Das Ende der Propheten?

Liebe Gemeinde,

die römisch-katholische Kirche lehrt, daß Gott den Propheten die radikale Erlösung, das Heil in einem Neuen Bund und Jesus als den Messias offenbart hat. Alle Propheten bis einschließlich Johannes des Täufers hätten dies geweissagt (Mt 11,13). Johannes der Täufer sei der unmittelbare Vorläufer (Apg. 13,24) Christi. Er sei gesandt, um ihm den Weg zu bereiten. Als „Prophet des Höchsten“ (Lk 1,76) überrage er alle Propheten (Lk 7,26). Er sei der letzte von ihnen (Mt 11,13) und leite zum Evangelium über (Apg 1,22; Lk 16,16). Die letzte und endgültige Stufe der göttlichen Offenbarung sei Jesus Christus, der Sohn Gottes, das vollkommene und endgültige Wort von Gott Vater. Der heilige Johannes vom Kreuz sagt: „Seit er [Gott Vater] uns seinen Sohn geschenkt hat, der sein einziges und endgültiges Wort ist, hat Gott uns kein anderes Wort zu geben. Er hat alles zumal in diesem einem Worte gesprochen und mehr hat er nicht zu sagen“.

Soweit der Katechismus. Ähnliches findet sich in der dogmatischen Konstitution Dei Verbum. Mit einem Satz: Mit bzw. nach Jesus Christus ist Schluß mit der öffentlichen Offenbarung Gottes. Also sollte man keine Offenbarung Gottes erwarten, die das bisher Offenbarte vervollständigt oder ihr gar widerspricht. Wenn dem so ist, sollte man auch keine neuen Propheten erwarten.

Jetzt ist mir über den Weg gelaufen, daß Paulus im 1. Korinther schreibt, weil in der christlichen Gemeinde Zungenredner und Leute aufträten, die prophetisch redeten. Paulus bezieht klar Stellung:

Jagt der Liebe nach! Strebt aber auch nach den Geistesgaben, vor allem nach der prophetischen Rede! […] Ich wünschte, ihr alle würdet in Zungen reden, weit mehr aber, ihr würdet prophetisch reden. Der Prophet steht höher als der, der in Zungen redet, es sei denn, dieser legt sein Reden aus; dann baut auch er die Gemeinde auf“ (1 Kor 14,1; 5; EÜ).

Johannes verfaßte sogar eine prophetische Schrift, die Offenbarung, die von der (römisch-katholischen) Kirche in das NT aufgenommen worden ist. Darin gibt es eine Stelle, die man so verstehen kann, als würde ein Engel Gottes Johannes und seine Brüder als Propheten bezeichnen: "Da sagte er [der Engel] zu mir: Tu das nicht! Ich bin nur ein Knecht wie du und deine Brüder, die Propheten, und wie alle, die sich an die Worte dieses Buches halten. Gott bete an! (Offb 22,9; EÜ). Darüber hinaus kündigt Johannes zwei (wahre) Propheten in der Endzeit an: „Sie haben Macht, den Himmel zu verschließen, damit kein Regen fällt in den Tagen ihres Wirkens als Propheten […]“ (Offb 11,6a; EÜ), "denn die beiden Propheten hatten die Bewohner der Erde gequält (Offb 11,10b; EÜ) (der auch in der Offb genannte falsche Prophet tut hier nichts zur Sache).

Daher meine Frage: Wie paßt die Lehre der römisch-katholischen Kirche, daß Johannes der Täufer der letzte der Propheten ist und die öffentliche Offenbarung Gottes mit Jesus Christus endet, und die Tatsache zusammen, daß in den urchristlichen Gemeinden Leute auftraten, die die Gabe der prophetischen Rede gehabt haben sollen, Paulus dies fördert und Johannes eine prophetische Schrift verfaßt, die in das NT aufgenommen wurde und in der er zwei wahre Propheten für die Endzeit ankündigt?

Mich interessiert wirklich, welche christlichen Auffassungen zum Prophetentum nach Christi Erscheinen bestehen, insbesondere die Haltung der römisch-katholischen Kirche vor dem Hintergrund des beschriebenen Dogmas dazu. Bitte keine Antworten à la „Das ist sowieso alles Quatsch und jetzt hast Du ein Beispiel dafür gefunden“. Danke.

Beste Grüße

Oliver

Hallo Semsi,

Oliver hat einen Sachverhalt im UP relativ scharf umrissen und nach dem Umgang damit gefragt.

Bei

welche christlichen Auffassungen … bestehen

ging ich davon aus, dass es ihm um irgendwie umrissene Kirchen abseits der Römisch Katholischen ging. Ob und wo z.B. Orthodoxe-, Koptische oder Protestantische Kirchen der von ihm umrissenen Argumentation nicht folgen oder wie sie offiziell damit umgehen. Bei Deinen Ausführungen scheint es sich um eine Interpretation von Dir zu handeln, die zwar richtig aber nicht gefragt war.

Bei

Prophententum nach Christi Erscheinen

scheinst Du christliche Auffassungen zu Propheten im Zusammenhang mit Christus insgesamt zu meinen, wobei sich Olivers Frage explizit auf jene Propheten und Prophezeiungen nach Christi Tod beschränkt.

Zudem finde Ich es Schade, wenn der Kern einer sachlich neutral formulierten Frage durch persönliche und periphere religiöse Aspekte in den Hintergrund gerät.

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Hi.

Auf die Schnelle kann ich einen von mir vor Wochen in einem anderen Kontext verfassten Beitrag zum Thema ´Montanismus und Prophetie´ ausschnittsweise posten. Darin geht es um die Reaktion der Katholiken auf die Lehre des Montanus (2. Hälfte 2. Jh. CE) und seiner prophetischen Mitarbeiterinnen Maximilla und Priscilla. Das von dir angesprochene „Ende der Propheten“ fällt religionsgeschichtlich mit dem Kampf der Katholiken gegen den Montanismus zusammen. Da ich ohnehin gerade mit dem Prophetie-Thema im Kontext des Alten Orients beschäftigt bin, melde ich mich mit einem weiteren Beitrag bis Anfang nächster Woche hier wieder.

Als Trailer nur so viel: Prophetie (= Vermittlung einer göttlichen Botschaft durch einen Menschen) hatte im AO eine lange Tradition, beginnend mit den Orakeln der Göttin Ischtar für die Könige von Mari und Assyrien zu Anfang des 2. Jt. BCE. Die israelitische Prophetentradition ist nur eine von vielen regionalen Adaptionen dieser Praxis unter den speziellen politischen Bedingungen der Israeliten, im Deuterojesaja textlich teilweise deutlich angelehnt an neuassyrische Orakelformeln. Als prähistorischer Ausgangspunkt des Orakelwesens kann der Schamanismus gelten. Ein wesentliches Charakteristikum orakelnder Propheten war die Ekstase, d.h. das Heraustreten des Bewusstseins aus seinen Ich-Grenzen und das subjektiv empfundene Eintreten in eine göttliche Sphäre. Nun zum angekündigten Text über die montanistischen Propheten:

+++

Der wesentliche Grund für die Ablehnung und letztendliche Verketzerung des Montanismus durch die katholische Kirche (KK) war die Selbsteinschätzung von Montanus und den obersten Priesterinnen Maximilla und Priscilla, unmittelbares Sprachrohr des ´Heiligen Geistes´ (des Parakleten gemäß Joh 14,16-17) zu sein, wodurch die KK ihren eigenen Anspruch gefährdet sah, Repräsentant der christlichen Wahrheit zu sein. Ihr Argument war, dass der Heilige Geist sich ausschließlich in der KK als Institution manifestiere und nicht in individuellen Personen. Auch an der starken Rolle der Frauen im Montanismus rieb sich die KK, was zu der neuen Regelung führte, Frauen grundsätzlich vom Priesteramt auszuschließen.

Die hohe Stellung der Frauen im Montanismus war insofern ein Charakteristikum der Montanismus, als dieser sich dadurch von der KK abhebt; aber auch in anderen christlichen Organisationen, z.B. den Marcioniten und den Valentinianern, hatten Frauen wichtige Funktionen. (Christusgläubige Gnostiker wie die genannten sind zu den Christen zu rechnen). Manche Stellen in den Paulinen scheinen zwar anzudeuten, dass auch im frühen Katholizismus Frauen einen relevanten Status hatten, andere paulinische Stellen aber demonstrieren klar die Geringschätzung des Weiblichen.

Dass im Montanismus die Dinge anders lagen, könnte u.a. mit dem - als sehr wahrscheinlich anzunehmenden - Kybele-kultischen Background des Montanismus zusammenhängen. Bekanntlich hatten im Kult der phrygischen Muttergöttin neben Eunuchen auch Frauen das priesterliche Amt eines ´gallus´ (Pl. galloi) bzw. einer ´galla´ (feminine Form) inne, dessen kultische Funktionen die ekstatische Prophetie einschlossen. Diese phrygische Tradition hat sich wahrscheinlich auf das montanistische Prophetentum übertragen.

Möglicherweise als Vorbild für die phrygischen Propheten könnte - neben den ´galloi´ und ´gallae´- die christlich-orthodoxe Prophetin Ammia von Philadelphia gedient haben, die in der ersten Hälfte des 2. Jh. gelebt haben soll, aber nur bei Eusebius bezeugt ist. In der Apg wird ein Diakon Philippus von Caesaraea erwähnt, der 4 Töchter mit prophetischer Gabe hatte. Wie historisch das in Bezug auf den zeitlichen Kontext auch sein mag, es zeigt, dass es weibliche Prophetie auch im frühen Christentum gab. Als Beispiel für eine marcionitische Prophetin nenne ich Philomene, die mit einem Marcion-Schüler namens Apelles umher reiste und von ihren katholischen Gegnern, wie die phrygischen Prophetinnen, als von einem Dämon besessen stigmatisiert wurde.

Dass die KK im 3. Jhd. die innerkirchliche Stellung der Frau drastisch reduzierte, hängt auch, aber nicht nur, mit Maximilla und Priscilla zusammen, deren dominantes Auftreten von der KK als ´abschreckendes´ Exempel gewertet wurde. Es gab kirchliche Versuche, den beiden Prophetinnen zu ihren Lebzeiten die Prophetie exorzistisch auszutreiben.

Berichtet werden zwei Vorfälle, erstens von einem Anonynous Anfang des 3. Jh., überliefert durch Eusebios, der aussagt, dass die beiden Bischöfe Zotikos und Julian, die Maximilla aufsuchten, um „ihren Geist zu widerlegen“ (=auszutreiben), von einem anderen hochgestellten montanistischen Propheten, Themiso, daran gehindert wurden. Anlässlich dieser Begegnung soll Maximilla geäußert haben (eine der 4 von ihr überlieferten Aussprüche):

Ich werde verfolgt wie ein Wolf von den Schafen fort. Ich bin kein Wolf. Ich bin Wort und Geist und Kraft.

Ein zweiter Vorfall wird, ebenfalls überliefert von Eusebius, von Bischof Äius Publius Julius berichtet, bei dem Bischof Sotas von Anchialos die Prophetin Priscilla exorzieren wollte, ebenfalls aber von Anhängern davon abgehalten wurde.

Chan

Danke für die Einladung zur Frage.

Für die kath. Kirche bin ich kein Experte. Aber man kann allgemein zu den „verfaßten Kirchen“ (rk, ev-luth, ev-ref… orth.- also denen, in denen es eine gewisse Struktur und Hierarchie gibt - selbst wenn es keine „Glaubenshoheit“ durch einen obersten Bischof gibt) sagen, daß sie sich mit Prophetie schwertun.

Das liegt in der Natur der Sache, denn Prophetie ist unmittelbar, persönlich und kaum objektiv nachzuweisen. Damit läßt sich jede Struktur einer Kirche umgehen, aushebeln… . Im Gegenzug gibt’s gerade in den Freikirchen prophetische Bewegungen, in denen z.B. das Zungenreden praktiziert wird. Aus protestantischer Sicht bleibt da immer die Bibel die Meßlatte. Wo die Zungenrede (o.ä.) zu den Kernaussagen der Bibel paßt, kann sie auch als göttliche Offenbarung angenommen werden; widerspricht sie ihr, dann eben nicht. Das Problem, das die Jahrhunderte der theologischen Irrungen und Wirrungen (wie z.B. die Ariertheologie des 3. Reiches oder auch die aktuelle Diskussion um den Umgang mit Homosexualität) leider eindrucksvoll zeigen, ist, daß man auch vortrefflich darüber streiten kann, was denn nun die „Kernaussagen der Bibel“ sind - und wie man sie verstehen soll ;-).

Für die verfaßten Kirchen birgt die Prophetie hier eher das Risiko des Extremismus (und nicht selten scharen sich dann exklusive Gruppen und „ihren Propheten“ und bilden so eine neue Gemeinschaft - wie z.B. die Anhänger des „Universellen Lebens“ um ihre Prophetin. Daß solche Gemeinschaften oft sehr exklusive bis radikale Züge annehmen, trägt sicher auch dazu bei, daß man in den Kreisen der verfaßten Kirche eher zurückhaltend bleibt, wenn sich ein neuer Prophet aufschwingt.

Martinus

Nachtrag 2:

Ich meine, jetzt eine finale Antwort auf deine Frage parat zu haben.

(1)

Zu unterscheiden sind Gottes- und Christusoffenbarungen. Bis zu Johannes d.T. gab es laut christlicher Lehre Gottesoffenbarungen. Was dem Johannes der JohOff aber mitgeteilt wurde, stammt nicht von ´Gott´, sondern von ´Christus´. Insofern liegt kein Widerspruch vor, wie du ihn in deiner Anfrage darstellst. Synonym mit dem himmlischen Christus ist im NT auch vom Parakleten und Heiligen Geist die Rede. Eben dieser Paraklet sprach - in der Selbsteinschätzung der Montanisten - zu den montanistischen Propheten.

Die Frage ist also, wieso die Johannesoffenbarung, anders als die montanistische Prophetie, trotz der gleichen himmlischen ´Quelle´ in den biblischen Kanon aufgenommen wurde. Damit kommen wir zu Punkt

(2)

Um das Jahr 200 - als der Montanismus noch nicht verketzert war, sondern auf seinem Höhepunkt stand - gab es schon einen rudimentären biblischen Kanon, zu dem bereits die Johannesoffenbarung zählte. Andere dazugehörende Texte waren 13 Paulinen, die Apg, die 4 Evangelien, der 1. Petrusbrief, der 1. Johannesbrief usw.

Erst ab 237 - wie ich oben ausführlich darstellte - wurde Prophetie von der katholischen Kirche offiziell
für obsolet erklärt. Das zielte speziell gegen den Montanismus. Nun war die JohOff aber schon Teil des Kanons und konnte aus diesem nicht mehr entfernt werden. Das ist der einzige Grund, warum diese Offenbarung, trotz ihres prophetischen Charakters, Teil des heutigen biblischen Textbestandes ist. Das gleiche gilt für die Andeutungen von Prophetie in den Paulinen. Der problematische Charakter des Prophetischen, der der JohOff dennoch anhängt, zeigt sich auch heute noch darin, dass dieser Text in katholischen Liturgien nie vorgelesen wird.

Ich denke, deine Frage damit ausreichend beantwortet zu haben. Erklärt habe ich (1), wie und warum es zur Verketzerung der Prophetie kam, und (2) wieso die JohOff dennoch im Kanon verblieben ist.

Chan

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Hallo Oliver,

da kann ich im Detail nicht weiterhelfen. Auch finde ich „Lehren“ und „Dogmen“ nicht so gut, das Problem ist wenn man alte Schriften als Fundament nimmt, es immer einen Interpretationsspielraum gibt. Ich bevorzuge die Vernunft, und es gibt wirklich sehr gute Philosophiesysteme (zB Vedanta aus Indien).
Du könntest Deine Frage in diesem Religionsforum stellen
http://religionsforum.de/forumdisplay.php?fid=5
da gibt es einige Spezialisten (wenn sie gerade nicht im Urlaub sind). Die könnten Dir da weiterhelfen.

Beste Grüße,
Eduard

Lieber Semsi, leider habe ich den Eindruck, daß Du meine Frage recht weit verfehlt hast. Mich interessieren nicht die alttestamentarischen Propheten, sondern die Frage ist, wie man aus christlicher, insbesondere römisch-katholischer, Sicht das Auftreten von Propheten, die uns kirchlich anerkannte Offenbarungen verkünden (hier insbesondere Johannes der Seher), nach Christi Erscheinen erklären kann, wenn doch das Dogma sagt, daß Christus Gottes letztes Wort ist, er mehr nicht zu sagen hat und es keine öffentlichen Offenbarungen gibt, die über Christi Offenbarung hinausgehen.

Ich diskutiere dieses Thema gerade anderweitig mit einem Ordensmann und Absolventen einer päpstlichen Hochschule. Er fängt an, das Problem auch zu sehen.

Beste Grüße

Oliver

Lieber Oliver,

doch, ich hatte Deine beiden Fragen richtig verstanden:

Anscheinend bist Du aber des Glaubens, dass alle Christen nicht nur den gleichen Kanon haben, auch noch das gleiche glauben wie Du bzw. wie die römisch-katholische Kirche (oder gar, wenn sie das nicht täten, keine Christen wären?). Ich kann Dir versichern, dass dies nicht so ist!
Angebliche Apostel, die im Namen Jesu ein anderes Evangelium verkünden, als wie Jesus selbst, die unrichtige Inhaltsangaben zur Thora machen, Propheten, die mit unverständlichem „Schallallallallah“ fremde Lehren verbreiten, sollten es bei bodenständigen Christen eigentlich sehr schwer haben … eigentlich. Das wäre aber ein Problem (hier ausschließlich nur) der katholischen Kirchen: Deine zweite Frage, zu der ich mich nicht äußern könnte.

Beste Grüße
Semsi

Danke erst einmal dafür. Das klärt zumindest mögliche kirchengeschichtliche Hintergründe. Doch kann man dagegen argumentieren, daß die Prophetie im Rahmen des Montanismus von einer häretischen Bewegung ausging, es sich also aus kirchlicher Sicht um falsche Propheten handelte (wir müssen nicht diskutieren, ob der Häresie-Vorwurf gerechtfertigt ist). Das Auftreten falscher Propheten stünde im Einklang mit dem Evangelium. Daher bleibt weiterhin der Unterschied zwischen dem Dogma von der Letztoffenbarung Gottes in Jesus und dem in neutestamentarischen und damit kirchlich anerkannten Schriften bezeugtem prophetischen Wirken erklärungsbedürftig.

Vielleicht weißt Du dazu auch noch etwas. Ich hoffe gespannt auf Antwort.

Beste Grüße

Oliver

Hi Oliver.

Dein Gegenargument scheint mir historisch unlogisch zu sein, sofern es - wenn ich es recht verstehe - besagt, dass die montanistische Prophetie abgelehnt wurde, weil der Montanismus häretisch gewesen sei. So war es ja nicht. Vielmehr wurde der Montanismus erst über 50 Jahre nach dem Tod der montanistischen Propheten zur Häresie erklärt, und zwar, weil die Aktivitäten von Montanus, Maximilla und Priscilla über Jahrzehnte eine derartige Wirkung in christlichen Kreisen entfaltet hatten, dass die orthodoxe römische Kirche drauf und dran war, den Führungsanspruch über die Christen an Montanus zu verlieren. Ende des 2. Jh. gab es z.B. zwei Bischöfe von Rom, die sich für den Montanismus einsetzten. Christliche Gemeinden schlossen sich reihenweise dem Montanismus an. Der bedeutendste christliche Theologe dieser Zeit, Tertullian, trat 207 mit Begeisterung zum Montanismus über und verfasste mehrere Werke im montanistischen Geist; eines davon, über montanistische Prophetie, ging leider verloren.

Erst 237 wurde auf einer Bischofssynode (im phrygischen Ikonium) der Montanismus zur Irrlehre erklärt, also über ein halbes Jahrhundert nach dem Tod der drei führenden Propheten des Montanismus. Es handelte sich dabei um die erste Bischofssynode überhaupt, eigens eingerichtet, um die Frage des Führungsanspruches innerhalb der christlichen Kirche, zu der bis 237 auch der Montanismus offiziell zählte, zu klären. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es überhaupt kein Letztoffenbarungsdogma, das den prophetischen Anspruch der Montanisten hätte widerlegen können, vielmehr war dieses Dogma das Resultat des Kampfes zwischen Katholiken und Montanisten um die geistige Führung der Kirche. Auch wurde auf dieser Synode erstmals - ich betone: erstmals - die Verbindlichkeit eines normativen dogmatischen Kanons, nämlich des biblischen, festgestellt - über 50 Jahre nach dem Tod der montanistischen Propheten. Daraus folgt, dass diese Propheten zum Zeitpunkt ihres Wirkens ganz und gar nicht in offenem Widerspruch zu irgendeinem offiziellen Kanon gestanden hatten. Übrigens waren in den gut 50 Jahren zwischem dem Tod der Propheten und der Synode keine neuen Propheten mehr aufgetreten.

Aus all dem folgt:

Prophetie war von den Katholiken keinesfalls per se verurteilt worden, sondern weil sie den mit den Katholiken um den christlichen Führungsanspruch rivalisierenden Montanisten ein so hohes Ansehen verschafft hatte, dass die Führungsrolle der Katholiken gefährdet schien.

Deine Frage:

Wie paßt die Lehre der römisch-katholischen Kirche, daß Johannes der Täufer der letzte der Propheten ist und die öffentliche Offenbarung Gottes mit Jesus Christus endet, und die Tatsache zusammen, daß in den urchristlichen Gemeinden Leute auftraten, die die Gabe der prophetischen Rede gehabt haben sollen, Paulus dies fördert und Johannes eine prophetische Schrift verfaßt, die in das NT aufgenommen wurde und in der er zwei wahre Propheten für die Endzeit ankündigt?

kann also, meine ich, so beantwortet werden: Die „Lehre der römisch-katholischen Kirche, daß Johannes der Täufer der letzte der Propheten ist und die öffentliche Offenbarung Gottes mit Jesus Christus endet“ ist ein dogmatisches Produkt des Kampfes gegen den Montanismus, das erst ab der Synode von 237 Gestalt angenommen hatte. Alle vorherigen prophetischen Phänomene bzw. Ansprüche (im Montanismus sowie bei Johannes und die von Paulus erwähnten) standen zum Zeitpunkt ihres Auftretens in keinster Weise im Widerspruch zu einem offiziellen Dogma.

Chanäten

Nachtrag:

Das „Chanäten“ am Schluss ist ein Tippfehler, der irgendwie zustande kam, weil die Anzeige des Textfensterchens mir den Blick auf die unterste Zeile blockiert hatte.

Ist „Chanäten“ der Name Deiner Bewegung? Sei froh, daß Du nicht Kainiten geschrieben hast. :wink:

Beste Grüße

Oliver

Der Markt für Gottesvorstellungen ist groß, es gibt bereits tausende von christlichen Gemeinschaften, die den Menschen Religion verkaufen; ich brauche mir nichts auszudenken, um zu einem Thema antworten zu können.

https://de.wikipedia.org/wiki/Kirche_Christi_mit_der_Elias-Botschaft

Hallo,

Du hattest eine Letztoffenbarung ? :wink:

Spaß beiseite: Erst einmal danke für die Antworten. Da war zwar viel Historisches dabei, was vielleicht die Lehre vom Ende der göttlichen öffentlichen Offenbarungen mit Jesus Christus aus den machtpolitischen Motiven heraus erklärt (wobei: Die dogmatische Konstitution Dei Verbum ist Ergebnis des 2. Vaticanum), darum ging es mir aber nicht. Sondern es geht mir darum, wie insbesondere die Lehre der römisch-katholischen Kirche, daß Johannes der Täufer der letzte Prophet sein soll und die öffentliche göttliche Offenbarung mit Jesus Christus enden soll, und die Tatsache nach-christlicher, also nach der Himmelfahrt Christi sich ereignender, echter prophetischer Reden und Schriften zusammenpassen, die in dem Fall der Johannes-Apokalypse sogar kanonisiert worden sind. Dieser Abschnitt Deiner Antworten hier

erkenne ich als Antwort auf meine Frage, da sie sich mit dem befaßt, was ich wissen möchte. Obwohl ich der Antwort durchaus viel abgewinnen kann, habe ich noch Zweifel, ob tatsächlich kein zu klärendes Problem vorliegt: Denn es heißt zwar gleich zu Beginn der Johannes-Apokalypse „Offenbarung Jesu Christi“, aber erstens ist Jesus Christus genauso wie Gott Vater Gott, wenn auch in anderer Person, zum zweiten teilt er sie in Visionen usw. zunächst nur Johannes mit, der sie dann weitergibt, der diesbezüglich von prophetischem Reden spricht und der vom Engel Gottes als Prophet oder Bruder der Propheten angeredet wird. Aber Johannes der Täufer soll dem Katechismus zufolge der letzte der Propheten sein und nicht Johannes der Seher. Mit dem von mir kurz angesprochenen Ordensmann und Absolventen eines päpstlichen Instituts habe ich herausgearbeitet, daß die Offenbarung, die der Seher vermittelt, möglicherweise deshalb keine Prophezeiung im althergebrachten vor-christlichen Sinn darstellt, weil sie im wesentlich nicht über das bereits vor seiner Himmelfahrt von Christus Offenbarte hinausgeht, sondern dies „nur“ vertieft. Die neutestamentarischen Propheten - mit Ausnahme des Täufers - wären also keine „echten“, eigenständigen Propheten, weil sie der göttlichen Offenbarung nichts Neues mehr hinzufügten, sondern klar der Botschaft Christi untergeordnet sind, nur personale Überbringer darstellen. Dazu paßten auch die drei ersten Worte der Johannes-Apokalypse: „Offenbarung Jesu Christi“.

Beste Grüße

Oliver

Hallo, Eddy,

es macht ja nicht, daß das Christentum nicht Dein Spezialgebiet ist. Aber den Link finde ich hilfreich. Vielleicht finde ich dort eine Antwort, wenn sich hier nicht mehr ergeben sollte.

Beste Grüße

Oliver

Lieber Oliver,

eine Auffassung, die man zweifelsfrei auch als „christlich“ bezeichnen könnte, wäre der Glaube an die Wiederkehr Jesu; Du kennst die Stellen im Evangelium. Muslime glauben dies auch, aber aus anderen Gründen heraus …

Jesus erhebt für sich den Anspruch, die Propheten zu bestätigen: Sein kurzzeitiges Auftreten vor ca. 2000 Jahren und die angekündigte Wiederkehr (zum Gerichtstag) fänden sich relativ deutlich beim Propheten Hesekiel, dort die beiden Friedensreiche (ein kurzes und ein längeres) unter „David“; vor dem letzten Gerichtstag war, laut dem Propheten Maleachi, ein Prophet angekündigt worden, nämlich Elija.

Falls Du keine christliche Glaubensgemeinschaft mit dieser Meinung kennen solltest, wäre es schade, denn diese wäre die einzige halbwegs gesunde Ansicht.

Beste Grüße
Semsi

Danke für die Antwort. Die Tendenz geht auch bei Dir mehr in Richtung Machtpolitik statt Theologie, obwohl mich ja gerade erkennbar der zweite Aspekt interessiert hat, der erste nicht. Es steckt wohl heutzutage in den Knochen der meisten drin, daß Thema Kirche bzw. christlichen Glauben nur von der machtpolitischen Warte aus betrachten zu können und alles anderes mehr oder weniger auszublenden. Für mich ist so ein Tunnelblick leider nicht besonders interessant.

Übrigens: Zungenreden ist nicht gleich prophetisches Reden. Siehe Paulus.

Beste Grüße

Oliver

Du solltest daran interessiert sein, was „wirklich“ in „Gottes Wort“ steht (Joh.17,17).

Johannes war der letzte „Prophet“ und schrieb die „Offenbarung Christi“.

Das „Wort Gottes“ ist die personifizierte Aussage von Christus (Joh.1,14) und jede Verfälschung wird bestraft werden (Offb.22,18-19).
Die beiden Propheten (in der Endzeit) werden noch kommen, das ist richtig (Offb.11,3).

Das ist zeitlich noch nicht vorraussehbar, weil es auf die passende Situation ankommt (Mk.13,32).