Das Johannesevangelium

Hallo!

Im Archiv dieses Brettes bin ich auf folgenden Satz gestoßen:

„Die Synoptiker haben ja eh in der Jesusdarstellung eine ganz bestimmte Tendenz incl. Geschichtsklitterung (z.B. Geburt in Bethlehem), die Johannes nicht hatte (und laut meiner Untersuchungen noch nicht hatte).“

Allgemein möchte ich fragen, ob nicht das Johannesevangelium, gerade weil es von jemandem stammen könnte, der Jesus persönlich gekannt hat, das mit Abstand beste Zeugnis für das Christentum ist. Den zitierten Satz verstehe ich so, dass man bei Johannes den Eindruck hat, dass er nichts erfindet, sondern alles wahr ist. Es mag aber auch sein, dass ich mit dieser Interpretation übertreibe.

Den Autor dieses Satzes (der ihn sicher wiedererkennt) würde ich gern fragen, was mit der Formulierung „noch nicht“ gemeint ist.

Viele Grüße
Mevius

Hallo,
Johannes kannte Jesus wohl am wenigsten, sein Evangelium wurde von einer Gruppe von (am ehesten Gnostikern) recht spät aufgeschrieben.
Die Synoptiker scheinen zeitlich noch näher gestanden zu sein. Die Synoptiker forcierten mehr das Judentum, das Alte Testament, Jesus soll im AT vorausgesagt worden sein, die Geburt in Bethlehem steht im AT, usw.

Johannes baut hingegen mehr auf die Persische Religion auf. Der Zoroastismus war im einfachen Volk damals sehr verbreitet, auch von Jesus anerkannt und vertreten. Johannes lässt Jesus sagen: alle die vor mir kamen waren Diebe und Räuber. Damit ist also Abraham, Moses, etc gemeint. Johannes lässt Jesus sagen: ihr kennt weder mich noch meinen Vater. Das ist der zoroastrische Gottesbegriff.

Viel des Zoroastrismus ging in die christliche Religion ein, der Satansbegriff, das Paradies nach dem Tode,… Vieles wurde aber im Konzil von Nicäa verboten und verbrannt. Johannes schaffte es gerade noch. Den Lehren von Paulus wurde der Vorzug gegeben. Kaiser Constantin brauchte schließlich Soldaten.

Bitte das Konzil von Nicäa googlen, die Gnostiker, Trinitarier,…

Hallo Mevius,

„Die Synoptiker haben ja eh in der Jesusdarstellung eine ganz bestimmte Tendenz incl. Geschichtsklitterung (z.B. Geburt in Bethlehem), die Johannes nicht hatte (und laut meiner Untersuchungen noch nicht hatte).“

Wenn du mich schon zitierst (was mich jedenfalls freut) mit dem Artikel über den
/t/abendmahl-an-pessach-oder-nicht/5359934/14
kannst du ruhig auch den Namen nennen :wink:

Zunächst zu deiner direkten Frage an mich: Mit „noch nicht“ war gemeint, daß aus meinen Untersuchungen zu diesem Text hervorgeht, daß er nicht, wie auch heute noch meist behauptet, zu den jüngsten ntl. Texten zählt, sondern im Gegenteil zu den frühesten. In diesem Punkt stimme ich mit den diesbezüglichen Arbeiten von Klaus Berger überein und habe noch zahlreiche zusätzlich Argumente.

Allgemein möchte ich fragen, ob nicht das Johannesevangelium, :gerade weil es von jemandem stammen könnte, der Jesus persönlich gekannt hat, das mit Abstand beste Zeugnis für das Christentum ist.

Es ist zumindest ein Zeugnis (zusammen mit dem viel späteren Brief 1. Joh., der sicher vom selben Autor stammt) für eine Gestalt der christlichen Religion, die sich in einigen nicht unwesentlichen Hinsichten von der (historisch deutlicher realisierten) paulininischen Gestalt unterscheidet.

Den zitierten Satz verstehe ich so, dass man bei Johannes den Eindruck hat, dass er nichts erfindet, sondern alles wahr ist.

Das wiederum kann man so nicht sagen, denn auch die Versionen, die auch die frühesten gefundenen Papyri zeigen, sind ganz eindeutig durch Redaktionen gegangen, die Zusätze eingefügt haben. Außerdem ist der Evangelientext sehr streng komponiert, und zwar so, daß er eine tatsächlich religionsfundierende Form hat. Auch mit Inhalten, die selbst ein berichterstattender realer Begleiter nicht im Stil einer Mitschrift hätte wissen können (z.B. das überausbedeutsame Kap. 17).

Andererseits sind Inhalte darin, die der Möglichkeit der Vermutung einer späteren Erfindung sehr energisch widersprechen. So z.B. die Episode aus Kap. 7, die ich in deinem Thread im Geschichtsbrett erwähnte (d.h. es würde keinerlei Sinn machen, soetwas zu erfinden, im Gegensatz zur Bethlehem-Geburt in Mt. und Lk.).

Es ist zumindest derjenige Text des NT, der wesentliche Grundbegriffe exponiert: Z.B. der Geist-Begriff, dann der Terminus „heiliger Geist“, der tatsächlich sehr eng an die zarathustrischen Gathas anschließt, die Rede vom Gericht, der Begriff „ewiges Leben“ usw. um nur einige Punkte zu erwähnen. Und er formuliert am deutlichesten die Apotheose Jesu.

Gruß
Metapher

Wenn du mich schon zitierst (was mich jedenfalls freut) mit
dem Artikel über den
/t/abendmahl-an-pessach-oder-nicht/5359934/14
kannst du ruhig auch den Namen nennen :wink:

Wenn ich auch nur geahnt hätte, dass du das so wünscht, hätte ich es getan. Sieh mir bitte nach, dass ich es nicht getan habe.

Zunächst zu deiner direkten Frage an mich: Mit „noch nicht“
war gemeint, daß aus meinen Untersuchungen zu diesem Text
hervorgeht, daß er nicht, wie auch heute noch meist behauptet,
zu den jüngsten ntl. Texten zählt, sondern im Gegenteil zu den
frühesten.

Vielleicht habe ich gerade ein Brett vor dem Kopf (ein Balken im Auge…), aber die Bedeutung des Wortes „noch“ erschließt sich mir nicht. Allerdings ist das auch nicht die wichtigste Frage, die ich habe, also Schwamm drüber.

Allgemein möchte ich fragen, ob nicht das Johannesevangelium, :gerade weil es von jemandem stammen könnte, der Jesus persönlich gekannt hat, das mit Abstand beste Zeugnis für das Christentum ist.

Es ist zumindest ein Zeugnis (zusammen mit dem viel späteren
Brief 1. Joh., der sicher vom selben Autor stammt) für eine
Gestalt der christlichen Religion, die sich in einigen nicht
unwesentlichen Hinsichten von der (historisch deutlicher
realisierten) paulininischen Gestalt unterscheidet.

Welche wesentlichen Unterschiede sind das denn, wenn ich fragen darf?

Den zitierten Satz verstehe ich so, dass man bei Johannes den Eindruck hat, dass er nichts erfindet, sondern alles wahr ist.

Außerdem ist der Evangelientext sehr streng komponiert,
und zwar so, daß er eine tatsächlich religionsfundierende Form
hat.

Mit „komponiert“ meinst du, dass die Inhalte gewissermaßen arrangiert und mit bestimmten Absichten gestaltet wurden, ja? Aber was ist eine „religionsfundierende Form“? In Google ergibt dieser Begriff nicht einen Treffer, so dass ich diese Rückfrage wohl stellen kann, ohne mich allein dadurch schon als dumm und unwissend zu outen. :wink:

Andererseits sind Inhalte darin, die der Möglichkeit der
Vermutung einer späteren Erfindung sehr energisch
widersprechen. So z.B. die Episode aus Kap. 7, die ich in
deinem Thread im Geschichtsbrett erwähnte (d.h. es würde
keinerlei Sinn machen, soetwas zu erfinden, im Gegensatz zur
Bethlehem-Geburt in Mt. und Lk.).

Eben. Man gewinnt doch den Eindruck, dass Johannes bemüht ist, nur die Realität aufzuschreiben. Warum sollte er sonst anders als Matthäus und Lukas darauf verzichten, Jesu Geburt nach Bethlehem zu verorten, wenn dies doch geeignet ist zu untermauern, dass Jesus der Messias ist? Mir leuchtet als Erklärung zunächst einmal nur ein, dass er eben nichts historisch Falsches schreiben möchte. Aber ich habe, wie du sicher schon erkannt hast, nicht wirklich Ahnung vom Thema. Darum ja auch die Fragen.

Es ist zumindest derjenige Text des NT, der wesentliche
Grundbegriffe exponiert: Z.B. der Geist-Begriff, dann der
Terminus „heiliger Geist“, der tatsächlich sehr eng an die
zarathustrischen Gathas anschließt, die Rede vom Gericht, der
Begriff „ewiges Leben“ usw. um nur einige Punkte zu erwähnen.
Und er formuliert am deutlichesten die Apotheose Jesu.

Letzteres ist mir wieder zu hoch, weil ich aus anderen Beiträgen von dir gefolgert habe, dass Jesus nach Joh. eher „nur“ ein Gesandter Gottes ist und weniger der Sohn Gottes. Apotheose ist aber ja viel mehr als das. Davon unabhängig: Dass Joh. „wesentliche Grundbegriffe exponiert“ sagt doch für sich nichts über den Wahrheitsgehalt des Johannes-Evangeliums aus, oder doch? War das jetzt eine Art Exkurs von dir, oder verstehe ich nur nicht, inwieweit das zu meiner Frage passt? (Nicht, dass ich etwas gegen Exkurse hätte, ganz im Gegenteil!)

Es ist zumindest ein Zeugnis (zusammen mit dem viel späteren
Brief 1. Joh., der sicher vom selben Autor stammt) für eine
Gestalt der christlichen Religion, die sich in einigen nicht
unwesentlichen Hinsichten von der (historisch deutlicher
realisierten) paulininischen Gestalt unterscheidet.

Welche wesentlichen Unterschiede sind das denn, wenn ich fragen darf?

Um nur einige zu nennen: Die Rolle der Frauen ist eine hervorragende. Und die Rolle des „Retters“ bezieht sich nicht primär auf Foltertod und die Auferstehung, sondern darauf, daß er in die menschliche Lebenswelt (griech. kosmos) gekommen ist. Ferner steht im Zentrum die Souveränität des Menschen, seine Vollmacht zur freien Entscheidung (btw. einer der Punkte, die ihn in die Nähe der Gathas von Zarathustra bringen)…

Mit „komponiert“ meinst du, dass die Inhalte gewissermaßen
arrangiert und mit bestimmten Absichten gestaltet wurden, ja?

Ja. Ich meinte die Architektur des Textes.

Andererseits sind Inhalte darin, die der Möglichkeit der
Vermutung einer späteren Erfindung sehr energisch
widersprechen. So z.B. die Episode aus Kap. 7, die ich in
deinem Thread im Geschichtsbrett erwähnte (d.h. es würde
keinerlei Sinn machen, soetwas zu erfinden, im Gegensatz zur
Bethlehem-Geburt in Mt. und Lk.).

Eben. Man gewinnt doch den Eindruck, dass Johannes bemüht ist,
nur die Realität aufzuschreiben. Warum sollte er sonst anders
als Matthäus und Lukas darauf verzichten, Jesu Geburt nach
Bethlehem zu verorten, wenn dies doch geeignet ist zu
untermauern, dass Jesus der Messias ist?

Genau. Bei Joh. ist der Messias-Begriff eben überhaupt nicht an die David-Nachfolge gebunden. Deshalb braucht er weder Bethlehem, noch die Genealogie. Wichtiger ist seine Herkunft aus dem Kreis des Täufers Johannes, ebenso wie die seiner ersten Schüler.

Mir leuchtet als Erklärung zunächst einmal nur ein, dass er eben nichts historisch Falsches schreiben möchte.

Und er formuliert am deutlichesten die Apotheose Jesu.

Letzteres ist mir wieder zu hoch, weil ich aus anderen Beiträgen von dir gefolgert habe, dass Jesus nach Joh. eher „nur“ ein Gesandter Gottes ist und weniger der Sohn Gottes.

Das ist etwas komplizierter. Der Autor bezeichnet ihn durchweg als Gesandten Gottes (griech. apestálmenos para theou). Auch die Selbstaussagen des Jesus sind so. Aber er bezeichnet sich selbst eben auch als Sohn Gottes, ebenso wie er von diesem als Vater spricht. Hier vermischen sich zwei Konnotationen. In der Beziehung zwischen dem Sohn bzw. Gesandten und dem Vater bzw. Gott spielt der Begriff der doxa eine bedeutende Rolle, der mangels besserer Ausdrücke gewöhnlich mit „Verherrlichung“ übersetzt wird. Ein umfangreiches Thema, das ich hier nicht weiter explizieren kann. Jedenfalls wird im Joh. generell ein _inner_göttliches Geschehen und eine _inner_göttliche Beziehung thematisiert (wie ja auch schon gleich im Prolog mit dem Logos-Begriff).

Apotheose ist aber ja viel mehr als das.

Das ist richtig. Zugleich wird Jesus aber auch sehr sinnlich dargestellt. Er zeigt Emotionen (er weint und ist wütend usw.), es wird gegessen und getrunken - bis hin zu der fundamentalen Aussage vom Fleisch-Essen und Blut-Trinken, die so schockierend wirkte, daß sogar von seinen Schülern sich einige mit Grausen abwenden. Dies übrigens in einer Diskussion mitten auf dem Marktplatz und nicht erst bei einem „letzten Abendmal“. Dies übrigens auch ein wesentlicher Unterschied zu den anderen Evangelien der Synoptiker.

Davon unabhängig: Dass Joh. „wesentliche Grundbegriffe exponiert“ sagt doch für sich nichts über den Wahrheitsgehalt des Johannes-Evangeliums aus, oder doch?

Nein.

War das jetzt eine Art Exkurs von dir, oder verstehe ich nur nicht, inwieweit das zu meiner Frage passt?

Es war nur ein Exkurs :smile:

Gruß
Metapher

Eben. Man gewinnt doch den Eindruck, dass Johannes bemüht ist,
nur die Realität aufzuschreiben. Warum sollte er sonst anders
als Matthäus und Lukas darauf verzichten, Jesu Geburt nach
Bethlehem zu verorten, wenn dies doch geeignet ist zu
untermauern, dass Jesus der Messias ist?

Genau.

Ich bin etwas unschlüssig, was genau du mit dem „Genau“ bestätigst.

Meine Frage zielt letztlich darauf ab, ob du das Johannesevangelium gleichsam als authentisch und also wahr erachtest. (Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass etwa die Geschichte der Ehebrecherin „eigentlich“ nicht dazu gehört.) Allerdings käme eine Antwort vermutlich mehr oder weniger einem öffentlichen Bekenntnis für oder gegen das Christentum gleich, und das willst du, denke ich, vermeiden.