Sekten und Ketzer
Hi Fuerte.
welche Gegebenheit entscheidet was als Religion oder Sekte
bewertet wird?
Als „Sekte“ gelten Gruppierungen innerhalb großer Religionsgemeinschaften, die sich aufgrund inhaltlicher Differenzen von der Hauptgruppe abspalten, wobei oft eine charismatische Person als Sektenbegründer fungiert. In diesem Sinne sind Sekten so alt wie die organisierte Religiosität. In der Antike wurde der Sektenbegriff völlig wertfrei verwendet, alternativ gab es den Häretikerbegriff (griech. hairesis), der ebenfalls nicht abwertend gemeint war.
Die pejorative Verwendung des Häresiebegriffs kam vermutlich erst in den Anfängen des Christentums auf, als Paulus gewisse Sonderformen des christlichen Glauben negativ bewertete. Die kirchliche Negativierung von Sondergruppen steigerte sich in den nächsten Jahrhunderten: zunächst war Exkommunikation die einzige Sanktion, dann kamen Verbannung und - seit Theodosius I. im 4. Jhd. - die Todesstrafe hinzu. Ihren Gipfel erreichte die Entwicklung im 13. Jhd. mit dem Einsetzen der Inquisition.
Weshalb wird dann aber aus einer neuen Glaubensrichtung eine
Sekte und darf sich nicht ebenfalls in und mit dieser neuen
Erkenntnis, als Religion darstellen?
Oh, sie darf und tut das ja auch. Dass sie als „Sekte“ (im christlich begründeten Negativsinn) beschimpft wird, verdankt sich der oben skizzierten christlichen Tradition des Bekämpfens von Abspaltungen, was heute nicht mehr mit Schwert und Feuer, sondern mittels negativer Verbaletikettierungen geschieht.
Chan