Leider wurde mein letzter Thread gesperrt, da er wie so oft bei w-w-w aus dem Ruder lief. Was mir besonders ins Auge gestochen ist, war der Umgang mit Zahlen und Statistiken.
Mir ist das schon öfters bei Politikern aufgefallen, die gerne mal irgendwelche Zahlen verwenden, die einer näheren Betrachtung vorne und hinten nicht standhalten.
Konkret sind mir zwei Dinge aufgefallen:
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Man geht auf das Gesagte gar nicht ein
Im konkreten Beispiel ging es um eine Zahl. Nämlich die 1692 im ersten Halbjahr durch Kampfhandlungen getöteten Zivilisten in Afghanistan. Sehe ich mir die ersten ‚Antworten‘ an, kann ich nur zum Schluss kommen, dass diese Zahl nicht verstanden wurde. Denn wofür steht diese Zahl? Oder eher, wofür steht sie nicht?
Nicht enthalten sind:
- Zivilisten, die eines unnatürliche Todes gestorben sind, der nicht auf Kampfhandlungen zurückführen sind
- Angehörige des Militär, der Polizei, von verschiedenen Milizen und Aufständische
Diese Zahl repräsentiert also weder alle getöteten Zivilisten noch alle direkten Opfer des Krieges.
Genaueres findet man übrigens in diesem UNAMA Bericht.
Es wird also munter gegen etwas argumentiert, ohne auch nur ansatzweise zu verstehen, worum es geht. Denn das Wichtigste scheint allen zu entgangen sein: Diese 1692 Toten sind nicht die Ursache für die Unsicherheit des Landes, sondern eine Konsequenz davon.
Damit kommen wir auch schon zum zweiten Punkt, der mir aufgefallen ist:
2) Man versucht das Gesagte zu relativieren
Da man nicht mit Argumenten diskutieren kann oder will, versucht man das Thema irgendwie zu diskreditieren. Das kann einerseits durch die Wortwahl wie z.B. ‚witzigerweise‘ (zu Erinnerung: Das Thema sind ermordete Männer, Frauen und Kinder) passieren. Die Pietätlosigkeit so einer Bemerkung scheint völlig egal zu sein.
Oder man versucht ihm die Relevanz abzusprechen. Dann fallen die Opfer eben „nicht besonders ins Gewicht“. Oder es sind „ja nur 0,01%“. Die Opfer sind „nahezu irrelevant“.
Oder man beginnt mit Rechenspielen. Man könnte ja das Geld, dass jetzt für Flüchtlinge ausgeben wird, für Hungernde ausgeben. Das ist nichts anderes als ein Versuch, die Schwächsten der Gesellschaft gegeneindander auszuspielen. Ja, auch Politiker machen das gerne.
Oder aber man zieht Vergleiche, bei denen Tote aufgrechnet werden. Die Kriegsopfer werden mit Verkehrsopfern gleich gestellt. Oder mit Selbstmördern. Oder mit Grippeopfern. Es werden Vergleiche gezogen mit anderen Ländern wie den USA, Deutschland oder Palästina.
Was hat das alles mit dem Thema zu tun?
Das ist natürlich kein neues Phänomen, aber man stelle sich vor, jemand hätte damals nach den sexuellen Übergriffen in der Silversternacht in Köln so argumentiert.
„Bei 41 Millionen Frauen fallen die paar doch nicht besonders ins Gewicht“
„Im Vergleich zu den 34.000 Vergewaltigungen pro Jahr in Indien ist das doch nahezu irrelevant.“
Mir persönlich ist diese Art der Diskussion zuwider und imho gipfelt das Ganze im immer beliebteren Whataboutismus, dem rhetorischen Notnagel hoffnungslos Unterlegener.
Nur, kann man etwas dagegen tun? Gibt es eine Möglichkeit, die Diskussionskultur zu verbessern? Oder ist der Zug schon lange abgefahren?