Damit umgehen jemandem das Leben gerettet zu haben

Hallo @all,

vor gut 4 Jahren habe ich einem Mädchen das Leben gerettet, da ich sie vor dem Suizid bewahrt habe. Wir waren zu der Zeit schon gut befreundet und sind 2013 zusammengekommen.

Sie ist zu mir nach Deutschland gekommen und hat hier mit mir bis Oktober dieses Jahr gelebt. Die ganze Beziehung war belastet damit, dass ich mir sehr viel sorgen gemacht habe und auch sehr viel Stress hatte, da ich immer wenn ich zur Arbeit ging Angst hatte, dass sie sich das Leben nimmt.

Aus verschiedenen Gründen haben wir uns im Oktober einvernehmlich getrennt und bei mir bleibt weiterhin der Stress, dass ich ihr das Leben gerettet habe.

Aktuell bin ich wegen Depressionen mit Paroxetin in Behandlung und daher auch relativ gut drauf nur hilft das ganze leider nicht bei meinen Sorgen und Ängsten.

Meine Frage, hat jemand für mich Tipps, wie ich damit umgehen kann, dass ich ihr das Leben gerettet habe? Ich selbst komme nicht mehr weiter…

Gruß
Knerd

Hallo

Willst du vielleicht etwas präziser beschreiben, was dich daran stört, ihr das Leben gerettet zu haben?

Viele Grüße

Es stört mich nichts, es belastet mich nur sehr einem Menschen ein Leben gegeben zu haben.

Gut. - Und was genau belastet dich daran?
Würde es dich weniger belasten, wenn dieser Mensch jetzt tot wäre?

Das ist genau der Punkt wo ich nicht weiter weiß… Und Unterstützung bräuchte.

Hallo Knerd,

Beschreibt das dein Problem vielleicht genauer?
Ist es die Verantwortung, die du jetzt spürst, aber nicht tragen möchtest?
Belastet es dich vielleicht, einem Menschen diese Entscheidung genommen zu haben und dieser Person etwas „angetan“ zu haben, was sie in dem Moment nicht wollte?
Wenn ich fragen darf: Hat sie dir gedankt und ist sie jetzt glücklich? Und wie fühlst du dich, wenn du darüber nachdenkst?

Mit freundlichen Grüßen
Michael

Du bekommst Psychopharmaka, also bist du bei einem Neurologen/Psychiater in Behandlung. Ich denke dein Problem ist dort weitaus besser aufgehoben, bzw. kann dir dein Arzt sagen wohin du dich wenden kannst.

Hallo,

zuerst einmal glaube ich, dass so eine Situation für jeden sehr stressgeladen ist.
Man denkt immer " na das muss ja ein erhebendes Gefühl sein"- aber tatsächlich wird einen diese besondere Konfrontation mit dem Tod und dem Leben doch durchaus begleiten und eine Aufarbeitung der eigentlichen Situation wäre da - in meinen Augen- schonmal sehr sinnvoll.

Nun bist Du mit dieser Frau noch zusammen gekommen und das Erlebnis steht dann immer zwischen Euch. Noch dazu hat dieses Leben-retten ja auch keine Sicherheit in Dein Leben gebracht sondern den möglichen Suizid weiterhin am Leben gehalten (sie- bzw ist die Frage, ob es so war oder ob DU das nur so verstanden hast?).
Dass Du letztlich keine Macht über so ein Verhalten hast ist sehr belastend und hier vermischt sich Deine Aktion damals und das, was sicher jeder Mensch hat, wenn er mit Menschen in Kontakt ist, die mit Suizidgedanken durch die Welt laufen. So ernst man so etwas nehmen kann- Du nimmst diese Gedanken SEHR ERNST, weil Du die Realität darin schon erlebt hast. Während jeder andere Mensch „nur“ Angst Dich zusätzlich DEINE reale Erfahrung begleitet. (welche Gefühle haben Dich damals begleitet? Schock, Furcht, Hilflosigkeit, Verzweiflung, Panik, etc??)

Bedeutet, Du läufst logischerweise neben so einer Frau ganz anders durch das Leben und wenn sie nicht die Sicherheit vermittelt (oder Du keine für Dich findest), dass dieses Thema keines mehr ist- dann schwelen alle anderen Gefühle immer wie in einer Warteschleife über Dir und sind wie „immer leicht aktiviert“. Was für ein innerer Stress muss das für Dich sein?
Wieviel Energie muss Dich das gekostet haben?

Medikamente alleine werden - meiner Meinung nach- hier nicht helfen.
Ein AUfarbeiten der Situation- ebenso der Beziehung an sich (den nötigen Anteil dafür) wäre gut -und dann bist Du für Dich noch sehr interessant und spannend anzusehen.
Es hat ja auch Gründe, dass Du an diese Frau gekommen bist…wäre doch auch gut zu wissen, was Dich dahin gezogen hat :wink: Nicht klar ist mir, ob die Freundin weiterhin suizidgefährdet WAR oder ob die Angst nur IN Dir so aktiv weiter gelebt hat?

Es kann also sein, dass es nicht um das Retten an sich geht sondern um das, was das alles für Dich bedeutet hat und wie sie damit umgegangen ist- und Du.

lg kitty

Hallo.

Ich hab dir ne PN geschickt

Gruß

Ich denke, du überschätzt deine Einflussnahme. Die Entscheidung, leben oder sterben zu wollen, trifft jeder Mensch für sich.

Es gibt natürlich beeinflussende Faktoren in die eine oder andere Richtung - letzten Endes kann sich aber jeder Mensch nur selbst retten.

Jemandem ein Anker sein, wenn er gerade wild durch die Höhen und Tiefen des Lebens treibt, ist sicher eine wertvolle Hilfestellung. Aber auch hierbei entscheidet die andere Person, ob sie diese Hilfe annehmen will oder nicht.

Ebenso wenig, wie ihre Entscheidung, sich das Leben zu nehmen, in deinen Händen liegt, liegt auch auch ihre Entscheidung zu leben in deiner Macht.

Jule

Ich wünschte ich würde meinen Einfluss überschätzen, da sie mir aber mehrfach direkt gesagt hat, dass ich der Grund bin, dass sie sich nicht umgebracht hat bin ich mir sehr sicher, dass ich der Grund bin…

Um die ersten Fragen kurz zu beantworten: Nein diese Verantwortung möchte nicht haben, von ihrer Seite aus habe ich auch keine Verantwortung. Das ich sie vom Suizid abgehalten habe ist jetzt nichts wo ich mich schlecht wegen fühle.

Ja, sie hat mir gedankt im Nachhinein und sie ist glücklich. Wie gesagt, wir waren 2,5 Jahre in einer Beziehung.

Hi Kitty,

sie war noch lange Zeit danach schwer depressiv und auch Suizidgefährdet. Allerdings wurde es mit der Zeit immer besser und inzwischen ist sie relativ stabil.

Ja, das ganze hat mich viel Energie gekostet, dazu kommt dass ich voll berufstätig bin und war und damit auch noch der berufliche Stress dazu kam.

Lg Knerd

Was soll sie denn auch sonst sagen? Du warst für sie da, sie ist dankbar dafür. Und möglicherweise empfindet sie das tatsächlich auch so. Dennoch ist es IHRE Entscheidung, zu leben, die sie getroffen hat.

Es gibt eine Menge suizidgefährdeter Menschen, deren Angehörige und Freunde alles geben, um sie am Selbstmord zu hindern und es dennoch nicht schaffen. Ganz einfach deswegen, weil es NICHT in der Macht des Helfers liegt.

Dich von diesem Gefühl des Lebensretters zu verabschieden, könnte allerdings auch eine recht schmerzhafte Sache für dich selbst werden.

Jule

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Das ist ja genau mein Problem, ich möchte diese Rolle gar nicht haben aber werde immer wieder daran erinnert. Sie meinte zu mir gestern noch einmal: „You are the reason I am still alive, that you talked to me and that you were nice to me saved me“.

Lg Knerd

Ich kapiere es nicht. Einerseits belastet es dich, ihr das Leben gerettet zu haben, andererseits schreibst du:

Was denn jetzt? - Oder richtet sie irgendwelchen Schaden an?

Warum willst du dir unbedingt das Störungsbild der Person zum eigenen Problem machen?

Ist dir schon mal in den Sinn gekommen, dass auch ihre ständige Erinnerung an die „Rettung“ eine Funktion haben könnte, welche mit der STÖRUNG, nicht mit dir zu tun hat?

Jemandem ständig sagen, wie wichtig er einem ist, erzeugt einen ungeheuren Druck beim andern, der auch ganz bewusst so benutzt wird. Indem man jemanden für das eigene Wohlbefinden - oder eben auch für das eigene Überleben - verantwortlich macht, bindet man ihn mit dieser Verantwortung auch an sich.

Möglicherweise ist die Trennung ja gar nicht so einvernehmlich. Wer trennt sich schon freiwillig von jemandem, dem er für eine ganze Weile die Verantwortung für das eigene Handeln erfolgreich aufs Auge gedrückt hat?

Es ist gut möglich, dass damit eine stärkere Distanznahme von deiner Seite verhindert werden soll. Und falls du dich dem subtilen Druck nicht fügst, ist es auch nicht unmöglich, dass die Person diesen Druck erhöht, indem sie erneut mit Suizid droht.

Und auch das hat nichts mit dir zu tun.

Jule

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Hallo Knerd,

Du schreibst das „Leben gerettet“ so oft, dass Du es vielleicht gründlicher untersuchen solltest.

Meist gebraucht man diesen Begriff, wenn eine plötzliche, große Todesgefahr abgewendet wurde.

Beim Suizid „spielt“ der Betroffene oft mit dem Schicksal Russisches Roulett, egal ob bewusst oder unbewusst. Von unzureichenden Schnitten, die Angst vorm Springen, bis zu Schlafmitteln, die noch nicht sicher bis zum Eintreffen des Partners wirken. Das kann jedoch praktisch kaum diskutiert werden, da dies ansonsten beim nächsten „Spiel“ ein Grund für den letzten Schritt ist („ich zeige es allen, das es schon beim ersten Mal ernst war“).

Wenn Du irgendwie zu dem Schluss kommen köntest, dass Deine Möglichkeiten der Lebensrettung nicht nur zufällig waren, dann überdenke das vielleicht noch einmal.

Gruß
achs

Naja, die meisten Mütter haben auch ein „Leben gegeben“, belasten sich aber nicht mit deinen Gedanken.