Darstellung der Lerner in der Fachliteratur

Hallo,

ich studiere Lehramt und sitze momentan über einer Hausarbeit für die Fachdidaktik. Das Thema ist grob Fehlerkorrektur und -bewertung. Beim Lesen der Literatur fällt mir immer wieder auf, dass mein Bild vom klassischen Schüler der Sekundarstufe 1 scheinbar nicht wirklich mit dem der Fachliteratur zusammenpasst. Auch meine Kommilitonen und die Dozenten haben irgendwie andere Ansichten und ich frage mich, ob ich so falsch gepolt bin.

Ums kurz zu skizzieren:
Literatur, Kommilitonen und Dozenten hegen ein Bild von einem intrinsisch motivierten Schüler, den ein guter Unterricht und gut gemacht Kontrollen positiv beeinflussen, dem es Spaß macht, in den Unterricht zu gehen und verschiedenste Aufgaben zu bearbeiten.
Ich dagegen sehe z.B. solche Beispielaufgaben, erinnere mich an meine Schulzeit zurück und denke mir: „Nee, also das hätten 90% deiner Mitschüler für komisches Zeug gehalten. Und motiviert hat die nie irgendwas, Schule war halt lästig, das einzig positive waren die Pausen und Lernen störte und war uncool.“ Es gab keine Aufgaben oder Leistungskontrollen, wo hinterher einer sagte: „Die fand ich gut gemacht.“ Es kam auch nie einer aus einer Leistungskontrolle oder der Rückgabe derselben und fühlte einen Motivationsschub fürs Lernen aufgrund seiner Note.
Ich frage mich, wo dieses Bild, was scheinbar alle anderen vertreten, herrührt. Ich bin der Meinung, ich hatte völlig normale Mitschüler. Bestärkt wird mein Eindruck durch die Schulklassen, die immer mal vor mir sitzen und von mir über die Entscheidungsfindung zum Studium eine Stunde lang berieselt werden. Die sind auch nicht hochmotiviert, sie lassen sich halt berieseln und nehmen wahrscheinlich auch irgendwas auf, aber sie strahlen nicht aus: „Au ja, es geht um meine Zukunft, ich muss jetzt aufpassen!“

Irgendwelche Meinungen? Bin ich zu negativ der Schülerschaft gegenüber eingestellt? Oder haben meine Kommilitonen eine etwas zu rosa getünchte Brille auf?
(Besonders freue ich mich auf Antworten von Schülern :smile:)

Gruß
Yvette

hi

sehr gute frage, dafür ein sternchen.

mein bild vom durchschnittsschüler ist dem deinen sehr ähnlich. ich und meine mitschüler waren auch nicht anders. von daher kann ich mir dieses positive schülerbild in der literatur nicht erklären…

lg bob

Hallo,

mein bild vom durchschnittsschüler ist dem deinen sehr
ähnlich. ich und meine mitschüler waren auch nicht anders.

Das ist auch meine Erfahrung als Laie.

von
daher kann ich mir dieses positive schülerbild in der
literatur nicht erklären…

Vielleicht geht die Theorie nur von
„einem intrinsisch motivierten Schüler, den ein guter Unterricht und gut gemacht Kontrollen positiv beeinflussen, dem es Spaß macht, in den Unterricht zu gehen und verschiedenste Aufgaben zu bearbeiten“
aus.

Die „anderen“ Schüler werden nicht betrachtet. Ungefähr so, als ob irgendeine Theorie sich nur mit rotem Licht beschäftigt, das blaue und gelbe Licht aber nicht berücksichtigen muß.

Gruß
Jörg Zabel

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Liebes Stiefelkatzi!

Endlich nennt mal eine das Kind beim Namen!

Als ich im Titel „Lerner“ gelesen hab, war mir schon klar, aus welcher Richtung das kommt. Der konstruktivistische Ansatz.

Ja, der wird auch hier bei uns im Studienseminar verfolgt. In den Lehrproben meiner Referendarin hat das dann auch immer einigermaßen geklappt.

Mit meiner persönlichen Unterrichtswirklichkeit hat das nicht im Geringsten zu tun. Im Gegenteil: Soviel Respektlosigkeit, Lustlosigkeit und sonstige -losigkeiten begegnen einem im Bevölkerungsdurchschnitt nicht. Aber klar: Der Lehrer ist ja derjenige, der die intrinsische Motivation erwecken soll. Ein Widerspruch in sich. Und instrinsisch motiviert sind Schüler, die zum Schulbesuch gezwungen sind, eben auch eher selten.

Nicht nur das Thema Fehlerkorrektur ist in diesem Zusammenhang ein heikles Thema. Auch Erziehung wird ja nicht gewünscht, Disziplinierung schon gar nicht und mit Notendruck arbeiten soll ja auch sinnlos sein.

Dies entspricht leider auch im späteren Arbeitsleben überhaupt nicht der Realität. Was ich schade finde: Nicht nur den Lehrern wird der Job dadurch sehr schwer gemacht, sondern auch den Schülern wird ein wesentlicher Bestandteil der Wirklichkeit vorenthalten: Nämlich, dass man im Berufsleben oft Druck erfährt, sich reinhängen muss, um etwas zu erreichen und dass nicht immer alles Spaß macht oder intrinsisch motiviert ist, was ich in meinem Job tun muss. Wie sollen die Kinder jemals lernen, auch diese Dinge in ihre Lebenswirklichkeit zu integrieren?

Du hast vollkommen Recht mit deiner Wahrnehmung. Behalte das im Hinterkopf, solange du die Anforderungen in Studium und Referendariat erfüllen musst.

Alles Gute
wünscht dir
Flaschenpost

Hallo,

nein, ich glaube nicht, dass die Fachdidaktik sich nur auf diese Zielgruppe - so denn existent - konzentriert. Die Ansichten, die meine Literatur z.B. zum Thema „Aufbau und Merkmale von Klassenarbeiten“ vertritt, teile ich durchaus… aber den Effekt den das ganze haben soll, den kann ich mir eben nicht so schönreden wie es die Literatur tut. Gerade beim Thema Motivation durch Kontrollen.

Keiner, aber auch keiner, hat eine Leistungskontrolle jemals als Chance begriffen, etwas über seine eigenen Fehler zu erfahren und zu wissen, wo er sprachlich so steht (konkret bewegen wir uns grad im Fach Französisch). Leistungskontrollen sind Stress pur.
Ich war immer eine sehr gute Schülerin, bin wirklich gern zur Schule gegangen, ich hab kaum lernen müssen und mich hat auch viel von selbst interessiert, aber selbst ich saß einige Male fast heulend da und sagte zu meiner Mutter: „Warum müssen die uns denn ständig überprüfen? Ich geh doch gern zur Schule, ich mach doch alles gewissenhaft, ich weiß doch, dass ichs kann!“ Kurzum, ich hatte in den meisten Fächern „den Stoff“ problemlos drauf, was blieb war aber trotzdem ne mehr oder weniger große Angst vor der Kontrolle UND DEREN AUFBAU (Transparenz in jeglicher Facette, Bewertungsmentalität des Lehrers etc.) Weil das einen reinreißen konnte. Von daher finde ich gut, dass sich schlaue Leute drüber Gedanken machen, wie eine Leistungskontrolle möglichst fair, transparent und damit angstfrei aufgebaut und durchgeführt werden kann.

Aber Motivation? Selbst Positivkorrektur und Feedback gemischt, also ein Worturteil, was Können hervorhebt und Verbesserungsvorschläge liefert, anstatt nur die Fehler mit rot zu bemalen, hätten bei meinen Mitschülern nicht dazu geführt, dass sich einer mehr anstrengt. Die Literatur geht imho viel zu viel davon aus, dass Schüler wollen, aber nicht können. Ich möchte keinem Unrecht tun, aber aus meiner Erfahrung hätten viele viel eher gekonnt, wenn sie denn gewollt hätten. Und ein positives Worturteil führt auch nicht zu mehr Willen und verpufft damit.

Gruß
Yvette

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Liebes Stiefelkatzi!

*miau*

Endlich nennt mal eine das Kind beim Namen!

Es heißt Kevin :smiley: (scnr)

Als ich im Titel „Lerner“ gelesen hab, war mir schon klar, aus
welcher Richtung das kommt. Der konstruktivistische Ansatz.

Eins meiner Fächer ist Geographie und da ist auch außerhalb der Fachdidaktik ganz viel mit Konstruktivismus los. Eigentlich finde ich den klasse. Aber vor manchen Lebensbereichen scheint er halt einfach zu scheitern. Nämlich immer genau dann, wenn ein Mensch bei nem anderen Mensch irgendwas bewirken soll, irgendwelche Erkenntnisse wecken soll, irgendwelche Einstellungen ändern soll. Dann funktionierts nur, wenn der zweite mitarbeitet und genau liegt der Hase in der Didaktik im Pfeffer. Wenn ein Schüler keinen Wert darin sieht, sich anzustrengen, kann ich reden wie ein Buch. Es nützt nichts. Und imho sind viele da seeeehr, seeeeehr beratungsresistent.

Ja, der wird auch hier bei uns im Studienseminar verfolgt. In
den Lehrproben meiner Referendarin hat das dann auch immer
einigermaßen geklappt.

Mit meiner persönlichen Unterrichtswirklichkeit hat das nicht
im Geringsten zu tun. Im Gegenteil: Soviel Respektlosigkeit,
Lustlosigkeit und sonstige -losigkeiten begegnen einem im
Bevölkerungsdurchschnitt nicht. Aber klar: Der Lehrer ist ja
derjenige, der die intrinsische Motivation erwecken soll. Ein
Widerspruch in sich. Und instrinsisch motiviert sind Schüler,
die zum Schulbesuch gezwungen sind, eben auch eher selten.

Nicht falsch verstehen, ich möchte Schüler nicht als per se schlechte Menschen darstellen. Sie sind oft auch einfach nur unglaublich phlegmatisch.

Für die Fachliteratur kann ich mir die Schülerbeschreibung mit viel gutem Willen noch dadurch erklären, dass die Autoren halt Theoretiker sind. Imho auch ein Widerspruch insich - ich finde, jeder der Fachdidaktik lehrt oder Bücher drüber schreibt, sollte zumindest ein paar Jahre Lehrer gewesen sein, aber gut.

Aber meine Kommilitonen? Die sind so alt wie ich, Anfang 20, die sollten ihre eigene Schulzeit noch gut vor Augen haben (und so lang ist die ja nicht her) und die waren alle zwischendurch schonmal zu Praktika an Schulen und konnten ihre Lehrersicht üben. Denen muss doch auffallen, dass das Gesäusel nicht der Realität gerecht wird.
Ich hab mich mal aus dem Fenster gewagt und meine Sicht im Seminar kundgetan. Danach hab ich den Rest der Stunde den Mund nicht mehr aufgemacht und ich bin sonst eigentlich gern eine präsente Person.
Wieso glauben die anscheinend alles so unreflektiert?

Alles Gute
wünscht dir
Flaschenpost

Gruß
Yvette

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Hi,

herzlichen Glückwunsch, Du bist in der Reallität angekommen :wink:

Der Unterschied ist definitiv da, er ist aber nicht so dramatisch, wie man vermutet.

Das Problem ist: eine Schulklasse besteht aus ca. 30 verschiedenen Personen, jeder mit seinem eigenen ganz individuellen Lebenslauf, sienen Erfahrungen, Stimmungen, die aus seinem Umfeld herrühren und von der Art und Weise, wie er am Abend vorher zu Bett gegangen und / oder am Morgen aufgestanden ist, um nur einige offensichtliche Faktoren zu nennen.

Das Lehrbuch, mit dem Du arbeitest, hat nun das Problem, in einem bewältigbaren Umfang Konzepte anzubieten, die man verwenden kann, um Unterricht erfolgreich durchzuführen. Die „arbeitsanleitung“ muss dabei verfasst werden, bevor der Schüler existiert, auf den sie anzuwenden ist (etwas absurder Punkt von mir - aber du kannst ja schlecht erst malden Schüler von Geburt bis zum 19. Lebensjahr rund um die Uhr beobachten, um dann festzustellen, wie du ihn behandeln musst. Dann erhältst du sicher ein annähernd perfektes Unterrichtskonzeot für genau diesen einen Schüler, aber für den Schüler kommt es zu spät.).

Wie löst man das Problem? Man entwickelt allgemeine Lösungen. Die Aufgabe des Lehrers in der Praxis ist dann, festzustellen, mit welchen Individuen er es zu tun hat, und nach Möglichkeit intrinsische Motivation zu erzeugen: mach den Lehrstoff interessant. Deswegen brechen sich die Didaktiker und Pädagogen einen ab beim Erfinden von immer neuen Unterrichtsmaterialien. Der magische Spruch ist: Hol die Schüler da ab, wo sie sind. Wenn du in einer 7. Klasse den Untergang der Titanic behandelst und im abschließenden Gespräch die Frage kommt, warum die Leute, die im sinkenden Schiff gefangen waren, nicht einfach nach oben geschwommen sind, kannst du sie nicht vorwurfsvoll zurechtweisen und ihnen was von Wasserdruck und Lungenkapazität erzählen. Das ist inhaltlich für sie nicht fassbar, sie werden es nicht verstehen, und dein Tonfall wird sie beleidigen. Schick sie mit der Hausaufgabe nach Hause, sich flach aufs Bett zu legen, ruhig zu atmen, und dann gaaanz tief einzuatmen, und zu schauen, wie lange sie die Luft anhalten können. In der nächsten Stunde wirst du hören, dass sie so 1-2 Minuten geschafft haben, es wird ein Wettbewerb ausbrechen. Und wenn das ausführlich besprochen wurde, sagst Du ihnen, dass die Passagiere der Titanic schwimmen mussten, und Angst hatten.
Doch auch als Person muss man interessant sein. Man ist als Lehrer das erste Vorbild für seine Schüler, und wenn man sein Fach, seinen Stoff selbst liebt, sich selber für das interessiert, was man tut, und das (= seine eigene intrinsische Motivation) auch zeigt, wird man glaubhaft. Glaubhaft ist man auch, wenn man zeigt, dass man den Stoff grad nciht spannend findet, aber den Sinn sieht und ihn (= seine eigene extrinsische motivation) vermittelt. Sei wütend, wenn du wütend bist, und fröhlich, wenn du fröhlich bist. Wenn Du spielst, fühlen sie sich verarscht.
Der Lehrer muss dabei vor allem lernen, dass „gut“ relativ ist, und dass extrinsisch motiviert sein genauso gut ist wie intrinsisch motiviert sein. Manchal tun Schüler etwas eben, um ihre 4 zu schaffen, sind damit zufrieden und gut is.
Und das gilt auch für Lernzielkontrollen: „gut“ kann eben auch bedeuten, das es für die Schüler an der Lernzielkontrolle nichts zu meckern gibt. Sie darf nicht zu schwer und nicht zu leicht sein (bei zu leichten meckern sie noch mehr, da kommen auch Beschwerden über eine Note 3), sie müssen die Möglichkeit haben, sich auf den gesamten Stoff, der gefragt wird, vorzubereiten. Keinen unbekannten Stoff abfragen, bei Exen sich an den vorgeschriebenen Zeitraum (in BAy: letzte 2 Unterrichtsstunden) halten, keine unbekannten Aufgabenformen verwenden. Die Schüler müssen sich vorbereitet fühlen bzw. das Gefühl haben, sie konnten sich ausführlich vorbereiten. Wenn das nicht geschieht, fühlen sie sich verarscht, und du verlierst Punkte. Auf der Beliebtheitsskala, aber, was noch wichtiger ist, auf der Glaubwürdigkeitsskala.

die Franzi,
die jetzt einfach aufhört, sonst fällst du beim Lesen ins Koma :wink:

Hallo,
gute Frage, aber leider / Gott sei dank nicht zu beantworten, da man mit Individuen und nicht den „gemeinen Schüler“ zu tun hat.

Grundsätzlich kommen die Kinder mit einer enormen Motivation in die erste Klasse und Ziel der Schule / Lehrer sollte es primär sein diese natürliche Neugier und Motivation zu erhalten.

Der Spaßfaktor lässt sicher spätestens in der Oberschule nach. Das muss aber nicht unbedingt am Unterricht an sich liegen, sondern eher an die aufkommenden Interessen, die nicht mit der Schule konform gehen (abends weggehen, bis tief in die Nacht vor dem Rechner hocken oder die erste, zweite un dritte Liebe (=Pubertät).

Ich kann nicht behaupten dass alle Schüler null Bock auf Schule hatten. Es waren einige darunter, aber es war eine Minderheit. Genauso eine Minderheit stellten die Übermotivierten in der Oberstufe dar - das waren die „Streber“. Es gab aber auch coole Streber, die in der Lage waren dem interessierten Mittelfeld einen Stoff anders nahe zu bringen als es je ein Lehrer geschafft hätte.

Ein guter Lehrer zeichnet sich definitiv dadurch aus, dass er die Schüler motiviert und die Schüler auf seine Seite zieht. Davon hatte ich einige und ich verneige mich vor Ihnen, denn sie haben ihren Job verstanden und geliebt.

Viele Grüße

Guten Abend.

Der grundlegende Fehler ist doch schon, einen systemimmanenten Mangel durch individuellen Unterricht berichtigen zu wollen, obwohl eigentlich eine Strukturreform die Lösung wäre.

Wie sollst Du alleine die beschriebenen Probleme bewältigen, wenn es sich um Erziehungsfehlleistungen des Schulsystems handelt?

Motivation ist kein Akt der Ratio - niemand setzt sich hin und denkt „Jetzt bin ich motiviert.“ und ist es danach auch. Motivation ist eine Stimmung, die ähnlich wie Gefühle funktioniert. Motivation ist eine direkte Folge einer positiven Lern- und Leistungsumgebung, niemals intrinsisch. Der intrinsisch motivierte Schüler oder der intrinsisch motivierte Student ist ein absolutes Schwachsinnskonstrukt und wird tagtäglich empirisch widerlegt. Motivation ist sogar bei Schülern oder Studenten von der Umgebung induziert, die intrinsisch motiviert scheinen.
Menschen beschäftigen sich mit vielen verschiedenen Dingen und erst als Folge der ersten Beschäftigung mit einer Sache entsteht im Gehirn die Einschätzung „Ui, das ist aber interessant, das macht Spaß. Das muß ich verfolgen“.

Dies ist ein empirischer Grund, warum freier Unterricht nicht funktioniert und auch für jedwede Form der Talent- und Schwächenförderung absolut ineffektiv ist.

Motivation wird von außen hervorgerufen, durch die Beschäftigung mit Dingen und Ideen, und durch die Umgebungsbedingungen, unter denen diese Beschäftigung stattfindet.

Wie soll es Dir gelingen, als einzelner Lehrer z.B. die Umgebungsbedingungen zu gestalten? Was geschieht denn mit den vielleicht kleinen Erfolgen, wenn nach Dir irgendein Trottel reinkommt und das ganze Gegenteil vorlebt??

Die Lerneinstellung zu bessern, ist das gleiche wie langlebige Motivation auszuprägen und gelingt nur als Kollektivleistung: Die Schule und die Lehrer müssen den Konsens gesellschaftlicher Werte vorleben. Es muß ein umfassendes Lob- und Tadel-System und Ehrungen für gute Leistungen geben. Konkurrenz und Wettbewerbe sind ebenfalls gute Mittel, Ehrgeiz und Streben zu schüren, um Schüler anzutreiben.

Das ist aber alles eine Frage des Schulklimas und ähnelt einem Puzzle vieler kleiner, für sich genommen vielleicht sogar unwichtiger Handlungen. Du als einzelner bist machtlos. Wenn Deine Kollegen, die Vorschule, die Grundschule und die Eltern nicht mitziehen, trittst Du auf der Stelle. Du kannst höchstens kurzlebige Impulse setzen und auf die Statistik hoffen.


Dieser Sachverhalt ist für mich noch heute paradox: Die BRD will marktwirtschaftlich sein, das Schulsystem ist aber gar nicht darauf eingestellt. „Leistungsdruck“ ist für mich ein positiv besetzter Begriff, weil Leistungsdruck ein normaler und positiver Zustand in der Einheitsschule war. Hingegen ist „Leistungsdruck“ heutzutage negativ besetzt. Warum? Weil unser Schulsystem „Leistungsdruck“ absichtlich mit „Existenz- und Lebensversagensdruck“ verwechselt. Leistungsdruck ist nur konstruktuv, wenn er mit Hilfe, Förderung und Geduld verknüpft wird. Ein gutes Beispiel, wie es nicht geht, stellt die Frühauslese und institutionelle Trennung der Kinder nach der 4. Klasse dar: Die ist dermaßen aufgeladen mit Drohkulissen und Ängsten, daß jede positive Lerneinstellung zwangsläufig den Erstickungstod erleidet.

Es gab keine Aufgaben oder Leistungskontrollen, wo hinterher einer sagte: „Die fand ich gut gemacht.“ Es kam auch nie einer aus einer Leistungskontrolle oder der Rückgabe derselben und fühlte einen Motivationsschub fürs Lernen aufgrund seiner Note.

Das ist traurig, kann ich aber aus meiner Schulzeit nicht bestätigen.

Fehlerkorrektur und -bewertung

Mich würde interessieren, welche Philosophien ihr da heutzutage lernt.
Meine Lehrer sagten immer: „Der Schüler braucht Druck, sonst rührt sich nichts.“. Trotzdem ist die Zensierung immer konstruktiv und objektiv gewesen (abgesehen von den politischen Fächern). Der entscheidende Trick ist doch vielmehr: Wie handelt der Lehrer? Eine Zensur steht doch nicht unkommentiert im Raum - der Lehrer vermittelt mit Hilfe seiner Gestik, Mimik, Stimme und seiner Worte ein Gefühl, die den Schüler stärker beeinflußt als die reine Zahl.

Gute Nacht
reinerlein

Also ich hatte eigentlich immer Spass in der Schule.

Aber, das muss ich hier mal sagen, alternative Unterrichtsformen haben einfach nur genervt. Gruppenarbeit ist der letzte Blödsinn weils dazu führt, dass die guten Schüler arbeite und die schlechten quatschen. Im Zweifel lernen die schlechten Schüler nix daraus und die guten sind gefrustet. Irgendwelche ‚Jetzt denkt euch doch mal was aus‘-Spiele gehen in die selbe Richtung. Der Lerneffekt steht auch in keinem Verhältnis zum zeitlichen Aufwand.

Was mir immer Spass machte war halt ein lockeres Unterrichtsgespräch mit Diskussionen und dazwischen ein bisserl Frontalunterricht. So kommt Wissen rüber und man denkt ein bisserl über das nach, was man da lernt - und ich denke so sind Schüler am ehesten zu motivieren.

Davon abgesehen fand ich LEKs immer sehr motivierend und habe mich darauf gefreut Tests zu schreiben.

Moin!

Wie löst man das Problem? Man entwickelt allgemeine Lösungen.
Die Aufgabe des Lehrers in der Praxis ist dann, festzustellen,
mit welchen Individuen er es zu tun hat, und nach Möglichkeit
intrinsische Motivation zu erzeugen: mach den Lehrstoff
interessant. Deswegen brechen sich die Didaktiker und
Pädagogen einen ab beim Erfinden von immer neuen
Unterrichtsmaterialien. Der magische Spruch ist: Hol die
Schüler da ab, wo sie sind. Wenn du in einer 7. Klasse den
Untergang der Titanic behandelst und im abschließenden
Gespräch die Frage kommt, warum die Leute, die im sinkenden
Schiff gefangen waren, nicht einfach nach oben geschwommen
sind, kannst du sie nicht vorwurfsvoll zurechtweisen und ihnen
was von Wasserdruck und Lungenkapazität erzählen. Das ist
inhaltlich für sie nicht fassbar, sie werden es nicht
verstehen, und dein Tonfall wird sie beleidigen. Schick sie
mit der Hausaufgabe nach Hause, sich flach aufs Bett zu legen,
ruhig zu atmen, und dann gaaanz tief einzuatmen, und zu
schauen, wie lange sie die Luft anhalten können. In der
nächsten Stunde wirst du hören, dass sie so 1-2 Minuten
geschafft haben, es wird ein Wettbewerb ausbrechen. Und wenn
das ausführlich besprochen wurde, sagst Du ihnen, dass die
Passagiere der Titanic schwimmen mussten, und Angst hatten.
Doch auch als Person muss man interessant sein. Man ist als
Lehrer das erste Vorbild für seine Schüler, und wenn man sein
Fach, seinen Stoff selbst liebt, sich selber für das
interessiert, was man tut, und das (= seine eigene
intrinsische Motivation) auch zeigt, wird man glaubhaft.
Glaubhaft ist man auch, wenn man zeigt, dass man den Stoff
grad nciht spannend findet, aber den Sinn sieht und ihn (=
seine eigene extrinsische motivation) vermittelt. Sei wütend,
wenn du wütend bist, und fröhlich, wenn du fröhlich bist. Wenn
Du spielst, fühlen sie sich verarscht.
Der Lehrer muss dabei vor allem lernen, dass „gut“ relativ
ist, und dass extrinsisch motiviert sein genauso gut ist wie
intrinsisch motiviert sein. Manchal tun Schüler etwas eben, um
ihre 4 zu schaffen, sind damit zufrieden und gut is.
Und das gilt auch für Lernzielkontrollen: „gut“ kann eben auch
bedeuten, das es für die Schüler an der Lernzielkontrolle
nichts zu meckern gibt. Sie darf nicht zu schwer und nicht zu
leicht sein (bei zu leichten meckern sie noch mehr, da kommen
auch Beschwerden über eine Note 3), sie müssen die Möglichkeit
haben, sich auf den gesamten Stoff, der gefragt wird,
vorzubereiten. Keinen unbekannten Stoff abfragen, bei Exen
sich an den vorgeschriebenen Zeitraum (in BAy: letzte 2
Unterrichtsstunden) halten, keine unbekannten Aufgabenformen
verwenden. Die Schüler müssen sich vorbereitet fühlen bzw. das
Gefühl haben, sie konnten sich ausführlich vorbereiten. Wenn
das nicht geschieht, fühlen sie sich verarscht, und du
verlierst Punkte. Auf der Beliebtheitsskala, aber, was noch
wichtiger ist, auf der Glaubwürdigkeitsskala.

die Franzi,
die jetzt einfach aufhört, sonst fällst du beim Lesen ins Koma
:wink:

Für diese Ausführungen hast du echt ein Sternchen verdient.
Es gibt tatsächlich zwei Seiten der Medallie. Die Lehrperson und den Schüler.
Auf den Schüler einzuwirken, ist die Kunst des Lehrens.
Als Lehrer authentisch zu sein und sich als Mensch mit mit all seinen Facetten zu zeigen ist eine Lebenseinstellung.
Wenige verfügen über diese Fähigkeiten, die von sich behaupten sie sind Lehrer.
Einmal liegt es an ihrer eigenen Schullaufbahn, wo der nicht authentische Lehrer seine Spuren hinterlassen hat. Zum anderen daran, dass wir in unserem Bildungssystem ein Bullemiesystem haben. Wissen reinfressen zum richtigen Zeitpunkt auskotzen, dann wegspülen und vergessen.
Von Lernen kann hier nicht dei Rede sein.
Gruß

Ich habe nicht studiert, war aber viele Jahre als Ausbilder in einem Industriebetrieb. Früher hatte man 20 - 30 Auszubildende die gefrustet an einem Metallstück werkelten und dauernd auf die Uhr sahen! Heute werden Projekte bearbeitet. Das Ziel wird vorgegeben, der Weg dorthin erarbeitet. Da kommt es durchaus vor, dass die Auszubildenden die Zeit vergessen und nach 16:00 Uhr noch schnell eine Arbeit beenden wollen… Das müsste doch in der Schule auch möglich sein! Auch Zusammenarbeit mit Betrieben wäre doch möglich! Aber ich habe nicht studiert und werde deshalb von Lehrern als gleichwertiger Gesprächspartner natürlich nicht akzeptiert! Die Lehrer kennen sich in der freien Wirtschaft ja auch gut aus, schliesslich haben sie wärend des Studiums bei Aldi die Regale aufgefüllt!
(Ich muß allerdings zugeben: Gefrustete Azubis und gefrustete Ausbilder gibt es immer noch!)

Hi,

Dies ist ein empirischer Grund, warum freier Unterricht
nicht funktioniert und auch für jedwede Form der Talent- und
Schwächenförderung absolut ineffektiv ist.

Ketzerei!

Kollektivleistung:

Propaganda!

„Leistungsdruck“ ist für mich ein
positiv besetzter Begriff, weil Leistungsdruck ein normaler
und positiver Zustand in der Einheitsschule war.

Häresie! und Gotteslästerung! Wir haben doch vor gar nicht langer zeit hier im Forum schlüssig bewiesen bekommen, dass die Einheitsschule blöd is. Tztz, reinerlein… :wink:

Auch wenn ich dir in vielem zustimme, so deprimierend ist die Situation nicht - das deutsche Schulwesen in seiner Vielfalt besteht aus mehr als aus Hauptschulen in kritischen Stadtbezirken. Die Lehrer arbeiten mehr zusammen (= mit dem gleichen Ziel) als man vermutet, und ein guter Lehrer kann in seinen Stunden nachhaltiges erreichen, auch wenn der Kollege sich anders verhält.
Wogegen ich allerdings machtlos bin, ist die Vermittlung der übermäßigen Bedeutung der Sprachen (jemand, der 4 Sprachen kann, ist gebildet, jemand, der in Physik und Mathe gute Noten hat, ein doofer Streber - wenn er Glück hat. Ansonsten muss man Mathe nciht können), der Kampf der Eltern und Grundschulpädagogen gegen die scheinbare Überforderung der Kleinen (kann sie nciht erst mit 7 eingeschult werden und noch ein Jahr Kind bleiben? Wie, gleichzeitig kursiv, mit Federhalter UND korrekter Rechtschreibung lernen!!! … usw. usf.) …ach, what shalls, wie der Engländer sagt. Ich geh jetzt meinen Abendkurs halten, und unterwegs überlege ich mir wieder einmal, wie ich meine Kindheit überlebt habe.

die Franzi

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Hallo,

Endlich nennt mal eine das Kind beim Namen!

Es heißt Kevin :smiley: (scnr)

YMMD

Wenn ein Schüler keinen Wert darin sieht, sich anzustrengen, kann ich reden wie ein Buch.

Wie – du redest mit den Schülern? Ist das beim Konstruktivismus nicht verboten?
scnr

ich finde, jeder der Fachdidaktik lehrt oder Bücher drüber
schreibt, sollte zumindest ein paar Jahre Lehrer gewesen sein,

Die waren alle mal Lehrer, aber das ist teilweise schon seeehr lange her …

Aber meine Kommilitonen?
Wieso glauben die anscheinend alles so unreflektiert?

Die glauben das vielleicht gar nicht, die wissen nur, wie man sich beim Prof einschleimt.

Im Ernst:

Wenn du in der Ausbildung – speziell im Referendariat – Erfolg haben willst, musst du wohl oder übel mit den Wölfen heulen. Pass bloß auf, dass du nicht verlernst, du selbst zu sein. Ein „echter“ Lehrer sollte immer „echter“ Mensch sein!

Zu den Leistungsüberprüfungen:

Wenn die Schüler viele kleine Tests schreiben müssen und diese immer ausführlich besprochen werden, können sie diese als Training für die „eigentliche“ Klassenarbeit oder Prüfung begreifen, und dann besteht die Hoffnung, dass sie sich zum einen daran gewöhnen und zum anderen einen positiven Sinn darin sehen. Aber das sind Probleme, die wohl erst nach dem Studium auf dich zukommen werden.

Gruß

Manchesmal fühlte ich mich bei den Beiträgen hier an Dieter Nuhr erinnert: „In den Schulen wird gekifft und gesoffen, keiner hat Lust auf Hausaufgaben …und die Schüler sind nicht besser“

Und, wer trägt nun die Schuld an der Misere ?
Jemand schrieb hier, dass fast ausnahmslos alle Kinder gerne
eingeschult werden, hoch motiviert sind.

Wer treibt ihnen den nun die Lust am Lernen aus?
Eltern weisen dies strikt von sich. Lehrer ja wohl auch, wie wir
hier lesen. Also sind’s die Schüler.
Oder -immer wieder beliebt als Ausrede- : das System ?

Was soll nun werden ? Bestehen Ihrer Prüfungen ist das eine;
das andere ist: wie wollen Sie mit „dem“ Schülerbild ihren Alltag
bewältigen. Wie wollen Sie damit die Motivation der Schüler erhalten und ausweiten?
Wie motiviert sind Sie für diesen Beruf?

Henry Ford sagte sinngemäß: „Egal was Du glaubst, Du wirst immer
Recht behalten“