Der Licht-Begriff in Religion und Philosophie
Hi Hannes.
Ich wüsste gern Genaueres aus religionswissenschaftlicher
Sicht über die Herkunft dieser Jenseitsvorstellung, die ich im
NT nicht ausgeprägt sehe.
In fast allen Religionen und in vielen klassischen Philosophien hat der Licht-Begriff eine transzendente Bedeutung. „Transzendent“ heißt hier, dass etwas den Horizont der gewöhnlichen Sinneswahrnehmung überschreitet. Das in deinem Zitat gemeinte Licht ist also ein transzendentes Licht, kein physikalisches. Trotzdem kann es wahrgenommen werden, allerdings nur unter besonderen Umständen. In der Regel ist das der Fall, wenn ein Mensch eine „Erleuchtung“ bzw. eine „unio mystica“ erfährt. Dann erkennt er das, was im Tibetanischen Totenbuch oder auch in der Kabbala das „Grenzenlose Licht“ genannt wird (kabbalistisch: „Ain Soph Aur“). Dieses Licht ist aus religiöser Sicht in der Regel gleichbedeutend mit der „wahren Wirklichkeit“. Es ist also kein Licht, das seine Umgebung erhellt, sondern ein Licht, das die Substanz von allem Existierenden ist. Es ist zugleich ein inneres Licht und ein Licht, das alles in sich einschließt. Es ist jenseits von Raum und Zeit, da diese nur Kategorien innerhalb eines Denkens sind, das auf der Begrenztheit der physikalischen Wahrnehmung beruht.
Diesen Lichtbegriff gibt es im Hinduismus, im Buddhismus, im Neuplatonismus des Plotin, in der Kabbala des Judentums, in der christlichen Mystik (die von der Kirche meistens bekämpft wurde), im Zoroastrismus, im Manichäismus und ganz besonders in der Gnosis, einer Religion, die vom orthodoxen Christentum erbittert bekämpft wurde.
Plotin verwendet den Licht-Begriff z.B. in „Die beiden Materien, 12“:
Die Tiefe aber jeden Dinges ist seine Materie, weshalb sie denn auch gänzlich dunkel ist, weil das Licht Form und Geist ist.
Augustinus berichtet in seinen „Bekenntnissen“:
Ich trat ein und schaute mit dem Auge meiner Seele, wie schwach es auch war, hoch droben über diesem Auge meiner Seele, über meinem Geiste, das unwandelbare Licht: nicht dieses allgemeine und jedem Fleisch sichtbare, auch nicht eines, das nur größer, aber von derselben Art war und nur heller, viel heller leuchtete und alles mit seiner Größe erfüllte. Wer die Wahrheit kennt, kennt jenes ewige Licht, und wer dieses kennt, der kennt die Ewigkeit.
Bonaventura sieht im Licht (natürlich nicht dem physikalischen) die Substanz des Materiellen (hier ein Bezug auf dies aus Wiki: Bonaventura, da mir gerade keine diesbezüglicher Originaltext verfügbar ist):
_Das Licht als substantielle Form
Alle geschaffenen Dinge sind aus Materie und Form zusammengesetzt. Die substantielle Form der körperlichen Dinge ist das Licht. Es wurde von Gott am ersten Tag vor allen anderen Dingen geschaffen. An ihm haben deshalb alle Dinge in unterschiedlicher Weise teil._
Jakob Böhme setzt das Licht auf Platz Eins der ontologischen Hierarchie:
Das Gute oder Licht ist als ein Nichts. So aber etwas darein kommt, so ist dasselbe Etwas ein anders als das Nichts, dann das Etwas wohnet in sich, in Qual, dann wo etwas ist, da muß ein Qual sein, die das Etwas macht und hält. Das Etwas ist finster und verfinstert des Lebens Licht, und das Eine ist Licht.« (»Sechs [mystische] Punkte«, III, § 6, 8)
Ich zitiere zur Verdeutlichung auch einige Stellen aus den gnostischen Texten von Nag Hammadi („Bibel der Häretiker“, hrg. von Lüdemann/Janßen):
_Versteht, was das große Licht ist!
Sagt nun aus dem Herzen, dass ihr der vollkommene Tag seid und dass in euch das unverderbliche Licht wohnt!
Dies ist das Finden des Lichtes der Wahrheit, die ihm aufleuchtet, denn es ist unveränderlich.
Er belehrte ihn über die, die suchten nach ihrem Sehen durch das Strahlen dieses vollkommenen Lichtes.
Der, der entstanden ist in einem Bild des Lichtes, er ist ebenfalls vollkommen, insofern er ein Bild des allein existierenden Lichtes ist, welches die Allheiten ist. Auch wenn er geringer war als derjenige, von dem er ein Bild ist, hat er trotzdem seine Unteilbarkeit, denn er ist eine Erscheinungsform des unteilbaren Lichtes.
Er ergriff und schuf sich andere Äonen aus einer Lichtfeuerflamme, welche auch jetzt existiert.
Denn ich bin der Reichtum des Lichtes, ich bin das Denken des Pleroma._
Chan