Darf die Partei die den Kanzler stellt, mehr umsetzten?

Hallo,
darf die Partei die den Kanzler stellt, mehr von ihrem Programm umsetzten oder entscheiden es alles Koalitionsgespräche wie man sich einig wird? Entscheiden bei Koalitionsgesprächen die Wählerstimmen oder kann eine Partei die viel weniger Stimmen hat bei Koalition auch genau so viel fordern wie die andere Partei(en)?

Theoretisch kann auch passieren, dass die Partei von den meisten Stimmen nicht den Kanzler aufstellen kann, richtig? z.b. mit der Partei will keiner koalieren. Gibt es auch andere Wege?

Ist es irrelevant für Programmumsetztung ob z.b. CDU oder SPD den Kanzler aufstellt so lange sie zusammen koalieren?

Innerhalb einer Koalition ist es bis jetzt immer so gewesen, dass der Partner mit den meisten Mandaten im Bundestag auch den Kanzler stellte.
Als „stärkerer“ Koalitionspartner wird diese Partei auch versuchen, im Koalitionsvertrag mehr ihrer eigenen Ideen umzusetzen.

Andererseits versucht die kleinere Partei natürlich, sich „so teuer wie möglich zu verkaufen“.

Es kommt auf das Verhandlungsgeschick an, es kommt auch auf die Kompromissbereitschaft der Beteiligten an und darauf, wie „machtgeil“ man jeweils ist.

Zur Aufgabe des Bundeskanzler steht im Art. 65 GG:
Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik und trägt dafür die Verantwortung. Innerhalb dieser Richtlinien leitet jeder Bundesminister seinen Geschäftsbereich selbständig und unter eigener Verantwortung. Über Meinungsverschiedenheiten zwischen den Bundesministern entscheidet die Bundesregierung. Der Bundeskanzler leitet ihre Geschäfte nach einer von der Bundesregierung beschlossenen und vom Bundespräsidenten genehmigten Geschäftsordnung

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Servus,

fordern kann man viel, wenn der Tag lang ist. Was man bekommt, steht auf einem anderen Blatt. Unter welchen Umständen eine Partei mit nicht so sehr vielen Stimmen sehr viel erreichen kann, wenn sie von allen möglichen Partnern für eine Koalition gebraucht wird, zeigt die von 1949 - 1998 nur eine Wahlperiode lang unterbrochene Mitregierung der FDP in der BRD und in Deutschland, während dieser diese Partei im Verhältnis zu ihren Wählerstimmen enorm viel „umsetzen“ konnte. Mit den Einzelheiten kannst Du Dich auf diese Stichworte hin vielleicht selbst ausführlicher befassen.

Schöne Grüße

MM

Die Wählerstimmen sind natürlich wichtig, aber auch das Ergebnis spielt eine Rolle. Wenn beispielsweise zwei Parteien annähernd viel Stimmen hätten und beide nicht miteinandern koalieren möchten, dann könnte eine dritte (kleinere) Partei als Königsmacher natürlich mehr einfordern, als es vielleicht das Ergebnis hergeben würde.

In Österreich hatten wir 1999 den Fall, dass die SPÖ recht deutlich gewonnen hat und FPÖ und ÖVP fast stimmengleich zweit bzw. dritt wurden. Das Ergebnis war, dass FPÖ und ÖVP eine Regierung bildeten und die ÖVP als drittstärkste Partei den Kanzler stellen durfte. Die Regierungsposten wurden dabei 50:50 aufgeteilt.

Warum hat dann nicht FPÖ als zweitstärkste Partei den Kanzler aufgestellt? Ist es nicht so, dass die stärkste regierende Partei den Kanzler aufstellt ? Oder ist es auch Verhandlungsache?

Hallo,
est ist legitim und gehört auch zur Demokratie dazu, keine Frage - ich meine die Koalitionsfreiheit.
Wenn es aber so ist, dass die kleine Partei einer Koalition die Kanzler/innenfrage entscheidet, dann
kommt man schon ins Grübeln.
Und wenn ich dann so etwas lese - https://www.n-tv.de/politik/politik_person_der_woche/Christian-Lindner-entscheidet-wer-Kanzler-wird-article22760365.html
und befürchten muss, dass das auch wahr werden kann, dann bin ich sofort ein Verfechter
von Minderheitsregierungen :sunglasses:
Gruss
Czauderna

Das hatte mehrere Gründe. Wie du richtig sagst, wird in der Regel der Spitzenkandidat der stärksten Partei mit der Regierungsbildung beauftragt. Daher war auch zuerst die SPÖ am Zug, die aber eine Koalition mit der FPÖ explizit ausgeschlossen hatte. Somit befand sich die ÖVP in der Rolle des Königsmacher und ging entsprechend aggressiv in die Verhandlungen. Letztendlich scheiterten es am Finanzministerium, das die ÖVP beanspruchte, aber die SPÖ nicht hergeben wollte (sie stellte den Finanzminister seit 1970 - und seit dem nie wieder).

Somit war klar, dass die SPÖ nicht (mehr) den Kanzler stellen würde. Jetzt war die FPÖ am Zug, aber es war klar, dass ein Bundeskanzler aus dieser (rechten) Partei im Ausland auf massiven Widerstand stoßen würde.

Stimmenmäßig war man nahe zusammen (FPÖ: 1.244.087 Stimmen; ÖVP: 1.243.672 Stimmen) und bei den Mandaten herrschte Gleichstand (je 52 von 183). Man einigte sich schließlich darauf, dass die ÖVP den Kanzler und die FPÖ die Vizekanzerlin bekommt und die Ministerien gleichmäßig aufgeteilt wurden (das Finanzministerium ging ironischerweise an die FPÖ).
Ganz ohne Konsequenzen blieb die Regierungsbeteiligung der FPÖ nicht und Österreich sah sich in der Folge mit (schwachbrüstigen) internationalen Sanktionen konfrontiert.