Es gab Zeiten, da konnte man mit Gastronomie selbst auf kleiner Flamme recht gutes Geld verdienen. Die Leute gingen „mal eben auf ein Bier oder zwei“ ins Lokal, setzten sich irgendwo mit dazu, wo gerade noch Platz war, und wenn der eine dann noch das Schinkenbrot und der andere eine Zwiebelsuppe gegessen hat, dann brauchte man dafür eine angelernte Küchenkraft, für die kein Mindestlohn galt, die solche Essen in einer kleinen Kammer mit „rustikalen“ Hygienestandards aus Kühlschrank und Suppentopf auf den Tisch zauberte. Über Energiekosten brauchte man sich keine Gedanken machen, so niedrig, wie die waren. Der Vertrag mit der Brauerei sicherte günstige Miete und recht automatische Versorgung mit Getränken und niemand brauchte mehr als „ein Pils“. Ab Ende des Tages gab es Kassensturz mit Eintrag ins Kassenbuch und dann stand da noch ein Ordner für die Eingangsrechnungen.
Diese Zeiten sind vorbei! Die Leute wollen deutlich aufwändiger essen, was einen ganz anderen Ressourcen-Einsatz und höher qualifiziertes, teureres Personal und einen recht großen Gerätepark verlangt. Die Hygienestandards kosten richtig Geld. Energie und Mieten ebenso. Und die ganze Bürokratie, für die alleine man schon jemand braucht, setzt dem ganzen dann noch die Krone auf.
Das kann alles nur dann am Ende des Tages noch zu schwarzen Zahlen führen, wenn man hoch professionell und effizient arbeitet. Und das bedeutet eben auch, dass gewisse liebgewonnene Dinge leider auf der Strecke bleiben. Da muss ein Tisch dann ganz sauber kalkuliert x Euro am Abend bringen. Also mit möglichst viel Reservierungen arbeiten, die kalkulierbaren Wareneinsatz und Umsatz bringen. Jeden Platz bestmöglich verkaufen. Lieber das Paar ziehen lassen, dass ohne Reservierung einen 6er Tisch belegen möchte, um den in einer Viertelstunde einer Familie mit fünf Leuten anbieten zu können, … Und wenn an einem Wochentag oder zu speziellen Zeiten der Betrieb mehr kostet, als er einbringt, dann wird eben die Tür geschlossen.
Insoweit sehe ich da keine Bevormundung, sondern schlicht und ergreifend wirtschaftliche Notwendigkeiten, die im Ausland übrigens schon viel länger und viel umfassender üblich sind. Da stehst Du ggf. draußen Schlange, wenn Du nicht reserviert hast, während innen noch drei Tische frei sind, und bekommt die nach Dir gekommene Familie erst einmal den großen Tisch, während Du noch warten darfst, bis ein kleiner Tisch frei wird. Da wird für größere Gesellschaften gleich schon mal ein pauschaler Aufschlag fällig (was ich allerdings auch nicht verstehe und gutheißen würde). Da bedeutet man Dir, kaum, dass Du den letzten Bissen im Mund hast, dass es Zeit ist zu gehen, wenn sie noch mit der Möglichkeit einer weiteren Belegung des Tischs rechnen. Da gilt eine Reservierung nicht nur „um 18:30“ sondern „von 18:30-20:00“.
Ja, ich sehe auch, dass die Gehaltserhöhungen der letzten Jahre wie Sand durch die Finger gerieselt sind und sehne mich manches Mal an Kinderzeiten zurück, wo man im Urlaub nach dem Wandern mit fünf Leuten zu einfachen Tellergerichten einkehrte und Vater kaum mehr als einen 50er auf den Tisch des Hauses legen musste, während ich mit vier Leuten heute nicht selten die € 150,-- sprenge, ohne sonderlichen Luxus getrieben zu haben. Aber man muss auch ehrlich zu sich selbst sein: Es ist eben nicht mehr der Teller Linsensuppe oder die Bratwurst mit Kraut, sondern knackig frisches Gemüse aus aller Welt hier, die nicht gerade kleine Fleischportionen da, die nicht einfach nur fünf Minuten in der Pfanne lag, sondern über Stunden im Smoker oder Sous Vide Garer Energie gefressen hat. Aus dem Standard-Pils ist das Craft Beer geworden, der Wein ist auch nicht mehr nur „ein Roter“, sondern der offene … oder inzwischen auch gleich die Flasche … Man hat sich an den Espresso danach gewöhnt, … Das ist alles nicht umsonst zu haben.
Unsere Restaurantbesuche sind bewusster geworden, waren ohnehin nicht extrem häufig, und so geht es sich aus. Und als ich bei der Urlaubsplanung von den Preisen in den USA und Kanada zunächst geschockt war, verwies Sohnemann auf die letzten Deckel, die wir hier so verfressen hatten. Danach war ich dann wieder etwas entspannter.
Und was Wirte und Personal angeht: Es gab immer schon Leute mit herbem Charem und Leute, die sich auf den Job verstanden. Und ich sehe da ehrlich das Tal als durchschritten an. In letzter Zeit fällt mir wirklich positiv auf, dass die Leute, die jetzt noch in der Gastronomie arbeiten, das aus Überzeugung und mit Begeisterung tun. Ausnahmen gibt es natürlich immer.