Das Gegenteil von "Entschuldigung annehmen"?

Hi @Nadja

ein Teil deiner Frage ist ja bereits beantwortet. Hier nur ein paar Bemerkungen zu dem weitverbreiteten Irrtum, es sei unmöglich „sich zu entschuldigen“, Das sei eine „falsche Floskel“, sei „falscher Sprachgerauch“, sei „absurd“. Ebenso, daß der Ausdruck, „eine Entschuldigung vorbringen“ eigentlich unsinnig sei.

Dieser Irrtum beruht einerseits darauf, daß sich viele nicht bewusst sind, wieviele unterschiedliche semantische Valenzen jedem der 6 Verb-Präfixe zukommen können, insbesondere dem „ent-“ und dem „ver-“. (über die unterschiedlichen semantischen Funktionen von „ver-“ haben wir erst kürzlich hier ausgetauscht.)

Anderserseits beruht der Irrtum, es sei falscher Wortgebrauch, darauf, daß oft die Geschichte von Wortgebräuchen nicht bekannt ist.

Hier also: „sich entschuldigen“ ist bereits frühneuhochdeutsch (d.h vor dem 16. Jhdt) massenhaft belegt, z.B. unzählige Male bei Luther. Sich entschuldigen bedeutet nämlich, sich zu einer Schuld bekennen. Sich für etwas entschuldigen bedeutet, sich dessen als schuldig bekennen. Und es hat den Subtext „um Gnade bitten“, darum bitten, Milde walten zu lassen.

Im selben Sinne daher auch: „eine Entschuldigung vorbringen“ (seitens des Schuldigen bzw, Täters) und ebenso „eine Entschuldigung annehmen oder verweigern“ (seitens des Gläubigers bzw, des Opfers).

Entsprechend bedeutet „eine Entschudlgung anzunehmen“ nicht, den anderen für unschuldig zu erklären, ihn von Schuld freizusprechen. Ebenso, wenn ein Angeklagter vor Gericht „sich entschuldigt“ (also nicht unsinnig, sondern eben nur im heutigen Sprachgebrauch weniger deutlich als „sich schuldig bekennt“), wird er deshalb ja nicht für unschuldig erklärt. Es kann sich ggf. aber strafmildernd auswirken.

Eindeutig falscher und tatsächlich absurder Wortgebrauch ist „sich entschuldigen“ nur dann, wenn der Sprecher damit konstatieren will, er sei damit von Schuld frei. So wie es bei ignoranten Dialogtextern von billigen Soaps oft verwendet wird: „Aber ich habe mich doch entschuldigt! Warum wirfst du mir das immer noch vor!?“. Nur, wenn es in diesem Sinne verstanden werden will, ist es absurder, falscher Wortgebrauch.

Gruß
Metapher

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Hallo Nadja,

ich würde „Entschuldigung aussprechen“ sagen, aber eher noch „Person x entschuldigt sich“ oder „Person X bittet um Verzeihung“.

Viele Grüße
Karin

Das ist in meinen Augen etwas zu pauschal formuliert. Es kann durchaus einen großen Unterschied machen, ob und wie man sein Fehlverhalten begründet. Oder riechen deiner Meinung nach beide folgenden Beispiele (im engsten Verwandten-/Bekanntenkreis selber so erlebt) nach fauler Ausrede?

  • Bitte entschuldige dass ich mich verspätet habe. Mein Exmann (der Vater meiner Kinder) hat mich darum gebeten, unsern Sohn aus der Schule abzuholen, obwohl die Kinder in dieser Woche in seiner alleinigen Obhut sind. Er selber sitzt mit unserer Tochter wegen eines Notfalls gerade beim Arzt und schafft es nicht rechtzeitig zur Schule. Es stand auch niemand anderes zur Verfügung, um unseren Sohn aus der Schule abzuholen.

  • Bitte entschuldige dass ich mich verspätet habe. Hab noch das Fußballspiel geschaut, dabei auf dem Handy gedaddelt und darüber die Zeit vergessen.

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Die Beispiele sind schlecht! @drambeldier schrieb doch

und deine Beispiele fangen mit „Bitte entschuldige“ an, also genau das, was er akzeptieren würde. Es ging um den Ausdruck „eine Entschuldigung vorbringen“, was er mit fauler Ausrede meinte.

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Also gut:

@drambeldier:
Das ist in meinen Augen etwas zu pauschal formuliert. Es kann durchaus einen großen Unterschied machen, ob und wie man sein Fehlverhalten begründet. Oder riechen deiner Meinung nach beide folgenden Beispiele (im engsten Verwandten-/Bekanntenkreis selber so erlebt) nach fauler Ausrede?

  • Ich bin zu spät weil mein Exmann (der Vater meiner Kinder) mich darum gebeten hat, unseren Sohn aus der Schule abzuholen, obwohl die Kinder in dieser Woche in seiner alleinigen Obhut sind. Er selber sitzt mit unserer Tochter wegen eines Notfalls gerade beim Arzt und schafft es nicht rechtzeitig zur Schule. Es stand auch niemand anderes zur Verfügung, um unseren Sohn aus der Schule abzuholen.
  • Ich bin zu spät weil ich noch das Fußballspiel geschaut, dabei auf dem Handy gedaddelt, und darüber die Zeit vergessen habe.

Moin,

um Entschuldigung zu bitten ist etwas ganz anderes als eine Begründung für ein Fehlverhalten zu liefern. Das erste dient dem Frieden, das zweite der Entlastung des Übeltäters („So schlimm war’s doch gar nicht!“, „Ich konnte nicht anders“)

Gruß
Ralf

Da gebe ich dir vollkommen Recht. Ich hatte dazu ja auch bereits geschrieben.

Ich bin allerdings der Meinung, dass

keine Begründung des eigenen Fehlverhaltens ist, sondern eine Bewertung sowohl des eigenen Fehlverhaltens als auch der Konsequenzen, die sich aus dem eigenen Fehlverhalten für das „Opfer“ ergeben haben. Und davon war (von meiner Seite aus) nie die Rede.

Und mit

kommen wir wieder auf meine Beispiele zurück, auf die du bisher leider noch nicht eingegangen bist. Daher hier nochmal: Bist du wirklich der Meinung, dass beide folgenden Beispiele gleich zu bewerten sind hinsichtlich

  • Ich bin zu spät weil mein Exmann (der Vater meiner Kinder) mich darum gebeten hat, unseren Sohn aus der Schule abzuholen, obwohl die Kinder in dieser Woche in seiner alleinigen Obhut sind. Er selber sitzt mit unserer Tochter wegen eines Notfalls gerade beim Arzt und schafft es nicht rechtzeitig zur Schule. Es stand auch niemand anderes zur Verfügung, um unseren Sohn aus der Schule abzuholen.
  • Ich bin zu spät weil ich noch das Fußballspiel geschaut, dabei auf dem Handy gedaddelt, und darüber die Zeit vergessen habe.

Hi Metapher,

jetzt habe ich heute früh zu der Zeit, wo das Hirn auch im beginnenden Greisenalter noch einigermaßen tut, was es soll, meinen Wortschatz (der freilich wie alle nicht dem gesamten deutschen Wortschatz entspricht) auf Verben durchsucht, die mit ent- beginnen und bei denen dieses keine Abtrennung oder Aufhebung bezeichnet. Dabei sind mir nur so wenige untergekommen, dass ich schon beinah daran zweifle, dass es sich hier um das hier diskutierte Präfix ent- handelt und nicht um etwas, was gleich klingt, aber etwas anderes ist oder bedeutet. Hier die Funde im Einzelnen:

entbieten
entbehren
entspringen
entstehen
entledigen

und da stock’ ich schon.

Wenn ich mir jetzt vor Augen führe, dass auch bei drei von diesen fünfen eine Trennung immerhin mitschwingt (entbieten: ein Gruß wird vom einen zum anderen gesandt - entbehren: etwas fehlt, ist nicht da - entspringen: etwas verlässt den umgebenden Boden), kommt mir die Bedeutung des „ent-“ nicht so sehr breit gefächert vor.

Welche Vorkommen des Präfixes sind mir da entgangen?

Schöne Grüße

MM

Hallo! Warum verwendest du „beide“ wie einen bestimmten Artikel?

Beide folgende Beispiele
Beide folgenden Beispiel

Grüße

Entschuldige, das war sprachlich falsch. Es hätte heißen müssen

  • beide folgende Beispiele

oder aber

  • die beiden folgenden Beispiele
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Hi DCK,

da bin ich der falsche Diskussionspartner. Mir sind solche Begründungen, Ausreden, Entlastungen, was auch immer ziemlich schnuppe, weil erfahrungsgemäß den Leuten, die sie vortragen, immer wieder neue Begründungen einfallen. Deshalb langt es mir völlig, wenn jemand sagt, dass es ihm leid tut. Soll jeder seine Macken selbst ergründen, mich braucht’s dazu nicht.

Gruß
Ralf

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entern
:pirate_flag:

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Nicht unbedingt, siehe http://mediawiki.ids-mannheim.de/VarGra/index.php/Beide

„Nach beide trägt das darauf folgende attributive Adjektiv im Nominativ und Akkusativ entweder die Endung -e und im Genitiv die Endung -er (starke Flexion) oder aber in allen drei Kasus die Endung -en (schwache Flexion).
Im Nominativ und Akkusativ findet insgesamt mehrheitlich die schwache Pluralflexion Verwendung, wobei die starken und schwachen Formen je nach Areal unterschiedlich häufig verwendet werden.“

… und https://dict.leo.org/grammatik/deutsch/Wort/Adjektiv/FRegeln-A/Deklinationstyp/Schwankend.xml?lang=de#id=1.4.1.3.4.b

Ohne Artikelwort wird das Adjektiv meist wie nach dem bestimmten Artikel schwach flektiert, im Genitiv auch stark.

Gruß
Kreszenz

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Beim Entern spielt das deutsche Präfix ent- eine ähnliche Rolle wie beim Entertainer und natürlich auch bei der Ente und der Entente.

Ich habe mich für die Formulierung „mit ent- beginnen“ grade deswegen entschieden, weil in der aufgezählten Reihe falsche Fünfziger sein könnten, aber vielleicht auch nicht sind.

Dennoch ganz nützlich, mal von vornherein keine Einschränkungen zu setzen. Prompt stellt sich das sicherlich von keinen romanischen Nachbardialekten oder anderen Zufallsverwandtschaften beeinflusste entwerfen ein, das auf den ersten Blick nichts mit Abtrennung oder Weglassen von etwas zu tun hat, aber bei Betrachtung des dazu gehörenden lateinischen delineare schon auch den Unterschied zwischen dem Gegenstand und dem Entwurf bezeichnet, die eben zwei verschiedene Dinge sind.

Schöne Grüße

MM

Hi MM,

Jakob Grimm war derweil voll im Greisenalter, als er noch das E (und damit auch das „ent-“) im Wärterbuch der Brüder bearbeitete und redigierte. Er ordnet die semantischen Funktionen, in denen das Präfix „ent-“ ein Verb modifiziert, drei Kategorien zu. Aber zunächst zur Etymologie:

Wie Walde-Pokorny zu entnehmen (kurzgefasst): Indogermanischer Ursprung ist *ant-s („Vorderseite“, „Stirn“). Daraus zwei Ableitungen: *anti („sich selbst gegenüber, vor sich, nahe“,lokal), Dazu lat. ante und griech. antí. Und ferner *anta („gegenüber hin“, direktional). Daraus u.a. ahd anda, enti, gotisch unþo, das „entgegen, gegenüber“ heißt. Das steckt noch in Nomen wie „Antwort“ und „Antlitz“. Auch „Ende“ = das Ziel, das man vor sich hat, dem man entgegengeht. Im germanischen Sprachraum bildet sich eine Nebenbedeutung zu **anda-*, *and- mit „von - weg“.

Nebenbei zu erwähnen: Die Vorsilen in „entgegen“ und „entzwei“ hat damit, auch mit dem Präfix, nichts zu tun!

Über das mittelhochdeutsche „ent-“ und „en-“ entwickelt sich dann das Präfix.

In eine von drei semantischem Gruppe bei Grimm fallen privative Verben: Das sind Verben wie entdecken, entbinden, entwickeln, enthüllen, entkleiden, entweihen usw. Auch das (transitive!) entschuldigen zählt natürlich dazu.

Zu der anderen Gruppe zählen ingressive Verben. sie bezeichnen den Beginn eines Vorgangs: entbrennen, entflammen, entzünden, entstehen, entspringen, entsprießen, entschlafen, entgehen (dazu ergänzt Grimm: dem Tod). Bei manchen dieser Verben fungiert das Präfix analog zum Präfix „er-“, wie zb: entstehenerstehen, entsprießenersprießen. Mit veränderter Morphologie des Präfixes gehören auch enpfinden und empfangen in diese Kategorie.

Eine weitere Gruppe enthält Verben, bei denen das Präfix die Semantik des Stammverbs nur unwesntlich verändert, ggf. verstärkt: enthalten, entblößen, entrichten, entnehmen. Auch entbieten, entwerfen zählt dazu. In diese Kategorie dürfte dann auch das (reflexive!) sich entschuldigien (im Sinne von „sich schuldig erklären“) zählen.

Gruß
Metapher

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