Hallo Claus,
Zirkel-Logik
nur wenn man ziemlich genau weiss, was Gott ist, entsteht eine Zirkel-Logik bei der Grundannahme, dass Gott sei. „Die“ Theologie kennt da ja immerhin eine Vielfalt und schreibt der Philosophie auch nicht vor, sich einzuschränken. Hingegen ermöglicht die Theologie, dass es ohne Gott philosophische Aporien (Ausweglosigkeiten) geben darf, also dass die Philosophie dann, wenn sie auf ein Paradox stösst, das evtl. Gott heissen könnte, dem sie in gewissem Sinn nicht ausweichen kann, dieses Paradox den Theologen überlassen kann.
der Mensch
ist ein relatives Wesen, das ist das Grundproblem. Zwei stehen vor Sokrates und staunen. Der eine staunt, weil Sokrates so viel „vom Menschen“ begriffen hat, dass der Betrachter nun meint, da sei viel Allgemeingültiges dabei. Was liegt näher, als zu denken, auch der andere, zweite Betrachter habe deswegen gestaunt! Dabei hat der vielleicht nur die Bescheidenheit des Philosophen, oder die schöne Schreibweise des Platon, oder irgend etwas anderes an dessen Meister bewundert. Was für uns übrigbleibt, ist Sokrates zu studieren und - jeder für sich - ihm das eine oder andere abzugewinnen. Dann kommt der Herr Professor vor 600 Studenten, liest vor, und alle meinen, es gibt jetzt ein „Wir“. Gleichzeitig liest die Frau Professorin im anderen Hörsaal auch über Sokrates, 700 Studenten, und alle meinen ihrerseits etwas anderes über den Philosophen.
Gewicht hat dabei vermutlich nur das, was auch Literatur oder Kunst genannt werden kann, eine im umfassenden Sinn gedachte Erbauung des Menschen. Eine solche (im weitesten Sinn zu umschreibende) wäre übrigens auch durch Spiritualität möglich.
Wenn Du den Menschen zum Mass aller Dinge machst, welcher Mensch ist es und was macht er mit dem Unaussprechlichen? Es kann sein, dass er zwischen sich und dem Nächsten unüberwindbare Grenzen findet.
Gottesbeweise
verselbständigen die Philosophie in der Tat, da sagst Du wenigstens historisch klar, was Sache ist. Nur darf man dabei nicht vergessen, dass es der „traditionellen“ (sprich mittelalterlichen bzw. neuzeitlich-christlichen) Philosophie, soweit sie Gottesbeweise anführte, um „Demonstratio“ ging, da sie in Latein abgefasst wurde. Demonstratio kann zwar mit Beweis übersetzt werden, hat jedoch mit zwingender wissenschaftlicher Beweisführung etwa im Sinne heutiger Naturwissenschaft wenig zu tun. Vielmehr heisst demonstrare „Zeigen“/„Aufzeigen“ und hält sich zwar meistens an wissenschaftliche Grundregeln - etwa Logik im Sinne von Widerspruchsfreiheit, Klarheit der Aussage, Berufung auf Quellen usw. -, legt aber das Schwergewicht nicht so sehr auf die (scheinbar) umfassende Schlüssigkeit als wie auf die möglichst kommunikative Art der Erklärung, der Erklärung an einen gedachten Adressaten, der ziemlich konkret ist und wenig abstrakt. Bspw. wird in den Werken des heiligen Thomas von Aquin an einen Katholiken gedacht, der genauso an Gott glaubt (Zirkelschlüsse der Theologie inbegriffen) wie man selbst. „Ohne“ macht da nicht viel Sinn.
Es mag sodann eine Philosophie ohne Gott geben, die bleibt halt (in christlicher Begrifflichkeit) vor dem Paradoxon stehen. „Das“ (ein) Paradoxon heisst beispielsweise Problem der Autorität. Einer erkennt zweifelsfrei, nachdem man ihn die Zahlen gelehrt hat, dass eins und eins zwei sind. Den andern hat man die Zahlen nicht gelehrt. Wer von beiden im Recht ist, das bleibt ohne gemeinsamen Nenner offen, mag der eine dem andern noch so klar zwei Äpfel vor die Nase halten oder dieser jenem eine Zeitmaschine.
Hingegen glaubt die christliche (auf gemeinsamen Begriffen fussende) Philosophie, dass die Schau auf einen (supponierten, einen vorausgesetzten, einen von Vorneherein geglaubten) Gott die Fragen der Philosophie gebiert und anregt, sodass diese durchaus immer neue Erklärungen liefern kann. Fragen stellen ist ja ihr Hauptgeschäft, und dem kann sie gerade dann ungestört nachgehen, wenn in ihr oder über ihr, evtl. neben oder unter ihr, aber letztlich unabhängig von ihr, für sie die Grundannahme getroffen wurde, dass Gott sei.
Gruss
Mike
Ich freue mich auf einen weiteren Dialog
Ich mich grundsätzlich auch.