Dein Lieblings-Frühlingsgedicht?

Hallo ihr,

zur Zeit schicken viele Leute freudige Mails durch die Gegend, in denen sie Mörikes „Frühling lässt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte …“ stehen haben.

Aber es gibt doch noch mehr gute Frühlingsgedichte!? Schreibt mir doch mal euer Lieblings-Frühlingsgedicht auf. Ein paar Favourites von mir:

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Rainer Maria Rilke
VORFRÜHLING

Härte schwand. Auf einmal legt sich Schonung
an der Wiesen aufgedecktes Grau.
Kleine Wasser ändern die Betonung.
Zärtlichkeiten, ungenau,

greifen nach der Erde aus dem Raum.
Wege gehen weit ins Land und Zeigens.
Unvermutet siehst du seines Steigens
Ausdruck in dem leeren Baum.

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Kurt Schwitters:
FRÜHE RUNDET REGEN BLAU

Runde das Grün
Schlafe maies Land
Grüne Tropfen tropfenweise
Leise Tropfen tropfen leise
Runde schlaf Land
Schlafe grüne Tropfenwiese
Grüne Tropfen sanften Lied
Grünen Grüne grün.

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Oder was Chinesisches von Su-tung-Po:
FRÜHLING

Zwischen sommerdunklen Zweigen
Fließen wieder alle Wasser,
Einer Weide langer Schatten
Dehnt und dehnt sich auf der Erde,
Aprikosenblüten fliegen,
Wind bläst durch der Menschen Kleider,
Sonne schimmert durchs Gewebe,
Sonne streut mit vollen Händen
Golddukaten - und sie bleiben
Haften am Gewand des Fremdlings
Lächelnd trägt er sie davon.

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Ernst Jandl:

kleine expedition

kratziger fuchs entpelzt sich seines amts
amselnd straßt er graswärts, noch geduckt.
im parktau tauscht er ins taubenkleid.
stadtrand schlägt rad. meilenblau pfaut mai.

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Ich freue mich auf viele weitere schöne Gedichte!
Christine

Hier:
Frühlingslied

  • Louis Fürnberg -

Der Frühling zündet die Kerzen an
in den grünen Kastanienkronen,
und die Wiesen sind gelb vom Löwenzahn
und rot von Anemonen.

Am Abend tollt ein junger Wind,
bläst in die Apfelblüten,
die schnei’n auf die, die mürrisch sind
und immer Trübsal brüten.

Sie werden davon ganz zugedeckt,
vom Kopf bis zu den Sohlen.
Die Kerle, die kein Frühling weckt,
die sollte der Teufel holen.

Und weckt diese Kerle kein Blütengeflock,
wird sie auch der Sommer nicht lohnen,
und rauscht es in unserm Bienenstock,
so enden sie wie die Drohnen.

Frühlingsgedichte
Hier:

Liebesfeier

Nikolaus Lenau (1802-1850)

An ihren bunten Liedern klettert
Die Lerche selig in die Luft;
Ein Jubelchor von Sängern schmettert
Im Walde, voller Blüt und Duft.

Da sind, soweit die Blicke gleiten,
Altäre festlich aufgebaut,
Und all die tausend Herzen läuten
Zur Liebesfeier dringend laut.

Der Lenz hat Rosen angezündet
An Leuchtern von Smaragd im Dom;
Und jede Seele schwillt und mündet
Hinüber in den Opferstrom.

Und hier:

Vorfrühling

Paul Heyse (1830-1914)

Stürme brausten über Nacht,
und die kahlen Wipfel troffen.
Frühe war mein Herz erwacht,
schüchtern zwischen Furcht und Hoffen.

Horch, ein trautgeschwätz’ger Ton
dringt zu mir vom Wald hernieder.
Nisten in den Zweigen schon
die geliebten Amseln wieder?

Dort am Weg der weiße Streif -
Zweifelnd frag’ ich mein Gemüte:
Ist’s ein später Winterreif
oder erste Schlehenblüte?

Monika

Hallo Trilli,

Frühling läßt sein blaues Band
Wieder flattern durch die Lüfte
Süße, wohlbekannte Düfte
Streifen ahnungsvoll das Land
Veilchen träumen schon,
Wollen balde kommen
Horch, von fern ein leiser Harfenton!
Frühling, ja du bist’s!
Dich hab ich vernommen!

Eduard Mörike (1804-1875)

Hugo von Hoffmannsthal

Vorfruehling

Es laeuft der Fruehlingswind
Durch kahle Alleen,
Seltsame Dinge sind
In seinem Wehn.

Er hat sich gewiegt,
Wo Weinen war,
Und hat sich geschmiegt
In zerruettetes Haar.

Er schuettelte nieder
Akazienblueten
Und kuehlte die Glieder,
Die atmend gluehten.

Lippen im Lachen
Hat er beruehrt,
Die weichen und wachen
Fluren durchspuert.

Er glitt durch die Floete
Als schluchzender Schrei,
An daemmernder Roete
Flog er vorbei.

Er flog mit Schweigen
Durch fluesternde Zimmer
Und loeschte im Neigen
Der Ampel Schimmer.

Es laeuft der Fruehlingswind
Durch kahle Alleen,
Seltsame Dinge sind
in seinem Wehn.

Durch die glatten
Kahlen Alleen
Treibt sein Wehn
Blasse Schatten

Und den Duft,
Den er gebracht,
Von wo er gekommen
Seit gestern Nacht.

gruss von kati

I LOVE IT!

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Hallo,

folgendes Gedicht ist von Georg Britting:

Aus einem April

Wieder duftet der Wald.
Es heben die schwebenden Lerchen
mit sich den Himmel empor, der unseren Schultern schwer war;
zwar sah man noch durch die Äste den Tag, wie er leer war -
aber nach langen, regnenden Nachmittagen
kommen die goldübersonnten
neueren Stunden,
vor denen flüchtend, an fernen Häuserfronten
alle die wunden
Fenster furchtsam mit Flügeln schlagen.

Dann wird es still. Sogar der Regen geht leiser
über der Steine ruhig dunkelnden Glanz.
Alle Geräusche ducken sich ganz
in die glänzenden Knospen der Reiser.

Gruß
Scarlet

Festlich feiere das Dorf;
Entsühnt euer Dorf jetzt, ihr Bauern,
spendet auf ländlichem Herd jetzt eure Kuchen fürs Jahr!
Opfert den Müttern der Feldfrucht,
den Göttinnen Tellus und Ceres,
jetzt mit eigenem Spelt, jetzt mit dem trächtigen Schwein!
Ist´s doch Gemeinschaftsarbeit, was Ceres und Tellus verbindet;
Keimen läßt diese die Frucht, Raum gibt dann jene dafür.

Ovid

Gruß
LouLou

Hallo Christine,
danke vor allem für das schöne Gedicht von Su Dungpo. Mein Frühlings-Lieblingsgedicht ist von Lu You (1125-1210).


Duftend in der Morgenluft brechen Pflaumenblüten auf
hier inmitten der Berge Schneewehen überall ringsumher
Myriaden, die erscheinen - doch welche davon ist die eine
Pflaumenblüte des einen Baumes, die diesen alten Mann erlöst

Die Pflaumenblüte steht für den Beginn des Frühlings - sie findet meistens schon im Februar statt, etwa einen Monat vor der Kirschblüte. Die Pflaumenblüte ist auch Thema eines berühmten Haiku von Matsuo Bashô (1644 -1694):


ume ga ka ni
notto hin no deru
yamaji kana

pflaumenblütenduft
plötzlich geht die Sonne auf
über dem Bergpfad

Oder hier bei Kobayashi Issa (1763-1827), das selbe Thema als Nachtstück:


ume ga ka ni
shôji hirakeba
tsuki yo kana

pflaumenblütenduft
öffne das schiebefenster
leuchtend heller mond

Wunderschön auch das Gedicht vom Betrunkenen im Frühling von Li Bo (auch Li Tai Po, 701-762). Ich zitiere die Übersetzung von Günter Eich, die Übersetzung Hans Bethges ist mE eigentlich nur in Gustav Mahlers Vertonung erträglich :wink:.


An einem Frühlingsmorgen betrunken erwachen

Das Leben geht so wie ein großer Traum dahin,
Und sich darin zu mühn, weiß wer den Sinn?
Von morgens bis zur Nacht hab ich getrunken.
Faul bin ich an der Schwelle hingesunken.
Da blinzelnd ich erwach, dringt aus dem Garten vor
Ein Vogelruf vernehmlich an mein Ohr.
Ich frag verschlafen, welche Zeit es sei,
Und flatternd ruft die Amsel mir zur Antwort: Mai!
O wie mich das bewegt und mir die Brust beengt!
Den Reiswein habe ich mir wieder eingeschenkt,
Den hellen Mond erwartend laut gesungen,
Den Seufzer schon vergessen, als das Lied verklungen.

Freundliche Grüße,
Ralf

Berichtigung
Hallo,

obiges Gedicht ist natürlich von Rilke !!!

Dies ist von Britting:

Schlüsselblumenland

Ach, die Wiesen! Seht die Wiesen!
Seht, die Wiesen werden wieder grün,
und die gelben Schlüsselblumen blühn!

Der Teich glänzt schwarz und unbewegt und klar,
die Wolke steht im Flatterhaar.
Am Himmel segelt, selig leise,
schnelle Reise,
eine weiße Wolkenschar.

Zwischen Knospen, in den Zweigen
des Holunders singt die Meise.
Wandelnd auf den feuchten Steigen
junge Männer mit dem Hute in der Hand,
und durch Mädchenzöpfe flicht sich
manch ein rot und blaues Band.

Wolken gehen, und die Mädchenkleider wehen
schattenwerfend übers Schlüsselblumenland.

Gruß
Scarlet

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JvE
Neue Liebe

Herz, mein Herz, warum so fröhlich,
So voll Unruh und zerstreut,
Als käm über Berge selig
Schon die schöne Frühlingszeit?

Weil ein liebes Mädchen wieder
Herzlich an dein Herz sich drückt,
Schaust du fröhlich auf und nieder,
Erd und Himmel dich erquickt.

Und ich hab die Fenster offen,
Neu zieh in die Welt hinein
Altes Bangen, altes Hoffen!
Frühling, Frühling soll es sein!

Still kann ich hier nicht mehr bleiben,
Durch die Brust ein Singen irrt,
Doch zu licht ist’s mir zum Schreiben,
Und ich bin so froh verwirrt.

Also schlendr’ ich durch die Gassen,
Menschen gehen her und hin,
Weiß nicht, was ich tu und lasse,
Nur, daß ich so glücklich bin.

(J. v. Eichendorff schrieb es mit 50 - was seine Frau wohl dazu gesagt hat?)

schon mal die Hugo Wolff-Vertonung gehört??
DIE ist geil!!!