Überraschend haben sich die Briten für ein Ausscheiden aus der EU ausgesprochen. Ich habe hier schon lange die Nachteile und Fehlentwicklungen, die der wachsende Einfluss der EU-Institutionen mit sich gebracht hat, angesprochen. Jedoch werden es kaum meine ViKa und meine Beiträge gewesen sein, die die Briten zu dieser Wahl veranlasst haben werden. Daher nehme ich mir die Freiheit, die Entscheidung der Briten in einer umfassenden Analyse zu kommentieren und diese zur Diskussion zu stellen.
Dank und Anerkennung
Zunächst einmal ist den Briten ausdrücklich Dank und Anerkennung auszusprechen, dass sie sich mit knapper Mehrheit für den Brexit entschieden haben. Das Ergebnis ist in der Tat überraschend, wie zum Beispiel die steigenden Börsenkurse kurz vor dem Referendum gezeigt haben. Man hatte nicht damit gerechnet.
Die Anerkennung muss man deswegen aussprechen, weil sich die Mehrheit nicht von der Angst und Hetze hat beeinflussen lassen. Schon seit Jahren begleitet uns die EU mit ihrem immer undemokratischer, immer intransparenter und immer aufgeblähter werdenden Apparat. Doch anstatt diese Tendenz umzukehren und einen spürbaren Umbau in die Wege zu leiten, der eine Stärkung der Nationalstaaten und Regionen mit ihren historisch gewachsenen demokratischen Strukturen umfasst, hat man versucht, durch Verbreitung von Unwahrheiten und Drohszenarien Angst zu schüren. Zuletzt wurde auch das Attentat auf die Labour-Abgeordnete dazu genutzt, dem gesamten Spektrum an EU-Kritikern gewisse Tendenzen zuzusprechen.
Das Schüren von Angst hat jüngst in Österreich (leider) noch funktioniert. Bei den Briten glücklicherweise nicht. Sie haben sich nicht davon abbringen lassen, auf die berechtigte Kritik auch die notwendige Konsequenz folgen zu lassen.
Insbesondere hat man versucht, wirtschaftliche Nachteile eines Brexits herbeizureden. Dabei lassen sich alle Handelsbeziehungen problemlos fortführen. Ein Arbeitsplatzverlust steht also weder bevor noch könnte die EU ihn verhindern, wie man an südeuropäischen Ländern oder Frankreich sieht. Hinzu kommt das Gerede davon, dass die EU den Frieden sichere. Politische Zusammenarbeit bleibt aber künftig auch möglich. Im Gegenteil, ohne die Brüsseler Krake, die durch ihr Eingreifen in alle Bereiche die Verteilungskämpfe zwischen den Mitgliedsstaaten noch anheizt, lässt sich die politische Zusammenarbeit unbeschwerter bewerkstelligen. Diese Eigenverantwortung ist eine große Zukunftschance.
Eurokratie und Masseneinwanderung
Die Suche nach den Ursachen für das Abstimmungsergebnis führt natürlich zunächst nach Brüssel. Der seit Jahren stetig wachsende Apparat bedeutet ein Schritt für Schritt enger werdendes Abschnüren der nationalen Kompetenzen. Die EU regiert in alles hinein - und das ohne Grund. Sie war einstmals als Kompetenzzentrum von Experten angelegt, die über grobe Rahmenbedingungen, speziell in Angelegenheiten des freien Warenverkehrs, debattieren und Minimumstandards festlegen sollten. Daraus wurde ein Koloss ungewählter Funktionäre, die eine Richtlinie nach der anderen erlassen. Und das sogar in Bereichen, in denen gar keine europäischen Vorgaben notwendig sind. Warum halten die Eurokraten die frei gewählten nationalen Parlamente nicht für fähig, über die Aufdrucke auf Zigarettenschachteln oder die Förderung von Frauen in Führungspositionen zu entscheiden? Das ist gegen den EU-seitig selbst auferlegten Grundsatz der Subsidiarität.
Die EU hatte vor dem Brexit alle Chancen, diese Tendenz zu korrigieren. Sie ist jedoch daran gescheitert, weil dies ein Ende der wachsenden Macht und der Karrieremöglichkeiten der Funktionäre bedeutet hätte, die sich in einem sich stetig weiter verselbständigenden Apparat der Selbstverwaltung ungeahnte Zugriffsmöglichkeiten erhofft hatten. Ansätze einer Art Monarchie waren nicht zu verleugnen („König Barroso und sein Hofstaat“ sagte man früher).
Diese Hoffnungen erhielten Antrieb von den populistischen Befürwortern der EU oder gar der Vereinigten Staaten von Europa. Von Leuten also, denen die Abschaffung der Nationalstaaten und grenzenlose Freiheiten allein deswegen nicht schnell genug gehen konnte, weil sie es ideologisch so haben wollten und sie sich als moralisch höherwertig, bunt und multikulturell (vermeintlich „weltoffen“) darstellen wollten. Eine klassische Hyperkorrektur also, da man ja irgendwann mal gelernt hatte, dass Nationalstaaten zwangsläufig zu Krieg und Verfolgung führen. Möglichst bald und durchaus auch gegen den Mehrheitswillen wollte man vollendete Tatsachen schaffen, die eine Rückkehr zu Nationalstaaten unmöglich machen. Dabei hatte es nie eine demokratische Entscheidung gegeben, die Nationalstaaten überhaupt abzuschaffen. Daher zeugen Kampfbegriffe wie „Rückkehr zu Nationalstaaten“ oder „Re-Nationalisierung“ schon allein von einer Dreistigkeit, die ihresgleichen sucht.
Diese wuchernde Eurokratie bildete die Grundlage für eine wachsende Europaskepsis in der Bevölkerung, die letztendlich zur Abstimmung in Großbritannien führte. Den Ausschlag, auch tatsächlich auszusteigen, hat indes ein anderer Faktor gegeben. Die EU sah nicht nur den freien Warenverkehr, sondern auch den freien Personenverkehr als notwendig an. Einstmals lag dem nur der Wunsch zugrunde, dass sich gut ausgebildete Arbeitnehmer in der EU dort niederlassen können, wo sie gebraucht werden. Doch auch diese Idee hat sich verselbständigt. Wir können uns noch an die Diskussion in Deutschland vor der Flüchtlingswelle erinnern, als es um Bulgaren und Rumänen ging. Schon damals entstanden Arbeiterstriche, Horror-Häuser und Schwarzarbeit. Schon damals drangen Menschen aus ärmeren Ländern gezielt in unsere Sozialsysteme ein. Und das, obwohl schon historisch bedingt Integrationsprobleme mit Einwanderern in vielen Ländern bestanden.
Die Flüchtlingswelle hat das ganze noch immens verstärkt. Staaten wie Großbritannien oder Frankreich waren aus gutem Grund von Anfang an kritisch. Doch Merkel hat für einen Zustrom in ungeahntem Ausmaß gesorgt. Die ungesteuerte Zuwanderung, die sie ausgelöst hat und die bis heute andauert, sorgt dafür, dass Menschen aus aller Welt unmittelbar in Konkurrenz zur einheimischen Bevölkerung treten. Sie brauchen Wohnungen, Arbeitsplätze, Gesundheitsleistungen. Das ist schädlich für die Sozialsysteme. Und sie bringen bestimmte Gewohnheiten und Einstellungen mit und sorgen für gesellschaftliche Umbrüche, die mit einem Wegfall der sozialen Kontrolle und der gesellschaftlichen Solidarität einhergehen.
Die ungesteuerte Zuwanderung ist daher das zentrale Problem in der heutigen Zeit. Die Briten haben bereits seit langem eine mehrheitlich von Einwanderern aus dem islamischen Kulturkreis geprägte Parallelgesellschaft, die in skandalösen Ereignisse wie Rotherham mündete. Sie haben darüber hinaus mit der Zuwanderung aus EU-Staaten zu kämpfen, die auch nach der Osterweiterung und der Aufnahme von Polen, Rumänien, Bulgarien usw. nahezu unbegrenzt weiter möglich war. Wenn sich dann auch noch infolge der Fehlanreize, die Deutschland setzt, und der versagenden Sicherung der Außengrenzen eine weitere Quelle von Zuwanderung auftut, die als unkontrollierbar und unbegrenzt wahrgenommen wird, weil sie nachweislich unkontrollierbar und unbegrenzt ist, dann droht die Gesellschaft zu kippen.
Das hat letztendlich den Ausschlag für das Abstimmungsergebnis gegeben. Wenn man hört, dass Cameron nun zurücktritt, obwohl dieser wenigstens Kritik an der EU zur Geltung kommen ließ, dann kommt einen in den Sinn, dass hier nicht der Hauptverantwortliche zur Rechenschaft gezogen wird. Die Hauptverantwortliche heißt Angela Merkel, sie sollte lieber heute als morgen zurücktreten, um weiteren Schaden von Europa, seinen Mitgliedsstaaten und den Menschen abzuwenden.
Ausblick
Wie geht es nun weiter, wie sollen die anderen reagieren, wie sollen wir reagieren? Die zentralen Probleme sind nicht von der Hand zu weisen. Die EU müsste zunächst an einer inneren Reform arbeiten. Eine klare Verkleinerung der Institutionen ist unvermeidbar. Ein Trugschluss wäre es, den Institutionen künstlich demokratische Kompetenzen aufzuerlegen. Natürlich gibt es ein EU-Parlament, natürlich kann man das vom Volk wählen lassen. Doch dann würden Mehrheiten aus bestimmten Ländern den Wählerwillen bestimmter Nationen einfach überstimmen. Welche Motivation hätte ein Deutscher, ein Ire, ein Däne, wenn er wüsste, die anderen Länder könnten die deutschen, irischen oder dänischen Belange einfach überstimmen? Bewährt hat es sich, dass die nationalen Parlamente über ihre Angelegenheiten entscheiden. Es muss also eine Rückverlagerung von Kompetenzen aus Brüssel in die Mitgliedsstaaten geben. Die EU sollte nur übergeordnete Leitlinien vorgeben. Die verbleibenden Entscheidungsträger in der EU müssen dafür nicht frei gewählt sein. Sie können entsandt werden. Wichtiger ist es, ihre Entscheidungsspielräume klar zu umreißen und zu begrenzen.
In wirtschaftlicher Hinsicht hört man viel davon, dass man wieder Gerechtigkeit herstellen müsste. Es werden teils sogar eine Abkehr vom Sparkurs und mehr Verteilungsvorgänge gefordert. Doch diese linkspopulistischen Forderungen stehen für eine Umkehr der Realitäten. Gerade der fehlende Sparwillen hat viele Länder in Schuldenquoten auf Rekordniveau getrieben. Und obwohl es nichts zu verteilen gibt, hat man Rettungsschrime installiert, die untragbare zukünftige Belastungen mit sich bringen. Stattdessen muss man zurück zur Eigenverantwortung. Die Staaten müssen sich im Wettbewerb behaupten. Schwächere Staaten müssen Bedingungen schaffen, dass wieder investiert wird, und zwar von privater und nicht von staatlicher Seite. Dazu braucht man freilich Abwertungen. Der Euroraum kann unter diesen Voraussetzungen nicht mehr alle Staaten tragen, die jetzt in der Währungsunion sind. Nur durch Rückkehr zur Eigenverantwortung wird man zum Beispiel die Franzosen dazu bringen, Reformen anzuerkennen. Durch Haftung und ständiges Gerede von Verteilung hat die dortige Bevölkerung den Eindruck gewonnen, man könne alle Probleme ohne eigene Anstrengungen lösen.
Schließlich muss auf den Aspekt der ungesteuerten Zuwanderung reagiert werden. Die Sicherung der Außengrenzen funktioniert nicht. Außerdem ist die innereuropäische Migration ein Problem. Wir kennen das aus Deutschland, wo kriminelle Banden ihr Unwesen treiben. Wird von den Leuten jemand geschnappt, wird gleich ein Nachfolger geschickt, und das entweder aus dem Nicht-EU-Raum oder aus einem südosteuropäischen Mitgliedsstaat. Man muss deswegen Schengen endlich ad acta legen und auf Experimente wie Frontex und Einsätze im Mittelmeer verzichten. Deutschland sollte seine nationalen Grenzen wieder sichern. Zuwanderung aus EU-Staaten sollte es nur im Bereich hochqualifizierter Arbeitsplätze geben. Abgesehen davon sollte eine Abschottungspolitik eingeleitet werden. Die Zuwanderung aus aller Welt hat keine Zukunft, da die Menschen bei uns nicht gebraucht werden. Das ungebremste Bevölkerungswachstum auf der Welt gibt keine Hoffnung, dass der Zustrom von selbst versiegen könnte, ohne dass wir Schranken setzen müssten.
Im Ergebnis ist institutioneller, ökonomischer und bevölkerungspolitischer Sicht ein Wandel einzuleiten, der von den Altparteien nicht gewährleistet werden kann. Deren Festhalten an althergebrachten Rezepten führt zu teils irreversiblen Schäden. Zur Sicherung unser Freiheit, unser Demokratie und unseres Wohlstandes sind daher neue Rezepte erforderlich. Der Brexit ist der krönende Abschluss eines „Frühjahres der Patrioten“, der Hoffnung gibt, wenngleich einige verunglimpfend vom „Frühjahr des Rechtspopulismus“ sprechen, um ihre eigene einfache, populistische Denkweise zu kaschieren. Wir sollten diesen Wandel aktiv unterstützen. Bei den nächsten Wahlen habt auch ihr die Alternative.