Danke SPD?

Hallo,

ursprünglich wollte die Unionsfraktion durch eine zügige gesetzgeberische Initiative verhindern, dass Abmahnvereine und -kanzleien Website-Betreiber, vor allem Vereine und Kleinunternehmer bei unbeabsichtigten Verstößen gegen die DSGVO abzocken

Dieses Vorhaben sei jedoch am Koalitionspartner gescheitert, heißt es nun

Wohl die wenigsten Vereine und kleinen Unternehmen verstoßen absichtlich gegen gesetzliche Vorschriften, aber nicht jeder kann es sich leisten, mal eben ein paar Juristen mehr einzustellen oder auch nur „externen Sachverstand“ einzukaufen.

Schwammig und unverständlich formulierte oder schlecht gemachte Gesetze im Verein mit der „Abmahnindustrie“ machen Kleinkrautern und Existenzgründern die Arbeit schwer, sind aber eine gute Geschäftsgrundlage für allerlei Kanzleien und „Consulter“. Die einen verschicken die kostenpflichtigen Abmahnungen, die anderen versprechen kostenpflichtigen Schutz dagegen …

Wer hat dieses Abmahn(un)wesen eigentlich eingeführt? Und warum hat der Gesetzgeber dem nicht längst Einhalt geboten?

Freundliche Grüße, myrtillus

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Der Staat kann nicht in allen Bereichen flächendeckend ein gesetzeskonformes Verhalten aller Marktteilnehmer gewährleisten. Deswegen gibt es das Abmahnrecht, damit regulieren sich die Marktteilnehmer untereinander. Dadurch wird Fehlverhalten sanktioniert.

Wenn du die Möglichkeiten einschränkst, dass gesetzwidriges Verhalten sanktioniert wird, dann förderst du eben dieses gesetzwidrige Verhalten. Autofahrer, die wissen, dass auf einer Strecke nicht geblitzt wird, die fahren ganz anders als auf Strecken, bei den regelmäßig Blitzer aufgestellt werden. Somit erfüllt dieses Abmahnunwesen eine wichtige Funktion in Bereichen des Verbraucherschutzes, des Datenschutzes usw. Ohne Abmahnunwesen würdest du wohl höchstens auf jeder zehnten Website ein Impressum finden, um nur mal ein Beispiel zu nennen.

Natürlich gibt es Auswüchse, die sogenannte Abmahnindustrie, wenn man diese Möglichkeit jedoch zu sehr einschränkt, schwingt das Pendel möglicherweise in die andere Richtung durch und es entsteht Wildwuchs.

Du siehst, bei differenzierter Betrachtung ist die Lösung plötzlich nicht mehr so leicht und eindeutig. Deswegen sind Schnellschüsse aus dem Wahlkampf auch nicht so einfach umzusetzen.

tatsächlich wollte die unionsfraktion die freiheitseinschränkenden und kommunikationshemmenden datenschutzverordnungen schützen, indem sie abmahnvereine erst einmal in schach hält. wenn dann alle sich an die einschränkungen gewöhnt haben, dann sind sie etabliert.

pasquino

Gerade bei gemeinnützigen Vereinen ist das ja ein wichtiges Thema. Unser Förderverein hat etwa 250 Mitglieder, davon haben 2/3 keine Kinder mehr in der Grundschule (sind also nicht mal eben durch Elternbriefe seitens der Schule erreichbar). Wir brauchen ein Verarbeitungsverzeichnis (in diesem Falle kein Problem, weil ich beruflich an der Erstellung des Verarbeitungsverzeichnisses eines der größten Kreditinstitute des Landes mitgewirkt habe) und eine Datenschutzerklärung, neue Flyer inkl. Beitrittserklärung und nicht zuletzt müssen wir alle Mitglieder über die Datenschutzerklärung informieren.

Schon ohne anwaltliche Beratung spielt sich die ganze Operation mit Druck- und Portokosten im mittleren dreistelligen Bereich ab. Die eigene Freizeit gar nicht erst mit reingerechnet.

Aber es wird noch besser: die Internetseite des Vereins läuft auf dem Server der Gemeinde, d.h. wir haben keinen direkten Zugriff darauf, sondern müssen Änderungen bei der Gemeinde beauftragen. Auf der Internetseite ist u.a. auch die Beitrittserklärung zu finden, die derzeit noch nicht den Ansprüchen der DSGVO genügt. Bei der Gemeinde eine Änderung zu beauftragen ist derzeit schwierig, weil es einen Wechsel im Vorstand gab, der aber noch nicht im Vereinsregister eingetragen ist.

Und um noch einen draufzusetzen: eigentlich müßten wir auch unsere Satzung (die auch auf der Internetseite des Vereins zu finden ist) ändern, um darin den Umgang mit Daten für die Vereinsoffiziellen zu regeln. Blöderweise ist eine Satzungsänderung praktisch unmöglich, weil die Genies bei der Gründung des Vereins in die Satzung geschrieben haben, daß die nur mit 3/4 der Stimmen der anwesenden Mitglieder geändert werden kann UND mindestens ein Viertel der Mitglieder bei der betreffenden Versammlung anwesend sein soll. Bei der letzten Versammlung waren neben dem erweiterten Vorstand ganze drei Mitglieder anwesend.

Der langen Rede kurzer Sinn: wer es drauf anlegt, wird unseren Förderverein mindestens noch einige Monate, wenn nicht sogar ad infinitum erfolgreich abmahnen können. Macht ja auch Sinn: die Verzerrung des Marktgeschehens durch die Nichteinhaltung der DSGVO ist bombastisch und da muß der Rechtsstaat schon alle Möglichkeiten offen lassen, um Recht und Ordnung wiederherzustellen.

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Die DSGVO ist noch mal ein anderes Thema, da haben sich die brüsseler Bürokraten ausgetobt und in Berlin reibt man sich die Hände, weil man immer mit den Schulter zucken kann - „Kommt doch aus Brüssel, da können wir nichts ändern!“. Aber man muss unterscheiden, ob die Rechtsnormen schwachsinnig sind oder ob die Möglichkeit der Überprüfung bzw. Sanktionierung schwachsinnig ist. Bei der DSGVO liegt es wohl an der Vorschrift, bei der Ausnahmen bzw. Erleichterungen für kleine Anbieter und gemeinnützige Organisationen fehlen.

Naja, eigentlich ging es genau darum im Ausgangsartikel (zumindest am Anfang):
dass Abmahnvereine und -kanzleien Website-Betreiber, vor allem Vereine und Kleinunternehmer bei unbeabsichtigten Verstößen gegen die DSGVO abzocken

:wink:

Schon klar, trotzdem würde ich dafür plädieren, bei dem Thema zu unterscheiden, was ist kritikwürdig am Abmahnrecht und was ist kritikwürdig an der DSGVO. Hätte die DSGVO eine Ausnahme oder Erleichterung für kleine Betriebe oder gemeinnützige Organisationen, dann hätte wir den ganzen Bohei nicht.

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Abmahnung ist eine Sache - wenn sie begründet ist - und auch in Ordnung. Das, was diese Abzockanwälte daraus machen (dürfen), ist nicht OK.

Man kann, wenn es nur um die Sache geht, auch eine Abmahnung schicken und um Beseitigung des Fehlers bitten. Aber, darum geht es den Wenigsten. Sie wollen Geld, viel Geld - und eine mehr als knebelnde Unterlassungserklärung. Und das bei minimalem Fehler.

Das KANN man unterbinden - wie in anderen EU-Ländern. Will man aber in D nicht - sitzen wohl zu viele Juristen im Bundestag …

Genauso müsste man auch das Insolvenzrecht dringend reformieren - auch da gibt es „Abzock-Insolvenzverwalter“ (neulich interessanter Bericht bei plusminus). Aber, auch da sieht unser Justizministerium „keinen Handlungsbedarf“. Wie gesagt … wer sägt schon an dem Ast, auf dem er sitzt …

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Die neue DSGVO entrechtet Anwender im Internet… Kleine Firmen kämpfen ums Überleben und die, die es eigentlich treffen sollte, wie Facebook, oder Google rektrutieren Scharen von Rechtsanwälten. Man bekommt das dann so verkauft:" Der Schutz Ihrer Daten ist uns wichtig". Anschließend gibt man alle persönlichen Daten frei, weil man die Seite sonst nicht mehr nutzen kann.

hat sie aber nicht. Und so könnte das ganze zu einer gelungenen Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Juristen und Berater werden: Die einen schicken die kostenpflichtigen Abmahnungen und die anderen leisten den abgemahnten kostenpflichtigen Rechtsbeistand oder helfen durch kostenpflichtige Beratung im Vorfeld, Abmahnungen zu vermeiden. Und Maas und Barley hatten offensichtlich keine Lust, dicke Bretter zu bohren.

Jau, ich versuche gerade, eine neunseitige! Datenschutzerklärung, auf die der Hersteller unserer Fahrzeuge besteht, unseren langjährigen Kunden unterzujubeln.
Im Prinzip ist es so, dass unsere Kunden es tatsächlich als Service ansehen, wenn ich sie an TÜV und Inspektionstermine erinnere. Nun müssen sie eine neunseitige Erklärung unterzeichnen, in der sie mir das erlauben, was sie mir vor Jahren schon mit einer einseitigen Erklärung erlaubt haben.

Soon, schwer genervt