Na, her mit den Beispielen.
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Zwar nicht von mir, dem Bericht stimme ich aber 100% zu:
Die Sarrazins
und die Sürrüzüns
oder:
The Survival of the Fiesest
Ja, ich gestehe: Auch ich habe Sarrazin bereichert. Ich hatte mir sein Buch gekauft. Und ich habe es gelesen. Und ich lese nun auch in allen Gazetten viel von den Aufplustereien über seine „Provokationen, die entschieden zu weit gehen, auch wenn sie ein offenes Problem ansprechen“ (so der allgemeine Sound). Doch interessanter war das, was ich nicht gelesen habe. Das, was Sarrazin versteckt in Andeutungen und Fußnoten. Immerhin ist das nicht nur mir aufgefallen, sondern auch dem von mir ansonsten nicht sehr geschätzten Frank Schirrmacher in der „FAZ“:
„Thilo Sarrazin hat nicht ein Buch geschrieben, sondern mindestens drei Bücher, die den gleichen Titel tragen. Sie sind ineinander verschachtelt wie die russischen Matrjoschka-Puppen. Es geht um Demographie, um Wirtschaft und dann, im innersten Kern des Ganzen, um Biologie. Wer zu der dritten Puppe nicht vorstößt, versteht das Ausmaß der Aufregung nicht. Denn im Innersten dieses Buches steckt eine vulgärdarwinistische Gesellschaftstheorie, die mit einer Unbefangenheit dargelegt wird, als hätte es die Erfahrungen des zwanzigsten Jahrhunderts nicht gegeben.“ Sarrazin beschwört als Ghostwriter die Geister (genauer: den Ungeist) einer noch längst nicht bewältigten Vergangenheit herauf, um sie zu dem zu machen, was er eine „geistige Zukunft“ nennt. Und das ist der eigentliche Skandal, der keineswegs mehr als übertriebene Provokation abgetan werden kann.
Der Bestseller, der jetzt in Nachauflagen bis zu 150.000 Exemplaren über die Druckmaschinen rattert, ist deshalb so gefährlich, weil er faschistische Erbmasse hundertausendfach reproduziert. Sarrazin plädiert für nichts anderes als für eine neue Selektion, und zwar für eine „positive“. Er beklagt, daß es in Deutschland keine „natürliche Zuchtwahl“ im Sinne des Darwinschen „survival of the fittest“ gäbe, sondern seit Mitte der sechziger Jahre nur noch eine „negative Selektion“. Die sei kulturell bedingt und vom Menschen selbst gesteuert und vermindert „den einzigen nachwachsenden Rohstoff, den Deutschland hat, nämlich Intelligenz“. So haben wir unseren „Humankapitalvorsprung … sukzessive eingebüßt“, zitiert er ergänzend aus einer Studie. Also: Wir müssen endlich wieder positiv denken und uns an bewährte deutsche Traditionen erinnern, wenn wir nicht aussterben wollen: Die positive Selektion der minderwertigen Gen-Träger.
Humankapitalistische Intelligenz ist, so Sarrazin, wie das meiste Kapital nun einmal erblich, aber die intelligenten Schichten der Gesellschaft wissen bei all ihrer Schlauheit offenbar nicht mehr, wie man Kinder zeugt. Also rammelt die Unterschicht, vornehmlich die aus Muselmanien zugewanderte, in karnickelhafter Vermehrungssucht auf ihren Gebetsteppichen herum. So wird Deutschlands Zukunft verrammelt. Und bald ist das deutsche Volk kein deutsches mehr, sondern ein getürktes. Die Sarrazins sterben aus und übrig bleiben die Sürrüzüns. The survival of the Fiesest.
Und der kleine Rest der deutschen Volksgemeinschaft, der gerade noch übriggeblieben ist, jubelt in seiner kläglichen Masse dem Untergangs-Propheten zu, dem „Klartext-Redner Sarrazin“ (so „Bild“). Aber so ganz im Klartext kann er denn doch nicht schreiben und reden. Manchmal bricht es allerdings unterschwellig aus ihm heraus, wenn er ein „Juden-Gen“ ins gesunde deutsche Volksbewußtsein bringt. (In seinem Buch schwafelt er ganze Alibi-Seiten voll, um auszuführen, daß es gerade die jüdische Intelligenz gewesen sei, die uns die Intelligenztests beschert hätten.)
Bei seinem sozialdarwinistischen Biologie-Unterricht kann sich Sarrazin auch auf Darwin berufen, der als obergeschichteter Viktorianer seinerzeit die Unzuchtbereitschaft der unteren Schichten beklagte. Denn „abgesehen vom Fall des Menschen“, so Darwin, „ist niemand so töricht, seine schlechtesten Tiere zur Zucht zuzulassen“. Und ebenso beruft sich Sarrazin auf Darwins Cousin Francis Galton (Seite 92 und 352), den Erfinder der Eugenik, zu deutsch „Vererbungslehre“, von Galton selbst auch „Rassenlehre“ genannt.
Galton hatte als erster die „Vererbung geistiger Eigenschaften“ gelehrt. Die Angehörigen einer „niederen Rasse“, wobei er sich hauptsächlich auf Schwarze bezog und noch nicht auf Muslime, würden auch in einer vorwiegend weißen Gesellschaft „eine wilde, unbezähmbare Ruhelosigkeit“ behalten, die „den Wilden angeboren“ sei. Beklagenswert sei, „daß es eine größtenteils völlig unvernünftige Sentimentalität gegenüber der schrittweisen Auslöschung einer niederen Rasse gibt“. Seine „wissenschaftlichen Beweise“, daß die niedere Intelligenz der Schwarzen und ihre hohe Geburtenrate zur Auslöschung der weißen Geistesrasse führen würde, waren die Begründung für die zwangsweisen Sterilisationen, die 1911 in 24 US-Bundesstaaten gesetzlich verordnet wurden. Ein wahrhaft konsequenter Kronzeuge, den Sarrazin da für seine Selektions-Forderung benennt.
Nicht anders verhält es sich mit anderen geistigen Artgenossen aus späteren Jahrzehnten, auf die sich Sarrazin beruft, wenn er auch die Quellen meist nur verschämt in Fußnoten anführt oder sie „als die dort aufgeführten Autoren“ gar verschweigt. Da ich mich schon früher als Wissenschaftsjournalist in einer Artikelserie ausführlich mit dem Schwachsinn der Intelligenz-Forschung beschäftigt habe, sind mir die Namen wohl vertraut, weil ich die Bücher dieser Autoren alle notgedrungen studiert habe.
Zum Beispiel ist da der US-Psychologe Richard Herrnstein mit seinem Buch „Chancengleichheit - eine Utopie“. (Wo wohl erschienen? Aber ja, bei der Deutschen Verlags-Anstalt dva, für die nun auch Sarrazin bestsellert. Derselbe Verlag, der schon früher ein deutsches Standardwerk zur Eugenik herausgebracht hat unter dem Titel „Die Vorherrschaft der weißen Rasse“. Nein, heute wäre ein solcher Titel wohl nicht mehr opportun; das Erscheinungsjahr war 1936.) Herrnstein schreibt in diesem Buch, „daß bei fortschreitender Technologie die Tendenz arbeitslos zu sein in den Genen einer Familie so sicher weiterlaufen wird wie es die Veranlagung zu schlechten Zähnen schon heute tut“. Genau so, wie es der keineswegs zahnlose Sarrazin bissig auf den Punkt bringt: Doof zeugt doof. Hartz zeugt Hartz.
Ebenso beruft sich Sarrazin auf den deutsch-britischen IQ-Papst Prof. Hans Jürgen Eysenck, der sich bei den Verlagen Rowohlt, Fischer, Seewald List-Verlag ausbreitete und sich rühmte, daß von keinem seiner Taschenbücher weniger als eine Million Exemplare verkauft wurden. Darunter Werke wie: „The inequality of man“ oder „Race, culture and intelligence“. Nebenher schrieb er auch noch für die „Deutsche National- und Soldatenzeitung“ des DVU-Gründers Frey. Eysenck meinte, daß es die Erbanlagen seien, die Menschen „für verschiedenerlei Arbeit geeignet machen“. Deshalb: „Selbst solche Tätigkeiten wie an einem Fließband arbeiten, was häufig als geisttötend beschrieben wird - allerdings von Menschen, deren Persönlichkeit in der Tat so beschaffen sein dürfte, daß sie einen solchen Beruf verabscheuen müssen -, sind tatsächlich bei vielen Leuten, die am Fließband stehen, sehr beliebt.“
Und warum wohl ist für diese Leute der Stumpfsinn ein Vergnügen? Weil sie nun mal die ererbte „personale Eigentümlichkeit eines Fließbandarbeiters“ haben. Alles genetisch eigentümlich. Und am Eigentum hat man sich gefälligst nicht zu vergreifen.
Vergessen wir nicht Sir Cecil Burt, der auch ganz diskret unter „ferner liefen“ bei Sarrazin mehr verschwiegen als erwähnt wird, wenn er sich auf Zwillingsforschungen bei der Intelligenz-Messung bezieht. Burt galt als die frühe Koryphäe bei der Erforschung ererbter Intelligenz. Er führte Reihenuntersuchungen an englischen Arbeiterkindern durch und kam auf einen durchschnittlichen Doofheitswert von 92 IQ-Punkten. In einem Buch über seine Forschungsergebnisse bezeichnete er die Arbeiterkinder in streng nüchterner wissenschaftlicher Sprache als „typische kleine Affen aus den Slums“ (typical slum monkeys) mit der „Schnauze von blassen Schimpansen“ und „kuh-ähnlichem Intellekt“. Später brachte er eine erweiterte Expertise auf den Markt mit neuen Versuchspersonen und gleichem Ergebnis. Heute weiß man, daß er keine einzige Person getestet hatte, sondern einfach IQ-Werte erfand, die er tabellarisch bestimmten Schichten zuordnete. Damit machte er auch konkrete Politik. Der englische Education Act, nach dem das Schulsystem in Großbritannien in drei qualitativ verschiedene Arten unterteilt wurde, geht hauptsächlich auf seine Arbeit zurück. (Nebenbei: Es ist interessant zu vergleichen, wie Sarrazin in seinem Buch im Kapitel „Bildung und Gerechtigkeit“ dezent für ähnliche Schul-Klassenunterschiede plädiert.)
Berühmt wurde der oberhäusige Sir aber vor allem durch seine Forschungen an eineiigen Zwillingen, von denen etliche getrennt in verschiedenen Milieus aufgewachsen waren und die sich dennoch in Sachen Intelligenz auch Jahrzehnte später glichen wie ein Ei dem anderen, womit die Vererblichkeit wohl bewiesen war. Mindestens 74 solcher Paare wollte er getestet haben und alles staunte, wie er diese vielen doppelten Lottchens und Cecilchens wohl hergezaubert hatte. Nun ja, auch das war ein fauler Zauber. Der flog dann auf, weil Mathematiker mal kühl seine IQ-Korrelationen, also die Übereinstimmungsdaten, nachrechneten. Da stimmte hinten und vorne nichts.
Blöderweise beruhte die ganze Intelligenz-Forschung seiner Nachfolger auf diesen Zahlen und Statistiken. Prof. Eysenck machte dann einfach eine neue Rechnung auf, indem er von Burts Daten 0,5 Prozent als „unsicher“ abzog, was kaum einen Unterschied machte, und diese neuen Daten dann weiter verwendete. Auf jene „Ergebnisse“ stützen sich noch heute weitgehend die Intelligenzforscher. Und natürlich auch Sarrazin, der ohnehin ein Fan von Statistiken ist; sein Buch wimmelt von Schautafeln. Wie meinte einst Benjamin Disraeli, der allerdings von Sarrazin nicht zitiert wird: „Es gibt drei Arten von Lügen: Lügen, verdammte Lügen und die Statistik.“
Die Reihe der offenen und verheimlichten Kronzeugen Sarrazins ließe sich noch lange fortsetzen. Erwähnen will ich nur noch den deutsch-amerikanischen Evolutionsbiologen Ernst Mayr, der vor Jahren in einem Grundsatz-Artikel für Springers Intelligenz-Blatt „Die Welt“ ganz in Sarrazins Sinn der selektiven Wahrnehmung frönte: „Da es in der Regel die intelligenteren Mitglieder der Gesellschaft sind, die ihre Kinderzahl einschränken, ist allein schon dieser genetische Faktor eine Störung des Status quo. Will man über dieses Ungleichgewicht hinwegkommen, muß man selektive Maßnahmen ins Auge fassen.“
Nun könnte man Sarrazins Selektions-Phantasien ja als den Wahn eines leicht verspäteten Sozialdarwinisten abtun, wenn seine Kampfschrift als unbeachtetes Pamphlet in den Kellern eines neonazistischen Kleinverlages verrotten würde. Aber seine klammheimliche rassistische Botschaft wird massenhaft verbreitet - und „Bild“ und „Spiegel“ besorgten mit zeitgleichen Vorabdrucken in trauter Gemeinsamkeit für ihn die Öffentlichkeitsarbeit, die sich nun quer durch die Talkshows fortsetzt. Daß er mit seinem nur knapp kaschierten Eugenik-Plädoyer auf offene Unterschwellen stößt, ist kein Wunder. Die Apostel der Ungleichheit hatten schon früher in der „Zeit“ (dort besonders zu der Zeit von Dieter E. Zimmer), im „Spiegel“, in der „Welt“, auch in der „FAZ“ ihre Foren. Von den entsprechenden Büchern in Millionenauflagen ganz zu schweigen.
Bleibt nur die Frage: Gibt es ein Sarrazin-Gen? Und wenn ja, ist es eine altbekannte deutsche Erbkrankheit?
Quelle: Buchholzens WochenSchauer - Nummer 476