Dauer der Entscheidung im Asylverfahren

Hallo zusammen!

Frage aus gegebenem Anlass (Aussagen von Fachpolitikern aus Bund und Ländern heute in div. Sondersendungen):

Zeitdauer vom Antrag bis zur Asyl-Entscheidung:

Schweiz: ca. 48 Stunden

Niederlande: max. 10 Tage

Deutschland: durchschnittlich 5 1/2 Monate

Sind diese Aussagen so richtig?

Wenn ja - welche stichhaltigen Begründungen für diese eklatante Zeitdifferenz in der Bearbeitungsdauer gibt es?

Danke und

herzliche Grüße

Helmut

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Weil im Gegensatz zu D in der Schweiz und den Niederlanden kein Einspruchsverfahren möglich ist.
In D kann das bis zum BGH gehen und das dauert, u.U. bedeutend länger als 51/2 Monate. ramses90

Hallo,

über die aktuellen Daten kann ich nichts sagen. Aber es hat mit unseren Regeln zu tun, auch mit unserer Bürokratie, aber eben auch mit der Zahl der Asylsuchenden.

Ganz auf die Schnelle gefunden: Die Schweiz hatte letzten Monat 5000 Asylsuchende.


In den Niederlanden kamen bis Juli 2015 25.000 Asylsuchende.

Grüße
Siboniwe

dann würde sich da ja gleich die Frage stellen, weshalb unsere Super-Politiker in Brüssel noch kein einheitliches Verfahren definiert haben, welches alles relevante definiert … Zeit genug hätten sie ja gehabt, … denn sie konnten ja auch Gesetze/Erlasse/Verordnungen zu Gurkenkrümmungen, Überzieherlängen oder Glühbirnen verabschieden …

Den Grund kann sich auch jeder selbst überlegen, wenn er sich die Reaktionen der einzelnen Länder in der aktuellen Flüchtlingskrise anguckt … Ein einheitliches Asylverfahren und ein dazugehöriger Verteilungsschluessel ist derzeit von diversen Ländern in der EU nicht gewollt.

Hallo,

laut diesem Artikel gelten die 48 Stunden in der Schweiz und in den Niederlanden nur für Antragsteller aus „sicheren Staaten“ (v.a. Balkan).
Das heißt dann wohl, dass es für diese Leute keine Einzelfallprüfung gibt, jedenfalls keine gründliche.
In Deutschland wird das ja auch immer wieder diskutiert.

Ansonsten ist im Wikipedia-Artikel „Asylrecht (Schweiz)“ von der Zeitspanne „Während der ersten drei Monate nach dem Einreichen eines Asylgesuchs…“ die Rede. Das deutet doch wohl darauf hin, dass ein richtiges Asylverfahren auch in der Schweiz mehrere Monate dauert.

Viele Grüße,

Jule

Aus meiner Sicht ist der schlanke Staat daran Schuld. In den vergangen 25-30 Jahren hat sich Deutschland krank gespart.

Auf Grund der immer währenden Propaganda der „neoliberalen Weltverbesserer“ wurden immer mehr Angestellte des Staatswesens eingespart. Bauanträge und Fällgenehmigungen können schon mal ein Jahr unbearbeitet herum liegen. Für die Anmeldungen für neue Pässe oder Ausweise sollte man einen Termin bei den Ämtern machen - die man in 2 Wochen wahr nehmen kann. Für die Ummeldung von Autos braucht man einen Termin, um einen Termin zu bekommen. Das ist kein Populismus, sondern Realität zumindest in Berlin.

Und so kommt es, dass das BAMF in Nürnberg viel zu wenige Mitarbeiter hat. Ebenso das LaGeSo in Berlin. Bei letzterem kann man schon mal ein paar Tage warten, um eine Marke(!) zu bekommen, die dazu berechtigt, irgendwann einen Termin zu bekommen, um sich anzumelden.

Aber nicht nur bei der Bearbeitung herrscht Personalmangel, sondern auch bei den Mitarbeitern, die neue Mitarbeiter einstellen und ausbilden. Auf dieser Grundlage wird sich auch in absehbarer Zeit nichts an der desolaten Lage unserer Verwaltung ändern - und an der belastenden Situation für die Einwanderer, die nicht wissen, wie ihr offizieller Status in Deutschland sein wird.

Grüße

Hallo!

Bestenfalls die halbe Wahrheit. Ohne Registrierung kann kein Antrag auf Asyl oder anders begründetem Aufenthaltsrecht gestellt werden. Bis zur Registrierung, also der Feststellung, dass es den Menschen in D überhaupt gibt, kann ein halbes Jahr oder mehr verstreichen. Dieser Zustand lässt sich nicht mit kompliziertem Asylverfahren begründen. Ursächlich sind das nicht funktionierende Schengen-Abkommen, organisatorische Unfähigkeit Überforderung und Parteiengezänk.

Hinzu kommt die eingerissene Gepflogenheit, die Registrierung ins Belieben der Betroffenen zu stellen. Wer sich weigert, sich registrieren zu lassen, reist einfach weiter - wohin auch immer es beliebt. Auch Leute, die sich registrieren lassen und angeben, doch lieber nach Schweden reisen zu wollen, werden daran nicht gehindert. Soll heißen: Europa ist außerstande, die eigenen Regeln zu kommunizieren und durchzusetzen.

Gruß
Wolfgang

Hallo Jule,

danke für den verlinkten Artikel - beantwortet zumindest einige Fragen…

Herzliche Grüße

Helmut

Hallo „Ramses90“,

wenn das so richtig ist (ich weiss es definitiv nicht), müßte in D aber wohl eine extrem einflussreiche „Organe-der-Rechtspflege“-Kanzleien-Lobby am Werke sein!

Kann die Aussage von Dir irgendwo verbindlich bestätigt nachgesehen werden?

Danke und

herzliche Grüße

Helmut

5 1/2 Monate ist deutlich zu wenig. Alleine die „Bearbeitungszeit“ beträgt durchschnittlich ca. 11 Monate. Weitere knapp 7 Monate „Wartezeit“, bis Behörden Anträge bearbeiten. Zzgl. möglicher Gerichtsverfahren mit 8-9 Monaten.

http://www.brd-dritte-welt.de/pdf/2015-04-asylverf-laenge.pdf

Franz

Hallo Franz,

auch Dir danke für den Link.

Die Schlußfolgerungen und Tatempfehlungen des Verfassers kann ich zwar nicht in allen Aussagen begleiten - aber die beigebrachten Zahlen sprechen für sich.

Und somit stellt sich nach wie vor die Frage:

Warum dauert die Entscheidungsfindung bei uns in D - im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Staaten - so unvernüftig lange?

Frage zwei wäre: Wem nützt es? Wer verdient daran?

Sehr nachdenkliche Grüße

Helmut

Hallo,

als noch niemand mit einer Zunahme der Fallzahlen um den Faktor 4 (oder höher) rechnete, sondern von einer Verdoppelung ausging, wurde die Anzahl der Mitarbeiter des BAMF ebenfalls fast verdoppelt.

Stand 09/15: http://www.n-tv.de/politik/Zahl-der-offenen-Asylantraege-waechst-article15900281.html

Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums wies Kritik zurück, wonach das BAMF von der großen Zahl der Anträge überfordert sei. Die Zahl der Mitarbeiter, die über Asylanträge entscheiden, sei von 285 auf 550 gestiegen und werde weiter wachsen, sagte der Sprecher. Es sei „ein einmaliger Vorgang, eine Behörde aufzustocken um 50 Prozent in so kurzer Zeit“.

Hierbei handelt es sich um die sogenannten Entscheider.

Leider kostet Personal auch Geld, was man sich aber nicht aus der Nase ziehen kann. Daher wurde im Rahmen eines Nachtragshaushalts Geld locker gemacht. Hierzu müssen auch Anhörungen und Regularien eingehalten werden.

http://www.bamf.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2015/20150911-0019-personalgewinnung-asylverfahren.html

Das ganze Personal muß zudem aus-/um-/forgebildet werden und die Entscheider müssen wohl gemäß Gesetzeslage auch Berufsbeamte sein.

Die Entscheider sind (soweit es zu Anhörungen kommt) auf Dolmetscher angewiesen, die man sich auch nicht aus der Nase ziehen kann.

Wenn nun die Kanzlerin (aus welchen Gründen auch immer) von jetzt auf gleich die Zahlen überdimensional in die Höhe schießen lässt und man nicht einmal mehr geordnet ausreichend Wohnraum locker machen kann, dann sind auch die Mitarbeiter der ebenfalls involvierten Kommunen und diejenigen, die die Asylsuchenden ins EASY einpflegen mit den Rahmenbedingungen maßlos überfordert.

Dies alles wäre sicherlich in drei oder vier Monaten regelbar, falls denn keine neuen Asylbegehrenden hinzukämen.

Dies ist auch der Grund, warum die sog. Transitzonen gefordert wurden. Hier sollten diejenigen verwurstelt werden, die evtl. eine Anerkennungsrate von einem knappen Prozent haben. Alle Entscheidungsebenen direkt vor Ort und „unter einem Dach“ incl. Richtern, die über Einsprüch entschieden hätten. Die SPD hat sich aber verweigert.

Zu der niedrigen Personaldecke auf kommunaler oder Länderebene sei noch gesagt, dass Berlin eben nicht sehr viel mehr ausgeben kann, als es (auch dank der miserablen Sozialstruktur) einnimmt. Bei klammen Kassen gilt dies für viele Kommunen. In einigen Länder scheint es auch so zu sein, dass die Personaldecke bewußt niedrig gehalten wurde, um die Verfahrenszeiten für alle in die Länge zu ziehen, damit bloß niemand abgeschoben wird.

Es ist eben ein eklatanter Fehler, dass nicht das gesamte Asylverfahren mit allem Pipapo vom Bund direkt geregelt wird. Die Chancen dies zu ändern, laufen angesichts einiger Parteiinteressen gegen Null.

Gruß
vdmaster

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Eben. Aber es kommt wg. der beiden Seiten ein und derselben Medaille nicht zustande. Sowohl die „Refugees Welcome“-Abteilung als auch die „Verpisst euch (fast) alle“-Abteilung will von ihren Standpunkten nicht zu einem Konsens kommen.

Dein Einwurf mit den Krümmungsgraden ist deswegen nicht zielführend, weil die Kompetenzen im Handel vertraglich geregelt sind. Die in der Außen- und Innenpolitik eben nicht oder nur in einigen Punkten. Es wäre somit ein Vertrag erforderlich, der nicht nur von den Regierungen, der Kommission und dem Parlament abgesegnet werden müsste, sondern auch von vielen anderen Instanzen. In D bspw. mindestens vom Bundestag, wahrscheinlich aber auch vom Bundesrat. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse spätestens im Bundesrat kann man diese Idee knicken. Hier würde es nur „helfen“, wenn denn die jeweiligen Innenminister und Ministerpräsidenten der fraglichen Bundesländer tatsächlich von ihrem unterschiedlichen Stimmrecht Gebrauch machen würden. Das Resultat wäre das Zerbrechen einiger Landesregierungen mit ggf. notwendigen Neuwahlen.

Gruß
vdmaster

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Hallo,

er irrt mit dem BGH. Aber die Reihe ist schier endlos, wobei die wenigsten überhaupt bei der ersten Instanz vorstellig werden, nachdem sie Klage erhoben haben. Entweder entscheiden sie sich für die (ggf. vergütete) freiwillige Rückkehr oder sie tauchen unter.

Neben einem ablehenden Bescheid gewährt D vielen ja auch subsidiären Schutz oder Duldung.

http://www.bamf.de/DE/Migration/AsylFluechtlinge/Asylverfahren/Klageverfahren/klageverfahren-node.html

Ja, es gibt auch eine gut ausgestatte „Lobby“.

Gruß
vdmaster

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Hallo „vdmaster“,

auch danke für Deinen Link.

Mit Deinen Ausführungen hast Du wohl auch meine weiter unten gestellten Fragen an „Franz“ beantwortet.

Unter Berücksichtigung der Frage „cui bono“ müßte wohl der gesamte „Acker“ mal gründlich „entsteint“ werden…

Herzliche Grüße

Helmut

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Hallo,

erstmal: Wem nutzt es nicht?
Den Asylsuchenden, den sie werden oft nach Jahren in denen sie und ihre Familie sich hier ein Leben aufgebaut haben herausgerissen weil ihr Verfahren abgelehnt wurde. Hab mich mit einer irakischen Familie unterhalten die seit ueber 10 Jahren in Deutschland lebt und noch immer im Ungewissen ist ob sie nicht irgendwann abgeschoben werden. Die Gerichtstermine, Behoerdentermine usw. koennen sie nicht mehr zaehlen.

Der Bevoelkerung hilft es auch wenig, wenn hier Personen fuer einige Jahre leben die keine Perspektive bekommen und sich entsprechend verhalten.

Der Wirtschaft nutzt es auch nicht viel weil Personen mit ungewissen Aufenthaltsstatus nicht in den Arbeitsmarkt integriert werden koennen.

Es nutzt eigentlich nur Personen, die an Konflikten innerhalb Deutschlands und Europas interessiert sind. Dies koennten die oberen 1% sein, welche im Falle von sozialen Unruhen den schwarzen Peter an Minderheiten wie z.B. Muslime weiterreichen koennen damit sich die Europaer mit den muslimischen Migranten bekriegen anstatt die wachsende wirtschaftliche Ungleichheit anzuprangern.

Gruss
Desperado

Zu dieser Realität gehört aber auch, dass Berlin auf der einen Seite die zweithöchste pro-Kopf-Dichte an öffentlich Bediensteten hat, gleichzeitig aber die geringste Fahrzeugdichte pro Kopf. Da darf man dann schon mal fragen, ob das

dann wirklich der Grund sein kann.

Grüße

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