Eins, zwei, drei
Hallo L.,
nicht, dass ich mich hier zum Verfechter eines rechtsfreien Raumes machen möchte, in dem jeder tun und lassen kann, was er will, nur weil er „Chef“, in Deinem Fall wohl Inhaber bzw. Geschäftsführer ist. Auch fehlt mir das Wissen, die geschilderte Situation unter allen möglichen rechtlichen Bedingungen zu beurteilen. Trotzdem möchte ich die Sache mit einigermaßen gesundem Menschenverstand unter zwei Annahmen weiterspinnen:
Annahme 1:
Du stellst Deinen Boss zur Rede. Er verneint Deine auf Gerüchten beruhende Annahme, die Mails seiner Arbeitnehmer zu lesen:
…in der Firma macht das Gerücht die Runde…
…den Betriebsrat hat er auch nicht gefragt, weil wir keinen haben.
Was nun? - Willst Du ihn auffordern, dafür Beweise zu liefern? - Einblick in seine Mailablage zu bekommen? - Kannst Du Zeugen benennen, die die „Gerüchte“ vor ihm belegen? - Willst Du ihn schlussendlich vor den Kadi schleppen, damit das Gericht sein schändliches Treiben, welches er nicht zugibt, ans Tageslicht bringt?
Annahme 2:
Du stellst Deinen Chef zur Rede. Er gibt unumwunden zu , dass er Deine Mails gelesen hat (ich zitiere Deine Antwort an E. Krull):
Es gibt keine Arbeitsanweisung wie wir mit
Email/Internet umzugehen haben. Also ist die private
Nutzung ja wohl stillschweigend gestattet…?! Oder liege ich da falsch?
Jetzt erklärt er Dir kurz und knapp, dass dies wohl ein Irrtum, ach was, eine Arbeitspflichtverletzung von Dir ist. Jeglicher Mailverkehr ist rein dienstlich, so wie er es „damals deutlich gesagt“ hat. - Überdies hat er Deine Mails gestern „erstmals“ eingesehen und dabei festgestellt, das Du unerlaubterweise private Post verschickst. - Die Abmahnung erfolgt daher auf dem Fuss, Herr Larsi!
Schwarz-weiss-Szenarien? - Vielleicht. Trotzdem denke ich, Deine Aussichten sind vorwiegend trübe.
Ein Unternehmer, der das (elektronische) Briefgeheimnis seiner Angestellten verletzt, tut dies meines Erachtens aus drei möglichen Gründen:
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Er weiss nicht, dass das Briefgeheimnis auch in „seinem“ Betrieb gilt, und kennt daher seine Rechte nicht genau. Deshalb schaut er mal so rum, was es „alles Neues“ gibt. - Sehr unwahrscheinlich.
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Er hat Grund zur Annahme (genau, Gerüchte! ), dass die Arbeitnehmer ihre Pflichten deutlich verletzen und ihre Rechte über Gebühr strapazieren - (Bevor jemand Einspruch erhebt: Natürlich, Rechte sind eindeutig, und können nicht „überstrapaziert“ werden. In vielen Unternehmen gibt es aber neben den Rechten auch noch Freiheiten. Die meine ich eigentlich.) - Mit der vorsätzlichen Verletzung des Briefgeheimnisses bestätigt sich sein Verdacht. - Nun wird es Konsequenzen geben, aber in diesem Fall für alle Beteiligten. - Für mich ist dies schon deutlich wahrscheinlicher.
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Der Unternehmer ist misstrauisch. Viele Beschäftigte sind misstrauisch. Es herrscht eine „Der-da-oben-die-da-unten-sind-Deppen“-Meinung. Mit anderen Worten:
Die Unternehmenskultur, das Betriebsklima ist ziemlich im Eimer!
Dann wundert es nicht, das sich beide Seiten gegenseitig an den Karren fahren. Und die Behauptung, dass „wir nicht Schuld“ sind, wundert noch viel weniger. - Das ist keine Schuldzuweisung an eine bestimmte Seite. Aber die Erfahrung lehrt, dass hier wenig zu retten ist.
Jepp, viel geredet, wenig gesagt. Ich habe mal in so einem mittelständischen Betrieb auf mittlerer Ebene gearbeitet. - Irgendwann musste ich mich zwischen Eins, Zwei oder Drei entscheiden.
Denk in Ruhe nach. Nur , wenn Du Dich auch für Drei entscheiden musst, möchte ich Dir in diesem Umfeld raten: Nicht lange protestieren und prozessieren. - Raus aus dem Laden!
In den ersten zwei Fällen ist noch viel zu retten. Aber dann musst Du auch über Dein eigenes Verhalten nachsinnen.
Gruss,
Andreas