Das Gespenst des ´Wählerauftrags´

Ein Gespenst geht um in Deutschland - das Gespenst des ´Wählerauftrags´. Merkel sieht sich von „den Wählern“ zur Regierungsbildung „beauftragt“ und Schulz zum Gang in die Opposition.

Mich erinnert das an die Astrologie oder an das Kaffeesatzlesen. Dort wird auch gerne ohne Rücksicht auf die Faktenlage interpretiert.

Fakt ist, dass eine Anzahl von Individuen die CDU und die SPD gewählt haben. Ebenso haben bestimmte Quantitäten von Individuen andere Parteien gewählt. Nirgendwo auf dem Wahlzettel waren Optionen wie „Regierungsbildung“ oder „Opposition“ ankreuzbar. Also kann auf der Ebene des wählenden Individuums von einem entsprechenden „Auftrag“ keine Rede sein. Auch dass viele SPD-Wähler von der SPD abgerückt sind, kann unmöglich - wie Schulz es tut - als Auftrag, in die Opposition zu gehen, gewertet werden, zumal das ja kein ´Wählerauftrag´ sein kann.

Der ´Wählerauftrag´ ist somit eine plumpe rhetorische Fiktion, wie so vieles im Sprachgut unserer führenden Politiker.

Oder wie seht ihr das?

1 Like

Nachtrag:

Schulz: «Es ist völlig klar, dass der Wählerauftrag an uns der der Opposition ist» (unmittelbar nach Bekanntwerden der ersten Hochrechnungen)

Schlüsseln wir es analytisch auf:
Es gab millionenfache individuelle Wahlentscheidungen.
Zusammengefasst sind diese die „Entscheidung des Wählers“.
Das ist bereits ein Abstraktum.

Was die Spitzenvertreter der jeweiligen Parteien aus dieser abstrakten „Entscheidung des Wählers“ machen, hängt weniger vom abstrakten Wähler, noch weniger von den Millionen individuellen Wählern ab, sondern von den jeweiligen Spitzenvertretern bzw. vom (mutmaßlichen) Willen der jeweiligen Parteimitglieder, die aber natürlich wiederum eine Teilmenge der „Wähler“ sind, so dass auf komplexe Art -über die Parteimitglieder vermittelt- durchaus so etwas wie ein „Wählerauftrag“ herauskommt, insbesondere dann, wenn man berücksichtigt, dass ja die antizipierten individuellen Wahlentscheidungen bei den darauf folgenden (Landtags- und Bundestags-) in irgendeiner Weise in diese Entscheidungs-Absichten der Parteimitglieder bzw. der Spitzenvertreter der Parteien bereits jetzt miteinfließen.

Kurzum: Vom „Wählerauftrag“ zu sprechen, hat etwas Verkürztes und Vereinfachendes, sicher ist der Begriff auch mit rhetorischer Kraft beladen (manchmal mag ein Spitzenvertreter der Partei hinter diesem „Wählerauftrag“ auch die eigene Entscheidung verstecken), aber für eine Fiktion halte ich das Reden vom „Wählerauftrag“ genau so wenig wie per se für plump.

Gruß
F.

Das sehe ich ebenso.

Allerdings ist es bundesdt. Tradition, dass die stärkste Partei sich mit der Regierungsbildung beauftragt sieht. Das war so noch in einem Dreiparteien-Parlament noch üblich.

Aber bei mehr Parteien und mit entsprechenden Wahlergebnissen wird es zur Farce. Hätten SPD und Grüne bspw. je 25% gehabt, so hätte Merkel sich ihre Pseudobehauptung gleich sparen können. Die Koaliton hätte binnen fünf Minuten gestanden und wäre rotgrün gewesen. Der Rest wäre nur Nachverhandlung und den gemeinsamen Fahrplan abzustecken.

Hiervon unabhängig war der Auftritt von MS und AM jeweils eine Farce, in der sie alles daran setzten, entweder gar keine eigenen Fehler zu sehen oder dem anderen in die Schuhe schieben zu wollen.

Die SPD hat sich mit Blabla abgesetzt und ist in Deckung gesprungen, was sie jetzt als heldenhafte Bollwerkverteidigung gegen die AfD einerseits und diese furchtbare Jamaikakoalition andererseits verkaufen will. Man muss schon einen kräftigen Schlag auf den Kopf bekommen haben, um das als bare Münze zu nehmen.

Und Merkel hat alles daran gesetzt, so zu tun als sei nichts wesentliches passiert und eigentlich alles in Butter, weil sie die Kanzlerin bliebe. Abwarten, Alte!

Beide wollten natürlich verhindern, dass ihre eigenen Köpfe in naher Zukunft rollen.

M.E. hat Schulz sogar noch einen Trumpf im Ärmel, da er im Falle eines Scheiterns der Verhandlungen um Jamaika, die Kanzlerin zu Rücktritt oder Neuwahl wird zwingen können. Aber honorieren wird dieses Nachtreten nur das eigene Parteivolk, nicht unbedingt der Wähler.

Am Ende wäre es aber u.U. der Cut, den diese Republik bräuchte. Rücktritt aller drei Oberhäupter der GroKo-Parteien. Dann wäre durchgelüftet. Jeder hätte gute Gründe hierfür.

Btw wird in drei Wochen die CDU in Niedersachsen gewinnen. Die AfD wird deutlich unter dem BT-Ergebnis abschneiden, was einige Voreilige sofort dazu verleiten wird, den Anfang vom Ende der AfD per kommentierdem Glockengeläut zu verkünden (Ach, diese enthusiastisch Hoffenden) und am Ende steht mit einiger Wahrscheinlichkeit eine GroKo in Niedersachsen.

https://www.bundeswahlleiter.de/bundestagswahlen/2017/ergebnisse/bund-99/land-3.html

Aber auch http://www.wahlrecht.de/umfragen/landtage/niedersachsen.htm wg. der landesspezifischen Eigenheiten in der Wahlentscheidung.

Merkel ist jetzt schon eine lame duck und einer ihrer engsten Vertrauten (kauder) hat das heute bei der Wahl zum Fraktionschef zu spüren bekommen. Anstatt mit über 90% - wie seit Ewigkeiten gewohnt - wurde er mit nur 77,3% bestätigt.

Bevor es ihr an den Kragen geht wird sie Refomrwillen vorheucheln und Bauernopfer bringen. Als ersten auf der Planke sehe ich die taube Nuß Tauber, weil er als Generalsekretär auch leitender Wahlkampfchef war.

Es mehren sich auch die Stimmen in der CDU, die direkt den Rücktritt Merkels fordern. Noch ist es eine Minderheit aus betont konservativen Kreisen. Aber allein mit der Forderung in die Öffentlichkeit zu gehen, zeigt bereits, dass ihre Machtbasis in der Partei jetzt viel weniger gefestigt ist als man gerne suggerieren möchte. Die Erosion ist sichtbar udn wird sich fortsetzen. Jamaika wird entweder nicht starten oder vor Ablauf von max. zwei Jahren in einem Riesenstreit zerbrechen.

Gruß
vdmaster

100%ige "Not"lüge.

3 Like

Hi,

deswegen wird der Bundespräsident Angela Merkel als Bundeskanzlerin vorschlagen. Essy muss jemand sein, der im ersten Versuch vom Bundestag gewählt wird - und dazu sollte er bzw. sie die meisten Sitze im Bundestag hinter sich haben.
Den Auftrag zur Regierungsbildung hat niemaand im direkten sinne ebekommen. Aber wie an anderer Stelle schon gesagt, wählt jeder Wähler denjenigen bzw. die Partei, von der er im Bundestag vertreten werden möchte. Und daher vertritt die Mehrheit der Sitze dann auch die Mehrheit der Wähler. Und umgekehrt funktioniert es genauso - jemand mit 6% der rStimmen vertritt eben nur 6% der Wähler.

die Franzi

Na hoffentlich nicht nur den sondern auch den Wahlempfehlenden, wie das ganz demokratisch zu geschen hat: „besser nicht wählen als die AFD“ Altmeier! ramses90

1 Like

Nur mal nebenbei: Merkel hat es nicht nur geschafft, dass die CDU nun zum vierten Mal in Folge den Bundeskanzler stellt. Sie hat zugleich die Mitte der Gesellschaft gewonnen, die SPD in eine tiefe Krise gestürzt, die CSU möglicherweise dauerhaft zurechtgestutzt und die eigene Partei als einzig verbliebe Volkspartei etabliert, die sich -Ausnahme Linkspartei und z.Z. noch die AfD- die Koalitionspartner nach Belieben aussuchen kann. Wenn sie in der CDU diesen Merkel-Kurs weiterfahren und keine wichtige Veränderung der politischen Großwetterlage eintritt werden sie bis 2050 den Kanzler stellen.

Dass diese grandiose (strategische; nicht: inhaltliche) Erfolgsgeschichte nicht alle besänftigen kann, ist mir klar.

… und eh seit langem keinen guten Stand in der CDU hat.

Gruß
F.

1 Like

Genau wie du.

Alle wollen an die Fleischtöpfe, außer Schulz jetzt; was sich demnächst noch zeigen wird, ob man nicht doch umfällt (wegen dem "Wählerauftrag). Das Merkel will ja unbedingt mit der SPD sprechen.

Genau das kann sie eben nicht. Sie kann allenfalls zu Gesprächen einladen. Die „Stutzung“ der CSU entspricht der Stutzung der CDU und ist IMHO eher Protest gegen die Politik Merkels als eine Bestätigung.

Auch halte ich das Ergebnis (4. Kanzlerschaft, evtl.) keineswegs für Ihren Verdienst. Da unterschlägst Du, dass die CDU über eine grosse Stammwählerschaft verfügt, der auch ein anderer Kanzlerkandidat genügt hätte. Es ist nur so, dass der Partei (nicht der Kanzlerin) viel mehr Grundkompetenz in zentralen Wahlthemen zugebillgt wurde als sie die Konkurrenz vorweisen konnte.

Darüber kann auch kein Popularitätswettbewerb hinwegtäuschen (Merkel vs. Schulz in der Direktwahl). Diese Ergebnisse schlagen nur gering auf die Wahl durch. Grundüberzeugungen (für eine Partei) sind deutlich höher zu gewichten.

Die SPD wurde nicht von Merkel in eine Krise gestürzt, sondern hat das seit Jahren selbst besorgt. Ausserdem wissen wir beide doch, dass die SPD gegen zwei natürliche Konkurrenten (Linke/Grüne) aus dem eigenen Großlager antreten musste. Übrigens haben beide Kleinen gegen Ende der Bewerbungszeit nichts unversucht gelassen, um auf die SPD zu kloppen. Das Ergebnis kann man an den Wählerwanderungen ablesen.

Das ist eine Betitelung, die bereits in den 80ern heftig an Glanz verlor und m.E. ihre Berechtigung mittlerweile verloren hat, weil die soziokulturellen Wählermilieus immer kleinteiliger wurden und das Konkurrenzangebot immer vielfältiger. Der Vorteil der CDU ist es noch, dass die Gesamtsituation im Parteienspektrum sie noch nicht so sehr fledderte wie es die SPD bereits durchlitten hat. Sie ist insoweit „entwicklungsverzögert“.

Das ist aber relativ unbedeutend. Bei sieben Parteien bedarf es nur 15% Sitzanteilen und dreier Koalitionspartner. Die Crux ist, was diese drei für Bedingungen stellen. Und dann hat die CDU drei „Partner“, die sie jeder einzelne der Kanzlerschaft berauben können.

Die CDU so lange Zeit an der Spitze zu halten, will ich ihr gar nicht absprechen. Aber das Leistungshoch ist vorbei und die Talfahrt hat jetzt begonnen, weil die Helfer wissen, dass es ihnen u.U. schadet. Und je mehr Merkel die CDU inhaltlich „zwangsprostituieren“ muss, desto eher verliert sie den Rückhalt in der Partei selbst.

Ebend. Weswegen er sich trotz devoter Treue zu Merkel als Bauernopfer zur Befriedung auch geradezu (passiv) anbietet.

Gruß
vdmaster

Gemeint war: die CDU kann mit allen außer Linkspartei (und derzeit AfD, was sich so oder so ändern wird).

Eine Stutzung der CSU auf CDU-Niveau ist für die CDU strategisch von Vorteil, auch wenns ihr ein paar Sitze kostet.

Bei einem konsequenten konservativen Kurs der CDU hätte die SPD die Chance gehabt, sich als Partei der Mitte zu verankern. Ob sie dieses Chance genutzt hätte, ist eine andere Geschichte. Durch den Merkel-Kurs bestand diese Möglichkeit aber gar nicht erst.

Genau deshalb hätte die SPD ein möglichst großes „Großlager“ gebraucht. Das ist bei einer Merkel, die geschickt viele „progressive“ Themen abgegriffen hat, nicht möglich gewesen.

Das überschätzt du.
Nimm den Grünen 3 und der Linkspartei 2 Prozentpunkte und schenk sie der SPD. Es bleibt ein desaströses Ergebnis.

[quote][quote=„FBH, post:8, topic:9419195“]

Dass diese grandiose (strategische; nicht: inhaltliche) Erfolgsgeschichte

[/quote]

Die CDU so lange Zeit an der Spitze zu halten, will ich ihr gar nicht absprechen. Aber das Leistungshoch ist vorbei und die Talfahrt hat jetzt begonnen, weil die Helfer wissen, dass es ihnen u.U. schadet. Und je mehr Merkel die CDU inhaltlich „zwangsprostituieren“ muss, desto eher verliert sie den Rückhalt in der Partei selbst.
[/quote]

Das (strategische) Leistungshoch ist m.E. nicht vorbei.
Wenns für die CDU gut läuft, kann sie in einer Jamaica-Konstellation noch stärker die Partei der Mitte werden und die SPD nach links drängen. Preis dafür ist evtl. eine Stärkung des konservativen Flügels der AfD, der dann aber auch irgendwann (exklusiv für die CDU/CSU!) koalitionsfähig werden wird.
Ich sehe die Chance für die CDU, das Parteienspektrum so zu verändern, dass sie selbst die einzige 30±Partei im Zentrum des Spektrum mit mehren U20-Parteien um sie herum ist, so dass lange Zeit nicht gegen die CDU regiert werden kann, selbst wenn die durch diese Strategie noch weitere Punkte absackt.

Ob die CDU das inhaltlich mitmacht, ist natürlich die offene Frage.
Die CSU will es sicher nicht mitmachen, weil sie in Bayern in einer ganz anderen Position ist.
Kräftig rumoren wirds sicher :wink:

Gruß
F.

Sie haben relativ gleich verloren. Und die CSU ist der CDU in Relation zur Anzahl der Wahlberechtigten im jeweiligen „Herrschaftsgebiet“ nach wie vor deutlich überlegen.

Das mag sein. Nur hätte die SPD diesen Kurs nicht akzeptiert. Jedenfalls nicht die Auswirkung in der Politik der GroKo.

Dann hätte die SPD „reaktionäre“ Themen abgreifen müssen. :stuck_out_tongue_winking_eye:

25,x hätte die SPD als tollen Erfolg verkauft. Und es hätte auch dem Martin die Zukunft gesichert. Jetzt wackelt er bereits beginnend.

Du solltest bei IHR mal nachfragen, ob Du den Tauber nicht beerben darfst. Bei soviel (illusorischer) Zuversicht in das erst noch kommende Leistungshoch wärst Du für den Posten des Generalsekretärs genau der Richtige. :stuck_out_tongue_closed_eyes:

Nee, das siehst Du IMHO viel zu optimistisch im Sinne der CDU. Aber die Zukunft wird es zeigen, wer richtig liegt.

Das wird es auf jeden Fall. Bei allen drei Parteien der Ex-GroKo ist die Stimmung richtig mies hinter den Kulissen.

Gruß
vdmaster

Nur, um das mit der Illusion noch klar zu stellen.
Ich habe aufgezeigt, welche Chance ich sehe, wenn sich die CDU mit sich selbst (und z.T. mit der CSU) auf das konsequente Weitergehen des Merkel-Weges einigen könnte.
Ich glaube deshalb keineswegs, dass sie das kann und wird.
Das wird sich in der Tat zeigen.

Ansonsten mach ich dir natürlich gern den Merkel-Boy!

Gruß
F.

Jetzt bitte keine unsittlichen Angebote. :flushed:

Es wird bereits Zeit für eine Vermisstenmeldung

Der macht es nicht mehr lang in seiner Position.