Demokratiedefizit?

Politik Europa-Politik
#1

Kritiker des EU-Verfassungsentwurf sprechen oft einen großen Kritkpunkt an: Das Demokratiedefizit.
Es bestehe u.a. aus folgendem

  1. Das Parlament hat keine Gesetzesinitiative und nur eingeschränkte Gesetzgebungskompetenz
    — Kann mir jemand erklären, warum das so ist? Sollte ein Parlament - die Volksvertretung - nicht auch Gesetze einbringen können? und solte es nicht über ALLE Politikbereiche entscheiden können? Welche Intention steckt dahinter?

  2. Der Ministerrat stelle einen Zwitter aus Exekutive und Legislative dar, da die Minister auf nationaler Ebende die Exekutive vertreten, aber auf EU-Ebene die Legislative.
    — Kann man nationale und internationale Ebene überhaupt vergleichen? Und was wäre/ ist daran so schlimm?

3.Das Prinzip „one man, one vote“ ist nicht gewahrt, da eine Stimme eines Luxemburgers mehr Einfluss hat, als eine Stimme eines Deutschen.
— Gibt es überhaupt alternativen dazu, wenn man nicht möchte, dass das Parlament eine überdimensionale Größe annimmt?

Gibt es noch weiter Punkte, die ein Demokratiedefizit sind?

MfG

#2

Hallo,

  1. Das Parlament hat keine Gesetzesinitiative und nur
    eingeschränkte Gesetzgebungskompetenz
    — Kann mir jemand erklären, warum das so ist? Sollte ein
    Parlament - die Volksvertretung - nicht auch Gesetze
    einbringen können? und solte es nicht über ALLE
    Politikbereiche entscheiden können? Welche Intention steckt
    dahinter?

Die wichtigsten Funktionen moderner Parlamente sind Kontrolle (Opposition und Untersuchungs-Ausschüsse) und Bühnenfunktion (Politik darstellen, aufeinander schimpfen).
Nur in einem gewissen Teil der Parlamente (Arbeitsparlamente wie in Deutschland) sind Parlamentsausschüsse an der Erarbeitung von Gesetzen beteiligt. Das EU-Parlament ist ein Arbeitsparlament und die Parlamentarier sind rege am Gesetzgebungsprozess beteiligt. Das fehlende Initiativrecht ist relativ unwichtig, da das Parlament Wünsche für Initiativen an die Kommission schicken kann und die auch dort gehört werden.
Das Parlament ist halt nur dafür zuständig, für was die EU Kompetenz hat. Der Bundestag mischt sich auch nicht in die Länder-Kultusministerkonferenz ein. Deshalb ist das EU-Parlament nicht allmächtig.

  1. Der Ministerrat stelle einen Zwitter aus Exekutive und
    Legislative dar, da die Minister auf nationaler Ebene die
    Exekutive vertreten, aber auf EU-Ebene die Legislative.

Ist ja vom Aufbau nicht besonders anders als der Bundesrat.

— Kann man nationale und internationale Ebene überhaupt
vergleichen? Und was wäre/ ist daran so schlimm?

Beschwerden gibt es hier, weil der Ministerrat in gewissen Dingen ohne Parlament entscheiden kann. Das heißt, dass EU-Parlament darf nicht kontrollieren und die nationalen Parlamente sind meistens überlastet damit. Dadurch fehlt manchen Kritikern die Kontrolle.

3.Das Prinzip „one man, one vote“ ist nicht gewahrt, da eine
Stimme eines Luxemburgers mehr Einfluss hat, als eine Stimme
eines Deutschen.

Dieses Prinzip braucht es auch nicht unbedingt. In manchen Fällen kann es sogar sehr schädlich sein. In diesem Fall verträgt es sich nicht mit dem Minderheitenschutz.

— Gibt es überhaupt alternativen dazu, wenn man nicht
möchte, dass das Parlament eine überdimensionale Größe
annimmt?

Alternativen gibt es immer. Die Frage ist, ob sie mit dem Schutz von kleineren Bevölkerungsgruppen kompatibel sind.

Gibt es noch weiter Punkte, die ein Demokratiedefizit sind?

Kommt immer darauf an, was man unter Demokratie versteht. Die größten Probleme sind wohl im Bereich Öffentlichkeit/Medien. Ein großes Problem für die Kontrolle ist die Gesetzesflut, mit der überhaupt kleinere Staaten vollkommen überfordert sind. Mangelnde Partizipationselemente kann man der EU wohl auch vorwerfen, wobei das bei einem so großen Konstrukt immer schwer ist.

#3

Hallo,

3.Das Prinzip „one man, one vote“ ist nicht gewahrt, da eine
Stimme eines Luxemburgers mehr Einfluss hat, als eine Stimme
eines Deutschen.
— Gibt es überhaupt alternativen dazu, wenn man nicht
möchte, dass das Parlament eine überdimensionale Größe
annimmt?

ja. Ich stelle mir vor, dass man einen Schlüssel von 1 Abgeordneter je 1 MIo EInwohner (750.000 WÄhler) einführt, allerdings berechnet pro Land. Die errechneten MAndate pro Land werden aufgerundet*. DAmit hat jedes Land mind. 1 Vertreter.

Ciao maxet.

*mathematisch definiert: Nachkommastelle abgeschnitten und 1 dazugezähzlt

#4

Malta und Luxemburg werden sich freuen.
Hallo,

glaubst du Malta und Luxemburg sind mit jeweils einem EU-Abgeordneten als souveräner Staat genügend vertreten?
Was würdest du davon halten, wenn du Malteser oder Luxemburger wärst?

Gruß,
Hannes

#5

Hallo,

glaubst du Malta und Luxemburg sind mit jeweils einem
EU-Abgeordneten als souveräner Staat genügend vertreten?
Was würdest du davon halten, wenn du Malteser oder Luxemburger
wärst?

es geht um Europa und nicht um Luxemburg, Zypern und Malta.
Und diesen Staaten gehörte dann nunmal nur eine Stimme und alles andere wäre undemokratisch.
Was würdest Du als z.B. NRW´ler sagen, wenn im BundesTAG die Sitzverteilung so wäre wie im BundesRAT? (3Stimmen für 600.000 zu 6 Stimmen für ca. 20 Mio. Einwohner)
Ich jedenfalls würde Verfassungsbeschwerde einreichen.

Gruß, Joe

#6

Hallo,

es geht um Europa und nicht um Luxemburg, Zypern und Malta.

Naja, noch sind die Nationalstaaten nicht aufgelöst, und die Einwohner identifizieren sich nun mal mit diesem politischen Rahmen. Es ist auch demokratisch dieses zu berücksichtigen.

Und diesen Staaten gehörte dann nunmal nur eine Stimme und
alles andere wäre undemokratisch.

Dann solltest du mal intensiv darüber nachdenken was Demokratie heißt. Selbst Aristoteles war da schon vorsichtiger.

Was würdest Du als z.B. NRW´ler sagen, wenn im BundesTAG die
Sitzverteilung so wäre wie im BundesRAT? (3Stimmen für 600.000
zu 6 Stimmen für ca. 20 Mio. Einwohner)
Ich jedenfalls würde Verfassungsbeschwerde einreichen.

Was willst du mir damit sagen? Dass der BundesRAT „undemokratisch“ ist? Ich halte es für sehr wichtig, dass die „Saarländer“ und „Bremer“ auch ein Stück weit vor der Übermacht der „Bayern“ und NRWler" geschützt werden. So funktioniert das halt mal in einem föderalen Staat.

Gruß,
Hannes