David Hume: Vernunft und Affekte

Hallo, ich bin bisher mein ganzes Leben der Philosophie entflohen.
Und nun holt sie mich doch tatsächlich ein!
Ich versuche gerade zu verstehen warum David Hume der Vernunft eine passive Haltung gegenüber Handlungen überträgt. Also warum die Vernunft der Sklave der Affekte ist und was dies mit Handlungen/Entscheidungen zu tun hat… überall steht nur dass es so ist aber nicht warum… und wenn es irgendwo stehen könnte, dann versteh ich das wohl nicht.
Ich hab nun Lawrence Kohlberg Theorie zur Moral durchgearbeitet und teilweise auch Kant. Aber Hume bleibt mir ein Rätsel…

wäre also nett wenn mir jemand das an Beispielen oder zumindestens in einfachen orten wiedergeben könnte.

vielleicht noch ne Frage: Warum wird „passions“ mit Affekte übersetzt und nicht mit Leidenschaften.

Hi
da werde ich dir auch keine philosophische Antwort darauf geben können. Ich bin in der Philosophie ein wenig hilflos. Aber diese Sache interessiert mich als Therapeut sehr.
Zum Verständnis: Wir unterscheiden 4 verschiedene therapeutische Ansätze um Menschen zu erreichen, hier mal 2 genannt. Kognitive- und Psychotherapien. Erstere versuchen so etwas wie eine Mäeutik hinzubekommen. Letztere arbeiten am Fühlen. Die Theorien der Schulen sind incompatibel. Da liegt auch ein Teil des Schulenstreites.
Man orientiert sich an der Mäeutik des Sokrates und glaubt mit reiner Logik ein Problem eruieren und lösen zu können. Besonders ist dies in philosophischen Praxen beliebt. Ob dies dem Menschen in seiner Vielfalt gerecht wird möchte ich bestreiten.
Demgegenüber gibt es die Annahme, das der Großteil der Entscheidungen rechtshemisphärisch passiert. Die Konstruktivisten gehen davon aus, das die Wirklichkeit ein Konstrukt des Gehirns sei. Verhalten resultiert erst nach der Wahrnehmung und des gebildeten Konstruktes. Häufig benütztes Schlagwort: Die Landkarte ist nicht das Gebiet. So gesehen wäre die Vernunft ein Sklave, ein Sklave der Gefühlswelt. Die Therapie beruht auf einem Ethikabgleich.
In literarischerem Gewand gibt es eine These von Carlos Castaneda. Dieser unterschied zwischen Absicht und Wille. Demnach wird der Wille in den Dienst der zugrundeliegenden Absicht gestellt. Diese kann im Unbewußten liegen. Wobei „Unbewußtes“ natürlich eine Methapher ist.

Hume und die Menschenliebe
Hi haruna.

Hallo, ich bin bisher mein ganzes Leben der Philosophie
entflohen.

Tucholsky sagte: „Wer in einem blühenden Frauenkörper das Skelett zu sehen vermag, ist ein Philosoph.“ Vielleicht ist das ein (metaphorischer) Hinweis auf den Grund für dein Fluchtverhalten.

Und nun holt sie mich doch tatsächlich ein!

Das Böse triumphiert, doch das Gute siegt.

Ich versuche gerade zu verstehen warum David Hume der Vernunft
eine passive Haltung gegenüber Handlungen überträgt. Also
warum die Vernunft der Sklave der Affekte ist und was dies mit
Handlungen/Entscheidungen zu tun hat…

Weil nach Hume die Gefühle - insbesondere die „Menschenliebe“ - das Fundament aller Entscheidungen sind. Er beruft sich darauf, dass man bei moralischen Konflikten Gefühle empfindet, die einem sagen, was richtig und was falsch ist. Vernunft ist für Hume etwas rein Instrumentelles (etwa dem Verstand entsprechend). Sie kann den Affekten/der Menschenliebe daher nur dienen, selbst aber keine Basis für Entscheidungen oder Handlungen sein.

Natürlich kann man das psychoanalytisch hinterfragen. Vielleicht sind diese Gefühle ja ein Konstrukt der Vernunft, statt deren Gebieter. Aber das ist hier nicht Thema.

Affekt = Leidenschaft. Entspricht daher auch „passions“. Die Wendung „im Affekt handeln“ sollte nicht dahingehend irreführen, als sei Affekt nur eine spontane Gefühlswallung.

Gruß

Horst

Danke für eure Antworten!
Hat mir auf jeden Fall geholfen.

Hi,

Vielleicht sind diese Gefühle ja ein Konstrukt der Vernunft,
statt deren Gebieter. Aber das ist hier nicht Thema.

Es kommt darauf an, welche Gefühle. Ich stimme zu, dass entsprechende Gefühle von der Vernunft (ich benütze lieber den Begriff Selbstbewusstsein) mehr oder weniger bewusst strukturiert werden können.

Auf der anderen Seite gibt es tiefere, zwingendere Gefühle, wie zum Beispiel den mehr oder weniger unbewussten Willen zum Leben, der sich dadurch zeigt, dass man Schmerz vermeiden will und Wohlsein und Lust erstrebt.

Affekt = Leidenschaft. Entspricht daher auch „passions“. Die
Wendung „im Affekt handeln“ sollte nicht dahingehend
irreführen, als sei Affekt nur eine spontane Gefühlswallung.

Dieser Interpretation würde ich aber nur in Bezug auf die deutsche Übersetzung zustimmen. Generell glaube ich, dass Affekte Impulse sind, also Emotionen entgegen „nur“ Gefühlen. Aber das Thema ist sehr viel komplexer… jedenfalls ist es ein Thema, das jetzt immer mehr Gegenwartsphilosophen interessiert, vor allem im Hinblick auf das Thema „Qualia“.

Gruß
C.