Definition von Religion und Sekte

Hallo,

welche Gegebenheit entscheidet was als Religion oder Sekte bewertet wird? In der Regel sind es Gruppierungen, die sich von einer größeren Religionsgemeinschaft abgespalten haben. Weshalb wird dann aber aus einer neuen Glaubensrichtung eine Sekte und darf sich nicht ebenfalls in und mit dieser neuen Erkenntnis, als Religion darstellen?
Danke für die Antwort!

Grüsse fuerte

2 Ansätze

  1. die Willkür der „herrschenden“ Großsekte, die als Kirche bezeichnet wird oder des gesellschaftlichen Mainstreams, der eine gewisse Weltanschauung, Lebenspraxis usvam. nicht in Frage stellt

… geht nahtlos über in …

  1. das Konfliktpotential der Sekten-/Religionsmitglieder gegenüber dem Normalmenschen. Wenn ein hohes Konfliktpotential, auch regional verschieden, vorliegt, wie z.B. bei den Schweinefleischfresserhassern, dann nennt man sie Sekten. (Angelehnt an eine Definition aus einem Infopapier einer Berliner Behörde).

Gruß

Stefan

Sekten und Ketzer
Hi Fuerte.

welche Gegebenheit entscheidet was als Religion oder Sekte
bewertet wird?

Als „Sekte“ gelten Gruppierungen innerhalb großer Religionsgemeinschaften, die sich aufgrund inhaltlicher Differenzen von der Hauptgruppe abspalten, wobei oft eine charismatische Person als Sektenbegründer fungiert. In diesem Sinne sind Sekten so alt wie die organisierte Religiosität. In der Antike wurde der Sektenbegriff völlig wertfrei verwendet, alternativ gab es den Häretikerbegriff (griech. hairesis), der ebenfalls nicht abwertend gemeint war.

Die pejorative Verwendung des Häresiebegriffs kam vermutlich erst in den Anfängen des Christentums auf, als Paulus gewisse Sonderformen des christlichen Glauben negativ bewertete. Die kirchliche Negativierung von Sondergruppen steigerte sich in den nächsten Jahrhunderten: zunächst war Exkommunikation die einzige Sanktion, dann kamen Verbannung und - seit Theodosius I. im 4. Jhd. - die Todesstrafe hinzu. Ihren Gipfel erreichte die Entwicklung im 13. Jhd. mit dem Einsetzen der Inquisition.

Weshalb wird dann aber aus einer neuen Glaubensrichtung eine
Sekte und darf sich nicht ebenfalls in und mit dieser neuen
Erkenntnis, als Religion darstellen?

Oh, sie darf und tut das ja auch. Dass sie als „Sekte“ (im christlich begründeten Negativsinn) beschimpft wird, verdankt sich der oben skizzierten christlichen Tradition des Bekämpfens von Abspaltungen, was heute nicht mehr mit Schwert und Feuer, sondern mittels negativer Verbaletikettierungen geschieht.

Chan

Hi Chan,

wenn ich z. B. eine völlig neue Glaubensrichtung schaffe und Anhänger habe, dann würde man dies als Religion bezeichnen.
Hätte jedoch diese neue Glaubensrichtung gewisse Inhalte aus dem katholischen Glauben z. B., dann würde man Sekte dazu sagen. Da ist nun bei der Bezeichnung „Sekte“ schon wieder eine Abwertung vorhanden. Es ist von der eigenen Darstellung schon ein Unterschied, ob man in irgendeiner Religion, oder in einer Sekte eingebracht ist.

fuerte

Hallo,

wenn ich z. B. eine völlig neue Glaubensrichtung schaffe und
Anhänger habe, dann würde man dies als Religion bezeichnen.

Müsste man. Aber z.B. Scientology, das nun wirklich nicht im Verdacht steht irgendwelche Inhalte von irgendwo geklaut zu haben, wir landläufig als Sekte bezeichnet.

Da ist nun bei der Bezeichnung „Sekte“ schon wieder
eine Abwertung vorhanden. Es ist von der eigenen Darstellung
schon ein Unterschied, ob man in irgendeiner Religion, oder in
einer Sekte eingebracht ist.

Das verstehe ich kaum, denn jede Sekte ist ja auch eine Religion. Und die „Sektierer“ machen doch auch zumeist keinen Hehl daraus, dass sie sich auf die Lehren einer bereits existierenden Religion stützen, eher im Gegenteil.

Gruß

Anwar

Um die Verwirrung zu vervollkommnen: Es ist sinnvoll, bei all dem noch zwischen Religion und Konfession/Glaubensrichtung zu unterscheiden.

Religionen unterscheiden sich in ihren Grundzügen (wie z.B. Christentum - Islam). Konfessionen oder Glaubensrichtungen sind die Gruppen innerhalb einer Religion (wobei der Begriff „Konfession“ im Deutschen klassischer Weise nur innerhalb des Christentums gebraucht wird). Sie basieren zwar auf mehr oder minder vielen Gemeinsamkeiten in zentralen Fragen ihres Glaubens, unterscheiden sich aber in Auslegungsfragen voneinander.

Zwei Beispiele:
Innerhalb der Religion „Christentum“ gibt es die Konfessionen Katholisch und Evangelisch. Innerhalb der Religion „Islam“ gibt es die Glaubensrichtungen „Sunniten“ und „Schiiten“.

Dabei können die Konfessionen oder Glaubensrichtungen einander unterschiedlich nahestehen, was ihre äußeren Formen oder die gegenseitige Ablehnung bzw. Anerkennung als „wahre“ Anhänger der Religion angeht. Und nicht selten bezeichnen die Angehörigen der älteren Glaubensrichtung die der jüngeren als „Sekte“, weil sie sich abgespalten haben.

Martinus

Hallo,

bevor wir hier Äpfel mit Birnen vergleichen. Der Wikipedia-Artikel mit der Unterscheidung

  • Umgangssprachliche Verwendung

  • Staatliche Begriffsverwendung

  • Wissenschaftlicher Gebrauch in Rechtswissenschaft und Soziologie

ist dir bekannt?

Das könnte ein Anhaltspunkt dafür sein, auf welcher Ebene einzelne Diskussionsteilnehmer den Begriff ansiedeln bzw., auch wenn der Artikel noch teilweise zur Überarbeitung gekennzeichnet ist, auch Anhaltspunkte für weitere Auseinandersetzung mit dem Thema liefern.

Grüße
fliegerbaer

Servus,

Um die Verwirrung zu vervollkommnen:

Die Grenzen sind dabei auch innerhalb der Una Sancta durchaus fließend. Ich fand die Darstellung von 1757 im Bibliothekssaal des ehemaligen Prämonstratenserklosters Schussenried immer ganz scharmant, wo Kirchenlehrer bei der Zurechtweisung von Häretikern gezeigt werden, und wo als „gleichwertige“ Häretiker u.a. Materialisten, Lutheraner, Arianer, Hussiten und Moslems auftreten.

Schöne Grüße

Dä Blumepeder

Um es einfach zu halten. Eine Sekte ist es (zumindest meistens) dann, wenn in Dein Privatleben eingegriffen wird. Beispielsweise, was habe ich anzuziehen, wann und wieviel muß ich Kirchendienst leisten, darf ich Alkohol, Zigaretten oder sonstige Sachen genießen etc, etc.

Religionswissenschaftlich wird nicht zwischen Sekte und Religion unterschieden. Sicher ist eine Religion in Ihrer Gründungszeit anders organisiert und bedarf anderer Methoden, um sich über eine Generation zu erhalten, allerdings sind die Übergänge zu etablierten Religionen so fließend, dass so eine Klassifizierung zur Groben Orierntierung dient, in keinster Weise aber etwas qualitativ, von „Religionen“ soweit abgrenzt, dass man es mit einem pejorativen Begriff wie „Sekte“ bezeichnen sollte.

Ich glaube, es gibt hierzu aber auch einen FAQ
grüße, sober

Guten Tag!

Um die Verwirrung zu vervollkommnen:

Zwei Beispiele:
Innerhalb der Religion „Christentum“ gibt es die Konfessionen
Katholisch und Evangelisch.

Heißt das: sonst keine?
Wo tun wir dann die verschiedenen östlichen (ich denke doch:smile: Konfessionen hin?
Wie könnte man dann von

der Religion „Christentum“

reden, da hätten wir doch Christentümer.

btw: Sind nicht sie alle miteinander die „katholische“ Kirche?
Wär’s nicht schön, einmal, sagen wir so 2117, die Bezeichnungen lutherisch-katholisch und reformiert-katholisch zu haben? :smile:

Beste Grüße!
H.

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Zwei Beispiele:

„Beispiel“ deutet ja an, daß die genannten Möglichkeiten nur der Verdeutlichung dienen, ohne alle Möglichkeiten abzudecken. Es gibt selbstverständlich mehr Konfessionen als nur evangelisch und katholisch.

Wie könnte man dann von

der Religion „Christentum“

reden, da hätten wir doch Christentümer.

Wenn man nach China blickt, hat man das auch. Denn da werden Katholiken und Protestanten vom Staat als zwei getrennte Religionen geführt. Das ändert aber nichts daran, daß Christentum die Religionsbezeichnung ist und die Unterscheidungen der Konfessionen unter dem Dach der einen Religion anzusiedeln sind - es sein denn, man legte es darauf an, durch sprachliche Neuschöpfungen erst recht Verwirrung zu stiften.

btw: Sind nicht sie alle miteinander die „katholische“ Kirche?

Das wäre grundsätzlich theologisch richtig, wenn auch wirr. Richtig, weil „katholisch“ (griechisch) „allumfassend“ bedeutet. Und die römisch-katholische Kirche bekennt sich (offiziell wenigstens) in ihrem Glaubensbekenntnis nicht zur Organisationform „katholische Kirche“ sondern zur weltweiten, allumfassenden Kirche. Wirr ist es, weil es wenig sinnvoll ist, dieses eine Wort griechisch zu belassen, während der Rest deutsch ist und der Kontext zum Mißverständnis einlädt. Nichts desto trotz bekennen sich z.B. auch englischsprachige Protestanten zur „holy catholic church“ (wobei es auch die Version „holy christian“ gibt), ohne dabei die röimisch-katholische zu meinen.

Martinus

Und die römisch-katholische Kirche bekennt sich (offiziell wenigstens) in ihrem Glaubensbekenntnis nicht zur Organisationform „katholische Kirche“ sondern zur weltweiten, allumfassenden Kirche.

Das ist doch für den Vatikan laut „Dominus Jesus“ dasselbe. Und sooft ich je röm.-kath. Laien darauf hinwies, daß im Apostolikum nicht die RKK gemeint ist, stieß ich auf erhebliches Erstaunen.

Gruß
Metapher

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Ich gebe zu, zum Studium von DJ fehlen mir Zeit und Muße, aber ich meine, mich zu entsinnen, daß die römisch-katholische Kirche durchaus zwischen der verfaßten Kirche und er der allumfassenden unterscheidet. Die allumfassende ist in den rechtmäßigen verfaßten Kirchen präsent, und dazu zählt nach römischer Lesart auch die Orthodoxie, da sie über rechtmäßig geweihte Priester in der apostolischen Sukzession verfügt.

Und was die Differenzen zwischen der wahren Lehre der una sancta und dem Volksglauben ihrer Anhänger angeht, fällt mir nur die berühmte Londoner U-Bahnansage ein: Mind the gap :wink:.

Martinus