Hallo,
Hallo Hofee!
Ich kann vielleicht mal was zur anderen Seite sagen. Ich bin weiss, mein Mann ist schwarz und meine Kinder sind braun. Wir wohnen in einer kleinen Stadt (6000 Einwohner) in Rheinland-Pfalz.
Als unser Ältester in den Kindergarten kam (mit 3) war bis dato Hautfarbe kein distinktives Merkmal (einige Jahre später hat unserer jüngerer Sohn aus Sprache kein distinktives Merkmal gemacht, für ihn war das eins, ob einer Deutsch oder Französisch sprach), es war buchstäblich überhaupt nicht der Rede wert. (Und unsere Söhne reden beide viel und gerne und haben schon sehr früh interessiert über alles mögliche mit geredet.)
DAnn kam er in den Kindergarten und wenige Wochen später begann er mit den Fragen. „Mama, hat der liebe Gott Farbtöpfe im Himmel?“, war einer seiner Erklärungsversuche, warum an ihm wohl was anders sein muss. Eine Kindergartenfreundin fragte mich grundsätzlich immer wieder, wenn sie mich sah, ob unser Sohn zu lange in der Sonne gelegen hätte. usw.
Ihn hat es eigentlich weiter nicht interessiert, aber da er im Kindergarten dauernd gefragt wurde, wollte er natürlich seinen Kameraden was zur Erklärung sagen können (er war damals das einzige farbige Kind in der ganzen Stadt oder doch zumindest in diesem Kindergarten) - wer steht schon gerne dumm da?
Aus unserer Betroffenen-Sicht kann ich nur sagen, dass Rassismus nicht angeboren, sondern anerzogen ist.
Als gänzlich falsch empfinden mein Mann und ich Reaktionen unter anderem wie
Schläge, Schimpfen etc. Im Geschäft zeigte mal eine vierjährige auf meinen Mann mit dem Finger und meinte laut und vernehmlich: Mama, schau mal, der Mann ist ja ganz schwarz! - und bekam dafür von der Mutter eine runtergehauen!!! Sie hat doch Recht gehabt! Wofür hat die Mutter sie dann bestraft? (zumal mein Mann freundlich lächelte und durchaus nicht beleidigt war)
„Das ist in unserer Familie kein Thema!“ O-Ton einer Mutter, deren 13 Jahre alter Sohn unserem Sohn einen Brief mit Parolen wie „du gehörst vergast“ u.ä. geschrieben hatte! Das sollte es aber durchaus sein! Nicht belehrend, sondern eher so, wie in oben bereits erwähntem Kindergarten, als unser zweiter Sohn in den Kindergarten kam. Der wurde nämlich gar nicht groß als was besonderes zur Kenntnis genommen, weil in der Zeit seines Kindergartenbeginns im Kindergarten gerade das Leitthema war „Alle sind anders“ (z.B. rothaarig, behindert (der Kindergarten ist ein integrativer), Stotterer, Groß, Klein, Dick, Dünn, Braun, Gelb oder Weiss …).
Im übrigen habe ich an diesem und an weiteren Anekdoten gelernt - sehr zu meiner Verblüffung - dass Kinder Sprache anders wahrnehmen als wir Erwachsenen. Ich war z.B. der Meinung, dass Kinder spätestens auf der Oberschule wissen sollten, was sie sagen und was gewisse Wörter bedeuten. Dem ist aber nicht so!!! Zwei Anekdoten zur Erläuterung.
Unser Ältester hatte schon im Kindergarten einen besten Freund. Die beiden waren jahrelang zusammen und unser Sohn wurde sehr häufig, praktisch täglich, mit dem anderen Jungen von dessen Oma betreut (ich bin berufstätig). Eines Tages war der Junge bei uns und trällerte ein Liedchen. Als ich genauer hinhörte, fiel mir die Kinnlade runter, weil das Liedchen handelte sinngemäß davon, dass die „Kanaken“ oder so ähnlich raus aus Deutschland sollten und so weiter. Also habe ich erstmal geschluckt und dann den Jungen gefragt, was das denn für ein Lied sei? Und ob er wisse, was er da singe? Das Kind schaute zwar etwas irritiert, war sich aber noch keiner Schuld bewußt. Also erklärte ich ihm, dass das, was er da singe, bedeute, das er, genau er, sich wünsche, dass sein bester Freund und dessen Vater aus Deutschland verschwinden möge und nie wiederkehren… Ob er das wirklich wolle? - Das Kind wurde kalkweiss im Gesicht und stammelte immer wieder unter Tränen: Aber doch nicht …, der ist doch mein Freund, der doch nicht, das wollte ich doch gar nicht … (Mutter und Oma können sich bis heute nicht erklären, wo das Kind (damals 5 Jahre alt) dieses Lied her hat!)
Inzwischen geht unser Ältester auf´s Gymnasium (7. Klasse). In der 6. Klasse gab es ein Erlebnis, dass mir wiederum klar machte, dass Sprache ein komplexes Gebilde ist und Kinder sie unter Umständen völlig anders wahr nehmen. Diesmal handelte es sich um einen sehr guten Freund meines Sohnes, mit dem er bereits mehr als 6 Jahre zusammen in einer Mannschaft Fußball spielt. Wir Eltern kennen und mögen uns, die Jungens sind oft bei uns oder im anderen Elternhaus. Dennoch wurde ich in die Schule gerufen, weil dieses Kind ein Gedicht über meinen Sohn geschrieben hatte, dass sinngemäß etwa lautete, dass ein U-Boot aus dem zweiten Weltkrieg käme und unseren Sohn erschießen solle. Unser Sohn fand da weiter gar nichts dabei! „Ist doch nur ein Jux, Mama, was macht ihr denn für einen Streß!“ Mein Mann und ich haben darauf gedrängt, dass das betroffene Kind nicht bestraft wurde. Ich habe lange mit der Mutter und dem Vater telefoniert, so dass ganz klar war, dass die Eltern mit dem Verhalten des Sohnes nicht einverstanden waren und solche Parolen in diesem Haus auch nicht üblich sind. Die Mutter erzählte mir aber, dass dieses besagte Gedicht schon in der Grundschule (in der es gar keine farbigen Kinder gab) die Runde gemacht habe und die Kinder das schon damals für einen grandiosen Jux hielten, ohne zu verstehen, was die Worte genau bedeuten. Noch einmal, wir haben in der Schule darauf gedrängt, keine Strafen zu verhängen. Aber darum gebeten, dass mit den Kindern Sprache reflektiert wird - noch mehr als in dieser Schule ohnehin schon üblich - und ihnen klar gemacht wird, was diese Worte de facto bedeuten. Und dass man sie niemandem gegenüber singen oder aufsagen sollte, egal ob weiss, schwarz oder kariert!
Also bitte nicht strafen! Vielleicht eher erforschen, woran die Antipathie liegt. Vielleicht gar nicht an der Hautfarbe? (Schließlich bist du doch oft beinahe eben so braun, wenn du mal wieder im Matsch gewühlt hast! / Du magst die Farbe braun nicht? Prima, dann kann ich die Schokolade ja alleine essen!)
Und bloß nicht glauben, Farbige hätten keine Vorurteile! Jeder Mensch hat welche, das ist evolutionsbedingt. Zum Überleben halten wir uns an das Bekannte, an die, die uns vertraut sind. Also ist die Lösung eigentlich ganz einfach: Machen wir uns das Unbekannte vertraut!
Und hier noch eine Anekdote zum Schmunzeln: Als wir das erste Mal in die Heimat meines Mannes flogen mit unserem Ältesten, war er vier. Der ganze Flug, all das war natürlich extrem spannend. Am besten war allerdings seine Reaktion, als wir in der Heimat meines Mannes ins Flughafengebäude traten. Unser Sohn blieb mit weit aufgerissenen Augen und offenem Mund abrupt stehen und meinte erstaunt: "Die sind ja alle schwarz hier!!!"´
Liebe Grüße
Susanne