschaft der Gelugpa über Tibet in politischer Hinsicht als nicht heilsam erwiesen hat. Der historische Versuch einer direkten Herrschaft durch eine buddhistische Elite ist gescheitert. Nicht nur , aber auch aus inneren Ursachen heraus. Eine solche Diagnose ist etwas völlig anderes, als eine Rechtfertigung der Annexion durch die chinesische Regierung.

Wie wäre es, wenn wir dies im Brett Auslandspolitik oder Geschichte
weiterdiskutieren ? Ich sehe hier nicht mehr den Zusammenhang zum Brett
„Religion“

Das ist mir mittlerweile klar. Anscheinend ist nicht sichtbar geworden, worum es mir geht. Es geht mir nicht um tibetische Geschichte oder Politik und schon gar nicht um eine Kritik des tibetischen Buddhismus; es geht mir um das Verhältnis des Buddhadharma zum Rajadharma - dem Gegenstück zum ‚christlichen‘ Thema „Staat und Kirche“. Und natürlich geht es mir dabei auch um die ethischen Implikationen, die eine Personalunion von spiritueller Autorität und Staatsgewalt mit sich bringt - und im weiteren Sinne um die ethischen Implikationen jedes politischen Handelns. Avalokitesvara als Politiker (??). Der Staat als Upaya (???). Diese Thematik gehört mE durchaus in dieses Brett hier.

Aber es ist wohl zu problematisch, dies anhand des tibetischen Beispiels zu diskutieren. Wir könnten dies gerne auch anhand der Verhaltens japanischer Buddhisten zwischen 1870 und 1945 erörtern; ich habe da keine Vorbehalte. Das Thema selbst ist ja auch kein neues, wir können also auch über die Allianz von Teilen des Sangha mit dem ‚Kaiser‘ Ashoka im 3. Jahrhundert v.u.Z. (und über die interessanten Parallelen zu Kaiser Konstantin) sprechen. Wobei da natürlich evt. wiederum mit Empfindlichkeiten von Theravada-Seite aus zu rechnen ist (habe ich auch schon erlebt). Wie auch immer, ich ziehe es vor, eine solche Problematik anhand konkreter Erscheinungen zu erörtern, statt ohne Boden unter den Füßen zu theoretisieren.

Vielleicht macht auch diese ganze Diskussion hier (auf www) nicht allzu viel Sinn. Wie die Zahlen rechts oben bei unseren Beiträgen nahelegen, hält sich das allgemeine Interesse an unserem Dialog doch sehr in Grenzen - und bislang mochte sich auch niemand in unseren Dialog einschalten.

Herzliche Grüße,
Ralf

P.S.: Danke für den Buchtip. Chung-yuan Changs wirklich sehr empfehlenswerte Teilübersetzung des Jingde Chuandenglu gehört allerdings schon seit geraumer Zeit zu meiner Handbibliothek - länger, als es die deutsche Übersetzung gibt :wink:.

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Moin Ralf,

Ich habe mich mehr als einmal bemüht, deutlich zu machen, dass
es mir gar nicht um Kritik am tibetischen Buddhismus selbst
geht, sondern um seine Funktion als
Herrschaftsideologie einer in vieler Hinsicht (vor allem
sozialer) rückständigen Feudalgesellschaft vor 1959 bzw. als
Instrument internationaler Sympathiewerbung für die ins Exil
getriebenen Verteidiger dieser alten Ordnung nach 1972.

Das hat ich schon verstanden, nur würde ich mich freuen, wenn du deine Ansichten auch begründen würdest. Bislang bist du mir Antworten auf diesbezügliche Fragen schuldig geblieben. Also bitte: wo siehst du den tibetischen Buddhismus als Herrschaftsideologie? Wo denkst du, stützte dieser eine sozial rückständige Feudalgesellschaft? Wen bezeichnest du als „Verteidiger der alten Ordnung“ und wo siehst du durch diese Menschen den Buddhismus mißbraucht ?

Wenn ich speziell das Tulku-System angegriffen habe, dann ging
es mir auch da vorrangig um dessen Funktion.

Welche Funktion genau kritisierst du ?

Dass ich es
(auch) in buddhologischer Hinsicht für nicht konsistent halte,
ist eher nebensächlich (und ich befinde mich dabei durchaus in
guter Gesellschaft).

Mag sein, dann würde ich mich freuen, wenn du diesbezüglich auf meine Frage im letzten Posting eingehen würdest.

Was die Kritik der Funktion
angeht, so hat diese kein geringerer als ein gewisser Dalai
Lama mit dem Verfassungsentwurf (Draft Constitution) von 1962
selbst eingeleitet. Danach sollte die soziale Rolle eines
Tulku auf seiner Persönlichkeit und seinen Qualifikationen und
nicht auf einem besonderen Status oder Titel beruhen.

Das war aber schon immer so Ralf. Das Tulku-System wurde meines Wissens nie als „unfehlbar“ angesehen. Wie ich vorher schon sagte: wenn ein designierter Tulku sich als unfähig herausstellte, war er wohl keiner.

Der
Titel ‚Tulku‘ samt seiner Privilegien würde damit eines Tages
entbehrlich.

Welche Privilegien sind das denn deiner Meinung nach ? Die einer besonders anspruchsvollen Erziehung ?

Es ist ja auch logisch: wenn ein Kind besondere
Fähigkeiten und Qualitäten besitzt, so werden sie auch von
allein und auf natürliche Weise zum Vorschein kommen - auch
dann, wenn kein Titel und Privilegien damit verbunden werden.

Genau, und dann nennt man das in Tibet einen Tulku. Ein Tibeter hätte vermutlich auch Mahatma Ghandi als Tulku bezeichnet.

Der ATPD ist die gewählte Vertretung der Exiltibeter. Erst
diese Institution gibt dem Dalai Lama die Möglichkeit, als
legitimer Repräsentant der Exiltibeter aufzutreten.

Für wen muss sich der Dalai Lama legitimieren ? Ganz sicher nicht für die Tibeter in und außerhalb Tibets, die in ihm die Verkörperung von Avalokitesvara verehren. Entweder ein Tibeter glaubt an den Dalai Lama oder nicht. Mit Wahl hat das wohl überhaupt gar nichts zutun.

Bundestag erinnert häufig an einen Schützenverein und im
Ausland ist über die Abgeordneten wohl auch nicht allzu viel
Bemerkenswertes bekannt. Aber ohne ihn könnte sich unsere
Regierung nicht darauf berufen, im Auftrag des Volkes zu
handeln.

Vermutlich gibt es auch niemanden, der den Bundeskanzler für eine Verkörperung des Mitgefühls ansieht.

Das einzig Positive, was der tibetische
Kirchenstaat bewirkt hat, ist sein eigener Zusammenbruch -
weil dadurch viele fähige Dharma-Lehrer in den Westen gekommen
sind, als der Westen reif für sie war.

Du meinst, wir sollten den Chinesen dankbar dafür sein, dass sie Tibet
überfallen, hunderttausende von Tibetern massakriert, fast die gesamte
tibetische Kultur ausgerottet und zerstört und hunderttausende in die Flucht
geschalgen haben, weil wir im Westen so auch ein paar gute Dharma-Lehrer
abbekommen haben ? Sorry, ich finde diese Einstellung reichlich zynisch.

Nein, das meine ich nicht. Und gesagt habe ich das auch
nirgendwo. Was unterstellst Du mir da eigentlich?

Was du gesagt hast steht ja noch da oben. So hab ich dich zumindest verstanden.

Was ich
meine ist, dass sich die Herrschaft der Gelugpa über
Tibet in politischer Hinsicht als nicht heilsam
erwiesen hat.

Kannst du das begründen ?

Der historische Versuch einer direkten
Herrschaft durch eine buddhistische Elite ist gescheitert.

Kannst du das begründen ?

Nicht nur , aber auch aus inneren Ursachen
heraus.

Kannst du das begründen ?

Eine solche Diagnose ist etwas völlig anderes, als
eine Rechtfertigung der Annexion durch die chinesische
Regierung.

Ich sprach nicht von Annexion sondern von Vertreibung und Völkermord.

Wie wäre es, wenn wir dies im Brett Auslandspolitik oder Geschichte
weiterdiskutieren ? Ich sehe hier nicht mehr den Zusammenhang zum Brett
„Religion“

Das ist mir mittlerweile klar. Anscheinend ist nicht sichtbar
geworden, worum es mir geht.

Stimmt. Aber vielleicht können wir das ganze abkürzen. Da weder du noch ich im „alten“ Tibet gelebt haben, dürften wir beide unserer Informationen vermutlich aus der Literatur beziehen. Wenn du mir also verrätst, auf welche Publikationen du deine Meinungen stützt, könnte ich ja mal nachlesen. (Vielleicht jeweils zu meinen obigen Fragen, das erspart zumindest die Tipperei).

Es geht mir nicht um tibetische
Geschichte oder Politik und schon gar nicht um eine Kritik des
tibetischen Buddhismus; es geht mir um das Verhältnis des
Buddhadharma zum Rajadharma - dem Gegenstück zum
‚christlichen‘ Thema „Staat und Kirche“.

Es gibt im Buddhismus keine Institution, welche der Kirche vergleichbar wäre. Buddhismus ist nunmal eine sehr persönliche Sache. In wieweit jemand dem buddhistischen Weg folgen will und welche Konsequenzen das für sein Leben hat, ist jedem selbst überlassen, sei er deutsche Hausfrau, tibetischer Lama oder Mitglied der burmesischen Militärdiktatur.

Und natürlich geht es
mir dabei auch um die ethischen Implikationen, die eine
Personalunion von spiritueller Autorität und Staatsgewalt mit
sich bringt

Welche „spirituelle Autorität“ sollte ein buddhistischer „Führer“ denn haben ? Das einzige, was mir dazu einfällt ist, dass sich die burmesischen Mönche mal weigerten, betteln zu gehen, bis die Militärdiktatur eine bestimmte Anordnung zurückgenommen hatte. Meinst du sowas mit „spiritueller Autorität“ ?.

  • und im weiteren Sinne um die ethischen

Implikationen jedes politischen Handelns. Avalokitesvara als
Politiker (??). Der Staat als Upaya (???). Diese Thematik
gehört mE durchaus in dieses Brett hier.

DAs hatten wir bereits oben angesprochen. Es geht beim Dalai Lama um die Verkörperung von Avalokitesvara, aber nicht um Avalokitesvara als handelnde Person.

Aber es ist wohl zu problematisch, dies anhand des tibetischen
Beispiels zu diskutieren. Wir könnten dies gerne auch anhand
der Verhaltens japanischer Buddhisten zwischen 1870 und 1945
erörtern; ich habe da keine Vorbehalte. Das Thema selbst ist
ja auch kein neues, wir können also auch über die Allianz von
Teilen des Sangha mit dem ‚Kaiser‘ Ashoka im 3. Jahrhundert
v.u.Z. (und über die interessanten Parallelen zu Kaiser
Konstantin) sprechen. Wobei da natürlich evt. wiederum mit
Empfindlichkeiten von Theravada-Seite aus zu rechnen ist (habe
ich auch schon erlebt). Wie auch immer, ich ziehe es vor, eine
solche Problematik anhand konkreter Erscheinungen zu erörtern,
statt ohne Boden unter den Füßen zu theoretisieren.

Buddhistische Ethik ist eine persönliche Entscheidung. Man kann sich zwar als „Machtmensch“ in seinen persönlichen Entscheidungen von der buddhistischen Ethik leiten lassen, aber nirgendwo steht geschrieben, dass man das auch muss und in welchem Maße. Insofern sehe ich nicht so recht deinen Diskussionsbedarf.

Vielleicht macht auch diese ganze Diskussion hier (auf www)
nicht allzu viel Sinn. Wie die Zahlen rechts oben bei unseren
Beiträgen nahelegen, hält sich das allgemeine Interesse an
unserem Dialog doch sehr in Grenzen - und bislang mochte sich
auch niemand in unseren Dialog einschalten.

Wir könne auch gerne per mail weiterdiskutieren.

P.S.: Danke für den Buchtip. Chung-yuan Changs wirklich sehr
empfehlenswerte Teilübersetzung des Jingde Chuandenglu gehört
allerdings schon seit geraumer Zeit zu meiner Handbibliothek -
länger, als es die deutsche Übersetzung gibt :wink:.

Schön. Und stimmst du mit meiner Einschätzung überein, dass er eine sehr hilfreiche Brücke zwischen den Lehren des tibetischen Buddhismus und den Lehren des Zen-Buddhismus in Japan bildet ?

Gruß
Marion

Hallo Marion,
mehr und weniger empfehlenswerte Literatur zu unserem Thema:

Michael von Brück
Religion und Politik im Tibetischen Buddhismus
Kösel, München 1999
ISBN 3466204453 Buch anschauen

Ganz uneingeschränkt ist diese Empfehlung allerdings nicht. Brück ist Religionswissenschaftler, und so kommt die Darstellung der politischen Geschichte Tibets für meinen Geschmack etwas zu kurz. Brücks Grundposition ist durchaus wohlwollend, was auch im abschließenden Kapitel (Gespräche mit dem Dalai Lama) deutlich zum Ausdruck kommt.

Colin Goldner
Dalai Lama - Fall eines Gottkönigs
Alibri Verlag, Aschaffenburg 1999
ISBN 3932710215 Buch anschauen

Goldner ist für die meisten ‚Tibetfreunde‘ ein rotes Tuch, das Wohlwollen etwa v. Brücks fehlt hier vollständig. Die Folgerungen und Wertungen Goldners kann ich persönlich zumeist nicht nachvollziehen; er bietet allerdings eine Vielzahl von Fakten (das Buch hat einen umfangreichen Anmerkungsteil, mE das Beste daran). Bei aller wütenden Kritik von ‚tibetfreundlicher‘ Seite an dem Buch bin zumindest ich noch nicht auf ernstzunehmende Widerlegungen des von Goldner präsentierten Materials gestoßen. Die ‚Tendenz‘ des Buches (es ist alles andere als frei davon, also kein nüchtern wissenschaftliches Werk) ist wie gesagt nicht meine Sache.

Die mit viel Medienrummel beworbene Studie

Victor und Victoria Trimondi
Der Schatten des Dalai-Lama
Sexualität, Magie und Politik im tibetischen Buddhismus
Patmos-Verlag, Düsseldorf 1999
ISBN 3491724074 Buch anschauen

habe ich selbst nur auszugsweise gelesen. Ich kann sie nicht empfehlen; sie ist trotz etlichen interessanten Materials eher ein schwach fundiertes Pamphlet als eine wissenschaftliche Arbeit. Insbesondere für ihre Kritik an bestimmten Tantra-Texten sind die Autoren bei weitem nicht ausreichend qualifiziert. Insgesamt nach meiner Einschätzung unseriös.

Die mW beste Darstellung der jüngeren tibetischen Geschichte ist:

Melvyn C. Goldstein
A History of Modern Tibet, 1913 - 1951
The Demise of the Lamaist State
University of California Press, Berkeley 1989
ISBN 0520075900 Buch anschauen

Goldstein (ein Sozialanthropologe) ist nach meiner Einschätzung der Spezialist für das Tibet des 20. Jahrhunderts. Sein Buch wurde auch auf verschiedenen Tibet-Seiten im Internet empfohlen. Mittlerweile ist er bei manchen Gruppen verfemt, manchen gefällt halt nicht alles, was man dort lesen kann. Weitere Standardwerke (mir selbst allerdings nur aus verschiedenen Zitaten bekannt) sind:

Tom A. Grunfeld
The Making of Modern Tibet
Armonk, New York 1987
ISBN 1563247135 Buch anschauen

und

Melvyn C. Goldstein
The Snow Lion and the Dragon
Tibet, China and the Dalai Lama
University of California Press, Berkeley 1997
ISBN 0520219511 Buch anschauen

Goldstein gehört dem ‚Center for Research on Tibet‘ der Case Western Reserve University an, das eine interessante Website unterhält:
http://www.case.edu/affil/tibet/index.htm
Unter anderem findet sich dort eine Online-Version von Goldsteins Buch ‚Nomads of Western Tibet‘. Für unser spezielles Thema vielleicht interessanter die Papiere zu Feudalismus und Leibeigenschaft (unter Tibetan Social and Political Structure zu finden) und die Aufsätze unter ‚Tibetan History‘.

Zum Thema Tulkus hatte ich bereits erwähnt, dass ich mich da z.Z. noch in die Materie einarbeite. Brauchbar erscheint mir (das mir von kompetenter Seite empfohlene):

Egbert Asshauer
Tulkus - Das Geheimnis der lebenden Buddhas
Gespräche, Begegnungen, Hintergründe
Herder Spektrum, Freiburg 2000
ISBN 3451049309 Buch anschauen

Das (leider nur auf Englisch vorliegende) Standardwerk zu dem Thema dürfte sein:

Franz Michael
Rule by Incarnation
Tibetan Buddhism and Its Role in Society and State
Westview Press, Boulder 1982
ISBN 0865312265 Buch anschauen

Ein netter wenn auch nicht allzu tiefschürfender Text zum Thema ‚Tulkus‘ findet sich hier:
http://www.diamondway-buddhism.org/magazine/kl-d1001…

Und da wir gerade bei Büchern sind - auch wenn es etwas offtopic ist:

Schön. Und stimmst du mit meiner Einschätzung überein, dass er eine sehr
hilfreiche Brücke zwischen den Lehren des tibetischen Buddhismus und den
Lehren des Zen-Buddhismus in Japan bildet?

Ich weiss nicht recht, was da als Brücke fungieren soll. Das Jingde Chuandenglu (oder Japanisch Keitoku Dentoroku) ist als Muster der Yulu-Literatur und als ‚pseudohistorische‘ Quelle aller Zen-Schulen eines der wichtigsten Werke sowohl im chinesischen Ch’an als auch im japanischen Zen. Mir ist nicht bekannt, dass diese Sammlung im tibetischen Buddhismus irgendeinen Stellenwert genießt oder auch nur bekannt ist. Von einer ‚Brücke‘ würde ich allerdings bei Nagarjuna und bei Vasubandhu sprechen. Wieweit das Asvagosha zugeschriebene Shraddhotpada-Shastra in Tibet bekannt ist, weiss ich nicht. Jedenfalls spielen Madhyamaka (chin. San-lun / jap. Sanron) und Vijnaptimatra (chin. Wei-shih, Fa-hsiang / jap. Yuishiki) in beiden Traditionen eine wichtige Rolle; die genannten Personen werden alle zur (indischen) Traditionslinie des Zen gezählt (als 14., 21. und 12. Patriarch). Was die Praxis angeht, so gibt es wohl bei Mahamudra und Dzogchen Bezüge zum Tso-ch’an bzw. Zazen. Ich kenne Mahamudra und Dzogchen allerdings nur vom Hörensagen, nicht aus eigener Erfahrung.

So, nach dieser langen Einleitung …

Also bitte: wo siehst du den tibetischen Buddhismus als
Herrschaftsideologie? Wo denkst du, stützte dieser eine
sozial rückständige Feudalgesellschaft?

Er war die Ideologie der Herrschenden, eine Ideologie, die diese Herrschaft stützte und legitimierte. Beispiel: das wiederholt erwähnte Tulku-System. Wenn das Staatsoberhaupt eine Reinkarnation Avalokitesvaras ist, dann ist jegliche Opposition gegen seine Herrschaft nicht nur ein politisches Verbrechen, sondern auch im religiösen Sinne verwerflich. Nicht immer waren es ja die Dalai Lamas, in denen sich Avalokitesvara inkarnierte. Wie der 5. (der ‚Große‘) Dalai Lama nachträglich ‚entdeckte‘, war schon König Songtsen Gampo eine Inkarnation des Bodhisattva Avalokiteshvara gewesen. Damit ließen sich wunderbar die weltlichen Machtansprüche des Dalai Lama begründen - er hatte diese per Reinkarnation ‚geerbt‘. Die Übertragung der Machtbefugnisse durch den Mongolen Altan Khan an den dritten Dalai Lama und an den vierten (rein zufällig Altan Khans Enkel) war nur Wiederherstellung des ‚Normalzustandes‘. So wurde aus einem angeblichen sakralen Königtum ein sehr reales Priesterkönigtum.

Wen bezeichnest du als „Verteidiger der alten Ordnung“ und wo siehst
du durch diese Menschen den Buddhismus mißbraucht ?

Die, die im Namen des Buddhismus während des Aufstandes 1959 und dann noch bis in die frühen 70’er hinein mit der Waffe für diese alte Ordnung gekämpft haben. Oder - weit hinter der Front - dafür kämpfen ließen. Darunter nicht wenige Mönche. Mit meiner Auffassung von Buddhismus hat das nichts mehr zu tun. Ich sehe daher diese Menschen nicht durch den Buddhismus mißbraucht, sondern durch etwas, das sich als solcher ausgab.

Was ich
meine ist, dass sich die Herrschaft der Gelugpa über
Tibet in politischer Hinsicht als nicht heilsam
erwiesen hat.

Kannst du das begründen ?

Mönchsgemeinschaften sind Eigentümer von über 40% des landwirtschaftlich nutzbaren Bodens. Den bewirtschaften sie nicht selbst; produktive Arbeit verbietet ihre Mönchsregel. Dafür hat man Pächter und Leibeigene. Das ist natürlich praktischer, als zu betteln und von freiwilligen Gaben zu leben, als „Nicht-Gegebenes nicht zu nehmen“. Wenn die chinesischen Kommunisten das als soziales Parasitentum bezeichneten, so hatten sie vielleicht gar nicht so ganz unrecht damit. Ich begnüge mich damit, es als unheilsam zu bezeichnen.

Der historische Versuch einer direkten
Herrschaft durch eine buddhistische Elite ist gescheitert.

Kannst du das begründen ?

Was gibt es da zu begründen? Sie wurde hinweggefegt. Und angeblich wünschen sich ja nicht einmal mehr die Exiltibeter diese alten Zeiten zurück.

Nicht nur, aber auch aus inneren Ursachen
heraus.

Kannst du das begründen ?

Das Regime der Gelugpa hat bei der eigentlichen Aufgabe einer weltlichen Regierung völlig versagt, nämlich Bedingungen für sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt sowie Frieden und Wohlstand für alle zu schaffen und zu sichern. Man war wohl der Ansicht, das sei für Buddhisten kein Thema. Warum man sich dann allerdings nach der weltlichen Macht gedrängt hat …

Eine solche Diagnose ist etwas völlig anderes, als
eine Rechtfertigung der Annexion durch die chinesische
Regierung.

Ich sprach nicht von Annexion sondern von Vertreibung und Völkermord.

… und das habe ich schon mal gar nicht gerechtfertigt. Aber Du hast ja selbst dazu aufgefordert, meine diesbezügliche Äußerung nachzulesen. Ich kann mich dieser Aufforderung nur anschließen.

Jetzt möchte ich Dich einmal bitten, etwas zu begründen. Wenn Du den Ausdruck ‚Vertreibung‘ benutzt - inwiefern ist dies vergleichbar z.B. mit der Vertreibung der Sudetendeutschen? Wurden die Tibeter aufgefordert, ihr Land zu verlassen? Wurde ihnen womöglich - Stichwort Völkermord - andernfalls Ausrottung angedroht?

Angesichts tatsächlicher Völkermorde sollte man IMHO etwas zurückhaltend sein, wenn man mit solchen Ausdrücken um sich wirft. ‚Völkermord‘ ist die gezielte Ausrottung einer bestimmten ethnischen Gruppe. Wo siehst Du in Tibet Völkermord? Selbst die wahrlich nicht zimperliche IGfM beschuldigt die chinesische Regierung lediglich des ‚kulturellen Völkermordes‘ - was auch immer dies sein mag. Und die sprechen immerhin von 2 Millionen Opfern seit 1959, falls nicht inzwischen mal wieder ‚aufgerundet‘ wurde. Ich erinnere mich noch gut an Zeiten, wo - ebenfalls von exiltibetischer Seite und seitens ihrer Unterstützer - von 1,2 Millionen die Rede war. Ohne weder die eine noch die andere Zahl jemals zu belegen. Natürlich ist jeder Einzelne zuviel; natürlich ist solches Feilschen um Zahlen obszön - aber ich lasse mich nicht gerne zum Objekt von Greuelpropaganda machen.

Wenn ich speziell das Tulku-System angegriffen habe, dann ging
es mir auch da vorrangig um dessen Funktion.

Welche Funktion genau kritisierst du ?

Die religiöse Verbrämung weltlicher Macht - wobei es unwesentlich ist, ob der Tulku selbst über diese Macht verfügt (oft genug war es anders) oder eine Gruppe, deren Marionette er ist. Seit 1959 hat dieses System keine eigentliche Funktion mehr. Vielleicht ist man gerade deswegen auch bereit, es nach und nach aufzugeben.

Dass ich es
(auch) in buddhologischer Hinsicht für nicht konsistent halte,
ist eher nebensächlich (und ich befinde mich dabei durchaus in
guter Gesellschaft).

Mag sein, dann würde ich mich freuen, wenn du diesbezüglich auf
meine Frage im letzten Posting eingehen würdest.

Ich habe Dir zwei Aussagen hochrangiger tibetischer Lamas genannt und auf eine Aussage des Dalai Lama selbst hingewiesen. Wenn es Dir um eine buddhologische Diskussion von Reinkarnation geht, wäre ich dazu bereit. Die sollte allerdings in einem eigenen Thread stattfinden. Das Thema würde so viel Raum erfordern, dass es uns von unserem Thema hier abbrächte.

Welche Privilegien sind das denn deiner Meinung nach ? Die einer
besonders anspruchsvollen Erziehung ?

Ist das nicht offensichtlich? Ja, z.B. auch eine besonders anspruchsvolle Erziehung. Nichts Selbstverständliches in einem Land mit einer extremen Analphabetenquote (lt. chinesischen Quellen 97%). Ein Tulku wurde wie ein Adliger in eine gesellschaftlich privilegierte Position hineingeboren. Von der täglichen Sorge um Lebensunterhalt waren er und seine Familie schon einmal befreit. Davon abgesehen - das Wort ‚privileges‘ in diesem Zusammenhang stammt nicht von mir, sondern vom Dalai Lama.

So, nun endlich zum eigentlichen Thema.

Es geht mir nicht um tibetische
Geschichte oder Politik und schon gar nicht um eine Kritik des
tibetischen Buddhismus; es geht mir um das Verhältnis des
Buddhadharma zum Rajadharma - dem Gegenstück zum
‚christlichen‘ Thema „Staat und Kirche“.

Es gibt im Buddhismus keine Institution, welche der Kirche vergleichbar
wäre. Buddhismus ist nunmal eine sehr persönliche Sache.

‚Kirche‘ und ‚Sangha‘ halte ich für durchaus vergleichbare Konzepte, insbesondere wenn man die Kirche als ‚corpus christum mysticum‘ auffasst. Und gerade für einen Mahayanin ist Buddhismus durchaus mehr als eine persönliche Sache. Die drei Juwelen sind Buddha, Dharma und Sangha; nicht Buddha, Dharma und ich :wink:. Die Sangha in mahayanischer Auffassung setzt sich aus Bhikshus, Upasakas und Laienanhängern jeweils beiderlei Geschlechts zusammen. Sie mag nicht so stark hierarchisch gegliedert sein wie die katholische Kirche, aber „nicht vergleichbar“?

In wieweit jemand dem buddhistischen Weg folgen will und welche
Konsequenzen das für sein Leben hat, ist jedem selbst überlassen,
sei er deutsche Hausfrau, tibetischer Lama oder Mitglied der
burmesischen Militärdiktatur.

Das ist so etwas verkürzt. Wer als Bhikshu oder Lama in die Sangha ‚im engeren Sinne‘ eintritt, unterwirft sich den Regeln und der Kontrolle dieser Kongregation (dem Pratimoksha) oder er wird aus ihr wieder ausgestoßen. Bei entsprechender Größe stellt die Sangha selbstverständlich eine ernstzunehmende gesellschaftliche Kraft dar; dies zu übersehen, wäre naiv. Und damit stellt sich automatisch die Frage nach der Stellung der Sangha zu Staat und Gesellschaft. Sie hatte sich schon zu Buddhas Zeiten gestellt (und z.B. ihren Niederschlag in den Regeln für die Aufnahme neuer Mitglieder in die Sangha gefunden); sie stellte sich sehr deutlich, als Ashoka den Buddhismus zur Staatsreligion machte und die Sangha dabei so nebenbei von 60000 ‚Häretikern‘ säuberte. Und sie stellte sich natürlich in Tibet spätestens, als der 3. Dalai Lama sich in den blutigen innenpolitischen Machtkämpfen durchgesetzt hatte und die staatliche Gewalt von nun an exklusiv von den Gelugpa ausgeübt wurde. Waren das alles Privatangelegenheiten?

Es waren und sind Vorgänge, die zwar auf Buddhas Lehre (bzw. deren Auslegung) nur mittelbaren Einfluss hatten und haben, aber doch die soziale Gestalt des Buddhismus in den jeweiligen Ländern und Zeiten deutlich prägten. Es besteht ganz unvermeidlich, sobald sie signifikante Größe erreicht, eine Wechselwirkung zwischen Sangha einerseits und Staat und Gesellschaft andererseits.

Grundsätzlich kann die Sangha humanisierend im weitesten Sinne auf die Gesellschaft einwirken. Dieses Wirken ist umso erfolgversprechender, je enger dabei das Bündnis mit der staatlichen Gewalt ist. Nach meinen Beobachtungen handelt es sich dabei allerdings um ein Nullsummenspiel. Was die Sangha an politischen Einflußmöglichkeiten gewinnt, wird idR mit fortschreitender Korruptheit erkauft. So kann es zur selben Inkongruenz zwischen Lehre und sozialer Gestalt, zwischen Inhalt und Funktion kommen, wie wir sie aus dem Christentum kennen.

Natürlich können solche Inkongruenzen nicht auf die Dauer ignoriert werden. Häufig ist es dann die Lehrauslegung, die darunter leidet. Und hier kommen wir zum Thema ‚spirituelle Autorität‘, die Du nicht zu sehen vermagst.

Welche „spirituelle Autorität“ sollte ein buddhistischer „Führer“
denn haben ? Das einzige, was mir dazu einfällt ist, dass sich die
burmesischen Mönche mal weigerten, betteln zu gehen, bis die
Militärdiktatur eine bestimmte Anordnung zurückgenommen hatte.
Meinst du sowas mit „spiritueller Autorität“ ?.

Nein. Ich habe mir kürzlich zwei Photos sehr eingehend betrachtet. Auf dem einen waren junge tibetische Mönche zu sehen, die von chinesischen Soldaten entwaffnet wurden. Und das waren keine Stöcke, die da eingesammelt wurden … Das andere Bild wurde 1938 auf dem Gelände des Eiheiji (einer der Haupttempel des Soto-Zen) aufgenommen. Reihen junger Novizen, die mit dem Gewehr auf der Schulter exerzieren. Wie kamen diese jungen Menschen, die den Buddhadharma studieren wollten, die ein Gelübde auf die Shila abgelegt hatten, dazu, auf organisierten Mord auszugehen? Denkst Du nicht auch, dass ihnen ‚spirituelle Autoritäten‘ weisgemacht haben, das gehe schon in Ordnung und sei mit Buddhas Lehre in Einklang?

Buddhistische Ethik ist eine persönliche Entscheidung. Man kann
sich zwar als „Machtmensch“ in seinen persönlichen Entscheidungen
von der buddhistischen Ethik leiten lassen, aber nirgendwo steht
geschrieben, dass man das auch muss und in welchem Maße

Jede ethische Entscheidung, die diesen Namen verdient, ist eine persönliche Entscheidung. Aber solche persönlichen Entscheidungen werden beeinflusst. Nicht zuletzt durch Menschen, bei denen man eine besondere Eignung vermutet, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Nur zu oft wird eine solche Eignung bei entsprechender Stellung in der religiösen Hierarchie bzw. diese Stellung als Ausdruck ethischer Integrität vermutet. Wenn die Autorität dann gar noch (mit) darauf beruht, dass jemand die Inkarnation eines Buddha oder Bodhisattva ist - dann wird es für den ‚einfachen Gläubigen‘ schon schwierig, solche Autorität zu hinterfragen und ihr den Primat der selbstverantwortlichen Entscheidung entgegenzustellen.

In besonderer Schärfe stellt sich dieses Problem - und das ist mein Thema hier - wenn bei Leitfiguren ethisch-moralischen Handelns eine Gemengelage von religiöser Verantwortung und von politischen und wirtschaftlichen Interessen vorliegt. Um mich selbst zu wiederholen: ich halte das nicht für heilsam. Für keine Seite.

Freundliche Grüße,
Ralf

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Moin,

mehr und weniger empfehlenswerte Literatur zu unserem Thema:

Ich glaube, du hast mich falsch verstanden, ich wollte von dir keine allgemeinen Literaturempfehlungen (danke :smile:), sondern ich wollte von dir Hinweise, wo ich Begründungen zu den von dir aufgestellten Behauptungen finden kann, also direkte Quellenangabe für deine Behauptungen möglichst mit Seitenzahl, damit ich diese selbst nachlesen kann und dir das Tippen erspart bleibt.

Ich weiss nicht recht, was da als Brücke fungieren soll. Das
Jingde Chuandenglu (oder Japanisch Keitoku Dentoroku) ist als
Muster der Yulu-Literatur und als ‚pseudohistorische‘ Quelle
aller Zen-Schulen eines der wichtigsten Werke sowohl im
chinesischen Ch’an als auch im japanischen Zen. Mir ist nicht
bekannt, dass diese Sammlung im tibetischen Buddhismus
irgendeinen Stellenwert genießt oder auch nur bekannt ist.

*hüstel* Soweit ich weiß datiert das Jingde Chuandenglu auf irgendwo Anfang des 11 Jhd., das ist locker ein paar hundert Jahre nachdem die wichtigsten Lehren des tibetischen Buddhismus formuliert wurden. Es ist also wohl kaum verwunderlich, wenn sich davon nichts in den tibetisch-buddhistischen Lehren findet. Was ich mit „Brücke“ meinte ist, dass es bereits Ende des 8 Jhd. eine sehr intensive und konstruktive Auseinandersetzung zwischen den tibetischen Buddhisten und den Chan-Buddhisten gegeben hat. Da der japanische Zen-Buddhismus letztendlich ein Ableger des Chan-Buddhismus ist, wollte ich dir somit über das Verständnis des Chan-Buddhismus eine kleine Brücke zum Verständnis des tibetischen Buddhismus bauen, da ich annahm, dass dir die Denkweise des Chan-Buddhismus vielleicht erstmal näher ist.

Von

einer ‚Brücke‘ würde ich allerdings bei Nagarjuna und bei
Vasubandhu sprechen. Wieweit das Asvagosha zugeschriebene
Shraddhotpada-Shastra in Tibet bekannt ist, weiss ich nicht.

Ähm…Die Werke von Nagarjuna und Asvagosha zählen zu den Grundlagen des tibetischen Buddhismus :smile:

Jedenfalls spielen Madhyamaka (chin. San-lun / jap. Sanron)
und Vijnaptimatra (chin. Wei-shih, Fa-hsiang / jap. Yuishiki)
in beiden Traditionen eine wichtige Rolle; die genannten
Personen werden alle zur (indischen) Traditionslinie des Zen
gezählt (als 14., 21. und 12. Patriarch). Was die Praxis
angeht, so gibt es wohl bei Mahamudra und Dzogchen Bezüge zum
Tso-ch’an bzw. Zazen.

?schmunzel?

Ich kenne Mahamudra und Dzogchen

allerdings nur vom Hörensagen, nicht aus eigener Erfahrung.

Bist du sicher ? :smile:

Also bitte: wo siehst du den tibetischen Buddhismus als
Herrschaftsideologie? Wo denkst du, stützte dieser eine
sozial rückständige Feudalgesellschaft?

Er war die Ideologie der Herrschenden, eine Ideologie, die
diese Herrschaft stützte und legitimierte. Beispiel: das
wiederholt erwähnte Tulku-System. Wenn das Staatsoberhaupt
eine Reinkarnation Avalokitesvaras ist, dann ist jegliche
Opposition gegen seine Herrschaft nicht nur ein politisches
Verbrechen, sondern auch im religiösen Sinne verwerflich.

Ahja ? Kannst du mir eine Stelle im tibetischen Buddhismus nennen, wo das so steht ? Oder überträgst du hier blind die Verhältnisse das Christentums auf den tibetischen Buddhismus ?

Damit ließen sich wunderbar die weltlichen Machtansprüche des
Dalai Lama begründen -

Warum und wem gegenüber musste der Dalai Lama welche weltlichen Machtansprüche begründen ? Hast du dir mal die Lebensgeschichten der Dalai Lamas angeschaut ? Die meisten waren entweder früh tot (manchmal recht unfreiwillig), ständig auf der Flucht oder schrieben Gedichte. Welchen Dalai Lama nach dem 5. Dalai Lama würdest du denn in irgend einer Weise als politisch bedeutsam einstufen ? Hier mal ein Zitat für dich:

?Since the mid-eighteenth century the dGe-lugs-pa Order was in control of the government and the administration of the whole of Tibet, but except for a very few years no Dalai Lama exercised any personal authority…? (aus: A cultural history of Tibet; Snellgrove & Richardson, Seite 237, ISBN: 0394743806 Buch anschauen)

Wen bezeichnest du als „Verteidiger der alten Ordnung“ und wo siehst
du durch diese Menschen den Buddhismus mißbraucht ?

Die, die im Namen des Buddhismus während des Aufstandes 1959
und dann noch bis in die frühen 70’er hinein mit der Waffe für
diese alte Ordnung gekämpft haben.

Ist dir schon mal der Gedanke gekommen, das diese Menschen um ihr nacktes Überleben und das Überleben ihrer Kultur gekämpft haben ? Hast du dich mal mit den Auswirkungen der Kulturrevolution sowohl in China, als auch in Tibet beschäftigt ?

Was ich
meine ist, dass sich die Herrschaft der Gelugpa über
Tibet in politischer Hinsicht als nicht heilsam
erwiesen hat.

Kannst du das begründen ?

Mönchsgemeinschaften sind Eigentümer von über 40% des
landwirtschaftlich nutzbaren Bodens. Den bewirtschaften sie
nicht selbst; produktive Arbeit verbietet ihre Mönchsregel.

°lol°, na komm, wo hast du das abgeschrieben ? Ich zitiere wieder aus Snellgrove und Richardson, Seite 238: ? The provision of tea, butter, tram-pa and other items of general consumption demanded continual labour on the part of some bodies of monks (Hervorhebungen von mir) while the temples required regular attention and material needs hat to be catered for. It was impossible that such an establishment should be neclosed like Western monasteries in the twentieth century. The monks were not cut off from the life of the land; rather they tended to influence it in all its various departments.?

Anscheinend waren die Klöster ähnlich organisiert wie die alten englischen Universitäten, wobei nur ein Teil der Mönche als ?scholars? also ?Gelehrte? angesehen wurden. Etc.etc.

Dafür hat man Pächter und Leibeigene. Das ist natürlich
praktischer, als zu betteln und von freiwilligen Gaben zu
leben, als „Nicht-Gegebenes nicht zu nehmen“. Wenn die
chinesischen Kommunisten das als soziales Parasitentum
bezeichneten, so hatten sie vielleicht gar nicht so ganz
unrecht damit. Ich begnüge mich damit, es als unheilsam zu
bezeichnen.

Ahja, dann sind Uni-Angestellte in D wohl auch soziale Parasiten. Interessante Auffassungen offenbarst du da.

Der historische Versuch einer direkten
Herrschaft durch eine buddhistische Elite ist gescheitert.

Kannst du das begründen ?

Was gibt es da zu begründen? Sie wurde hinweggefegt.

Ach so, du nennst also den Massenmord an den buddhistischen Mönchen durch die Chinesen ?eine buddhistische Elite ist gescheitert?, das kann ich ja nicht wissen, hinweggefegt ist natürlich eine etwas treffendere, niedlichere Umschreibung.

Und

angeblich wünschen sich ja nicht einmal mehr die Exiltibeter
diese alten Zeiten zurück.

Und was soll dieser Satz jetzt aussagen ? Es dürfte kaum noch Tibeter geben, die diese Zeiten überhaupt noch kennengelernt haben. Wie sollen sich dich danach also ?zurücksehnen? ???

Nicht nur, aber auch aus inneren Ursachen
heraus.

Kannst du das begründen ?

Das Regime der Gelugpa hat bei der eigentlichen Aufgabe einer
weltlichen Regierung völlig versagt, nämlich Bedingungen für
sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt sowie Frieden und
Wohlstand für alle zu schaffen und zu sichern.

Kannst du das Begründen ? Wie war den so der durchschnittliche Lebensstandard, Zugang zu medizinischer Versorgung etc. in Tibet zu der Zeit im Vergleich zu sagen wir mal Indien, China oder Russland ? Sind dir irgendwelche Hungersnöte in Tibet aus der Zeit vor dem Überfall durch die Chinesen bekannt ?

Jetzt möchte ich Dich einmal bitten, etwas zu
begründen. Wenn Du den Ausdruck ‚Vertreibung‘ benutzt -
inwiefern ist dies vergleichbar z.B. mit der Vertreibung der
Sudetendeutschen?

Keine Ahnung, ich weiß nichts über die Vertreibung der Sudetendeutschen und du anscheinend nichts über die Vertreibung der Tibeter.

Wurden die Tibeter aufgefordert, ihr Land zu

verlassen? Wurde ihnen womöglich - Stichwort Völkermord -
andernfalls Ausrottung angedroht?

?angedroht? ?? Du bist echt super. Da rennen Hunderttausende um ihr Leben und noch mehr werden massakriert und du redest von ?angedroht?.

Angesichts tatsächlicher Völkermorde sollte man IMHO etwas
zurückhaltend sein, wenn man mit solchen Ausdrücken um sich
wirft. ‚Völkermord‘ ist die gezielte Ausrottung einer
bestimmten ethnischen Gruppe. Wo siehst Du in Tibet
Völkermord? Selbst die wahrlich nicht zimperliche IGfM
beschuldigt die chinesische Regierung lediglich des
‚kulturellen Völkermordes‘ - was auch immer dies sein mag.

Ja, darunter kannst du dir nichts vorstellen. Das wundert mich nicht. Und ich bin nicht bereit hier über diesen Punkt weiter zu diskutieren. Mir wird bei Diskussionen mit deutschen Revisionisten zum ?Holocaust? auch regelmäßig schlechzt.

Und

die sprechen immerhin von 2 Millionen Opfern seit 1959, falls
nicht inzwischen mal wieder ‚aufgerundet‘ wurde. Ich erinnere
mich noch gut an Zeiten, wo - ebenfalls von exiltibetischer
Seite und seitens ihrer Unterstützer - von 1,2 Millionen die
Rede war. Ohne weder die eine noch die andere Zahl jemals zu
belegen. Natürlich ist jeder Einzelne zuviel; natürlich ist
solches Feilschen um Zahlen obszön - aber ich lasse mich nicht
gerne zum Objekt von Greuelpropaganda machen.

Ach ja, wie kommen mir diese Zahlenspielchen aus anderen Zusammenhängen bekannt vor…

Zum Punkt Tulku hab ich längst alles gesagt und ich wiederhole mich nur ungern.

Welche Privilegien sind das denn deiner Meinung nach ? Die einer
besonders anspruchsvollen Erziehung ?

Ist das nicht offensichtlich? Ja, z.B. auch eine besonders
anspruchsvolle Erziehung. Nichts Selbstverständliches in einem
Land mit einer extremen Analphabetenquote (lt. chinesischen
Quellen 97%).

Sorry, aber ich muss schon wieder Lachen. Die Lehre in den tibetischen Klöstern fand im Wesentlichen mündlich statt, die meisten gebildete Mönche waren ?Analphabeten?. Tja, ich wette das wusstest du auch wieder nicht.

Ein Tulku wurde wie ein Adliger in eine

gesellschaftlich privilegierte Position hineingeboren. Von der
täglichen Sorge um Lebensunterhalt waren er und seine Familie
schon einmal befreit.

Schön, von dieser Sorge waren sie auch bei jedem Kind befreit, das in ein Kloster eintrat, und dort wurde so ziemlich jeder aufgenommen. Vielleicht spendeten die Tibeter deswegen so gerne an die Klöster, weil dort ihre eigenen Kinder ausgebildet wurden ? Aber nein, der Gedanke passt natürlich nicht zur ?Parasiten?-Theorie.

‚Kirche‘ und ‚Sangha‘ halte ich für durchaus vergleichbare
Konzepte, insbesondere wenn man die Kirche als ‚corpus
christum mysticum‘ auffasst.

Letzteres ist aber wohl kaum die Auffassung von Kirche, die du mit deinem Verweis auf den ?Kirchenstaat? vertreten wolltest.

Konsequenzen das für sein Leben hat, ist jedem selbst überlassen,

sei er deutsche Hausfrau, tibetischer Lama oder Mitglied der
burmesischen Militärdiktatur.

Das ist so etwas verkürzt. Wer als Bhikshu oder Lama in die
Sangha ‚im engeren Sinne‘ eintritt, unterwirft sich den Regeln
und der Kontrolle dieser Kongregation (dem Pratimoksha) oder
er wird aus ihr wieder ausgestoßen.

Das mag bei einigen so sein, bei anderen wieder nicht. Ganz sicher aber traf das nicht auf das monastische Leben im alten Tibet zu.

Bei entsprechender Größe

stellt die Sangha selbstverständlich eine ernstzunehmende
gesellschaftliche Kraft dar; dies zu übersehen, wäre naiv. Und
damit stellt sich automatisch die Frage nach der Stellung der
Sangha zu Staat und Gesellschaft.

Die Frage stellt sich allenfalls bei einer buddhistischen Sangha in einem Nicht-Buddhistischen Umfeld. Ganz sicher aber stellt sich diese Frage nicht in einem buddhistischen Land wie Tibet oder Thailand. Da ist die Gesellschaft die Sangha, mit allen Typen die zu einer Gesellschaft dazu gehören. Wie hättest du bitte einen tibetischen Buddhisten aus der Sangha ausstoßen wollen ?

Nein. Ich habe mir kürzlich zwei Photos sehr eingehend
betrachtet. Auf dem einen waren junge tibetische Mönche zu
sehen, die von chinesischen Soldaten entwaffnet wurden. Und
das waren keine Stöcke, die da eingesammelt wurden … Das
andere Bild wurde 1938 auf dem Gelände des Eiheiji (einer der
Haupttempel des Soto-Zen) aufgenommen. Reihen junger Novizen,
die mit dem Gewehr auf der Schulter exerzieren. Wie kamen
diese jungen Menschen, die den Buddhadharma studieren wollten,
die ein Gelübde auf die Shila abgelegt hatten, dazu, auf
organisierten Mord auszugehen? Denkst Du nicht auch, dass
ihnen ‚spirituelle Autoritäten‘ weisgemacht haben, das gehe
schon in Ordnung und sei mit Buddhas Lehre in Einklang?

Nein, ich denke, dass du viel zu idealistische und unrealistische Vorstellungen vom monastischen Leben im alten Tibet oder auch in Japan hast. Was du hier über die Sangha schreibst ist allenfalls ein Ideal.

Jede ethische Entscheidung, die diesen Namen verdient, ist
eine persönliche Entscheidung. Aber solche persönlichen
Entscheidungen werden beeinflusst. Nicht zuletzt durch
Menschen, bei denen man eine besondere Eignung vermutet, die
richtigen Entscheidungen zu treffen. Nur zu oft wird eine
solche Eignung bei entsprechender Stellung in der religiösen
Hierarchie bzw. diese Stellung als Ausdruck ethischer
Integrität vermutet. Wenn die Autorität dann gar noch (mit)
darauf beruht, dass jemand die Inkarnation eines Buddha oder
Bodhisattva ist - dann wird es für den ‚einfachen Gläubigen‘
schon schwierig, solche Autorität zu hinterfragen und ihr den
Primat der selbstverantwortlichen Entscheidung
entgegenzustellen.

Natürlich, nichts ist schwerer umzustimmen als Menschen, die aufgrund eigenen Nachdenkens zu einer bestimmten Überzeugung gelangt sind. Gerade diese Art zu denken fördert ja der Buddhismus. Witzigerweise war das viel eher der Grund für die mangelnde Stabilität in Tibet als alles andere, da nämlich letztendlich doch die meisten das machten, was sie für richtig hielten.

Gruß
Marion

1 Like

A Cultural History of Tibet
aus irgendwelchen Gründen klappte das mit dem Link zum Buch nicht.
Das ist es hier:

http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/1570621020/qid…
ISBN: 1570621020 Buch anschauen

Gruß
Marion

Hallo Marion

Ich glaube, du hast mich falsch verstanden, ich wollte von dir keine
allgemeinen Literaturempfehlungen (danke :smile:), sondern ich wollte
von dir Hinweise, wo ich Begründungen zu den von dir aufgestellten
Behauptungen finden kann, also direkte Quellenangabe für deine
Behauptungen möglichst mit Seitenzahl, damit ich diese selbst nachlesen
kann und dir das Tippen erspart bleibt.

Dies hier ist eine Diskussion und kein Austausch von Dissertationen mit Quellenverzeichnis, Fußnoten und Anmerkungsapparat. Ich habe Dir meine wesentlichen Informationsquellen genannt. Wenn Du meine Angaben überprüfen willst, steht es Dir frei, sie zu benutzen. Ansonsten steht es dir frei, mir einfach nicht zu glauben.

Ich habe ohnehin den Eindruck, Du konzentrierst Dich in dieser Diskussion einfach darauf, mich als unglaubwürdig hinzustellen. Nehmen wir mal das hier:

Sorry, aber ich muss schon wieder Lachen. Die Lehre in den tibetischen
Klöstern fand im Wesentlichen mündlich statt, die meisten gebildete
Mönche waren ?Analphabeten?. Tja, ich wette das wusstest du auch wieder
nicht.

Liebe Marion, wenn man weiss, dass bis zu 20% der männlichen Bevölkerung (also etwa 10% der Gesamtbevölkerung) Tibets Mönche waren (Du findest diese Information bei Goldstein, History of Modern Tibet, auf Seite 5) und dass Mönche praktisch die Einzigen waren, die lesen und schreiben konnten, dann ist es wahrlich kein Kunststück, sich auszurechnen dass etwa 70% der Mönche Analphabeten waren. Deine Wette hast du verloren. Dass sich allerdings gerade unter diesen 70% Analphabeten die meisten „gebildeten“ Mönche finden sollten, ist mir neu und scheint mir wirklich nicht sonderlich einleuchtend.

Und dieser süffisante Kommentar Deinerseits nur wegen einer völlig nebensächlichen Bemerkung. Dies nur als stellvertretendes Beispiel. Ich finde es offen gesagt ermüdend, dass sich Deine Argumentation weitgehend darauf beschränkt, mir sachliche Unkenntnis zu unterstellen - und das in einem Ton, der selbst nicht gerade sachlich ist.

*hüstel* Soweit ich weiß datiert das Jingde Chuandenglu auf irgendwo
Anfang des 11 Jhd., das ist locker ein paar hundert Jahre nachdem die
wichtigsten Lehren des tibetischen Buddhismus formuliert wurden. Es ist
also wohl kaum verwunderlich, wenn sich davon nichts in den tibetisch-
buddhistischen Lehren findet. Was ich mit „Brücke“ meinte ist, dass es
bereits Ende des 8 Jhd. eine sehr intensive und konstruktive
Auseinandersetzung zwischen den tibetischen Buddhisten und den
Chan-Buddhisten gegeben hat.

Es gab 792-794 die große Debatte in Samye zwischen chinesischen Ch’an-Buddhisten unter Führung von Ho-shang und indischen Tantrikern unter Kamalashila. Der König Trhisong Detsen setzte schließlich auf die „indische Karte“; in der Folge wurden Ch’an-Lehrer aus Tibet ausgewiesen und Ch’an zur Häresie erklärt. „Konstruktiv“ würde ich das nicht unbedingt nennen. Ob man übrigens zu diesem Zeitpunkt schon von einem eigenständigen ‚tibetischen Buddhismus‘ sprechen kann, halte ich zumindest für zweifelhaft.

Ähm…Die Werke von Nagarjuna und Asvagosha zählen zu den
Grundlagen des tibetischen Buddhismus :smile:

Deswegen habe ich sie genannt. Sie sind die gemeinsame indische Wurzel des tibetisch/zentralasiatischen und des ostasiatischen Mahayana.

Er war die Ideologie der Herrschenden, eine Ideologie, die
diese Herrschaft stützte und legitimierte. Beispiel: das
wiederholt erwähnte Tulku-System. Wenn das Staatsoberhaupt
eine Reinkarnation Avalokitesvaras ist, dann ist jegliche
Opposition gegen seine Herrschaft nicht nur ein politisches
Verbrechen, sondern auch im religiösen Sinne verwerflich.

Ahja ? Kannst du mir eine Stelle im tibetischen Buddhismus nennen,
wo das so steht ? Oder überträgst du hier blind die Verhältnisse das
Christentums auf den tibetischen Buddhismus ?

Fällt es Dir so schwer, den Buddhismus zur Abwechslung einmal als ein gesellschaftliches Phänomen zu betrachten und zu analysieren? Zwischen Inhalt und sozialer Funktion zu unterscheiden? Die von mir bereits angesprochene Inkongruenz zwischen buddhistischer Lehre und Buddhismus in seiner sozialen Gestalt zu sehen?

Damit ließen sich wunderbar die weltlichen Machtansprüche des
Dalai Lama begründen -

Warum und wem gegenüber musste der Dalai Lama welche weltlichen
Machtansprüche begründen ?

Ach komm, was soll das? Du weißt doch genau, wie die Dalai Lamas an die Macht gekommen sind - der dritte Dalai Lama hatte die Unterstützung Altan Khans, beim fünften war Gushri Khan der Verbündete. Es gab regelrechte blutige Bürgerkriege mit lokalen Adligen und mit konkurrierenden buddhistischen Sekten, vor allem den Kagyue. Man hatte die historische Erfahrung des Zusammenbruchs der Priesterherrschaft der Sakya-Sekte. Natürlich gab es einen Legitimationsbedarf für eine Konsolidierung der Herrschaft der Gelugs. Tu doch nicht so, als hätten alle Tibeter nur auf deren Herrschaftsübernahme gewartet und sie freudig begrüßt.

Hast du dir mal die Lebensgeschichten der Dalai Lamas angeschaut ? Die meisten
waren entweder früh tot (manchmal recht unfreiwillig), ständig auf der Flucht oder
schrieben Gedichte. Welchen Dalai Lama nach dem 5. Dalai Lama würdest du denn
in irgend einer Weise als politisch bedeutsam einstufen ? Hier mal ein Zitat für dich:

?Since the mid-eighteenth century the dGe-lugs-pa Order was in control of the
government and the administration of the whole of Tibet, but except for a very few
years no Dalai Lama exercised any personal authority…? (aus: A cultural history of
Tibet; Snellgrove & Richardson, Seite 237, ISBN 0394743806 Buch anschauen [Buch anschauen])

Es war vom 5. Dalai Lama die Rede. Was seine Nachfolger angeht, so hatte ich geschrieben:

wobei es unwesentlich ist, ob der Tulku selbst über diese Macht verfügt (oft
genug war es anders) oder eine Gruppe, deren Marionette er ist.

Wie ich schon an früherer Stelle ausführte, war es das Tulku-System, das die Kontinuität der Machtausübung einer Elite absicherte. Dein Gegenargument, bis zum Erwachsenwerden eines Tulku müssten die Mitglieder der herrschenden Clique alle verstorben sein, war natürlich albern. Herrschende Eliten erneuern sich selbst. Für (durch Alter, Tod oder wegen innerer Machtkämpfe) ausscheidende Mitglieder werden vertrauenswürdige Gefolgsleute als Nachrücker in den inneren Zirkel der Macht aufgenommen. Das nennt sich Kooption, ein ganz normaler Prozess. Das nominelle Oberhaupt dient dabei nur als Aushängeschild. Wo widerspreche ich da Snellgrove?

Die, die im Namen des Buddhismus während des Aufstandes 1959
und dann noch bis in die frühen 70’er hinein mit der Waffe für
diese alte Ordnung gekämpft haben.

Ist dir schon mal der Gedanke gekommen, das diese Menschen um ihr
nacktes Überleben und das Überleben ihrer Kultur gekämpft haben ?

Der Aufstand 1959 brach los, weil das nackte Überleben der Tibeter bedroht war? Die Khampa, die von Nepal aus über zehn Jahre einen CIA-finanzierten Guerillakrieg geführt haben, haben um das nackte Überleben gekämpft?

Aber es ging ja um eine ganz andere Frage: ist es mit dem Buddhadharma vereinbar, dass ein ordinierter Mönch als Kämpfer an bewaffneten Auseinandersetzungen teilnimmt oder sie auch nur gutheißt? Ob es da immer um das nackte Überleben ging, will ich einmal dahin gestellt sein lassen; selbst die Frage, ob dies eine ausreichende Rechtfertigung für den Bruch der 1. Shila wäre. Aber ist ein so abstraktes Anliegen wie das „Überleben einer Kultur“ ein hinreichender Grund? Sollte man da bei einem Buddhisten nicht etwas mehr Akzeptanz von anitya (Vergänglichkeit), etwas mehr ksanti (Gleichmut) erwarten können? Ich weiss nicht, wie in Deiner Tradition das erste Bodhisattva-Gelübde lautet. In meiner Tradition (nach dem Brahmajala-Sutra) lautet es so:

„Ein Schüler des Erwachten soll nicht selbst töten, Andere ermutigen, zu töten, durch List töten, Töten gutheißen, sich an der Wahrnehmung von Töten erfreuen oder durch Beschwörungen oder Mantras töten. Er darf nicht die Ursachen, Bedingungen, Methoden oder das Karma des Tötens erzeugen und er soll nicht absichtlich irgendein Lebewesen töten.
Als Schüler des Erwachten sollte er einen Geist des Mitgefühls und des Respekts hegen, jederzeit geschickte Mittel zur Rettung und zum Schutz aller Wesen ersinnend. Wenn er dagegen versagt, sich zu zügeln und ohne Gnade fühlende Wesen tötet, ist dies ein Parajika-Vergehen [d.h. ein Verstoß, der den Ausschluss aus der Sangha bewirkt]“

Hast du dich mal mit den Auswirkungen der Kulturrevolution sowohl in
China, als auch in Tibet beschäftigt ?

Die Kulturrevolution dauerte im Wesentlichen von 1966 (Massenversammlung auf dem Tiananmen-Platz am 18. August) bis 1969 (offizielle Beendigung auf dem 9. Parteitag am 1. April, Niederschlagung der Roten und der Schwarzen Garden durch die Volksbefreiungsarmee im Laufe des April). Endgültig beendet wurde sie nach dem Tod Maozedongs mit der Verurteilung der Viererbande 1976. Die Auswirkungen gerade im Bereich der Religion sind bis heute in der gesamten VR China spürbar. Aber was hat die Kulturrevolution mit dem tibetischen Aufstand von 1959 und dem darauf folgenden Partisanenkrieg zu tun? Warum bleibst Du nicht beim Thema?

Mönchsgemeinschaften sind Eigentümer von über 40% des
landwirtschaftlich nutzbaren Bodens. Den bewirtschaften sie
nicht selbst; produktive Arbeit verbietet ihre Mönchsregel.

°lol°, na komm, wo hast du das abgeschrieben ? Ich zitiere wieder aus Snellgrove
und :Richardson, Seite 238: ? The provision of tea, butter, tram-pa and other items
of general consumption demanded continual labour on the part of some bodies
of monks (Hervorhebungen von mir) while the temples required regular attention
and material needs hat to be catered for. It was impossible that such an establishment
should be neclosed like Western monasteries in the twentieth century. The monks
were not cut off from the life of the land; rather they tended to influence it in all
its various departments.?

Ich sehe in Deinem Zitat vor allem einen Beleg für eine ausgeprägte Hierarchie in den Klöstern. Hier die für Studium und Ritual Zuständigen, da die Kulis fürs Grobe. Möglich, dass die ‚Arbeitsbienen‘ tatsächlich Mönche waren. Möglich auch, dass Snellgrove mit ‚monks‘ einfach nicht zwischen Vollordinierten und ‚Novizen‘ (Halblaien, Upasakas) unterscheidet. Ist auch nicht unbedingt entscheidend. Entscheidend für die Gesellschaft des alten Tibet war, dass eine kleine Grundherrenschicht, die sich aus Klöstern, dem Adel und der Beamtenschaft zusammensetzte, über leibeigene Bauern und Nomaden herrschte, die zu Steuerleistungen sowie zu Arbeits- und Transportdiensten verpflichtet waren und deren materielle Armut in einem geradezu grotesken Gegensatz zum Reichtum und der Pracht der Klöster stand. Der Grundbesitz der Klöster war selbstverständlich steuerfrei. Was den Adel angeht, so handelte es sich dabei gegen 1950 um lediglich 150 - 200 Familien, von denen die wenigsten ihre Ahnen noch auf die Zeit der Monarchie zurückführen konnten. Die meisten waren Familien von früheren Dalai Lamas sowie Angehörige von Regierungsbeamten. Die Regierungsbeamten wiederum bestanden zu etwa 50% aus Mönchen. Adel und Beamtenschaft waren daher eng mit der religiösen Hierarchie verbunden. Bevor Du jetzt wieder fragst, ob ich das belegen kann - die entsprechenden Angaben finden sich bei Petech, Aristocracy and Government in Tibet 1782-1959, Rom 1973, Seite 19.

Ansonsten sind auch noch weitere „bodies of monks“ durchaus einer Erwähnung wert: die Mönchspolizei (Zimzag) und die Mönchssoldaten (Dob-Dobs). Ohne Polizei und ohne Soldaten funktioniert nämlich so eine Gesellschaftsordnung nicht so recht …

Ahja, dann sind Uni-Angestellte in D wohl auch soziale Parasiten.
Interessante Auffassungen offenbarst du da.

Und Du zeigst ein Talent für extrem hinkende Vergleiche. Im Übrigen hatte ich geschrieben:

Ich begnüge mich damit, es als unheilsam zu bezeichnen

Überlesen? Ich pflege andere Menschen nicht als Parasiten zu bezeichnen und auch nicht so zu sehen. In manchen Fällen allerdings kann ich verstehen, warum dies geschieht.

Ach so, du nennst also den Massenmord an den buddhistischen Mönchen
durch die Chinesen ?eine buddhistische Elite ist gescheitert?, das kann ich
ja nicht wissen, hinweggefegt ist natürlich eine etwas treffendere, niedlichere
Umschreibung.

Ja, das nenne ich so. Ich bezeichne auch das sozialistische Experiment Salvador Allendes als gescheitert und Dubceks „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ als gescheitert. Das heisst nicht, dass ich Pinochets Diktatur oder den Einmarsch der Truppen des Warschauer Pakts in die Tchechoslowakei gutheiße. Um es noch mal klarzustellen: eine politische und soziale Ordnung zu kritisieren, heisst nicht, ihre gewaltsame Zerstörung gutzuheißen. Entweder projizierst du da irgendetwas auf mich oder Du unterstellst mir gezielt in diskreditierender Absicht solche Meinungen. Kann es sein, dass Du in Freund / Feind - Schemata denkst?

Und angeblich wünschen sich ja nicht einmal mehr die Exiltibeter
diese alten Zeiten zurück.

Und was soll dieser Satz jetzt aussagen ?

Genau das, was da steht. Exilregierung und der 14. Dalai Lama haben wiederholt erklärt, dass es auf keinen Fall eine Rückkehr zur alten Herrschaftsform geben wird. Dann kann sie ja soo optimal wohl nicht gewesen sein (oder hältst Du das für reine Lippenbekenntnisse?). Zumindest hatte sich diese Herrschaftsform deutlich überlebt, weil die herrschende Elite unfähig war, sich und ihre Politik den veränderten Bedingungen anzupassen. Das nenne ich: sie ist gescheitert. Genauer gesagt: der reformorientierte 13. Dalai Lama und Teile der Aristokratie sind mit ihren Bemühungen, weltliche politisch-administrative Strukturen zu schaffen, am Widerstand des Klerus gescheitert.

Jetzt möchte ich Dich einmal bitten, etwas zu
begründen. Wenn Du den Ausdruck ‚Vertreibung‘ benutzt -
inwiefern ist dies vergleichbar z.B. mit der Vertreibung der
Sudetendeutschen?

Keine Ahnung, ich weiß nichts über die Vertreibung der Sudetendeutschen
und du anscheinend nichts über die Vertreibung der Tibeter.

Für ‚Vertriebene‘ gibt es im Gegensatz zum Begriff ‚Flüchtlinge‘ keine völkerrechtlich verbindliche Definition. Meine Frage zielte darauf, ob Du mit der Verwendung des Begriffs ‚Vertriebene‘ aussagen willst, es habe Ausweisungen und Umsiedlungen gegeben, was der Begriff mE nahelegt. Genau dies habe ich ja auch im Weiteren erläutert. Ansonsten weiss ich genug über die tibetischen Flüchtlinge, um sagen zu können, dass dieses nicht der Fall war. Falls Dir der Unterschied nicht klar ist: aus einem Gefängnis kann man fliehen, aber man wird idR nicht daraus vertrieben …

Wurden die Tibeter aufgefordert, ihr Land zu
verlassen? Wurde ihnen womöglich - Stichwort Völkermord -
andernfalls Ausrottung angedroht?

?angedroht? ?? Du bist echt super. Da rennen Hunderttausende um ihr Leben
und noch mehr :werden massakriert und du redest von ?angedroht?.

Um einmal Deinen aufgeregten Argumentationsstil des gezielten Missverständnisses zu verwenden: Du meinst also, die Chinesen sind 1951 einfach so einmarschiert um dann wahllos alle Tibeter, die sie kriegen konnten, abzuschlachten? So wie die Hutu die Tutsi in Ruanda? Und die Tibeter sind dann zu Hunderttausenden um ihr Leben nach Indien gerannt? Findest Du das nicht ein ganz klein wenig verkürzt? So in Richtung Geschichtsklitterung?

Angesichts tatsächlicher Völkermorde sollte man IMHO etwas
zurückhaltend sein, wenn man mit solchen Ausdrücken um sich
wirft. ‚Völkermord‘ ist die gezielte Ausrottung einer
bestimmten ethnischen Gruppe. Wo siehst Du in Tibet
Völkermord? Selbst die wahrlich nicht zimperliche IGfM
beschuldigt die chinesische Regierung lediglich des
‚kulturellen Völkermordes‘ - was auch immer dies sein mag.

Ja, darunter kannst du dir nichts vorstellen. Das wundert mich nicht.

Ich kann mir da durchaus etwas darunter vorstellen. Aber vor allem finde ich dies ein hervorragendes Beispiel für gelungene Propagandaarbeit. Der Dalai Lama bezeichnet die Minderheitenpolitik der chinesischen Regierung in Tibet als ‚kulturellen Völkermord‘; dies wird von Unterstützergruppen wie z.B. der IGfM aufgenommen. Eine äußerst polemische Formulierung, die nach meinem Dafürhalten tatsächlichen, physischen Völkermord verharmlost. Eine angreifbare, aber durchaus noch zulässige Formulierung.

Und - wen überrascht es - das plakative ‚Völkermord‘ wird aufgegriffen und in der Öffentlichkeit (u.a. auch hier) kolportiert, das relativierende ‚kultureller‘ lässt man so nebenbei unter den Tisch fallen. So macht man Stimmungen und Meinungen. Fragt man dann nach Belegen für einen Genozid, bekommt man zu hören:

Und ich bin nicht bereit hier über diesen Punkt weiter zu diskutieren.

Keine Angaben der UN? Keine von Amnesty International?

Jamyang Norbu, tibetischer Publizist im Exil und langjähriges Mitglied der tibetischen Exilregierung schreibt im Dezember 2003 in den World Tibet News:

„Verhaftungen, gnadenlose Schläge, Folterung von inhaftierten Mönchen und Nonnen und deren Vergewaltigung sind die Regel, gelegentlich kommt es gar zu Hinrichtungen. Darüber hinaus wird das religiöse Leben von offizieller Seite streng gemaßregelt, wozu die (von der Staatssicherheit oder den ständig in den Klöstern stationierten paramilitärischen Einheiten durchgeführten) täglichen politischen Schulungen der Mönche und Nonnen und das Verbot von Bildern des Dalai Lama gehören. Ebenso ist allen staatlichen Angestellten der Besitz von religiösen Gegenständen und das Aufstellen von Schreinen in ihren Privatwohnungen untersagt. Rigoros und in geradezu peinlicher Weise werden die religiösen Aktivitäten aller wichtigen Lamas und Äbte überwacht.“

Das ist schrecklich und empörend. Aber nach Völkermord hört sich das für mich nicht an.

Und ich bin nicht bereit hier über diesen Punkt weiter zu diskutieren.

Aber dazu, umgehend den Fragesteller zu diffamieren:

Mir wird bei Diskussionen mit deutschen Revisionisten zum ?Holocaust?
auch regelmäßig schlechzt.

und

Ach ja, wie kommen mir diese Zahlenspielchen aus anderen Zusammenhängen
bekannt vor…

Liebe Marion, die Opferzahlen zum Holocaust sind einwandfrei belegt. Wer sie leugnet, ist zu dumm oder nicht gewillt, sich zu informieren. Ich bin durchaus gewillt, mich zu informieren, erwarte aber ein Mindestmaß an Zuverlässigkeit von solchen Informationen. Es ist ja nicht so, dass ich jemanden von 2 Millionen auf 1,2 Millionen herunterhandeln will. Beide Zahlen stammen aus der selben Quelle und bei beiden Zahlen bleibt man nach wie vor der Öffentlichkeit die Antwort schuldig, wie sie zustande gekommen sind. So lange dies so ist, wird man wohl zur Analyse diverser sich widersprechender Angaben auf Autoren wie Colin Goldner zurückgreifen müssen. Also - wer treibt da Zahlenspielchen?

Aber davon abgesehen - da es Dir beliebt, mich in dieselbe Ecke wie die Holocaust-Leugner zu stellen: ist Dir der Unterschied zwischen einem argumentum ad rem und einem argumentum ad hominem bekannt? Sagt Dir Godwin’s Law etwas? Bevor das hier endgültig entgleist - EOD. Das Schlusswort überlasse ich gerne Dir.

Freundliche Grüße,
Ralf

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Diskussionsverhalten
Moin Ralf

Ich finde es offen gesagt
ermüdend, dass sich Deine Argumentation weitgehend darauf
beschränkt, mir sachliche Unkenntnis zu unterstellen - und das
in einem Ton, der selbst nicht gerade sachlich ist.

Ja, so leid es mir tut, ich habe den Eindruck, du hast wenig Ahnung von der Geschichte und Gesellschaft des „alten“ Tibet und überhaupt keine Ahnung vom tibetischen Buddhismus. Dieser Eindruck rührt unter anderem auch daher, dass deine Postings den Eindruck machen, sie seien irgendwo „abgeschrieben“ (kein Mensch den ich kenne, hat soviel Informationen in Form von Zahlen, Sanskrit-Ausdrücken etc. im Kopf). Und wenn du schon „abschreibst“, dann fänd ich es auch fair, wenn du deine Quellen angibst, nicht, weil dies hier Ansprüche einer wissenschaftlichen Arbeit erfüllen muss, sondern weil wir hier offenbar über unterschiedliche und teilweise gegensätzliche Informationen verfügen. Da mich nunmal interessiert, welche Version die wahrscheinlichere ist, nimmst du mir jede Gelegenheit, mich sinnvol mit deinen Behauptungen auseinanderzusetzen. Wie du schon vorher sagtest: Entweder ich hab dir zu glauben, oder soll es doch sein lassen.

Dies Einstelung erfüllt für mich jedoch nichtmal die Mindestanforderungen, die ich an eine sachliche Auseinandersetzung mit einem Thema anlege. Naiv wie ich bin, hab ich mir sobar 3 der von dir genannten Bücher besorgt (bzw. sind bestellt), da ich doch tatsächlich hoffte, dass du durch direkten Quellenverweis zur Versachlichung der Diskussion betragen und diese womöglich noch zu etwas Konstruktivem Führen könnte.

So kann ich nur sagen: Hoffentlich glaubst du dir wengisten selbst.

Dass mein Ton im Zuge dieser Auseinandersetzung immer zynischer geworden ist, mag Angesichts dieses Diskussionsverlaufs vielleicht nicht entschuldbar, aber erklärbar sein. Deine lässige Haltung gegnüber den Massenmorden durch die Chinesen machen die Stimmung sicher auch nicht besser.

Im Gegensatz zu dir bin ich übrigens gerne bereit, jede meiner Behauptungen hier mit entsprechenden Quellenverweisen der Literatur auf Anfrage zu belegen (bzw. einzuräumen, dass ich hier lediglich Vermutungen äußere). Für mich sind das in sachlichen Diskussionen Selbstverständlichkeiten. Sachliche Diskussionen mit Leuten, die sich in einer bestimmten Materie gut auskennen, machen so nämlich erst richtig Spaß.

Schade, aber für mich ist die Diskussion hier mit dir jedenfalls beendet.

Gruß
Marion

Hallo Marion,
nichts weiter zum Thema Dalai Lama oder ‚Buddhismus und Politik‘ (dazu waren wir ohnehin nicht so recht gekommen) - aber Anmerkungen zu ‚Diskussionsverhalten‘, da Du weiterhin versuchst, mich zu diskreditieren.

Du liegst falsch. Ich habe es nicht nötig, meine Postings „abzuschreiben“, ich bekomme sie fertig vom chinesischen Geheimdienst geliefert.

Hast Du schon einmal von Bibliotheken gehört? Das ist so eine Art Bücherladen, wo man für ein paar Euro im Jahr alle Bücher kriegt, die man will. Man muss sie allerdings wieder zurückgeben, und so kann man das dort Gelesene nicht immer als direktes Zitat mit genauer Seitenangabe wiedergeben. Es sei denn, man leiht sie erneut aus, was bei einer Fernleihe dann schon mal eine Weile dauern kann. Wäre für den Diskussionsfluss nicht gerade förderlich, wenn man auf eine Antwort dann mal zwei Wochen oder so warten muss. Wenn Du Geld und Platz genug hast, alles, was Du liest, zu horten - meinen Glückwunsch. Bei mir ist es nicht so.

Was mein Gedächtnis angeht - jemand, der an bewusst gesteuerte Reinkarnationen glaubt, für den sollte ein gutes Gedächtnis doch eigentlich nichts Besonderes sein . So gut ist es übrigens gar nicht. Was z.B. die Daten angeht - wenn jemand die Kulturrevolution mit dem tibetischen Volksaufstand von 1959 in Verbindung bringt, dann schreibe ich nicht „nach meinem Gedächtnis fand die Kulturrevolution irgendwann Ende der 60er statt“. Ich schlage die genauen Daten nach. Kostet z.B. mit Google kaum eine Minute. Und wenn jemand etwas von einer konstruktiven Auseinandersetzung zwischen tibetischen und Ch’an-Buddhisten am Ende des 8. Jahrhunderts erzählt - nun, dann ist mein Gedächtnis jedenfalls gut genug, um mittels Google und der Suchbegriffe „samye“, „great debate“ und „kamalashila“ binnen Sekunden herauszufinden, wann genau diese Debatte war. Voila - im dritten Link steht das Datum in der Seitenbeschreibung; ich bräuchte die Seite nicht einmal aufzurufen.

Was die Sanskritausdrücke angeht - jemand, der sich intensiv mit dem Dharma auseinandersetzt, hat zumindest die Kernbegriffe wie z.B. die Bezeichnungen der trilakshana oder der paramitas natürlich im Gedächtnis präsent - sei es in Pali, sei es in Sanskrit. Man verwendet diese Ausdrücke der Klarheit halber im Austausch unter Buddhisten - weil sie z.T. nicht einheitlich und z.T. missverständlich übersetzt werden. Ich denke, das sollte Dir bekannt sein, zumal Du in Deiner ViKa Interesse für Sanskrit angibst.

Ansonsten sehe ich, dass Du einen Gang zurückgeschaltet hast und statt von ‚Völkermord‘ nun von ‚Massenmord‘ sprichst. Wäre schön gewesen, wenn Du in diesem Zusammenhang auch die Neonazi-Analogie zurückgenommen hättest. Nun ja, ich kann damit leben.

Freundliche Grüße,
Ralf

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