Hallo,
aus der emotionalen Sicht der Angehörigen ist so eine Situation furchtbar. Ein geliebter Mensch wird immer weniger. Der Geist und die Erinnerung verblassen, die Körperkräfte lassen nach, Ernährung wird immer schwieriger, und trotz progressivem Krankheitsverlauf, hohem Alter und einem uns an sich ja allen bewussten und unvermeidbaren Lebensende, hofft man natürlich immer noch auf Besserung, will einen geliebten Menschen nicht gehen lassen, und nicht einen vollkommen natürlichen Lauf der Dinge akzeptieren.
Ich habe hier schon oft geschrieben, wie man mit hochkalorischen und wohlschmeckenden Drinks wie Fresubin und Co. Menschen helfen kann, die keinen Appetit mehr haben, wenn die sonstige Situation noch irgendwie den Anschein macht, dass Hilfe möglich und auch im Interesse des/der Betroffenen ist.
Ich bewundere es sehr, wie gut Ihr Euch hier trotz großer Entfernung kümmert, und dass Du hier intensiv nach Hilfe und Unterstützung suchst. Ich möchte Dich/Euch als Angehörige aber hier aufgrund deiner Schilderung wirklich bitten zu überlegen, inwieweit Maßnahmen zu einer Lebensverlängerung in diesem Fall tatsächlich im Sinne der Betroffenen sind/sein können, und ob man hier nicht den in der Nahrungsverweigerung zum Ausdruck kommenden Willen mit der Folge einer weiteren Schwächung und eines dann ungehindert verlaufenden, unbelasteten Sterbeprozesses akzeptieren sollte. Denn hier besteht nach deiner Schilderung mE die nicht geringe Gefahr statt zu einer Lebensverlängerung zu einer Leidensverlängerung zu kommen.
Es geht dabei auch nicht darum Nahrung oder Flüssigkeit zu verweigern, sondern lediglich darum den Willen der Betroffenen in Bezug auf das Maß dessen, was noch gewünscht wird, zu akzeptieren. D.h. durchaus immer wieder liebevoll anzubieten, aber eben auch nicht aufzudrängen und zu zwingen.
In unzähligen Beratungen und Fällen zum Thema Betreuung/Vorsorgevollmacht/Patientenverfügung, … habe ich die unterschiedlichsten Einstellungen von Menschen zu dem kennengelernt, was sie sich für ihr Lebensende wünschen, und was sie diesbezüglich ablehnen. Dabei wird keine Maßnahme so vehement und in überwältigender Mehrheit abgelehnt, wie der Einsatz einer PEG-Magensonde, wenn diese nur noch dazu dient ein mehr oder weniger auf die Körperfunktionen beschränktes Leben zu verlängern, was gerade bei fortschreitender Demenz immer droht. Daher gibt es inzwischen sogar schon massenhaft Rechtsprechung dazu, dass Angehörige gerade eben auch in Fällen, in denen der Sterbeprozess noch nicht eingesetzt hat, bei unumkehrbarer, dauerhafter Zustandsänderung einen Abbruch einer künstlichen Ernährung durchgesetzt haben.
Wenn hier in einer Einrichtung von sich aus in durchaus weiser und im Interesse der Betroffenen liegenden Art und Weise ein solcher Behandlungsabbruch vorgenommen worden ist, dann könnt Ihr Euch eigentlich trotz der Dramatik der Situation nur glücklich schätzen, dass man dort nicht das wirtschaftliche Interesse einer möglichst langfristigen Belegung (man spricht bei der Magensonde auch gerne von "heimfähig machen), in den Vordergrund gestellt hat, sondern sich mit viel Realitätssinn und Respekt vor den (mutmaßlichen) Wünschen der Betroffenen entschieden hat. Ihr solltet dies als Zeichen sehen, dass auch Profis an einem Punkt angekommen sind, wo man außer liebevollem Kümmern und palliativen Maßnahmen leider nichts mehr tun kann, und akzeptieren muss, dass sich ein Leben dem Ende zuneigt.
Ich weiß nicht ob, und wie offen man von Seiten der Einrichtung in diesem Zusammenhang das Gespräch mit Euch gesucht hat. Solche Gespräche sind nicht einfach, belasten auch das Personal in den Einrichtungen massiv, und daher gibt es da natürlich ein hohes Meidungspotential. Auch mir fällt die Ansprache dieses Themas hier über die Anonymität und Entfernung natürlich deutlich leichter, als wenn ich Dir jetzt gegenüber sitzen müsste. Aber ich denke, es ist wichtig, dieses Thema offen anzusprechen.
Solltet Ihr zu dem Entschluss kommen, keine weiteren aktiven Maßnahmen in Bezug auf die Ernährung mehr unternehmen zu wollen, dann solltet Ihr Euch überlegen, ob in Bezug auf besseren Personalschlüssel, und mehr Zeit für die Betreuung in der letzten Lebensphase hier vielleicht der Umzug in ein Hospiz eine Möglichkeit wäre.
Ich wünsche Dir viel Kraft!
Gruß vom Wiz