Den Text verstehe ich nicht / Distopien

Hallo!

Warum braucht sie ein Stück Ratlosigkeit, wenn sie ratlos ist. Den markierten Text verstehe ich nicht.

Danke sehr

»Ich bin ein Stück weit ratlos«,
sagt sie. Dann: »Wir brauchen mehr
Platz für Ratlosigkeit.«

Reicht Ratlosigkeit für eine neue
Friedensbewegung? In den Achtzigerjahren
waren die Menschen nicht ratlos,
sondern saßen auf ihren warmen
Sofas und waren wütend, dass man sie
der Gefahr eines Atomkriegs oder
eines Super-GAU aussetzte. Ihre
Ängste bezogen sich auf Vorstellungen,
auf Dystopien wie jene von Jonathan
Schell. Und wer will schon einer
Dystopie widersprechen? Wer will
sagen, es kommt auf keinen Fall so?

Hi

Wikipedia sagt: Eine Dystopie ist eine meist in der Zukunft spielende Erzählung, in der eine erschreckende oder nicht wünschenswerte Gesellschaftsordnung dargestellt wird.

Hilft dir das weiter?

Gruß h

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Ich muss eine Nacht darüber schlafen. Danke sehr

Hallo @Nadja.

Warum braucht sie ein Stück Ratlosigkeit, wenn sie ratlos ist.

Hier ist ein Stück weit eine Einschränkung, eine Relativierung. Die Kernaussasge ist „Ich bin ratlos“. Der Zusatz „ein Stück weit“ relativiert diese Aussage, sie ist nicht vollkommen ratlos, sondern nur ein bisschen ratlos.

Dabei bleibt es dem Leser überlassen, was man sich unter „ein bisschen ratlos“ vorstellen möchte. Denn eigentlich ist „ratlos“ eine klare Sache, man weiß keinen Rat. Ich habe bei dem Text die Vorstellung, dass sie über die Situation nachdenkt und Gedanken und Ideen hat, wie man vielleicht eine Lösung finden könnte, aber ihren Gedanken nicht vertraut, keine klare Perspektive sieht. Deswegen steht sie nicht völlig hilflos und ratlos da, aber weiß auch keinen richtigen Rat.

Liebe Grüße
vom Namenlosen

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Was ich noch nicht verstehen kann, ist, warum man Dystopien nicht widersprechen kann bzw. darf.

Vielen Dank und Grüße

Hallo @Nadja,
zum Widerspruch braucht man eine Aussage, der man widersprechen kann. Wenn ein Militärexperte eine Vorhersage macht, wo Russland angreifen oder sich zurückziehen, eine Schlacht gewinnen oder verlieren wird, dann kann man dieser Aussage widersprechen. Dann kann man darüber diskutieren, wie viele Soldaten und Panzer an welcher Stelle verfügbar sind und solche Sachen.

Eine Dystopie ist aber eine fiktionale Geschichte. Da denkt sich jemand eine Geschichte aus, die ein Bild voller Angst und Schrecken, Leid und Elend malt. Der Autor behauptet gar nicht, dass die Welt sich genau so entwickeln werde, also kann man ihm auch nicht widersprechen. Er beschreibt nur eine Vorstellung, eine Angst, eine bedrohliche Möglichkeit. Der Möglichkeit, dass es so kommen könne, kann man schlecht widersprechen. Das sagt der Autor deines Textes.

Allerdings könnte hier ein rhetorischer Trick vorliegen. Möglicherweise hat der Text bloß den Zweck, die eingangs mit ihrer Ratlosigkeit zitierte Person zu diskreditieren. Hier geht meines Erachtens aus dem Textausschnitt nicht klar hervor, welchen Zweck der Autor verfolgt.

Denn man kann selbstverständlich darüber diskutieren, ob eine Dystopie realistisch ist. Man kann überlegen, ob die dort dargestellte Entwicklung wahrscheinlich ist. Und man kann analysieren, welche Stilmittel und Methoden der Autor verwendet, um beim Leser bestimmte Gefühle zu erzeugen, den Leser zu manipulieren. Ebenso kann man der Dystopie auch eine andere Geschichte gegenüberstellen, wie sich die Welt aus der gleichen Situation heraus auch entwickeln könnte. Diese Möglichkeiten, mit dem Text zu arbeiten, fehlen in deinem Textausschnitt.

Liebe Grüße
vom Namenlosen

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Vielen Dank Der_Namenlose.

Ich habe es verstanden.

In der Friedensbewegung galt Angst als
Zeichen der Vernunft. Die Wahnsinnigen waren
die anderen, die Falken, die Regierenden.
Die Tauben lasen erschrocken Jonathan
Schells »Das Schicksal der Erde«, eine Dystopie
von der Welt nach einem Atomkrieg.
Auszug: »Obwohl es unangemessen erscheinen
mag, im selben Atemzug vom Tod vieler
Millionen Menschen und von ›Kultur‹ zu
sprechen, sollte doch festgehalten werden,
dass ein unbeschränkter Holocaust, der die
ganze nördliche Hemisphäre erfassen würde,
die Kulturen Europas, Chinas, Japans, Russlands
und der Vereinigten Staaten von der
Erdoberfläche fegen würde.«