Darf die Krankenkasse ohne Begründung ablehnen?

in aller Kürze:

Aufgrund einer unheilbaren fortschreitenden Krankheit (die aber in der entsprechenden Liste leider nicht vermerkt ist) wird beantragt, dass die Krankenkasse Ergotherapie ohne die sonst übliche Pause von drei Monaten bezahlt.

Gutachten von der Neurologie einer Universitätsklinik und ein aktueller Arztbrief vom Neurologen (beides mit ganz eindeutigen Aussagen) werde eingereicht.

Krankenkasse schreibt, sie übergeben die Sache dem MDK, man würde aber bis zum 25.7. über eine Entscheidung informiert.

Am 18.7. schreibt die Krankenkasse:
"Auf Grundlage der vorliegenden medizinischen Unterlagen" könnten sie die Kosten nicht übernehmen, sie behalten sich aber vor, die „Entscheidung zurückzunehmen“.

Telefonisch wird man informiert, dass der MDK noch nicht geantwortet hat.

Also:
Die Krankenkasse lehnt diesen Antrag ohne jede Begründung. ab.

Darf sie das? Einfach sagen: Nö, keine Lust?

Ich fürchte ja, aber für den Betroffenen ist das natürlich frustrierend, nach Gutsherrenart willkürlich behandelt zu werden (klar, man kann Widerspruch einlegen und notfalls klagen - wir haben in einem anderen Fall nach 4 Jahren Recht bekommen)

Hallo Karl2,
ich nehme an, dass die Kasse „vorsorglich“ entschieden hat. Trifft sich nämlich innerhalb einer bestimmten Frist keine Entscheidung, dann muss sie die Kosten übernehmen. Sie hat nun erst mal abgelehnt, weil sie noch keine medizinisches Gutachten erhalten hat. Natürlich sollte der/die Betroffene sofort Widerspruch einlegen, der nicht begründet sein muss. Für die Kasse ist damit die Sache zeitlich gesehen bis zum Eingang des Gutachtens in Bearbeitung. Sie kann dann entweder dem Widerspruch abhelfen, in dem sie gemäß Gutachten bewilligt. Oder sie kann bei Ihrer Ablehnung verbleiben und das Widerspruchsverfahren fortsetzen, hat also noch die theoretische Chance die Kosten nicht übernehmen zu müssen.-Wie geschrieben - meine Vermutung.
Gruss
Czauderna

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Hallo Günter, ich habe gehofft, dass du hier mitliest!

Ja genauso wurde es telefonisch auch erklärt, eine “vorsorgliche“ Entscheidung.
Kann die Krankenkasse also nicht schreiben (vor Jahren war das üblich), dass die Empfehlung des MDK erst abgewartet werden möchte?
Für den Versicherten ist das doof. Er hat eine Ablehnung. Er muss Widerspruch einlegen und hat dieses Mittel damit verbraucht (denn er kann ja nicht wiederholt Widerspruch einlegen, oder)?

Unabhängig von der doofen Situation des Versicherten interessiert mich, ob die Krankenkasse keinerlei Verpflichtung hat, ihre Entscheidungen zu begründen.
(“Sie wollen einen Rollstuhl, weil aufgrund unbekannter Ursache total gelähmt? Ach nö, haben grade keine Lust…“)

Hallo Karl
nein, kann sie nicht so ohne weiteres, denn auch wenn der MDK eingeschaltet werden muss, sind bestimmte Fristen für die Entscheidung einzuhalten. Aus Sicht der Versicherten ändert sich eigentlich nichts. Die Kasse hat entschieden und gegen diese Entscheidung kann der Versicherte Widerspruch einlegen - erfolgt auf den Widerspruch die Antwort der Kasse, dass dem Widerspruch nicht abgeholfen werden konnte, weil eben das inzwischen vorliegende Gutachten des MDK dies nicht zulässt, dann kann Akteneinsicht eingefordert werden und das Widerspruchsverfahren läuft weiter. Die Begründung der Kasse - "… sie behalten sich aber vor, die „Entscheidung zurückzunehmen“.
sagt doch eigentlich schon, dass sie anders entscheiden, wenn dies das Gutachten empfehlen wird.
Gruss
Günter

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Danke. Du drückst dich leider davor, meine Hauptfrage zu beantworten. Es scheint aber tatsächlich so zu sein, dass die Krankenkasse ihre Entscheidung nicht begründen muss, oder?
Sie können einfach schreiben: „Nö, das bezahlen wir nicht.“

Wie Günter bereits schrieb:

Hier:

geht es um Anträge wegen Pflegeleistungen, ist aber bei der KK genauso.

Wann wurde der Antrag gestellt? Ich sehe das so, dass die Formulierung

eher positiv zu sehen ist und dem Widerspruch evtl. schon durch eine positive Stellungnahme des MDK abgeholfen wird.

Hallo,
natürlich muss bei einem belastenden Verwaltungsakt eine Begründung stehen, sonst ist er Verwaltungsakt nichtig oder anfechtbar oder eben einfach nur falsch. Stelle den Bescheid hier mal ein (anonymisiert selbstverständlich) und ich kann dir sagen, was ich davon halte. Ich habe mich nicht gedrückt. Ohne den Bescheid zu kennen - ich hätte als Begründung hineingeschrieben, dass es sich bei der beantragten Leistung nicht um eine Regelleistung der GKV handelt. Damit hättest du die notwendige Begründung gehabt. Um diese Begründung aufzuheben, ist eben noch das ausstehende MDK Gutachten notwendig. Mit „nö, das bezahlen wir nicht“ ohne, dass der Satz mit z.B. weil…" fortgeführt wird, das ist für einen Bescheid etwas dürftig, meine ich.
Gruss
Czauderna

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Bescheid:

Wichtige Information, wir können die Kosten für den langfristigen Heilmittelbedarf nicht übernehmen

Sehr geehrte Frau x,

Auf Grundlage der vorliegenden medizinischen Unterlagen können wir die Kosten nicht übernehmen.

Falls wir weitere Unterlagen erhalten sollten, die eine Kostenübernahme rechtfertigen, behalten wir uns vor, unsere Entscheidung zurückzunehmen.

(unten Information zu „Ihr Recht“: Widerspruch innerhalb eines Monats…)

(Die Sache ist so, wie Christa vermutete und ja telefonisch erklärt wurde: Man wartet den Bericht des MDK ab. Der kam und die Sache wurde anschließend für ein Jahr genehmigt, also einigermaßen gut ausgegangen, genauso wie letztes Jahr. Die Krankenkasse bezahlt offenbar gerne jedes Jahr einen Neurologen, der jedesmal von neuem bescheinigt, dass die unheilbare Krankheit auch in diesem Jahr noch unheilbar ist und Ergo weiterhin sehr wichtig ist…)

Also, unser Fall ist erst einmal relativ erfreulich geendet. Ich finde weiterhin die Situation der vorsorglichen Ablehnung ohne Begründung für den Versicherten sehr unerfreulich.

  • Schade, dass Krankenkasse nicht verpflichtet sind, ihre Entscheidungen substantiell zu begründen (Günter, dein Hinweis auf „nicht Regelleistung“ wäre für mich keiner, denn genau deshalb, weil keine Regelleistung, wurde das Ganze ja sehr umständlich beantragt). Hier ist der Versicherte der Krankenkasse ausgeliefert (klar, er kann klagen, aber das alles braucht Zeit).
  • Dass Krankenkassen während laufender Verfahren entscheiden müssen, macht für mich keinen Sinn. Wäre ja, als wenn vor Gericht jemand mal „vorsorglich“ zu einer Haftstrafe verurteilt würde, weil ein Gutachter leider erst in vier Wochen erscheinen kann.

Das Ganze schreibe ich als gebranntes Kind, das erlebt hat, dass Krankenkassen blinden Menschen nur die billige Blink-Klingel genehmigen wollen oder es auf Klageverfahren anlegen, die dazu führen, dass Behinderte vier Jahre auf lebenswichtige Geräte warten.

Hallo Karl,
das sehe ich in diesem Falle anders. Die Krankenkasse bekommt einen Antrag auf Kostenübernahme für eine Leistung, die nicht als „Regelleistung“ im Leistungskatalog der Krankenkassen aufgeführt ist. Wäre das so, dann müsste vom Grundsatz her kein gesonderter Antrag gestellt werden, weil es ja eh klar wäre, dass die Kasse zahlen muss. Ergo, muss die Krankenkasse jetzt beurteilen und letztendlich entscheiden, ob in diesem Falle sie trotzdem die beantragte Leistung ganz oder teilweise übernimmt. Natürlich spielt hier die Höhe der Leistung eine Rolle, aber auch die medizinische Notwendigkeit der beantragten Leistung und genau das letztere kann die Kasse von sich aus nicht beurteilen und bedarf deshalb der Hilfe des medizinischen Dienstes in Form einer Begutachtung. Der Gesetzgeber hat nun eine „Bearbeitungsfrist“ für solche Fälle eingeführt, die die Krankenkassen dazu verpflichten solche Anträge innerhalb einer bestimmten Frist zu bescheiden, egal, ob positiv oder negativ - tun sie das nicht, gilt, dass die Kasse sowieso die Kosten ganz oder teilweise übernehmen müssen. Diese Frist verlängert sich um einen weiteren Zeitraum, wenn die Kasse eben noch weitere Unterlagen, z.B. ein Gutachten vom medizinischen Dienst für ihre Entscheidung benötigt.
In „deinem“ Fall hat, wie ich es vermute, die Kasse schon vor Ablauf der Frist festgestellt, dass das Gutachten des MDK sehr wahrscheinlich nicht mehr innerhalb dieser Frist zur Verfügung stehen wird und deshalb eine Entscheidung getroffen, nämlich einen ablehnenden Bescheid - den sie aber mit dem Hinweis versehen hat, dass sie ihn widerrufen wird, wenn die benötigten Unterlagen dies zulassen. Es wäre fahrlässig gewesen, die Frist ablaufen zu lassen ohne zu handeln, denn wenn das Gutachten ergeben hätte, dass keine Empfehlung zur Kostenübernahme seitens des MD gegeben werden konnte, dann hätte die Kasse trotzdem zahlen müssen und genau das wollte die Kasse mit der"Ablehnung" vermeiden.
Es ist genau so gekommen, wie Christa und ich auch vermutet haben - der MD hat positiv entschieden und die Kasse den Bescheid zurückgezogen und die Leistung bewilligt.
Und genau so habe ich selbst in der Vergangenheit solche Fälle gehandelt und würde es auch heute noch so tun - vielleicht mit dem kleinen Unterschied, dass ich vor der Bescheiderteilung ausführlich mit dem Versicherten und/oder seinen Angehörigen/Betreuern gesprochen hätte.
Gruss
Günter

Hallo Günter,

es bleibt aber noch die Frage, warum die Kasse bei einer unheilbaren Krankheit dem Antrag nur für ein Jahr stattgegeben hat, damit nächstes Jahr wieder der ganze Zirkus durchlaufen werden muss? Denn der MDK hat diesmal offensichtlich die Notwendigkeit bestätigt, warum soll sich das in einem Jahr ändern, wenn sich die Situation gar nicht verbessern kann?

Viele Grüße
Christa

Das schon das zweite Jahr, dass der Zirkus genauso abläuft! Meine Krankenkasse hofft wohl, so Geld zu sparen, aber am Ende kann es sein, dass sich die Strategie als kurzsichtig herausstellt, weil sie in 10 Jahren 10 (nahezu identische) Gutachten des Neurologen bezahlen und den MDK und meine Hausärztin und ihre eigenen Mitarbeiter beschäftigen, was sie ja unmittelbar oder mittelbar zusätzlich bezahlen…

Das ist ein Missverständnis. Ich bin nicht der Meinung, dass die Mitarbeiter der Krankenkasse etwas falsch gemacht haben. Denn wie du es darstellst, müssen sie ja so handeln.
Nein, ich halte die gesetzlichen Regelungen für nicht richtig!
Denn diese zwingen und erlauben ja der Krankenkasse, eine Sache zu entscheiden, die sie noch gar nicht entscheiden kann (oder meint, nicht entscheiden zu können - ich denke allerdings, in meinem Fall hätten die Mitarbeiter sich den umfangreichen identischen Vorgang vom letzten Jahr angucken können und ohne MDK entscheiden können, aber das nur nebenbei).
Und das ist absurd! Wäre so, als wenn ein Gericht innerhalb von 4 Wochen entscheiden müsste und dann sagt: Wir wissen nicht, ob A den Mord begangen hat. Aber bis wir Genaueres wissen, stecken wir ihn schon mal ins Gefängnis!
Nun ist eine Krankenkasse natürlich kein Gericht. Und natürlich geht es auch immer darum, dass die deutsche medizinische Versorgung sehr teuer ist. Dennoch: Eine Entscheidung treffen zu müssen und zu dürfen, obwohl man nicht über die dafür notwendigen Informationen verfügt, ist absurd.

Hallo,
nun, das kann ich nicht sagen - was ich sagen kann, wenn es aus medizinischen Gründen klar ist, dass der Patient in „absehbarer“ Zeit versterben wird, dann vermerkt das der MDK auch in seinem Gutachten und dann wird auch die Krankenkasse entsprechend handeln bzw. entscheiden.
Um mal ein, in der Sache passendes Beispiel zu nennen -
Wenn im Gutachten zur Erlangung eines Pflegegrades steht, dass eine Wiederholungsbegutachtung nur bei Antrag auf einen höheren Pflegegrad erfolgen sollte, dann
bekommt der/die Betroffene den festgestellten Pflegegrad auf Dauer - eben deshalb, weil nicht zu erwarten ist in diesem Fall, dass sich der Zustand des Patienten noch einmal verbessern wird.
Wie gesagt, andere Baustelle, aber gleicher Sachverhalt.
Warum im Falle von Karl2 die Kasse jedes Jahr eine erneute Überprüfung der Notwendigkeit der speziellen Leistung vornimmt - kann ich nicht wissen, sondern nur vermuten - vielleicht sollte man mal die Kasse entsprechend dazu befragen
Gruss
Günter