Der Gewerkschaften neuester Brüller

Nun war es ja seit Jahren erklärtes Ziel der Gewerkschaften, über Arbeitszeitreduzierung mehr Arbeitsplätze schaffen zu wollen. Bei der nun beschlossenen Verlängerung der Verweildauer der öD-Mitarbeiter am Arbeitsplatz sieht man anscheinend nicht die Gefahr, daß Arbeitsplätze verloren gehen.

Wie dem auch sei, gerade lese ich: DGB-Chef Sommer ist dafür - und ich zitiere lt. Pro7-VT (der sich wiederum auf die „Bild“ beruft) - „dass alle Arbeitnehmer, die es sich leisten können, für ein oder zwei Jahre befristet ihre Arbeitszeit verkürzen.“ Unter dieser Gruppe versteht er vor allem Facharbeiter und Besserverdienende. Die Aktion soll 300.000 Arbeitsplätze schaffen.

Das ist ein derartiger Unfug, daß ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll.

Ein paar Ansätze bzgl. der Nachteile für

  • den Arbeitnehmer: weniger Geld und Rentenansprüche, schlechtere Karrierechancen
  • den Arbeitgeber: Beschaffung von Ersatzarbeitskraft mit äquivalenter Ausbildung, Einarbeitungszeit
  • die Wirtschaft: die „Auserwählten“ sind genau die, die den über den Überlebensbedarf hinausgehenden Konsum leisten

Und was soll es bringen? Weniger Arbeitslose. Auf dem Papier stimmt das, aber gut ausgebildete Personen sind unter den Arbeitslosen Mangelware, eine Entlastung wird es also am Arbeitsmarkt durch diese Maßnahme also nicht geben.

Moin Christian,

prinzipiell stimme ich dir zu. Nur:

Auf dem Papier
stimmt das, aber gut ausgebildete Personen sind unter den
Arbeitslosen Mangelware,

Das stimmt so pauschal auch nicht mehr. Die Arbeitslosigkeit (auch die Dauerarbeitslosigkeit) hat mittlerweile längst den gutausgebildeten Mittelstand erreicht.

Ciao

Ralf

AL und Ausbildung
Hallöchen,

prinzipiell stimme ich dir zu. Nur:

Auf dem Papier
stimmt das, aber gut ausgebildete Personen sind unter den
Arbeitslosen Mangelware,

Das stimmt so pauschal auch nicht mehr. Die Arbeitslosigkeit
(auch die Dauerarbeitslosigkeit) hat mittlerweile längst den
gutausgebildeten Mittelstand erreicht.

naja, das ist relativ. Von 4 Mio. Arbeitslosen im Sept 02 waren vor der Arbeitslosigkeit 1 Mio. als Facharbeiter (T 556), einfache Angestellte (T 386) oder gehobene Angestellte (T 109) beschäftigt.

Dabei bitte ich zu berücksichtigen, daß nicht erfaßt wird, als was für ein Facharbeiter derjenige beschäftigt war. Will sagen: Auch ein Fräser ist ein Facharbeiter, nur werden heute Fräser gesucht, die in der Lage sind, eine CNC-Maschine zu programmieren und zu bedienen. Dies nur als Interpretationshilfe.

AL nach Ausbildung: T 151 Uni (davon vermutlich 80 % Dipl. Soz. *g*), T 73 FH, T 190 Berufsfach-/Fachschule.

Aus- und Weiterbildung ist und bleibt der beste Schutz vor Arbeitslosigkeit.

Gruß
Christian

Hallo Chris,

aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass zunehmend gut Ausgebildete und Akademiker betroffen sind. Allein in meinem Bekanntenkreis hat durch die Branchenkrise im letzten Jahr ein wahrer Kahlschlag an Jobs in guten Positionen stattgefunden - bei weitem nicht alle sind wieder in Lohn und Brot. Ich selbst habe mich jetzt selbstständig gemacht - eine Stelle hätte ich wohl immer noch nicht - und das mit Bankausbildung, mehrjähriger Erfahrung im Bankservicebereich, Studium, Auslandserfahrung, 2 Fremdsprachen, IT-Branchenkenntnissen, diversen Weiterbildungen, eigener Traniererfahrung und Teamleitererfahrung. Normal waren in den letzten Monaten 800-1000 Bewerber auf eine Stelle - z.T. sogar auf Halbtagsstellen und Stellen, die auf ein Jahr befristet sind. Das ist wie’n 6 er im Lotto, da überhaupt eingeladen zu werden.

Als Selbstständige arbeite ich zur Zeit für einen Weiterbilder und betreue ein größeres Lernmodul. Dort sitzen ausgebildete Informatiker, Journalisten, TK-Projektmanager, ehemalige Mitarbeiter eines Fernsehsenders mit bis zu 15 Jahren Berufserfahrung undundund…

Die Zeiten, wo man das auf die mangelnde Ausbildung schieben kann, sind vorbei - wobei es sicher auch genug dieser Fälle gibt. Sicher habe auch viele aufs „falsche Pferd“ gesetzt bei ihren Weiterbildungen und Studienfächern - aber wenn du mal beobachtest, wie in den letzten Jahren ständig völlig falsche Prognosen ausgegeben wurden, was man jetzt am besten studieren soll…

Mag sein, dass im gesamten das immer noch der kleinste Teil der 4 Mio Al ist, aber nicht nur ich bemerke, dass zunehmend „wir“ betroffen sind. Vor 1 1/2 Jahren hätte ich Stein und Bein geschworen, dass mir das nie passieren kann. Kann aber doch. Wobei sicher eher die betroffen sind, die wie ich zwar bereits Berufserfahrung haben, aber eben nicht 10 Jahre im Beruf sind und andererseits auch nicht mehr 25 sind, frisch von der Uni. Für vieles „überqualifiziert“ und für vieles „noch nicht fit genug“ (Diese 30+ Generation wurde ja vom Spiegel schon letzten Herbst al „Generation arbeitslos“ bezeichnet…). Und Quereinsteiger muss heute keine Firma nehmen, wenn er so viele im Angebot gibt, die genau das richtige gelernt haben.

grüße,

barbara

*imGründerfieberundtrotzdemsehrzufriedenmitihrerSituation:smile:*

Hi,

aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass zunehmend
gut Ausgebildete und Akademiker betroffen sind.

auf das „zunehmend“ kann ich mich einlassen, aber das war nicht mein Ansatz. Der Anteil der AL mit Fachschule, FH, Uni liegt bei rd. 10%. Das halte ich für wenig.

Wobei der - auch von Dir angesprochene - Bankensektor derzeitig für heftige Verschiebungen innerhalb der Ausbildungsstruktur sorgt. Allerdings auch nicht überraschend. Bereits Anfang der 90er wurde von vielen Stellen prognostiziert, daß es im Bankenbereich in den nächsten 10 Jahren zu einem Stellenabbau von rd. 100.000 kommen wird. Daß das alles komplett am Ende dieser zehn Jahre passsiert, ist vermutlich auf den Zwischenboom „Börse/new economy“ zurückzuführen.

Normal waren in den
letzten Monaten 800-1000 Bewerber auf eine Stelle - z.T. sogar
auf Halbtagsstellen und Stellen, die auf ein Jahr befristet
sind. Das ist wie’n 6 er im Lotto, da überhaupt eingeladen zu
werden.

Das habe ich auch schon gehört, aber das irritiert mich. Wir jedenfalls bekommen unsere Stellen teilweise seit Jahren nicht besetzt. Allerdings suchen wir auch keine Spezialisten, sondern Generalisten.

gibt. Sicher habe auch viele aufs „falsche Pferd“ gesetzt bei
ihren Weiterbildungen und Studienfächern - aber wenn du mal
beobachtest, wie in den letzten Jahren ständig völlig falsche
Prognosen ausgegeben wurden, was man jetzt am besten studieren
soll…

Tja, der gute alte Schweinezyklus. Wenn man einen Studiengang aufgrund einer Empfehlung wählt, sollte man sich der Tatsache bewußt sein, daß man da nicht der einzige ist.

Gruß
Christian

Hallo Barbara,

angesichts der geschilderten Verhältnisse frage ich mich, weshalb es ein schier aussichtsloses Unterfangen ist, qualifizierte Mitarbeiter zu finden, die auch nur einen einzigen Beruf in seiner ganzen Breite beherrschen. Sucht man darüber hinaus gehende Qualifikationen, kann man’s gleich lassen. Sind nicht am Markt. Für kein Geld.

Was man findet, sind Leute, die bei Dräger in der Qualitätssicherung saßen und als weitere Qualifikation die Inspektion von Rolltoren mitbringen. Jemand der z. B. als Feinmechaniker die gesamte Breite beherrscht - das wird in kleineren Betrieben gebraucht, keine Schmalspurleute - ist nicht am Markt. Verlangt man dann auch noch elementare Kenntnisse etwa in der Elektrotechnik (ist für Metallberufe durchaus obligatorisch), gibts sowas nicht. In der E-TEchnik ein ähnliches Bild. Da findet man Leute, die Löten können, denen aber der PC fremd ist oder die auch die schlichteste Programmierung nicht hinbekommen oder nicht den Schatten einer Ahnung von Metallbearbeitung haben. Worauf soll ich da aufbauen? Das setze ich als Grundlage voraus und dann kann man weitersehen. In den Büroberufen das gleiche Bild. Im kleinen Betrieb kommt es eben vor, daß jemand vom Telefondienst (Telefonieren ohne Nuscheln mit der Sprechmuschel nicht vor der Stirn scheint eine hohe Kunst zu sein) über Lieferscheine, Rechnungen, allg. Schriftverkehr, Ablage bis zu Buchungen nach vorgegebener Kontierung und Versand alles machen muß. Mit einer der aufgeführten „Geheimwissenschaften“ sind die weitaus meisten Bewerber schon überfordert.

Sind ausreichend qualifizierte Bewerber schon Mangelware, kommt hinzu, daß Leute aus großen Unternehmen für den Kleinbetrieb oft nicht zu gebrauchen sind. Wer zu lange Zeit daran gewöhnt wurde, daß vom Klopapier bis zur rechtzeitigen Prüfung der Feuerlöscher immer andere zuständig waren und man als Angestellter nur ein Reich von 160 x 80 cm² (Schreibtischgröße) überblicken durfte, kommt nicht damit klar, sich plötzlich um mehr kümmern zu müssen. Solche Menschen muß man an einfache, alltägliche Dinge wieder vorsichtig heran führen. Ich hab dazu keine Lust, wenn ich dafür auch noch monatlich mehrere tausend Euro bezahlen soll.

Gruß
Wolfgang

hallo Wolfgang,
kann aber auch vorkommen, dass jemand überqualifiziert ist.
Hier eine kleine Beschreibung:
Abitur, Lehrerstudium (Gund- und Hauptschule), Langjährige Erfahrung in sämtlichen Büroarbeiten, Pesonalführung, Betriebsführung,Prokurist, beste Zeugnisse…
Arbeitlos geworden (lassen wir mal zur Seite warum, hat mit dem Fall nichts zu tun). Neuer Job in einer ähnlichen Qualität? z.B. Personalbüro, Organisation…? Fehlanzeige.

  1. Frau, 2. 45 Jahre alt, …
    Keine Chance!
    Grüße
    Raimund

Hallo Raimund,

jep, so kenne ich das auch aus vielen Biografien. Sobald eine 4 vor der nächsten Zahl ist, ist es (fast) immer vorbei. Da jammern alle immer über schlecht ausgebildete An, aber viele legen die Bewerbungsmappe gleich auf den „Nö“-Stapel, weil zu alt…dabei sind das doch oft die, mit der Berufs- und Lebenserfahrung. Außerdem: Oft sind auch Jobs unterhalb der erlernten und bewiesenen Qualifikation nicht mehr drin - ich vermute es wird befürchtet, man wolle zu viel Geld oder sei zu selbstbewusst. (Das ist zumindest meine These).

grüße,

barbara

Hallo Wolfgang,

wie dir vielleicht aufgefallen ist, habe ich von Erfahrungen in sehr bestimmten Branchen berichtet, dass mag bei Ingenieuren anders aussehen. Keine Frage.

gruß, barbara

Hallo Chris,

Normal waren in den
letzten Monaten 800-1000 Bewerber auf eine Stelle - z.T. sogar
auf Halbtagsstellen und Stellen, die auf ein Jahr befristet
sind. Das ist wie’n 6 er im Lotto, da überhaupt eingeladen zu
werden.

Das habe ich auch schon gehört, aber das irritiert mich. Wir
jedenfalls bekommen unsere Stellen teilweise seit Jahren nicht
besetzt. Allerdings suchen wir auch keine Spezialisten,
sondern Generalisten.

Nicht außer Acht lassen darf man, dass ein Großteil der Stellen nicht korrekt ausgeschrieben werden! Oft werden für die Stelle falsche Fähigkeiten gefordert ( weil die Auschreiberlinge gar nicht wissen, um was es geht) bzw. Tätigkeitsbereiche werden nach interner Politik beschrieben und nicht nach Bedarf. (sprich: in Abt. B. ist Stelle F zu vergeben. Aus Statusgründen wird Stelle F aber ausgeschrieben als wäre Stelle D und E zusammenfasst worden…passiert mit Vorliebe im den öffentlichen Dienst nahen Strukturen, bei anderen könnte ich mir ähnliches vorstellen. Bei Daimler ist mir selbst genau so ein Fall „passiert“. )

grüße,

barbara

hallo Barbara,
leider vollkommen richtig.
Dazu kommt, dass eine 45-jährige nicht mehr die Titten hat (entschuldige die groben Worte) wie eine 25-jährige. Und, dass so mancher boss Angst um seinen Job hat: die kann ja mehr als ich! Die sägt mich über kurz oder lang ab.
Grüße
Raimund

Hallo Raimund,

kann aber auch vorkommen, dass jemand überqualifiziert ist.

es kommt natürlich auf die zu besetzende Stelle an. Wenn jemand eine Packerin braucht, muß er bei einer für solche Tätigkeit eingestellten Lehrerin damit rechnen, daß die Dame unzufrieden bald wieder geht. Grundsätzlich aber kann ich mir „überqualifiziert“ nur schwer vorstellen.

Abitur, Lehrerstudium (Gund- und Hauptschule), Langjährige
Erfahrung in sämtlichen Büroarbeiten, Pesonalführung,
Betriebsführung,Prokurist, beste Zeugnisse…
Arbeitlos geworden. Neuer Job in einer ähnlichen
Qualität? z.B. Personalbüro, Organisation…? Fehlanzeige.

  1. Frau, 2. 45 Jahre alt, …
    Keine Chance!

Das zu glauben, fällt mir schwer. Etwa als Alleinkraft im kaufmännischen Bereich eines kleinen Betriebes, die mit alltäglichen Unbilden fertig wird, die aufgrund ihrer Lebenserfahrung und ihres Auftretens ein ernst zu nehmender Ansprechpartner für Auftraggeber ist - in solcher Position kann ich mir keine 25jährige junge Frau vorstellen, wohl aber die von Dir beschriebene Person. Ein Mensch mit 45 Jahren soll noch 20 Jahre arbeiten und die Gefahr, daß sie kurz nach der Einstellung in den Mutterschutz geht, besteht auch nicht mehr. Wo also ist das Problem?

Gruß
Wolfgang

Und was soll es bringen? Weniger Arbeitslose. Auf dem Papier
stimmt das, aber gut ausgebildete Personen sind unter den
Arbeitslosen Mangelware, eine Entlastung wird es also am
Arbeitsmarkt durch diese Maßnahme also nicht geben.

Gut ausgebildete Arbeitnehmer sind meist keine Gewerkschaftsmitglieder, die zahlen nichts, die brauchen dann natürlich auch keinen Lohnausgleich für weniger Arbeitszeit.
Gewerkschaftsmitglieder brauchen das selbstverständlich, wenn die weniger arbeiten, dann nur zum vollen Lohn.
Zweiklassengesellschaft?
Sieht so aus.
Gruß
Rainer

Hallo Rainer,

Gut ausgebildete Arbeitnehmer sind meist keine
Gewerkschaftsmitglieder, die zahlen nichts, die brauchen dann
natürlich auch keinen Lohnausgleich für weniger Arbeitszeit.
Gewerkschaftsmitglieder brauchen das selbstverständlich, wenn
die weniger arbeiten, dann nur zum vollen Lohn.
Zweiklassengesellschaft?
Sieht so aus.

ja, den Punkt hatte ich bei meinen Überlegungen noch gar nicht einbezogen.

Aber bei so einem Unfug gibt es sicher noch viel mehr Gesichtspunkte, die ich vergessen habe.

Viele Grüße
Christian

hallo Wolfgang,
leider ist es aber so.
Diese Person existiert tatsächlich. Sie kann einen ganzen Betrieb (sagen wir mal mit 100 AN) alleine führen wenn´s sein muss. Hochintelligent, Organisationstalent (ohne wäre diese Führungsfähigkeit nicht möglich) und bestens geeignet (nachweislich) Personal zu führen und zu motivieren.
Diese Frau sucht übrigens immer noch nach einem Fulltimejob. Z.Zt. füllt sie 2 Arbeitsstellen aus. In beiden entlastet sie die Inhaber (1-Mannbetriebe) so, dass die sich nur noch auf ihre spezielle Arbeit zu konzentrieren brauchen. Es ist aber meiner Meinung Perlen vor die Säue werfen.

Ein anderes Beispiel: ich war mit meinem BWL-Studium fertig und suchte eine Arbeitsstelle.
Unter anderm erlebte ich folgendes: ein Unternehmer suchte einen BW. Also riefg ich bei ihm an. Er erklärte mir, was er sucht: Alter ca. 27 Jahre, graduieret oder diplomiert, mehree Jahre Auslandserfahrung, mehrere Jahre Betriebserfahrung, 2 Sprachen fließend. Bezahlung: (1976): 2.500,- DM. Meine Reaktion war passend: ich sagte ihm, er soll sich mal auf seinen Geisteszustand untersuchen lassen.

Doch vom Grundtenor hast Du recht: je besser die Ausbildung, das Können, desto geringer die Gefahr einer Arbeitslosigkeit. Als erstes werden Hilfsarbeiter „freigestellt“. Und in manchen Betreiben billigarbeiter aus Polen, Tschechien, Portugal… eingestellt.
Grüße
Raimund