Hallo liebe Auskenner,
was ist davon zu halten, wenn eine Praxis grundsätzlich diese Art der Füllung macht, also die Standardfüllung, die von der Kasse bezahlt wird, gar nicht anbietet?
Ist das sinnvoll?
Fragt:
agnes
Hallo liebe Auskenner,
was ist davon zu halten, wenn eine Praxis grundsätzlich diese Art der Füllung macht, also die Standardfüllung, die von der Kasse bezahlt wird, gar nicht anbietet?
Ist das sinnvoll?
Fragt:
agnes
Leider sagt das nur etwas über den Preis aus, nichts über die Qualität der Füllung.
Der Name ist zumindest schon mal zutiefst beeindruckend, schließt aber nicht aus, dass sie (die Füllung) digital appliziert und gingival abgestützt ist.
Reine Vertrauenssache, die Qualität der Füllung läßt sich aber mit Zahnseide in etwa kontrollieren. Spleißt der Faden auf, beim Durchziehen zwischen den Zähnen, weil er hängen bleibt (nicht durch einen strammen Engstand), steht ziemlich sicher fest, dass die Füllung nicht lege artis gelegt wurde.
Gruß Droskar
Hallo Droskar,
danke für die Antwort.
Verstehe ich das richtig? Diese Art der Füllung ist nicht von besserer Qualität als eine „herkömmliche“?
Grüße,
agnes
Ganz sicher nicht durch die Art der verwendeten Füllungsmaterialien, wobei ich allerdings klarstellen möchte, dass ich mich auf eine Diskussion diese Frage betreffend, nicht einlassen werde.
Ein teureres Füllungsmaterial ist eben nicht zwangsläufig das bessere. Die Qualität der Füllung resultiert in erster Linie aus der Exaktheit und der Oberflächenstruktur, d.h. poliert oder unpoliert Randschluß etc. Alle auf dem Markt befindlichen Füllungsmaterialien sind zertifiziert d.h. sie müssen zugelassen sein. Es gibt dafür gesetzliche Bestimmungen.
Eine schlecht gelegte Füllung bleibt eine schlecht gelegte Füllung, völlig unabhängig vom verwendeten Material.
Ein gut zu verarbeitendes Material erleichtert unter U. das Legen einer Füllung ist aber kein Parameter für die Qualität.
Gruß Droskar
Danke nochmal für deine Ausführungen
Viele Grüße,
agnes
Servus Agnes,
in einer bundesweiten Zahnärzte Mailliste hat sich eben eine lange und intensive Debatte zu diesem Thema abgespielt. Ich versuche laiengängig zusammen zu fassen:
Die meisten ZA sind sich darüber einig, dass die unkomplizierteste, sicherste und haltbarste Füllung im Seitenzahnbereich die Amalgamfüllung ist. Zahnärzte sind - wie Ärzte - dem ‚nil nocere‘-Prinzip verpflichtet:
http://www.pflegewiki.de/wiki/Nil_nocere
Eine kleine Minderheit der ZÄ ist der Meinung, dass die Verwendung von Amalgam, wegen seines Quecksilbergehalts, bereits gegen dieses Prinzip verstößt. Die Beweislage dafür ist unzureichend:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/11258092
Alle ZÄ wissen, dass die sogenannten weißen Füllungen bei den Patienten grundsätzlich beliebter sind. Dass zahnfarbene Füllungen im Seitenzahnbereich das Spektrum von ‚gefährlicher Schrott‘ bis ‚naturidentische Spitzenleistung‘ abdecken können, ahnen die Patienten zwar, die Beurteilungskriterien dafür sind nicht verbreitet und von fachfremden Wertmaßstäben überlagert.
Früher war - zumindest für die Kassenzahnärzte - noch geregelt, welches Füllungsmaterial den Versicherten zusteht. Das war „in der Regel“ Amalgam. Weil diese Füllungen nicht sehr attraktiv honoriert wurden, hat sich die Zahnärzteschaft nicht lauthals zu Wort gemeldet, als im gemeinsamen Bundessauschuss der (Zahn)Ärzte und Krankenkassen eine Richtlinie formuliert wurde, die alternative Materialien neben das Amalgam stellte:
3. Die konservierende Behandlung der Zähne soll so erfolgen, dass
a) die Kavitäten unter Beachtung der Substanzschonung präpariert werden,
b) die Karies vollständig entfernt wird,
c) notwendige Maßnahmen zum Pulpenschutz durchgeführt werden,
d) Form und Funktion der Zähne wiederhergestellt werden,
e) die Füllungsoberflächen geglättet werden.
4. Es sollen nur anerkannte und erprobte plastische Füllungsmaterialien gemäß ihrer medizinischen Indikation verwendet werden. Die aktuellen Gebrauchs- und Fachinformationen und Aufbereitungsmonographien sollen berücksichtigt werden.
5. Alle nach Nummer 4 indizierten plastischen Füllungen sind auch im Seitenzahnbereich im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung zu erbringen. Adhäsiv befestigte Füllungen im Seitenzahngebiet sind nur in Ausnahmefällen Bestandteil der vertragszahnärztlichen Versorgung.
Die Mehrkosten, die für die fachlich vertretbaren Amalgamalternativen verlangt werden dürfen, sind seither Bestandteil der Verträge zwischen Kassen und Vertragszahnärzten. Nicht in den Richtlinien steht, dass know-how und Zeitaufwand für eine Composite (Kunststoff)-Füllung anspruchsvoll sind und dass ohne Dentin- und Schmelzätzung, Adhäsivtechnik und Schichtung in kleinen Inkrementen eine solche Füllung versagen wird. Sie tut es dann meistens dort, wo man es schlechtesten sieht: an der Grenzfläche zwischen Füllung und Zahnsubstanz, wo dann Prozessionen von Kariesbakterien in den Spalt einwandern können, während es ‚von außen‘ immer noch wie neu aussieht.
Andere Alternativen (Compomere) vereinigen die schlechten Eigenschaften beider Welten in sich: sie brechen gern, führen häufig zu offenen Zahnzwischenräumen (>Zahnstocher) und verlieren bald ihre ursprüngliche Höckerkontur, was Füllungen weitgehend unbrauchbar macht.
Hier hat man nach politischer Beliebigkeit einen ‚Markt‘ eröffnet, wo Markt nichts zu suchen hat. Die erforderliche verbraucherschützende Markttransparenz hat man ‚vergessen‘, was heute dazu führt, dass Verbraucherschützer versuchen müssen, mit ihren geringen Mitteln die gewollten Informationsdefekte zu schließen.
Fazit: wenn Dein ZA Dir die vertragsgerechte Füllung verweigert, liegt das evtl. daran, dass die ‚Vertragsgerechtigkeit‘ gewollt im Vagen belassen worden ist, damit man den Versicherten nicht sagen muss, dass für den Seitenzahnbereich immer noch gilt:
Zuzahlen und hoffen, dass es gut gemacht ist, oder die ‚hässliche und giftige‘ Amalgamfüllung hinnehmen.
So isses leider nun mal
http://ecx.images-amazon.com/images/I/51S6G0PTR2L.jpg
Gruß
Kai Müller
Sorry, habe für die Abfassung meines ‚Monumentalwerks‘ etwas länger gebraucht und klappe deshalb hinter DRoskar nach.
Wow - danke Kai für die ausführliche Erklärung!
Ganz kapiert hab ich es noch nicht - aber ich arbeite dran
Lieben Gruß,
agnes
Amalgam ist völlig unbestritten mit großem Abstand das am intensivsten erforschte Füllungsmaterial für Zähne. Man kann des weiteren konstantieren, dass es kaum Autoren gibt, die dem Amalgam nach heute bekannten und akzeptierten wissenschaftlichen Kriterien, eine krankmachende Potenz unterstellen.
Weiße Füllungsmaterialien sind demzufolge weitaus weniger intensiv erforscht, was auch daran liegt, dass sie erst seit vergleichsweise kurzer Zeit auf dem Markt sind.
Selbst wenn man unterstellt, dass von ihnen keine allergogene Potenz ausgeht (was eben wissenschaftlich bisher nicht bewiesen werden konnte, neben anderen Parametern), genügt für mich die schlichte Erkenntnis, dass sie kaum (im Seitenzahnbereich) nach den Regeln der ärztlichen Kunst gelegt werden können. Sie sind geradezu eine unverzichtbare Voraussetzung für die möglichst frühzeitige füllungsinduzierte Zerstörung der Zähne!
Grundsätzlich gilt für Kunststofffüllungen, dass sie der Abbindekontraktion unterliegen und damit vom Prinzip her, nicht randspaltdicht sind. Dies weiß die Industrie, das weiß jeder Zahnarzt und das spürt irgendwann auch der Patient anhand der nicht wieder gut zu machenden Schäden an seinen Zähnen.
Besonders grotesk ist es, dass Zahnärzte sich darauf einlassen, mit allerlei technischen Tricks diese miserablen Füllungsmaterialien hoffähig zu machen und die erhebliche Mehrarbeit für diese Art der Versorgung, sich von der Industrie auch noch aufs Auge drücken zu lassen.
Es gehört zur semantischen Dialektik der „wissenschaftlichen Zahnheilkunde“ die Mehrschichttechnik, die als direkte unheilvolle Konsequenz der Abbinde-Volumenkontraktion von Füllungsmaterialien zu gelten hat, als besonders herausragende und wertvolle Dienstleistung zu apostrophieren und den Patienten dafür auch noch zur Kasse zu bitten. Für mich ist das eine unverschämte Frechheit, aber da sind die Zahnärzte wohl die besten Lobbyisten der chemischen Industrie!
Servus Kollege DrOskar,
selbst für die Erfordernis der Politur von Non-Gamma-Amalgamen gibt es keine Evidenz. Früher (also in den frühen 70igern) war diese Politur notwendig. Wer die Kosten für diese Amalgamvariante nicht gescheut hat (Dispersalloy als Pionier war wesentlich teurer als die Degussa Amalgame), hat damals noch poliert, weil er es so gelernt hatte, nicht weil es notwendig war. Die ersten Arbeiten zu diesem Thema stammten damals, glaube ich, aus Leipzig.
Hier ist noch ein hervorragender Link zur Amalgam Thematik (incl Aussagen zur Politur) aus heutiger Sicht.
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3010024/…
Grüße
Kai Müller
Lieber Kollege Kai
die Politur von Füllungen, unabhängig vom Material, war nie Bestandteil von Abrechnungsbestimmungen oder Inhalt von Leistungsbeschreibungen. Man konnte diese Leistung erbringen oder es sein lassen, wobei Amalgamfüllungen sich auch in größeren Zeitabständen zur Nachpolitur empfahlen.
Die Politur stellt in jedem Falle eine Veredlung der Oberfläche dar (nicht nur bei metallischen Werkstoffen), sofern nicht, durch die Art der Einbringung, diese bereits gewährleistet ist.
Die Politur, und damit die Veredlung der Oberfläche, dient nicht der Verschönerung oder der optischen Aufhübschung der zahnärztlichen Füllungstherapie, sondern dient der nachweislichen Erhöhung der Verweildauer von Füllungsmaterialen im Munde der Patienten.
Daher ist es mehr als beklagenswert, dass diese Leistung noch nicht einmal freiwillig erbracht wird. Die Diskussion um bestimmte Amalgame, sie aus Gründen der Freisetzung von Quecksilber, nicht zu polieren, ist mir wohlbekannt ändert aber nichts an der grundsätzlichen Richtigkeit der zwingenden Notwendigkeit von Polituren.
Der Kauf eines Neuwagens beinhaltet standardmäßig eine hochglanzpolierte Lackoberfläche (ohne Mehrkosten) und man weiß warum, die Zahnärzte verweigern standardmäßig die Politur ihrer Werkstücke, und man weiß auch warum.
Für mich eine Schande.
Aber vielleicht sind wir ja gar nicht so weit auseinander.
Liebe Grüße
droskar
Lieber Kollege Kai
Servus,
die Politur von Füllungen, unabhängig vom Material, war nie
Bestandteil von Abrechnungsbestimmungen oder Inhalt von
Leistungsbeschreibungen. Man konnte diese Leistung erbringen
oder es sein lassen,
Das stimmt nicht. Ich war Vertragszahnarzt von 1975 an. Bei der Amalgamfüllung stand in der Leistungsbeschreibung das ‚inklusive Politur‘ explizit im BEMA.
wobei Amalgamfüllungen sich auch in
größeren Zeitabständen zur Nachpolitur empfahlen.
Die Politur stellt in jedem Falle eine Veredlung der
Oberfläche dar (nicht nur bei metallischen Werkstoffen),
Was immer mit dem Begriff „Veredlung“ gemeint sein mag, steht dahin. Ich habe gelernt, dass die Politur von Legierungen (und Metallen) die ‚spezifische Oberfläche‘ -, und damit die Korrosionsbereitschaft verringert. Für ‚Non-Gamma‘-Amalgame scheint dies aber keine praktische Bedeutung zu haben:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/6585528
Dafür scheint sich aber das ‚burnishing‘ (das ‚Glattreiben‘ der Oberfläche mit geeigneten Instrumenten vor und nach dem Schnitzen für Dispersalloy als überlegene Methode zu erweisen:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/9497675
sofern nicht, durch die Art der Einbringung, diese bereits
gewährleistet ist.
Die Politur, und damit die Veredlung der Oberfläche, dient
nicht der Verschönerung oder der optischen Aufhübschung der
zahnärztlichen Füllungstherapie, sondern dient der
nachweislichen Erhöhung der Verweildauer von
Füllungsmaterialen im Munde der Patienten.
Das mit dem ‚nachweislich‘ in der (Zahn)Medizin ist, wie wir wissen, für rund fünfzig Jahre nicht so wichtig gewesen. Das meiste dessen, was man uns beigebracht hat, war mehr ‚eminenz‘-, denn evidenz-basiert. Insofern hat die universitäre Zahnheilkunde in DE erst vor vielleicht 10 - 15 Jahren angefangen, wahrhaft naturwissenschaftlich zu agieren. Zur Erinnerung: in den 70iger Jahren gab es in München einen einzigen Privatdozenten für alle (Zahn)mediziner, den man konsultieren konnte, wenn man wissenschaftliche Daten und die daraus gezogenen Schlüsse statistisch prüfen und absichern wollte.
Daher ist es mehr als beklagenswert, dass diese Leistung noch
nicht einmal freiwillig erbracht wird. Die Diskussion um
bestimmte Amalgame, sie aus Gründen der Freisetzung von
Quecksilber, nicht zu polieren, ist mir wohlbekannt ändert
aber nichts an der grundsätzlichen Richtigkeit der zwingenden
Notwendigkeit von Polituren.
Dafür hast Du Daten?
Der Kauf eines Neuwagens beinhaltet standardmäßig eine
hochglanzpolierte Lackoberfläche (ohne Mehrkosten) und man
weiß warum, die Zahnärzte verweigern standardmäßig die Politur
ihrer Werkstücke, und man weiß auch warum.
Für mich eine Schande.
Aber vielleicht sind wir ja gar nicht so weit auseinander.
Wenn alle fahrlässigen und vorsätzlichen Schludereien in der praktischen Zahnmedizin mich so wenig jucken würden, wie die unpolierten Füllungen, würde ich mir nicht täglich meinen Hintern am Computer flachsitzen
Es scheint aber tatsächlich so zu sein, dass die ‚Schlimmen‘ dieses Forum hier meiden. Dies auch, wenn die anwesenden ‚Experten‘ sich nicht über alles immer einig sein können.
In diesem Sinne:
LG
Kai Müller
Lieber Kollege Kai Müller,
Sie haben natürlich recht, „einschließlich Politur“, aber (wohl) nur für Amalgam-Füllungen. Das unterblieb aber flächenmäßig und als ehemaliger Zahnarzt und langjähriger Gutachter weiß ich, wovon ich spreche.
In der Literatur zur Werkstoffkunde ist eindeutig definiert, was man unter Politur (Rauhigkeit) zu verstehen hat, nämlich den Quotienten aus Rauhtiefe und mittlerem Riefenabstand. Erweiternd muss man für die Zahnheilkunde ergänzen, dass eine nicht glatte Oberfläche als Retentionsnische für Bakterien, Speisereste und abgeschilferte Zellen oder Zellverbände zu gelten hat, was kariöse Prozesse induziert und oder erhält und Mundgeruch zur Folge hat.
Die Verminderung der Korrosionsbereitschaft polierter Oberflächen ist bereits Bestandteil der Veredlung, durch zu diesem Zweck entwickelte Schleifmittel oder spanabhebende Instrumente, wie das bei auch bei dem sogenannten Burnishing der Fall ist.
Die ersten wissenschaftlich fundierten Lehrbücher zur zahnärztlichen Werkstoffkunde gab es schon Anfang der 70-iger Jahre, Lehrbücher zur allgemeinen Werkstoffkunde lange Zeit davor. Ende der 60-iger Jahre bereits war Werkstoffkunde Lehrfach für Zahnmediziner in Münster/Westfalen.
Die wissenschaftliche Zahnheilkunde gibt es spätestens seit Körber, Gerber, Marxkors u.a. also deutlich länger als nur 15 Jahre.
Ich bin aber nicht in dieses Forum gekommen um mich zu streiten oder als Besserwisser aufzuspielen. Mir geht es darum, den Eindruck zu schwächen, Zahnmediziner säßen im Zirkuszelt vor der Glaskugel und betrieben ihre Wissenschaft als Spökenkieker.
Das teilweise erschreckend niedrige Niveau in den Gesundheitsforen ist ganz sicher auch dadurch bedingt, dass es den Ärzten bis heute nicht gelingt, verständlich Auskunft zu geben.
Kollegiale Grüße
Droskar