Das falsche Sein

Hi,

kann es sein, dass der große Mathematiker und Philosoph René Descartes sich irrte, als er seine zentrale Erkenntnis in den berühmten Satz packte:

„Ich denke, also BIN ich.“

Wie kann einer, der gerade an Mathematik DENKT, sich selbst bewusst „sein“, wie???

Gruß
C.

Hallo Claus,

das Sein hat es an sich, dass man darunter etwas (eher) Statisches versteht. Denken aber ist Bewegung. Von daher kommt dieses Spannungsverhältnis. Man könnte also sagen: Ich denke, also geschieht etwas. Evtl. auch „ich denke, also bewegt sich etwas in mir“.

Das ist dann umso mehr der Fall, wenn man sich auf etwas anderes als sich konzentriert, eben z. B. auf Mathematik. Aber Denken und Konzentrieren ist nicht ganz dasselbe, weil zur Konzentration mehr als nur das Denken gehört, auch Gefühl und Bauch sind dabei.

Das Sein wird von den Philosophen seit jeher (auch) in Seinsweisen unterteilt. Vielleicht gibt Dir das eine Distanz zum Begriff „falsches“ Sein, der mir gar offen vorkommt.
Die Ontologie unterscheidet nicht nur Substanz von Akzidentien (Wesentliches von Attributen), sondern auch erste Substanz und zweite Substanz (Wesen von Wesenheit oder etwa Person von Seinsart) und erste Analogie von zweiter Analogie (Annähernde Analogie von rein metaphorischer Analogie). Vielleicht hilft es Dir auch, den Begriff der Metapher näher zu untersuchen. Wenn ich sage, X sei ein Fuchs, heisst das normalerweise, dass X schlau oder auch scheu und hinterhältig wie ein Fuchs sei, es kann theoretisch auch heissen, dass X irgend ein Wüstentier ist, von dem man am ehesten glaubt, es sei ein Fuchs. Das erste zeigt, was Metapher (Übertragung), das zweite, was annähernde Analogie ist.

Gruss
Mike

Hi Mike,

Das Sein wird von den Philosophen seit jeher (auch) in
Seinsweisen unterteilt.

Ich meinte, was die Transzendentalisten lehren, z. B. von Kant bis Maslow, Goleman, Wilber etc.

Gemeint ist das reine, formlose, ewige Sein, als eine wesenhafte Substanz, aus der alles Werden erst zu einem Sinn erklärt werden kann, den die Wissenschaften nicht erklären können.

Und das heißt nach dieser Transzendentalphilosophie, dass das Denken von Descartes natürlich eine ganz wesentliche Dimension VON DEM IST, was der deutsche lebende (!) Philosoph Prof. M. Frank „absolute Identität“ nennt. Dieser Begriff von M. Frank trifft genau, was ich meine.

Descartes blieb aber bis zu seinem Tode wie Kant ein ewiger Dualist. Wie sehr Descartes für Kant zum Vorbild seines Denkens wurde, zeigt folgendes Zitat aus Kants philosophischem Hauptwerk „Kritik der reinen Vernunft“:

„Wir können mit Recht behaupten, dass nur dasjenige, was in uns SELBST ist, unmittelbar wahrgenommen werden könne, und dass meine eigene Existenz allein der Gegenstand einer bloßen Wahrnehmung sein könne.“ - „Dabei auch Cartesius (Descartes) mit Recht alle Wahrnehmung in der engsten Bedeutung auf den Satz einschränkte: Ich (als ein denkendes Wesen) BIN.“

Hier irrte also nicht nur Descartes, sondern auch Kant, denn der „ganze“ Mensch ist nicht nur allein das, was er selber denkt. Frage: Wer oder was nimmt denn außerhalb meines Denkens „wahr“, dass ich denke???

Gruß
C.

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Wir können Ihn nicht erklären
Hallo Claus,

wir nennen Ihn den Absoluten. Bei Ihm fallen Wort und Tat zusammen.
Auf Wiedersehen im Glauben - oder im Brett „Religionswissenschaft“.

Gruss
Mike

Hi Mike,

Auf Wiedersehen im Glauben - oder im Brett
„Religionswissenschaft“.

Ich verstehe die Philosophie grundsätzlich als eine strikte Trennung zur Religion, und zwar aus ihrer geschichtlichen Tradition. Religion interessiert mich höchstens aus der Perspektive der Analytischen Philosophie.

Sorry, Mike!

Gruß
C.

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Hallo Claus,

keine Angst, weder will ich Dich aus dem Brett vertreiben noch Dich in ein anderes zwingen. Ich wollte klarstellen, dass eine Tradition dieses „Ende“ (wo gemäss Kierkegaard „das Denken aufhört“) „paradox“ oder „Gott“ nennt. Das heisst nicht, dass keine Fragen übrigbleiben.

Interessant wäre es also, die Tradition, welche bei der genannten Frage „aufhört“ zu denken, zu analysieren, Du bist also in der

analytischen Philosophie

Gruss
Mike

Aus der Sicht des Neurologen A. R. Damasio :
http://www.amazon.de/Descartes-Irrtum-F%C3%BChlen-De…
Fazit : Als Reaktion auf die Begegnung mit einem Säbelzahntiger stellen sich zunächst verschiedene Körperzustände ein (Muskelspannungen, Hormonausschüttungen, elektrische Impulse, dann interpretiert das Stammhirn (= ältester, animalischer" Hirnteil) dieses Muster als „Angst“, dann wird reagiert, und wenn’s hochkommt, dringt das Ganze dann noch zum Kortex (= bewusstes Denken) vor und wird dort (nachträglich) rationalisiert. Dann können wir uns einbilden, wir würden vom Denken gesteuert.

MfG Klaus

Hi Mike,

nach der analytischen Philosophie, die SOKRATES zur Schlüsselfigur macht, indem sie zwischen der Zeit vor ihm und nach ihm unterscheidet, bezogen auf alle große abendländische Philosophen, gibt es meines Erachtens auf die Frage, was beginnt, wenn das Denken „aufhört“, sehr konkrete Antworten der PSYCHOLOGIE.

Egal, welcher psychologischen SCHULE man auch immer seine Vota gibt, in einem Punkt sind sich alle einige:

Die Psychologie in den drei Grundeigenschaften aller Menschen sind: Fühlen, Denken und Handeln.

Darüber hinaus kann man nach Kant nur kommen, durch die Transzendentalphilosophie.

Die Amis haben daraus die „Transpersonale Psychologie“ entwickelt. Dieser Begriff ist aber meines Erachtens insofern „unvernünftig“, weil schon vom Denkansatz eine Transzendenz VORAUSGESETZT wird als ein Glaube.

Kant hat aber gerade in diesem Punkt einen zentralen Unterschied gemacht zwischen Philosophie und Religion, und verdeutlicht, „wie die Metaphysik auch in Zukunft als Wissenschaft wird auftreten können“.

Nun gibt es aber nach Tugendhat in der gesamten abendländischen Philosophie nur drei Modelle über das Selbstbewusstsein des Menschen, nämlich das Modell der Metaphysik, das Modell des Subjekt-Objekt-Dualismus sowie das so genannte Substanz-Modell (Onthologie), das ich vertrete, soll heißen, es gibt keinen Dualismus, alles ist „innen“ im Menschen selbst, nach Protagoras (Lehrer des Sokrates): „Der Mensch ist das Maß aller Dinge“.

Ich habe hier ja schon mehrmals versucht zu verdeutlichen, dass ich die Philosophie nicht als Wissenschaft, sondern KUNST (Lebenskunst) betrachte, und dass ich mir aber als Philosophierender alles Wissen auch von den Wissenschaften holen kann, um es in mein Bewusstsein zu integrieren.

Deshalb sprechen jüngere Transzendentalisten, vor allem die Amerikaner, nicht mehr von Transzendenz, sondern vielmehr von einem „Integralen Bewusstsein“.

Gruß
C.

Hallo Claus,

muss sich Deiner Meinung nach die Philosophie zur Magd der Psychologie machen? Übrigens heisst Psyche Seele. Ist die Seele nicht ein Teil der Theologie? Logisch wäre also wenigstens auf diese Weise der alte Satz: Die Philosophie ist die Magd der Theologie.

Gruss
Mike

Hi Mike,

muss sich Deiner Meinung nach die Philosophie zur Magd der
Psychologie machen? Übrigens heisst Psyche Seele. Ist die
Seele nicht ein Teil der Theologie? Logisch wäre also
wenigstens auf diese Weise der alte Satz: Die Philosophie ist
die Magd der Theologie.

Hi Mike,

ja, die Philosophie war sicherlich sehr lange Zeit die Magd der Theologie.

Sogar der deutsche Philosoph Prof. Wilhelm Weischeldel, der eine Zusammenfassung über den „Der Gott der Philosophen“ vorlegt (1983), sieht das ähnlich, gibt aber zu:

„Philosophische Theologie ist offensichtlich eine fragwürdige Sache.“

Dass die Theologie unter der Prämisse zu denken beginnt, dass es Gott 100% zweifelsfrei gibt, im Kontext der jeweiligen Kulturtradition, ist nicht nur ihr gutes Recht, sondern im Gegenteil sogar ihre eigentliche Aufgabe.

So wie ich den Begriff „Theologie“ verstehe, ist sie „die Wissenschaft von Gott“.

Das Axiom, dass es Gott 100% sicher gibt, beweist sich die Theologie ja immer nur selbst als Zirkel-Logik!

Dass sich die Philosophie heutzutage auch(!) an der Psychologie und Hirnfortschung orientiert (z. B. Spitzer, Pöppel, Roth, Damasio usw.), halte ich nicht für falsch, denn die Philosophen lernen ja nur von diesen Erkenntnissen, wonach seit PROTAGORAS der Mensch das Maß aller Dinge ist. Und genau an diesem Punkt darf die Philosophie meiner Meinung nach auch nur (!) beginnen, was ja zum Beispiel Sokrates, Descartes und Kant, um nur einige Philosophen zu nennen, konsequent taten.

Alle philosophischen Gottesbeweise haben nur eine Bedeutung unter der Prämisse darin, dass die Philosophie eine TRENNUNG von der Theologie ist, sonst BLEIBT sie tatsächlich für immer und ewig nur Magd der Theologie.

Gruß
C.
PS: Ich freue mich auf einen weiteren Dialog

Hallo Claus,

Zirkel-Logik

nur wenn man ziemlich genau weiss, was Gott ist, entsteht eine Zirkel-Logik bei der Grundannahme, dass Gott sei. „Die“ Theologie kennt da ja immerhin eine Vielfalt und schreibt der Philosophie auch nicht vor, sich einzuschränken. Hingegen ermöglicht die Theologie, dass es ohne Gott philosophische Aporien (Ausweglosigkeiten) geben darf, also dass die Philosophie dann, wenn sie auf ein Paradox stösst, das evtl. Gott heissen könnte, dem sie in gewissem Sinn nicht ausweichen kann, dieses Paradox den Theologen überlassen kann.

der Mensch

ist ein relatives Wesen, das ist das Grundproblem. Zwei stehen vor Sokrates und staunen. Der eine staunt, weil Sokrates so viel „vom Menschen“ begriffen hat, dass der Betrachter nun meint, da sei viel Allgemeingültiges dabei. Was liegt näher, als zu denken, auch der andere, zweite Betrachter habe deswegen gestaunt! Dabei hat der vielleicht nur die Bescheidenheit des Philosophen, oder die schöne Schreibweise des Platon, oder irgend etwas anderes an dessen Meister bewundert. Was für uns übrigbleibt, ist Sokrates zu studieren und - jeder für sich - ihm das eine oder andere abzugewinnen. Dann kommt der Herr Professor vor 600 Studenten, liest vor, und alle meinen, es gibt jetzt ein „Wir“. Gleichzeitig liest die Frau Professorin im anderen Hörsaal auch über Sokrates, 700 Studenten, und alle meinen ihrerseits etwas anderes über den Philosophen.

Gewicht hat dabei vermutlich nur das, was auch Literatur oder Kunst genannt werden kann, eine im umfassenden Sinn gedachte Erbauung des Menschen. Eine solche (im weitesten Sinn zu umschreibende) wäre übrigens auch durch Spiritualität möglich.

Wenn Du den Menschen zum Mass aller Dinge machst, welcher Mensch ist es und was macht er mit dem Unaussprechlichen? Es kann sein, dass er zwischen sich und dem Nächsten unüberwindbare Grenzen findet.

Gottesbeweise

verselbständigen die Philosophie in der Tat, da sagst Du wenigstens historisch klar, was Sache ist. Nur darf man dabei nicht vergessen, dass es der „traditionellen“ (sprich mittelalterlichen bzw. neuzeitlich-christlichen) Philosophie, soweit sie Gottesbeweise anführte, um „Demonstratio“ ging, da sie in Latein abgefasst wurde. Demonstratio kann zwar mit Beweis übersetzt werden, hat jedoch mit zwingender wissenschaftlicher Beweisführung etwa im Sinne heutiger Naturwissenschaft wenig zu tun. Vielmehr heisst demonstrare „Zeigen“/„Aufzeigen“ und hält sich zwar meistens an wissenschaftliche Grundregeln - etwa Logik im Sinne von Widerspruchsfreiheit, Klarheit der Aussage, Berufung auf Quellen usw. -, legt aber das Schwergewicht nicht so sehr auf die (scheinbar) umfassende Schlüssigkeit als wie auf die möglichst kommunikative Art der Erklärung, der Erklärung an einen gedachten Adressaten, der ziemlich konkret ist und wenig abstrakt. Bspw. wird in den Werken des heiligen Thomas von Aquin an einen Katholiken gedacht, der genauso an Gott glaubt (Zirkelschlüsse der Theologie inbegriffen) wie man selbst. „Ohne“ macht da nicht viel Sinn.

Es mag sodann eine Philosophie ohne Gott geben, die bleibt halt (in christlicher Begrifflichkeit) vor dem Paradoxon stehen. „Das“ (ein) Paradoxon heisst beispielsweise Problem der Autorität. Einer erkennt zweifelsfrei, nachdem man ihn die Zahlen gelehrt hat, dass eins und eins zwei sind. Den andern hat man die Zahlen nicht gelehrt. Wer von beiden im Recht ist, das bleibt ohne gemeinsamen Nenner offen, mag der eine dem andern noch so klar zwei Äpfel vor die Nase halten oder dieser jenem eine Zeitmaschine.

Hingegen glaubt die christliche (auf gemeinsamen Begriffen fussende) Philosophie, dass die Schau auf einen (supponierten, einen vorausgesetzten, einen von Vorneherein geglaubten) Gott die Fragen der Philosophie gebiert und anregt, sodass diese durchaus immer neue Erklärungen liefern kann. Fragen stellen ist ja ihr Hauptgeschäft, und dem kann sie gerade dann ungestört nachgehen, wenn in ihr oder über ihr, evtl. neben oder unter ihr, aber letztlich unabhängig von ihr, für sie die Grundannahme getroffen wurde, dass Gott sei.

Gruss
Mike

Ich freue mich auf einen weiteren Dialog

Ich mich grundsätzlich auch.

Hi Mike,

mein Ansatz ist der Mensch als das Maß aller Dinge. Erst wenn ich selbst durch „Meditationen“ (Descartes Erfahrungen müssen erweitert werden), durch EIGENE Erkenntnis zu „Gott“ finde, kann ich überzeugt sein, dass in der ganzen Existenz ein Sinn steckt, der jedoch nicht von „deinem“ Gott abhängt, sondern von meiner eigenen inneren und äußeren Erfahrung, wo keine Trennung ist zwischen meinem Über-, Unter- und Selbstbewusstsein.

Das ist alles nur Interpretation! Deshalb sind ja auch seit jeher die Gottesvorstellungen so verschieden, weil sie immer mit der Sprache an andere vermittelt werden, ohne das eigene Selbstbewusstsein zu respektieren.

Und die ganzen Kriege für den „rechten“ Glauben sind im Endeffekt immer nur Kriege um die „richtige“ Sprache. Im Übrigen lehrt ja auch einer der Weisesten unter den Weisen „liebe deinen Nächsten, wie dich selbst“. Das SELBST steht dabei aber am ANFANG, wie man an diesem Satz sieht. Das aber hat die „schwarze Pädagogik“ deshalb so oft vergessen, weil es ihr um die Macht ging, zum Zwecke ihrer eigenen menschlichen Bedürfnisse.

Wenn ich sagen würde, ich glaube JEDES Wort, was mir religiöse Dogmatiker mit ihrem Gott LEHREN, dann würde es gar nie zu Konflikten kommen.

Aber, die Welt ist voller Kriege, nur um die „rechte“ Sprache!!!

Gruß
C.
PS: Der philosophische Ansatz, dass der Mensch das Maß aller Dinge ist, ist natürlich revolutionär. Dafür mussten Sokrates und Jesus u. v. a. sterben
D. O.

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