Daodejing (chines.): fei chang vs. feichang

Hallo,

meine Frage bezieht sich auf die Mehrdeutigkeit chinesischer Texte, insbesondere hier auf den Beginn des Daodejing. Der Text lautet bekanntlich:

dao4 ke3 dao4
fei1 chang2 dao4,

soweit so gut. Nun meine Frage, die sich auf die Verwendung der drei Vokabeln außer dao bezieht (ke, fei und chang)

Die ersten drei Worte werden gewöhnlich ja übersetzt mit „Ein Dao, dass definiert werden kann“, also mit ke als können und der Doppelbedeutung von dao. Gleichzeitig ist ke aber auch ein Bekräftigungspartikel. Man könnte also vielleicht auch übersetzen „Ein Dao ALS Dao“.
Soweit die erste Zeile.

Die zweite Zeile wird geläufig übersetzt mit „ist nicht das ewige Dao“. Hier werden also drei Worte angenommen (fei und chang getrennt gerechnet). Da man aber soweit ich weiß aus dem Schriftbild nicht erkennen kann, wann ein Wort endet, könnte man auch „feichang“ lesen. Das aber hieße „außerordentlich“ oder auch „ungewöhnlich“.

Nehme ich nun beide Zeilenübersetzungen zusammen, käme ich auf eine mögliche Übersetzung „Ein Dao als Dao betrachtet, ist ein besonderes Dao.“ Diese Interpretation widerspräche aber allen, die ich sonst kenne, ist quasi genau das Gegenteil von der üblichen Interpretation.

Da ich mich noch nicht zu den fortgeschrittenen Lernern, sondern als Anfänger bezeichnen möchte, ist mir nicht klar, worin mein Irrtum bei der Alternativübersetzung liegt. Ist es der Kontext? Ist es die Tradition? Habe ich einen anderen Denkfehler begangen?

In gewissen Grenzen kann ich mir Mehrdeutigkeit ja als erlaubt denken, aber das quasi sowohl die Aussage als auch das genaue Gegenteil der Aussage herauskommt, scheint mir suspekt. Ich muss also eine Fehler gemacht haben. Wer weiß, welchen?

Gruß

Bona

Hallo,
Nur eine kurze Überlegung von meiner Seite:

Die zweite Zeile wird geläufig übersetzt mit „ist nicht das
ewige Dao“. Hier werden also drei Worte angenommen (fei und
chang getrennt gerechnet). Da man aber soweit ich weiß aus dem
Schriftbild nicht erkennen kann, wann ein Wort endet, könnte
man auch „feichang“ lesen. Das aber hieße „außerordentlich“
oder auch „ungewöhnlich“.

非常 heißt zwar im modernen Chinesisch „außerordentlich“, „besonders“ usw., aber hieß es das schon in der klassischen Schriftsprache? Vielleicht sollte man in einem entsprechenden Wörterbuch zu finden versuchen, seit wann es das Wort in der Bedeutung „außerordentlich“ gibt und auch, ab wann 可 auch als Partikel und nicht in der passivischen Bedeutung „können“ (eigtl. ja „gekonnt werden“) benutzt wird.
Ich kenne so ein Buch leider nicht.

Gruß,

  • André

NEIN!
Hi

Neineinneinnein, 非常 feichang hieß damals noch NICHT „außerordentlich“ oder „besonders“.

Diese Bedeutung von feichang ist REIN modernes Chinesisch, selbst im Mittelchinesischen und frühmodernen Chinesischen(10-15. Jh.) hatte es diese Bedeutung noch nicht.

Fei hat im archaischen Chinesisch folgende Bedeutungen:

  • Negation „nicht“
  • Konjunktion: "Wenn nicht (Subjekt), dann (Subjekt)
  • Verb: „x verurteilt y“ oder „x hält y für ein Unrecht“
  • Nomen: Verstoß gegen (Nomen)
  • Nomen: Unrecht, etwas Unrechtes, unrechtes Verhalten

Ke3 hatte ursprünglich nur die Bedeutung:
„x ist möglich/ x erlaubt“
„x kann/darf (Verbsatz)“
Nomen: etwas erlaubtes, zulässiges Verhalten

Die passivische Bedeutung kam sogar erst etwas später.

Infos über die Verwendungszeit finden sich zumeist im Hanyudacian (Chinesisches Großwörterbuch, ein enzyklopädisches Wörterbuch)

Aber für die zwei Zeichen reicht mein Altchinesisch noch ^^

lg
Kate

2 Like

Danke an euch beide
Hi,

danke für deinen Versuch, André, auf die Idee war ich noch gar nicht gekommen.

Danke für deine instruktiven Bemerkungen, Kate.

Wenn ich es also richtig verstanden habe, dann hat es im Laufe der Jahrhunderte Bedeutungswechsel gegeben, die mich in die Irre geführt haben, ja?

Hanyudacian (Chinesisches Großwörterbuch)

Kann man das kaufen?

Gruß

Bona

Hi

Lieber Bonaventura, denk mal darüber nach, wann das Daodejing wahrscheinlich geschrieben wurde.

Und jetzt nimm dir ein deutsches Buch von 1911, 1875, 1810, 1790 und versuche es zu lesen. Versuch das mit einer Handschrift von 1099.

Fällt dir was auf?

Eben.

Archaisches Chinesisch (das, dass zur Zeit der Streitenden Reiche gesprochen wurde) ist mit dem heutigen gar nicht mehr vergleichbar. Es hatte noch Auslaute, eine umfassende Grammatik und hörte sich an wie satanische Gesänge rückwärts :wink: (slaks mprets nak?)

Die Töne entwickelten sich erst mit dem Mittelhochchinesischem (also gen 15. Jahrhundert) und ersetzten Mittel- und Auslaute. Mehr zu der Geschichte kannst du in Normans „Chinese“ nachlesen, wenn du linguistisch interessiert bist.

Das Hanyudacidian KANNST du kaufen… wenn du reich bist. Suche lieberdie Bibliothek einer Uni auf, die Ostasienwissenschaften anbietet.

Es ist übrigens komplett auf chinesisch, aber mit Grundkenntnissen und einem elektronischen Wörterbuch lassen sich die EInträge passabel übersetzen.

lg
Kate

1 Like

Gibt’s das Hanyu Dacidian vielleicht online irgendwo?
Bei uns in der Bibliothek steht’s auch, aber da bin ich so selten… ich brauch fast 45 Minuten in die Stadt rein, dorthin.

Gruß,

  • André

Hi

Ich habe gehört, dass man es im Internet downloaden kann (unter der Hand, versteht sich. Da es in Deutschland nicht aufgelegt wird (alles aus China) ist das ne Grauzone).

Gefunden habe ich es allerdings noch nie, und ich habe schon 6GB fette koreanische Textsammlungen gefunden (allerdings legal zur Verfügung gestellt)…

Also irgendwo muss es das wohl geben, viel Glück beim suchen ^^

lg
Kate

Hallo Kate,

Lieber Bonaventura, denk mal darüber nach, wann das Daodejing
wahrscheinlich geschrieben wurde.

ich hatte unterschwellig wohl damit gerechnet, dass gerade das Chinesische sich eben nicht so stark verändert hat. Und dass es sich so stark verändert hat, dass gewisse Sätze in moderner Übersetzung gerade das Gegenteil von dem ausdrücken, was sie in der Antike sagen wollten, überrascht mich immer noch.

hörte sich an wie satanische Gesänge rückwärts

Woher weiß man denn das? Aus lyrischen Texten?

Suche lieberdie Bibliothek einer Uni auf, die
Ostasienwissenschaften anbietet.

Leipzig ist weit …

Aber nochmal danke für deine Hilfe.

Gruß

Bona

Hanyudacian
Hallo nochmal,

Hanyudacidian

ich habe dieses Wort gerade bei Google und im KVK eingegeben. Google zeigte nur auf diesen Thread, der KVK zeigte gar nichts. Kann es sein, dass die Schreibweise falsch ist? Oder wie kann ich herausfinden, welche Bibliothek es besitzt?

Gruß

Bona

Hi Bonaventura

Du musst schon auf Chinesisch suchen bei chinesischen Büchern. Mit PinYin kommst du nicht weit, ich weiß nicht wie andere Bibliotheken es handhaben aber viele Einträge sind älter und da hilft nur Wade-Giles oder Yale oder Postal… (Hanyütatz’utien)

http://www.google.de/#hl=de&rlz=1R2SUNA_deDE330&q=%2…

im chinesischen findet man nämlich genug.

Es scheint wohl auch als CD Rom käuflich zu sein
http://www.hanyudacidian.com/
(achtung Langzeichen)

warum dir google die seite nicht angezeigt hat weiß ch auch nicht, die haben doch sonst keine Angst vor Werbung.

lg
Kate

1 Like

Hallo Kate,

Du musst schon auf Chinesisch suchen bei chinesischen Büchern.
Mit PinYin kommst du nicht weit, ich weiß nicht wie andere
Bibliotheken es handhaben aber viele Einträge sind älter und
da hilft nur Wade-Giles oder Yale oder Postal…
(Hanyütatz’utien)

oh, das ist ja schwieriger, als ich gedacht habe. Schon das Eingeben der Zeichen …

http://www.google.de/#hl=de&rlz=1R2SUNA_deDE330&q=%2…

Danke, das hilft schon mal weiter.

http://www.hanyudacidian.com/
(achtung Langzeichen)

Auch hier danke (ebenso für den Hinweis auf die Langzeichen)

Gruß

Bona

Hi

Na da kann ich dir noch weiter helfen…

Windows --> Systemsteuerung --> Sprachen und Regionen (o. Einstellungen dieser)
Dort kannst du die Eingabegebietsschemaleiste einblenden lassen und Chinesisch VR China installieren.

ansonsten kannst du Zeichen auch bei www.nciku.com per Hand einzeichnen :smile:

Und weil ichs vorhin vergessen habe:

Die Aussprache ist noch nicht ganz erschlossen und wirklich sehr trockenes linguistisches Gebiet, ich habe mich damit auch nicht ganz so sehr beschäftigt (man kann es auch mit späteren Tönen lesen, die Schrift ist gleich geblieben da hat die Aussprache nicht viel Einfluss gehabt), nachlesen kannst du dazu auch im Buch von Norman und esgibt einen Lehrbuchkomplex dazu von Robert Gassman und Wolfgang Behr (bei dem ich gelernt habe, guuuter Mann) „Antikchinesisch - ein Lehrbuch in drei Teilen“.
Kannst du online bestellen, ist aber sehr teuer und lohnt sich nur, wenn du dich wirklich dafür interessierst und das lernen möchtest (~68€)

lg
Kate

Hallo,

Windows --> Systemsteuerung --> Sprachen und Regionen (o.
Einstellungen dieser)
Dort kannst du die Eingabegebietsschemaleiste einblenden
lassen und Chinesisch VR China installieren.

wo genau, bitte? Ich habe drei Reiter.

Unter „Regionale Einstellungen“ scheint mir nur eine globale Umschaltung möglich, so dass ich dann also nicht mehr normal schreiben kann, oder?

Unter „Sprachen“ weiß ich nicht, ob das richtig ist.

Und unter „Erweitert“ gibt es so viele verschiedene Möglichkeiten für Chinesisch, von denen auch schon einige angewählt sich, andere aber nicht, dass ich nicht weiß, welche ist anklicken soll - „VR China“ erscheint jedenfalls nicht, nur zweimal (!) vereinfachte und andere Versionen.

Wenn schon einige angeklickt sind, heißt das ja wohl, dass ich die Zeichen angezeigt bekomme, das aber ist ja nicht das Problem. Ich möchte gerne so wie du zwischen deutscher und chinesischer Schrift wechseln können. Und da weiß ich dann immer noch nicht, wie das geht, es sei denn, ich müsste die von mir zu schreibenden Zeichen in pinyin eingeben, aber das scheint nicht der Fall zu sein. Entschuldige, aber ich bin technisch wirklich eine Niete.

ansonsten kannst du Zeichen auch bei www.nciku.com per Hand
einzeichnen :smile:

Oh, das habe ich vorhin überlesen, das probiere ich nachher nochmal.

Aussprache
Buch von Norman
dazu von Robert Gassman und Wolfgang Behr
„Antikchinesisch - ein Lehrbuch in drei Teilen“.

Das werde ich mir zu gegebener Zeit dann mit Fernleihe bestellen können, danke für den Hinweis.

Gruß

Bona

Hi

Nochmal ganz langsam (und für Windows XP)
Systemsteuerung

–> Regions und Sprachoptionen

–> Sprachen

–> Dort auf den Button mit „Details“

–> ganz unten Button: „Eingabegebietsschemaleiste“
–> dort dann „… auf dem Desktop anzeigen“ anschalten und wieder zurück zum Vormenü

–> Hinzufügen

–> Bei „Tastaturlayout/IME“ ein Häkchen machen und bei dem Dropdown Menü die Sprache auswählen, die du willst.

–> Dann „ok“ drücken

Für dich brauchbar sind:
Chinesisch (VR China) und darunter die Tastaturlayouts
Chinese (Simplified) Microsoft PinYin IME 3.0

und:
Chinesisch (Taiwan)
und dort das Tastaturlayout:
Microsoft New Phonetic IME 2002a

(sie tauchen nicht auf, wenn du sie schon eingefügt hast)

So. Bei dir auf dem Bildschirm oder in der Taskleiste ist jetzt eine Eingabegebietsschemaleiste (ab hier: EGSL).
Du erkennst sie daran, dass dort links in dunkelblau Großbuchstaben, wahrscheinlich DE, zu erkenen sind. Daneben eine mini-Tastatur und ein gelbumrandetes Fragezeichen für die Hilfe.

Du kannst die EGSL hinschieben wo du willst.

Nun klickst du auf die blau hinterlegten Großbuchstaben.
Im Menü sollten neben Deutsch jetzt „Chinesisch (VR China)“ und „Chinesisch (Taiwan)“ erscheinen.

Du klickst jetzt auf „Chinesisch (VR China)“

Neben der dunkelblauen Schrift (CH) erscheint jetzt was buntes, das Microsoft Pinyin. Daran musst du dich, wenn du nicht noch andere Layouts installierst, nicht stören.
Daneben ist ein chinesisches Zeichen „zhong“ (für zhongwen), dieses kann auch ein A sein. Wenn du draufklickst „togglest“ du zwischen US-Englisch Tastatur und Chinesischtastatur. Daneben ist ein Voll- oder Halbmond mit dem du die Zeichensetzung anpassen kannst.

Die Eingabe erfolgt nun auf Pinyin.
Heißt: Du gibst „zhong“ ein.
Wahrscheinlich erscheint jetzt das zhongwen-zhong auf dem Bildschirm mit drei Pünktchen darunter.
Wenn du mit den Pfeiltasten zurückgehst, wird dir eine Liste von anderen Zeichen angezeigt, die auch Zhong heißen. Die kannst du per Nummerneingabe auswählen (klicken geht, wird aber nicht gespeichert). Ist es nicht dabei, klickst du auf die Pfeile der grauen Leiste weiter, bis du es findest.

Um das zu verkürzen, kannst du z.B. „zhong1“ eingeben, wenn du ein Zeichen haben möchtest, das zhong heißt und im ersten Ton gesprochen wird.

Das System ist intelligent und Zeichen die du öfter gebrauchst werden öfter angezeigt. Du kannst später auch per Rechtsklick Zeichen nochmal nachbessern, aber da werden oft nicht die richtigen angezeigt.

Beachte, dass es US-Tastatur ist und Z und Y vertauscht sind.

Herzlichen Glückwunsch, du kannst jetzt Chinesisch schreiben. Nachteil: Du musst die PinYin kennen.

Bei Langzeichen funktioniert das ähnlich. Du wählst Chinesisch (Taiwan) an, auch hier kannst du zwischen Chinesisch und Englisch togglen.

Aaaaber: Taiwanesisch hat das IME Pad (rechts außen, manchmal muss du die EGSL verschieben).

Da ist also ein Miniwindowsfenster mit Mauszeiger.

Klick drauf.

Wähle im Menü „IME Pad“ aus

Nun erscheint ein Fenster und links kannst du Zeichen per Maus bzw. Tableaustift eingeben und rechts das richtige Zeichen auswählen.

Es ist für Langzeichen gedacht aber ein paar Kurzzeichen kann es auch, nicht alle (yun von yundong (bewegen) z.B. kann es nicht).

lg
Kate

1 Like

Hallo Kate,

herzlichen Dank für die ausführliche und instruktive Beschreibung!

Ich hoffe, diese fu ist richtig … :smile:
Ansonsten muss ich halt noch üben …

Gruß

Bona