Hallo Eva,
das habe ich in der ausgehenden Dampflokzeit, als die Bahnbetriebswerke Ulm und Crailsheim neben Rheine zu den letzten großen Dampf-Bw der DB gehörten, ganz anders erlebt als meine Vorredner:
Wenn eine Dampflok ordentlich gewartet ist, d.h. vor allem der Rost frei von Schlacke und ein guter Zug im Kessel und in der Rauchkammer, und wenn ihr Heizer etwas kann und die Strecke kennt, sieht man sie beim Aufenthalt in einem Bahnhof nie rußig qualmend, sondern man kann dann nur ein starkes Flimmern der sehr heißen Luft unmittelbar über dem Schornstein wahrnehmen. Und wenn sie sich dann z.B. mit einem schweren Eilzug in Bewegung setzt, sieht man zwar gewaltige Dampfwolken, aber auch dann keinen rußigen, schwarzen Qualm.
Wie kommt das?
Dampflokomotiven qualmen nur schwarz, wenn das Feuerbett vom Heizer grade mit frischer Kohle versehen worden ist. Weil dann das Feuer auch etwas weniger heiß ist, d.h. weniger „Dampf kocht“, und somit die Lok nicht ihre Höchstleistung abgeben kann, die sie immer zum Anfahren braucht, und auch mit Rücksicht auf die Fahrgäste und auf die freie Sicht des Lokführers, schippt er frische Kohle nie kurz vor einem Bahnhof und auch nie kurz vor einem Tunnel oder einem Einschnitt ins Feuerbett. Wenn der Zug in einen Bahnhof einfährt, in dem er halten soll und keinen allzu langen Aufenthalt hat, muss der Heizer zusehen, dass das Feuerbett sich grade in diesem Augenblick in seinem Optimum befindet, d.h. mehr weiß als rot glüht und keine noch nicht vollständig glühende Kohle enthält. Wenn ein schwerer Schnellzug einen guten Heizer hat, ist das daran zu erkennen, dass die Sicherheitsventile der Lok als Begleitmusik zum „Einsteigen bitte und die Türen schließen!“ volle Pulle abblasen. Dann hat die Lok genügend Druck auf dem Kessel, um den Rheingold sauber zu beschleunigen. Und wenn sie sich in diesem Zustand befindet, sieht man keinerlei Qualm oder Ruß.
Was man bei Zügen nach Aufenthalt im Bahnhof eher mal sehen konnte, waren gewaltige Dampfwolken, die aber nicht mit Rauch oder Ruß einhergingen - auch daran waren die Heizer schuld: Die erste kam daher, dass der Heizer die Glut für die Abfahrt heißer machte, indem er mit dem Bläser für den Zug in der Rauchkammer sorgte, den während der Fahrt der Abdampf aus den Zylindern macht. Das zweite, noch heftigere Dampfkonzert kam dann unmittelbar bevor der Lokführer den Regler aufmachte: Da wurden die Zylinder bei geöffneten Ventilen mit Dampf vorgewärmt, damit es nicht zu Kondensation von Dampf in den Zylindern selber kommen konnte. Dieses heftige Ausblasen von Dampf nicht irgendwo da oben, sondern auf Höhe des Bahnsteigs, war dann schon recht respekterregend.
Qualm oder Ruß innerhalb von Bahnhöfen gab es nur in den letzten Dampfjahren der Reichsbahn: Da mussten die Mannschaften auf den Loks mit einer Art Blumenerde aus dem sächsischen und lausitzer Tagebau, für die die Lokomotiven nicht ausgelegt waren und viel zu kleine Rostflächen hatten, täglich Höchstleistungen bringen, und konnten nicht groß darauf achten, wann zu feuern war und wann nicht, sondern das braune Elend wurde mehr oder weniger ununterbrochen auf den Rost geschippt, was der Heizer konnte.
Schöne Grüße
MM