Der Fall Osthoff und die deutsche Passivität

Hallo!

Anderswo wird in einem Abschnitt über den „Fall Osthoff“ diskutiert. Gestern fand ich dazu einen interessanten Artikel in der ZEIT. Es geht darum, warum die Menschen in Deutschland - nein, die deutschen Menschen - so „passiv reagieren“ - also gar nichts tun. Der Fall der italienischen Reporterin hat das ganze Mittelmeerland auf die Beine gebracht, in Frankreich hingen riesige Plakate an offiziellen Hauswänden, um die zwei (?) entführten Landsleute nicht zu vergessen - und in Deutschland gehen „nur“ die Moslems auf die Straße. Dazu ist es interessant zu wissen, dass Frau Osthoff selbst Muslimin ist und damit unter den Moslems in Deutschland (wahrscheinlich) besondere Anteilnahme erfährt.
Warum aber, glaubt ihr, interessiert es die Deutschen nicht, was mit einer Deutschen im Ausland passiert? Ist das alles zu weit weg von uns? Denken wir, diese Frau sei selbst schuld?
Die ZEIT schrieb, dass wir einen Angriff auf eine deutsche Person nicht als Angriff auf Deutschland verstehen. Ich finde diese These sehr nachvollziehbar. Man kann ja genauso in einem objektiv ungefährlichen Land Opfer von Gewaltakten oder auch terroristischer Akte werden. Dennoch fühle ich mich persönlich nicht angegriffen, wenn eine deutsche Person irgendwo auf dieser Welt zu schaden kommt. Ist das eine egoistische Einstellung? Vielleicht geprägt durch irgendein Vorkommnis irgendwann in unserer jüngsten Geschichte?

(Ich möchte hier in aller Form den Betroffenen mein tiefsten Mitempfinden aussprechen! Also nicht das hier jemand denkt, mir wäre diese Frau egal und sie sei m.M. nach selbst Schuld! Ich bewundere den Mut dieser Frauen und Männer, die freiwillig in so gefährliche Regionen unserer Welt gehen.)

Liebe Grüße,
die Lidscha

Warum aber, glaubt ihr, interessiert es die Deutschen nicht,
was mit einer Deutschen im Ausland passiert?

Das ist so nicht richtig. Es interessiert die Deutschen sehr wohl.
Die „Volksbewegungen“ in Italien ergaben sich ja weniger aus der Tatsache der Entführung an sich, sondern weil weite Kreise der Bevölkerung anscheinend den Eindruck hatten, dass die Italienischen Behörden nicht genug für die Freilassung der Geisel tun würden. Tatsächlich wurde der Fall in Italien auch dafür verwendet, um die Unzufriedenheit des Volkes mit der italienischen Irakpolitik zu äussern.

Nachdem aber die letzten Geiseldramen (Philippinen/Algerien) durch die deutschen Behörden anscheinend sehr professionell gehandhabt wurden, besteht kein Grund, den zuständigen Stellen in den Arsch zu treten. Die Irakpolitik der Regierung Schröder war wohl so ziemlich das einzige, wo sich die Regierung weitgehender Rückendeckung aus dem Volk sicher sein konnte.

Ist das alles zu
weit weg von uns? Denken wir, diese Frau sei selbst schuld?

Ich weiss nicht, was wir denken, ich weiss nur, was ich denke.
Wenn man jetzt eine Riesendemo aufzieht, dann bringt das für die Geisel nichts. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das AA diese Sache mit der nötigen Diskretion und dem nötigen Fachwissen behandeln wird.

Die ZEIT schrieb, dass wir einen Angriff auf eine deutsche
Person nicht als Angriff auf Deutschland verstehen. Ich finde
diese These sehr nachvollziehbar. Man kann ja genauso in einem
objektiv ungefährlichen Land Opfer von Gewaltakten oder auch
terroristischer Akte werden.

Stimmt.

Dennoch fühle ich mich persönlich
nicht angegriffen, wenn eine deutsche Person irgendwo auf
dieser Welt zu schaden kommt. Ist das eine egoistische
Einstellung?

Nein, warum auch.

Vielleicht geprägt durch irgendein Vorkommnis
irgendwann in unserer jüngsten Geschichte?

???

(Ich möchte hier in aller Form den Betroffenen mein tiefsten
Mitempfinden aussprechen! Also nicht das hier jemand denkt,
mir wäre diese Frau egal und sie sei m.M. nach selbst Schuld!
Ich bewundere den Mut dieser Frauen und Männer, die freiwillig
in so gefährliche Regionen unserer Welt gehen.)

Und meiner Meinung hat der Staat auch die Pflicht, solche Leute aus gefährlichen Situationen rauszuhauen. Denn auch diese leute sorgen dafür, dass D heute in der Welt „gut dasteht“

Vieleicht sind wir in Deutschland einfach ein bisschen „nüchterner“, was solche Probleme angeht. Natürlich könnte man jetzt in Sack und Asche gehen, dauernd demonstrieren, Mahnwachen aufstellen (Wo eigentlich)… Aber das wird Susanne Osthoff nichts bringen.
Ich überlasse so etwas den Leuten, die sich mit so etwas auskennen.

Gruß
Mike

Hallo,
Natürlich ist es eine egoistische Einstellung. Allein wenn man sich die Bedenken der menschen hört, dass sie sich machen. Nicht dem leben gilt es, sondern den Euros, den sie als Steuerzahler eventuell verlieren würden, wenn man ein Lösegeld zahlen müsste.

Ich glaube gar nicht mal, dass es irgendwas mit dem Zusammengehörigkeitsgefühl (fehlenden) zu tun hat. Ich glaube einfach, dass die deutschen sehr bequemes Volk sind. Das kenne ich auch von den Türken. Es fällt mir einfach auf, dass in beiden Völkern bei ähnlcihen Fällen man sich erst zur Anteilnahme bewegt, wenn man dahin bewegt „wird“.

Und hier spielt die Religionszugehörigkeit der Frau Osthoff eine sehr große Rolle. Denn wäre sie Christin gewesen, dann wären die Krichen ganz vorne weg mit der Anteilnahme gewesen hätten etliche Verantsaltungen organisiert, was für Bewegung gesorgt hätte. Aber so sieht man halt die muslimischen Organisationen, die einzigen religisöen Organisationen die sich engagiert haben und engagieren. Das ganze Engagement der Kirche erschöpft sich darin, dass sie eine Presseerklärung gegeben hat, dass sie die Distanzierung der Moslems von der Entführung gut findet und die Bemühungen der Muslimischen organisation „würdigt“. Diese Erklärung sagt alles.

Das heisst hier findet keine Anteilnahme der breiten Masse statt, weil die Anteilnahme von den „führern“ der einzelnen Gruppen ausbleiben und die Führer die Anteilnahme bezeugen öffentlich beschränken sich auf die die in der Minderheit sind.

MfG

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Hi Mike, hi Lidscha

Ich weiss nicht, was wir denken, ich weiss nur, was ich denke.
Wenn man jetzt eine Riesendemo aufzieht, dann bringt das für
die Geisel nichts. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das AA
diese Sache mit der nötigen Diskretion und dem nötigen
Fachwissen behandeln wird.

Ich gehe noch eins weiter: ich glaube, dass die Entführer

  • sei es Al Qaida oder ‚nur‘ kriminelle Entführer -
    total darauf abfahren, wenn sie auf diese Art Publicity
    kriegen, wenn praktisch ein ganzes Volk sie anbettelt.

Ich habe einige andere politische Aktionen etwas näher
mitgekriegt (aber nicht nah, bitte nicht falsch verstehen)

  • in Saudi und in auch früher in Südafrika. Meine Erfahrung
    war, dass hinter den Kulissen viel wirksamer gearbeitet
    werden kann, dass große Aktionen eher hinderlich sind.

Und dass die Deutschen da nüchterner sind, ja, das glaube
ich auch.
Ich glaube nicht, dass die mangelnde Reaktion irgendetwas
damit zu tun hat, dass das Opfer Moslemin ist.

Grüße
Elke

Hallo Elke,

Ich gehe noch eins weiter: ich glaube, dass die Entführer

  • sei es Al Qaida oder ‚nur‘ kriminelle Entführer -
    total darauf abfahren, wenn sie auf diese Art Publicity
    kriegen, wenn praktisch ein ganzes Volk sie anbettelt.

Ich weiß nicht, ob du das so gemeint hast, aber ich habe gestern nach dem Artikel auch gesagt, dass es vielleicht gar nicht schlecht ist, wenn man sich nicht angegriffen fühlt, weil man dann auch einfach ein unattraktiveres Ziel wird. Nicht dass uns Passivität und Nichtstun vor allen Gefahren dieser Welt schützen würde, aber man entführt doch jemanden, um Aufmerksamkeit zu bekommen, und wenn einem die nicht gegeben wird, kann man es auch lassen. Ich meine das jetzt nicht so, dass wir aufgrund unseres vermeintlichen „Desinteresses“ nicht Ziel terroristischer Akte werden könnten, wobei auch da meine Angst relativ gering ist.

Grüße,
die Lidscha

Hi!

Hallo,
Natürlich ist es eine egoistische Einstellung. Allein wenn man
sich die Bedenken der menschen hört, dass sie sich machen.
Nicht dem leben gilt es, sondern den Euros, den sie als
Steuerzahler eventuell verlieren würden, wenn man ein Lösegeld
zahlen müsste.

Es geht mir nicht um das Geld (also mir persönlich, anderen vielleicht schon). Wie hoch ist denn der Anteil eines jeden Einzelnen, wenn es darum geht, Lösegeld zu zahlen? Ich denke, der bewegt sich über einen Centbetrag nicht hinaus.
Ich meine Egoismus so, dass ich mich selbst nicht angegriffen fühle. Dass ich zwar Mitgefühl mit der Betroffenen und den Angehörigen empfinde, aber keine persönliche Betroffenheit in diesem Fall feststellen kann.

Und hier spielt die Religionszugehörigkeit der Frau Osthoff
eine sehr große Rolle. Denn wäre sie Christin gewesen, dann
wären die Krichen ganz vorne weg mit der Anteilnahme gewesen
hätten etliche Verantsaltungen organisiert, was für Bewegung
gesorgt hätte. Aber so sieht man halt die muslimischen
Organisationen, die einzigen religisöen Organisationen die
sich engagiert haben und engagieren. Das ganze Engagement der
Kirche erschöpft sich darin, dass sie eine Presseerklärung
gegeben hat, dass sie die Distanzierung der Moslems von der
Entführung gut findet und die Bemühungen der Muslimischen
organisation „würdigt“. Diese Erklärung sagt alles.

Ist es denn überhaupt so bekannt, dass Frau Osthoff Muslimin ist? Ich habe das gestern zum ersten Mal gehört. Es sollte auch eigentlich keine Rolle spielen, welcher Rleigion sie angehört oder ob sie gar keiner Religion angehört. Leider entwicklet sich aus solchen Nebensächlichkeiten jedesmal ein Machtkampf um den Anspruch auf Aktionen.

Dein Einblick ist sehr interessant. Danke dafür.

Falls Interesse an dem Artikel besteht, man findet ihn hier (http://www.zeit.de/2005/50/dt__Befindlichkeit)

Grüße!

Und hier spielt die Religionszugehörigkeit der Frau Osthoff
eine sehr große Rolle. Denn wäre sie Christin gewesen, dann
wären die Krichen ganz vorne weg mit der Anteilnahme gewesen
hätten etliche Verantsaltungen organisiert, was für Bewegung
gesorgt hätte. Aber so sieht man halt die muslimischen
Organisationen, die einzigen religisöen Organisationen die
sich engagiert haben und engagieren. Das ganze Engagement der
Kirche erschöpft sich darin, dass sie eine Presseerklärung
gegeben hat, dass sie die Distanzierung der Moslems von der
Entführung gut findet und die Bemühungen der Muslimischen
organisation „würdigt“. Diese Erklärung sagt alles.

Moin moin,

was sagt sie Dir denn? Was hättest Du denn von der Kirche erwartet? Hier der Kirche eine Mitschuld an einer, wie ich finde, garnicht vorhandenen Passivität zuschanzen zu wollen, ist mehr als abwegig.

Das nur am Rande

Gruß

ALex

1 Like

Hi Lidscha,

Ich weiß nicht, ob du das so gemeint hast,

Nein, so hatte ich es nicht gemeint.
Ich glaube einfach, dass diese Art von Kriminellen
(Terroristen) aus einer Kombination von Minderwertigkeits-
gefühlen und überzogenem Selbstwert heraus, sich faktisch
einen runterholen, wenn prominente Menschen sie anbetteln.

Grüße
Elke