Der Gästebucheintrag von Pinera

Moin zusammen,

geht es nur mir so, dass ich die Aufregung um den Eintrag des chilenischen Staatspräsidenten Pinera ins Wulffsche Gästebuch nicht ganz nachvollziehen kann?

Fallersleben schuf das Lied der Deutschen im Vormärz und brachte damit die Sehnsucht nach einem geeinten deutschen Reich aufs Papier. „Deutschland über alles“ war in dem Falle gemeint als die Idee eines vereinten Deutschland und dass diese über allem anderen stehen müsse (also das Ziel, ein geeintes Deutschland zu schaffen, solle über allem stehen, nicht das fertige Endprodukt).

Sicher wurde die erste Strophe des Lieds der Deutschen im Dritten Reich negativ konnotiert, jedoch nur, weil der Sinn verdreht wurde. Sollen wir uns deshalb jedes Mal mit Grausen von diesem sehr freiheitlichen Text abwenden? Mir geht das Ganze irgendwie mächtig aufn Senkel. Und der arme Pinera. Gut, er hat schon einige Böcke geschossen, aber diesen einen, den finde ich nun gar nicht so schlimm, wie die Medien tun.

Gespannt auf eure Meinungen
Sarah

Hallo Sarah,

Sicher wurde die erste Strophe des Lieds der Deutschen im Dritten Reich negativ konnotiert, jedoch nur, weil der Sinn verdreht wurde.

Wie kommst Du eigentlich auf die Idee, durch die Nazis sei der Sinn der ersten Strophe verdreht worden? Was gäbe es denn da zu verdrehen? Natürlich ist diese ganze künstliche Aufregung höchst albern, an Chauvinismus kann es so manche andere Nationalhymne mit dieser Oberlehrerhymne problemlos aufnehmen - deswegen haben Ausländer da eher selten ein Problem mit. Aber natürlich war Hoffmann auch ein alldeutscher Nationalist, ein geifernder Franzosenfresser (der sich freilich vom Militärdienst lieber vom reichen Papa freikaufen ließ) und zu allem Überfluss auch noch ein übler Antisemit. Nicht genug damit - seine mit Abstand bedeutendste poetische Leistung ist das Kinderlied „Alle Vögel sind schon da“ …

Es war bezeichnend für die Annexion den Beitritt der ehemaligen DDR, dass man damals die Gelegenheit nicht nutzte, Hoffmanns unsägliches Machwerk in den Orkus des Vergessens zu befördern, wo es meinetwegen gemeinsam mit der ‚Wacht am Rhein‘ und anderem einschlägigen Liedgut verschimmeln könnte.

Johannes R. Bechers ‚Auferstanden aus Ruinen‘ wäre allemal die bessere Entscheidung gewesen - nicht ganz zufällig hätte man für diesen Text auch Haydns Melodie beibehalten können. Aber da haben Kohl und Weizsäcker ganz demokratisch anders entschieden. Nun ja, dass man uns bei der Gelegenheit auch um die in der Präambel des Grundgesetzes mal versprochene „in freier Selbstbestimmung“ zu beschließende Verfassung gelinkt hat, ist eher der Aufregung wert als das Liedchen.

Was Pinera angeht, ist er von seinen Diplomaten offensichtlich schlecht gebrieft worden. Ansonsten war das ja durchaus freundlich und schmeichelhaft von ihm gemeint. Es ist der Gedanke, der zählt - und der wird schon nicht ironisch gemeint gewesen sein. Falls doch, wäre das natürlich ein Grund zur Mobilmachung …

Freundliche Grüße,
Ralf

Hi Ralf,

Falls doch, wäre das natürlich ein Grund zur Mobilmachung …

  • aber was passiert, wenn wir nebbich den Krieg gewinnen?

Schöne Grüße

MM

Hi Martin,

  • aber was passiert, wenn wir nebbich den Krieg gewinnen?

dann wäre des Kaisers Wunsch erfüllt, dass auf tausend Jahre hinaus kein Chinese Chilene es mehr wagt, einen Deutschen scheel anzusehen.

Mal im Ernst - wir beschlagnahmen als Wiedergutmachung Piñeras Privatvermögen und finanzieren damit den Ökosteuerrabatt für Gießereien, Zementwerke und die notleidende Chemieindustrie. Das reicht für mindestens zwei Jahre. So lange brauchen wir die Tabaksteuer nicht zu erhöhen und alle Raucher werden 2013 dankbar Scharz-Geld wählen. So hat jeder etwas davon.

Gruß zurück,
Ralf

Misión cumplida. Moneda tomada, presidente muerto
Guten Tag!

geht es nur mir so, dass ich die Aufregung um den Eintrag des
chilenischen Staatspräsidenten Pinera ins Wulffsche Gästebuch
nicht ganz nachvollziehen kann?

Immerhin sind die Chilenen -nicht ganz ohne Ironie vermutlich- durch ihre Konfrontation mit der Neuen Deutsche Schriftgläubigkeit nun auf den Gedanken gekommen, der Pinochet-Anhänger Piñera könnte mit seinen berühmten Worten „misión cumplida“ jüngst (anlässlich der Rettung der 33 Kumpel) in höchst infamer Weise auf die im Titel zitierten Worte angespielt haben, die doch zweifellos für das dunkelste Kapitel in der neueren chilenischen Geschichte stehen:

http://de.wikipedia.org/wiki/Putsch_in_Chile_1973
http://www.latercera.com/noticia/opinion/correos-de-…
http://www.focus.de/kultur/medien/fernsehen_aid_2357…

Vielleicht der Beginn eines wunderbaren deutsch-chilenischen Kulturaustausches. Presidente Piñera meets Juliane Ziegler :wink:

E.T.