der Begriff Wirtschaftsflüchtling wird hier zum „Hassbegriff“ respektive „Kampfbegriff“ erhoben.
Dabei laboriert Bollmann mit den Besonderheiten der deutschen Sprache und verweist darauf, dass die direkte Übersetzung eigentlich nicht vorkommt, weswegen ja dann wohl auch der Begriff falsch sein müsse. Zeitgleich vermengt er flüchtende Ausländer mit flüchtenden Deutschen (DDR-Bürger), denen nie jemand in D Asyl oder Schutz wg. Bürgerkriegsflucht einräumte. Sie waren per GG bereits Deutsche und hatten damit ein automatisches Bleiberecht.
Hätte der Herr, der lt. eigenen Vita langjährig bei der TAZ tätig war (hoppla, man ahnt die Stoßrichtung seiner Einstellung) nur einmal den Begriff „economic migrant“ oder Wirtschaftsmigrant verwendet, dann hätte er zahlreiche Treffer gefunden. Bspw. beim UNHCR:
Migrants, especially economic migrants, choose to move in order to improve the future prospects of themselves and their families. Refugees have to move if they are to save their lives or preserve their freedom.
Und die Logik, die Bollmann hier anbietet, ist stark in Richtung Legalisierung jeder Einwanderung gemünzt.
Dabei lässt sich der Satz des CSU-Mannes ganz einfach übersetzen: Wir brauchen dringend mehr Wirtschaftsflüchtlinge.
Dieser Satz ist eine Verdrehung der Äußerungen des „CSU-Mannes“. Oder irre ich?
Der Begriff Wirtschaftsflüchtling ist weder allgemeiner Hassbegriff, noch Kampfbegriff.
Das nehme ich anders wahr, von rechtsgerichteten Gruppierungen wird er genau als solcher verwendet.
oT: Du verbreitest Deine Meinung als alleinseeligmachende allumfassende Weisheit, stellst Behauptungen und Deine Meinung als unumstößliches Faktum dar. Mit leicht oberlehrerhafter Attitüde, wie ich finde.
Ich verstehe nicht ganz, was genau Dir an dem Artikel im Bezug auf die Begrifflichkeiten nicht gefällt?
Ok, der Vergleich mit DDR-Flüchtlingen gefällt Dir nicht aufgrund der besonderen Gesetzeslage damals.
Du ahnst seine „Stoßrichtung“ - Kunststück , er äußert eine Meinung, ist ja auch ein Kommentar…
Der Tenor des Artikels lautet in meinen Augen: Wir brauchen ein Einwanderungsgesetz zusätzlich zum Asylgesetz. Um Wirtschaftsflüchtlinge auf einer gesetzlichen Grundlage mit eigenen Kriterien einwandern zu lassen.
Auf der Grundlage seiner Argumentation, die er vorher dargelegt hat. Der man folgen mag oder nicht.
Diese Aussage habe ich im Artikel nicht herauslesen können. Er bemängelt die negative Konnotation des deutschen Begriffs.
Aber nicht erst von Bollmann …
Der Begriff „Wirtschaftsflüchtling“ wird definitiv als „Kampfbegriff“ im Sinne der Duden-Definition („als Instrument des politischen Meinungskampfes dienender Begriff“) gebraucht. Wenn man sich die ersten paar Dutzend Google-Treffer anschaut, dann sieht man leicht, dass er sehr oft in meinungsmachendem Kontext auftritt (wie bei Bollmann selbst ja auch).
Mein alter Prof. gibt mir hier in seinem FAZ-Artikel übrigens recht:
Bollmann sagt, dass es sich beim „Wirtschaftsflüchtling“ um einen „sehr deutschen Begriff“ handelt.
Zumindest im Vergleich zum Englischen scheint mir das durchaus korrekt, denn dein Vorschlag weiter unten „economic migrant“ ist eben nicht die semantisch passende Übersetzung [sinnigerweise bietet dein Zitat sogar selbst die Unterscheidung zwischen migrants und refugees]
Bei weiteren Sprachen habe ich es nicht überprüft.
Ein Vergleich:
„Wirtschaftsflüchtling“ = ca. 30.000 Googletreffer
„politischer Flüchtling“ = ca. 20.000 bzw. „Kriegsflüchtling“ = ca. 30.000
=> 3:2 bzw. 1:1
„economic refugee“ = ca. 20.000
„political refugee“ = ca. 300.000 / „war refugee“ = ca. 150.000
=> 2:30 bzw. 2:15
Wobei es ihm aber um ein Diskursmuster geht, nicht um die rechtlichen Gegebenheiten.
Dieses Muster skizziert er folgendermaßen: „materielle Motive … galt[en] als weiterer Beleg für die Menschenfeindlichkeit des Regimes“.
[im obigen Link wird es übrigens Ende des ersten / Anfang des zweiten Absatzes ebenfalls angeführt; vielleicht hat Bollmann ja von Nassehi abgeschrieben …]
Das Gegenmuster nennt er nicht, dürfte aber im Sinn haben, dass im derzeitigen Flüchtlingsdiskurs „materielle Motive“ mehr oder minder als Gegenteil von „politischen Motiven“ ins Feld geführt werden.
Dein Hinweis auf die rechtliche Situation ist deshalb kein Bollmanns „Vergleich“ vernichtendes Argument, weil dieses Diskursmuster, das er skizziert, ja nicht explizit nur auf die DDR angewandt wurde, sondern Bestandteil der allgemeinen rhetorischen Ost-West-Auseinandersetzung war, wie auch der angeführte Nassehi betont.
Jetzt zitiere ich den halt dann doch noch:
Die verwenden alles, was ihnen den Anschein eines Arguments liefern könnte.
Und es bringt gar nichts, eine Verzerrung der Realitäten von rechts mit Realitätsverzerrungen von links zu entgegnen. Das wird aber aktuell in einer sehr undifferenzierten, gesellschaftl. Debatte getan.
Das ist eine Ansammlung von „Einlassungen zum Sonntag“.
Die Bewertung von -ling und -ant ist fehlerhaft als „so und nicht anders“ angegeben und falsch.
Die Bezeichnung Vertriebene trifft auf die Flüchtlinge eben gerade nicht zu, allenfalls in niedrigen Prozentbereichen.
Ethnische Vertreibung ist ein „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ (vgl. Wiki).
Economic migrant: Von mir aus kann der Begriff Wirtschaftsmigrant gerne eingeführt werden. Jeder kann seinen Aufenthaltsantrag stellen, Wirtschaftsmigrant ankreuzen und abwarten, ob er eine offene Stelle samt passender Aufenthaltserlaubnis erhält. EU-Bürger haben diese Erlaubnis - mit minimalsten Einschränkungen - (->Aufenthaltsgesetz).bereits durch ihre EU-Staatsbürgerschaft. Derjenige, der als Flüchtling ins Land kommt und Asyl beantragt, deklariert sein Aufenthaltsersuchen aber eben nicht als wirtschaftlicher Migrant.
Der Wirtschaftsmigrant ist eben nicht immer ein Wirtschaftsflüchtling, während der Wirtschaftsflüchtling immer ein Wirtschaftsmigrant ist.
Da gebe ich ihm völlig recht. Hieraus lässt sich aber nicht ableiten, dass der Begriff falsch ist. B greift zudem auf billigste Sprachtricks zurück, indem er nicht nur nüchtern feststellt, dass es diesen Begriff im englischen Sprachgebrauch nicht gäbe, sondern es ihn als „Schimpfwort“ nicht gäbe .
Im englischen Sprachgebrauch wird dem Wirtschaftsmigranten, der sich als Flüchtling ausgibt, offenbar gar nicht erst der schutzeinräumende Begriff Flüchtling angehängt. Von daher kann man gerne zwischen legalem Wirtschaftsmigranten und illegalem Wirtschaftsmigranten unterscheiden.
Hier soll aber ganz bewusst die Trennlinie zwischen Flüchtling und Wirtschftsmigrant verwischt werden. Bollmann steihgert dies selbst zur Forderung, dass wir dringend mehr Wirtschaftsflüchtlinge bräuchten und verdreht damit den Sinninhalt der Aussage des CSU-Fuzzis ins genaue Gegenteil.
Zu deinem Ex-Prof.:
Einmal abgesehen von dem historisch falschen und leicht sozialromantisch angehauchten Gebrabbel (da schnupper ich bereits gewisse Teile des Kommunistischen Manifests über die Entfremdung von der sinngebenden Komponete der Arbeit (die es bereits früher nur für ganz wenige gab), beschränkt er sich auf die Verwendung des Begriffs Wirtschaftsflüchtling durch Hassende. Diese Kategorie gibt es auch und denen ist nicht (oder nur schwerlich) beizubringen, dass ein faktischer Flüchtling (16a od GFK) eben nicht ein Wirtschaftsmigrant ist.
Dein Prof. irrt aber hier extrem gewaltig:
Wer vor den religiös codierten Konflikten im Nahen Osten flieht oder vor den Folgen des Staatszerfalls des ehemaligen Jugoslawien geflohen ist, hat immer auch wirtschaftliche Gründe. Die Flucht aus afrikanischen Staaten ohne angemessene Infrastruktur hat in den allermeisten Fällen auch eine ökonomische Dimension. Die Flucht aus Afghanistan und aus dem Irak ist selbstverständlich auch ökonomisch motiviert, nicht nur politisch oder religiös.
Das ist gewaltiger Nonsens. Es ist sehr wahrscheinlich, dass der faktische Flüchtling bei der Auswahl seines längerfristigen Zielortes (falls er es sich leisten kann) auch wirtschaftliche Erwägungen einfliessen lässt. Das Anstreben einer Gewinnmaximierung im weitesten (und eben nicht nur oder erstrangig finanziellen) Sinne sieht man aktuell bei den Flüchtlingen, die sich über andere schutzbietende Staaten nach D aufmachen. Aber der Grund für die Flucht ist eben nicht auch die finanzielle/wirtschaftliche Perspektive, sondern die Furcht um die eigene physische Existenz.
IMHO und aus einer globalpolitischen Perspektive sind die syrischen Bürgerkriegsflüchtlinge, die es in einen schützenden Nachbarstaat geschafft haben, auch idealpolitisch nicht mehr berechtigt, ihre Flucht in ein anderes Land fortzusetzen. Diese Trennlinie ist aber in der GFK nicht gezogen. Aktuell ist es doch so, dass ein GFK-Flüchtling von Land A über B, C, D, E, F und G einreisen könnte und dann je nach eigenem Gusto noch bis Z weitermacht. Dublin3 versuchte (nur auf die EU beschränkt) dort einen Riegel einzuschieben. Von Beginn an war die EU aber nicht in der Lage, sich bereits bei Einführung von Dublin3 auf eine Lastenausgleichsquote zu einigen.
Okay, ich komme vom Thema ab und bin jetzt fast schon im Bereich der miserablen Unterstützung des UNHCR. Sorry!
Ist per se die politische Willensbildung. Falls Du die negative Konnotation vom politischen Meinungs"kampf" entferrnst, dann ist das für mich okay. Der Begriff Wirtschaftsflüchtling wird in der politischen Willensbildung zur Differenzierung vom Flüchtling nach 16a oder GFK verwendet. Einige verwenden ihn bis hin zum Hassbegriff und übertragen ihn dabei unterschiedslos auf alle Flüchtlinge. Für die gibt es auch einschlägige §§, sofern sie ihre Ansicht (und vor allem weitere Schlußfolgerungen) zu öffentlich für den Gesetzgeber machen.
Hoffentlich nicht, da die pol. Motive i.d.R. nur über 16a geregelt werden.
Dieses Beweises bedurfte es gar nicht. Deswegen wurde auch nicht jeder Flüchtling aus dem Ostblock bejubelt. Natürlich gab es bei einigen Mauerflüchtlingen eine stärkere Berichterstattung.
Das ist ein Trugschluß. Jeder Migrant hat stets subjektive, egoistische Gründe. Auch der 16a-ler und der GFK-ler. Sie werden nur nach einem objektiven Ordnungsprinzip kategorisiert.
Die aktuelle.
(Ich hatte die Definition von „Kampfbegriff“ zitiert, nicht von „Wirtschaftsflüchtling“)
Stimmt.
An dem Punkt ist Bollmanns Analyse auch zu grob geblieben.
Des ufert mir jetzt zu sehr aus, wenn ich darauf eingehen würde.
Ich wollte ihn nur dafür heranziehen, wo er Bollmanns Artikel vertieft.
Und wo ist jetzt der extrem große Unterschied zwischen dir und Nassehi/Bollmann, wenn Nassehi schreibt „… hat immer auch wirtschaftliche Gründe“?
Nassehi unterscheidet halt nicht wie du von vorne herein zwischen der kausalen Dimension und der finalen Dimension des Fluchtgrunds, platter gesagt: zwischen den push- und den pull-Faktoren.
M.E. auch völlig zu Recht, denn -Gedankenexperiment- mit Sicherheit würden deutlich weniger politische Flüchtlinge aus dem Nahen Osten (push) fliehen, wenn sie nur z.B. den einigermaßen non-repressiven, aber bettelarmen Senegal als Fluchtland (pull) hätten.
Wer vor den religiös codierten Konflikten im Nahen Osten flieht oder vor den Folgen des Staatszerfalls des ehemaligen Jugoslawien geflohen ist, hat immer auch wirtschaftliche Gründe.
Nicht beim Motiv der Flucht, sondern bei der Auswahl seines letztlichen Fluchtziels, falls er über die Grenzen des erstbesten - einen entsprechenden GFK-Schutz gewährenden Staates - hinausflieht. Womit ich eben nicht sagen will, dass jeder Bürgerkriegsflüchtling (insbesondere der „Weiterflüchtling“) nicht auch oder vorrangig, eventuell gar ausschliesslich wirtschaftliche Gründe haben kann.
Der Begriff Wirtschaftsflüchtling ist weder allgemeiner Hassbegriff, noch Kampfbegriff.
Ein Bürger konnte aufgrund des GG, dass nicht nur damals galt, gar kein Flüchtling sein. Ein Journalisten in leitender Position (hier hat Bollmann Erfahrung) weiß das. Vor allem dann, wenn er einschlägig studiert hat. Insoweit ist es pure (Verwirrungs-)Polemik/Propaganda von ihm, hier Vergleiche anzustellen
Die negative Konnotation ergibt sich aus dem simplen Umstand, dass ein Wirtschaftsmigrant sich als Flüchtling ausgibt. Er ist kein Flüchtling. „Ihn zu instrumentalisieren, um andere Formen der Migration zu diskreditieren“ ist hier fehl am Platze. Es wird lediglich zwischen solchen Wirtschaftsmigranten mit und ohne Aufenthaltserlaubnis unterschieden.
Das Aufenthaltsgesetz ist bereits ein Zuwanderungsgesetz, dass auch eine gesteuerte Wirtschaftsmigration zulässt.
Bollmann hat die Äußerung vollkommen verdreht. Der CSU-Mann hat sich auf den wirtschaftlichen Nutzen bezogen. Dieser ergibt sich aus der „Positivliste für Mangelberufe“. Mehr Wirtschaftsmigranten aus Drittstaaten sind aktuell nicht erwünscht. Darüberhinaus gibt es jede Menge Wirtschaftsmigranten aus EU-Ländern.
Bollmann hingegen macht daraus „Wir brauchen dringend mehr Wirtschaftsflüchtlinge“.
Wir brauchen keine Personen, die als vorgegaukelte Flüchtlinge einreisen.
Wir brauchen keine Personen, die über die aktuellen Regelungen des Aufenthaltsgesetzes hinausgehend einreisen.
Die These von Bollmann hält keiner sachlichen Prüfung stand. Er weiß das auch.