Hallo Gerrit,
bei solchen Taten liegt die Überlegung in Richtung Persönlichkeitsstörung deshalb nahe, weil ein erweiterter Selbstmord auch mit der Übertragung eigener Gefühle von Wut, Hass oder Verzweiflung auf andere zu tun haben kann.
Diese Formen von Projektiver Identifizierung wären für einige Persönlichkeitsstörungen viel typischer als für eine Depression.
Auch ein Narzisst oder Borderliner legt eigene Gefühle in andere hinein.
Bei einem Täter mit narzisstischer PS bestünde jedoch die Chance, dass er seine Tat als Übertragung der eigenen Wut oder Opferidentität emotional nachzuempfinden lernen kann.
Bei einer antisozialen PS besteht diese Brücke nicht.
Der Rückweg, der eine Verbindung eines eigenen emotionalen Erlebens mit dem, was er anderen antut darstellt, ist abgeschnitten.
Die oft scheinempathische –vielmehr übertragende – Fähigkeit des Narzissten, Gefühle anderer zu manipulieren und dann einzuschätzen(!), ist bei der antisozialen Persönlichkeit sozusagen völlig im kognitiven Zentrum verkapselt.
Es gibt keinen spiegelnden Schaltkreis der Mitgefühl möglich macht.
Der hier aufkommende Gedanke an eine antisoziale PS begründet sich also auch darin, dass eine Fähigkeit zu Reue, echter Empathie oder Gewissensbissen die Ausführung einer solchen Tat in Frage stellt.
Ein an Depression erkrankter überträgt zumeist nicht, oder wenn dann eher seine eigenen Schuldgefühle, nimmt doch im Gegenteil eher zuviel Verantwortung auf sich.
Wobei diese „Beimischung“ auch in der Handlung des Co-Piloten erkennbar wäre, in der Übertragung von Schuldgefühlen an seine eigenen Eltern.
Kategorisierungen und glasklare Trennungen sind schwierig.
Depression wird zwar als innere Leere oder Teilnahmslosigkeit einer Folgeerscheinung verschiedener Persönlichkeitsstörungen zugeschrieben, Depression aber als Ursache der hier thematisierten Handlungen zu diskutieren, empfinde ich auch als verfehlt – oder vielleicht der oberflächlichen Leichtverdaulichkeit von Medienberichten oder der Diskretion geschuldet.
Möglicherweise bestehen auch Schwierigkeiten, gerade eine gut angepasste antisoziale Persönlichkeitsstörung zu erkennen, solange der Betreffende nicht strafrechtlich auffällig wird.
Beispiele für eine antisoziale Persönlichkeit werden im Delinquenzbereich sehr viel deutlicher.Wie bei dem Serienmörder Klaus S., der zwar in beeindruckender Weise eine kognitive Klarheit für seine ungeheuerlichen Taten zeigt, dem aber jegliche emotionale Rückkopplung, sowohl an seinem eigenen Schicksal als auch an dem seiner Opfer deutlich fehlt.Der redet darüber wie übers Kuchenbacken.
(In der Doku „Mörderische Triebe“ ein interessantes Portrait)
Grüße
Heidi