Demenz: Ich-fühle-mich-so-allein-Phase?

Hallo Ihr Lieben,

meine 92-jährige Oma ist dement! Sie wohnt hier bei meiner Mutter und mir, der Pflegedienst kommt 5x die Woche, sie geht 2x die Woche von 10 bis 16 Uhr in die Tagespflege, was ihr von den Außenreizen auch gut tut. Wir spielen vor dem gemeinsamen Abendbrot immer noch Kniffel, was sowohl von der Feinmotorik als auch vom Rechnen her noch ganz gut klappt.

Aber jetzt ist sie seit einigen Tagen anscheinend in eine neue Phase gekommen! Und diesbezüglich würden mich Eure Erfahrungen interessieren!

Sie ist total unruhig, hält keinen Mittagsschlaf mehr, ruft ständig nach uns und sagt auf Nachfragen, was denn sei, immer: „Ich fühle mich so allein!“ oder „Lasst mich nicht allein!“

Dieses Rufen nach den Angehörigen kenne ich von meinem an Krebs hier im Haus verstorbenen Vater und Mann - aber das waren die Tage vor ihrem Tod! Die größte Angst meines Mannes war, wieder ins Krankenhaus zu müssen!

Ich befürchte, ich habe einen Fehler gemacht!

Die Tagespflege rief mich vorletzte Woche an und wies darauf hin, dass meine Oma einen sehr hohen Blutdruck habe. Ein paar Tage später ging es meiner Oma auch sichtlich nicht gut. Sie fasste sich ständig an die Brust, hielt sich den Kopf und atmete schwer. Mit ihrem Einverständnis, einen Arzt zu holen, rief ich den Rettungsdienst - Blutdruck 230. Sie blieb eine Nacht im Krankenhaus und wurde durchgecheckt! Aus medizinischer Sicht ist sie für ihr Alter aber fit! Aber sie mussten sie sedieren, da sie so unkooperativ war! Wie bitte?

Ich befürchte, dass sie diese Stunden ohne uns total durcheinander gebracht haben, und ich denke auch, dass sie die Sedierung überhaupt nicht vertragen hat.

Besteht für uns die Hoffnung, dass sie ihr „Urvertrauen“, nicht allein zu sein, wiedererlangt? Oder handelt es sich jetzt um eine neue Phase der Demenz? Oder ist es die jetzt auftretende Angst vor dem Tod?

Ich habe auf A4 Hinweise mit Fotos von meiner Mutter und mir ausgedruckt: „Wir sind mit den Hunden draußen, aber bald wieder da!“, „Ich bin einkaufen, aber Kathleen ist im Haus!“ etc.

Da meine Oma noch recht mobil ist, laufen wir Gefahr, dass sie uns mal im Nachthemd draußen sucht, wenn wir mit den Hunden unseren Morgenspaziergang machen.

Habt Ihr Tipps/Antworten/Erfahrungen?

Danke für das Lesen und viele Sonntagsgrüße

Kathleen 

Hallo!

Haben Sie sich mal an die Alzheimer Gesellschaft gewandt?
(Keine Beschränkung auf Alzheimer, gilt auch für andersartige Demenzen)
Dort gibt es auch ein Telephon.

(Es gibt die deutsche Variante, und örtliche, je nach Bundesland, auch mit vielen Veranstaltungen und Gruppentreffen, Ratschlägen, Informationsveranstaltungen, Newsletter, etc etc.)

Alzheimer Telefon:

030 259379514      Montag bis Donnerstag 9 bis 18 Uhr, Freitag 9 bis 15

01803 171017   (9 cent/min)

Gibt es eine Diagnose?
Könnte es sein, daß Ihre Großmutter in dem Augenblick schon nicht mehr weiß, wann sie zuletzt jemanden von Ihnen gesehen hat?

Mit freundlichen Grüßen,
                                  Sybil

Hallo Kathleen,

sie haben das alles schon recht gut erkannt.
Demente durchleben immer wieder verschiedene Phasen. Unruhe, Angst und Depressionen gehören leider dazu. In der Regel kommen und gehen die Symptome von allein.
Ein Krankenhausaufenthalt oder auch eine Kurzzeitpflege ist oft eine schwere Zeit für Demente und wirft sie zurück. Leider wird aus Personalmangel gerne sediert, wobei das nicht immer wirklich notwendig ist. Ein Demenzkranker brauch dann einige Zeit um sich nach dieser „Ruhigstellung“ wieder zu „normalisieren“.
Ich glaube, der momentane Zustand ihrer Oma wird sich wieder verbessern. Sie tun schon das richtige, indem sie ihr immer wieder klar machen, dass sie nicht allein ist.

Im Übrigen gibt es in vielen Orten Selbsthifegruppen für Angehörige von Dementen.
Die helfen ein auch weiter.

Mit lieben Grüßen
Kathi

Liebe Kathleen,

Sie haben die Situation sehr gut beschrieben sodass ich Ihre Oma vor mir sehen kann.
Leider kann ich keine genaue Angabe machen ob sich der Zusatnd bessert oder nicht. In der Regel wird es nach einem Krankenhaus Aufenthalt etwas besser aber so wie es verschiedene Phasen im Verlauf einer Demenz gibt, so gibt es auch unterschiedliche Formen der Demenz. Alzheimer ist eine Variante aber nicht die einzige.
Deshalb wäre es wichtig zu wissen welche Form vorliegt um Ihnen keine falschen Hoffnungen oder aber Angst zu machen.
Die Unruhe kann verschiedene Gründe haben und meistens ist es nicht der nacheliegenste. Demenzkranke bewegen sich zeitweise in einer anderen *Zeitzone* und zwar meistens rückläufig bishin zur Jugend bzw. Kindheit. Der Körper lbewegt sich im hier und jetzt und deshalb fällt es der Umgebung deutlich auf das etwas icht zusammen passst. Für Ihre Oma gilt das gleichermaßen.

Wenn sie sich z.B. in ihrer Kindheit befindet bedeutet das rufen etwas anderes als wenn Sie davon ausgehen das es im -jetzt- stattfindet. Ihre Oma durchlebt evtl die Ängste die sie im Krieg erleben musste als sie durch die Mutter (also Ihre Urgroßmuuter) während eines Angriffes in den Schutzraum gebracht wurde. Das würde auch die Herzschmerzen und den hohen Blutdruck erklären.

Um dem ganzen aber eine richtige Richtung zu geben wäre eine Biografie Ihrer Oma von vorteil. Hier ist ein Link, indem sehr schön die Anleitung zur Erstellung eines Biografieheftes erklärt wird, wozu es hilfreich ist und wie es das Zusammenleben erleichtern kann.

http://www.lzg-rlp.de/fileadmin/pdf/Biografieheft.pdf

Ich wünschen Ihnen, und auch Ihrer Mutter, weiterhin viel Kraft… Rufus

Hallo Kathleen,
sorry das ich mich jetzt erst melde. Ich habe deine Anfrage an unsere Fachkräfte weiter gegeben als Schulungs Beispiel.

Das mit der Sedierung ist halt so eine Sache, wir haben Festgestellt dass wenn ein Bewohner von uns ins KH muß ist das immer eine „Katastrophe“ , Demenz-Leute werden immer Sediert weil die im KH kein Personal für die Betreuung haben. Überlege mal wieviel Personal dort im KH auf der Station deiner Oma war ? ?
Jetzt lass mal 2 Demente dort auf Station sein !

Unsere Bewohner kommen immer in einem desolaten Zustand zurück, d.H. wenn deine Oma keine Liegegeschwüre ( Dekubitus ) hat, dann habt Ihr schon richtig Glück gehabt, Medis werden Umgestellt, sie Essen nichts, sie Trinken nichts, als wenn deine Oma nocht lebt habt Ihr, wie gesagt, Glück Gehabt.

Die Sache mit ich hab so Angst und lasst mich nicht allein, kann man nicht so genau sagen, hier ein Beispiel aus der Praxis aus unserem Haus. Wir haben eine Bewohnerin die auch schon über 90 Jahre ist hatte diese Phase auch 2 Jahre lang und nun ist diese Phase vorbei, warum wieso keiner weis es genau.

Ich hoffe du kannst was damit anfangen.

Viele Grüße

Michael Pohl

Liebe Kathlen,

Ich möchte Dir und Deiner Mutter ein GROSSES Kompliment machen!

Deine Schilderung hat mich sehr bewegt.

Von einer so Liebe- und Respektvollen, sorgfältigen und einfühlsamen Betreuung, wie ihr sie Eurer Mutter/Oma angedeihen lässt, können die meisten Demezerkrankten nur träumen!

liebe Grüsse lydiasonja