Der Wachstums-Hype

Hallo zusammen,

ich wüsste mal gerne, ob der weltweit generierte Wachstums-Hype überhaupt von Nöten ist. Überall scheinen die Wirtschaft und die Märkte abhängig von kontinuierlichem Wachstum zu sein. Aber ist das tatsächlich so? Oder ist das Ganze nur künstlich von den Bankern, Finanzhaien (Heuschrecken) und Börsenspekulanten erzeugt/erfunden worden, damit sie schnell viel Geld machen können, indem sie auf steigende oder fallende Kurse setzen.

Mal ganz abgesehen davon, dass es ja nämlich ohnehin kein unendliches Wachstum geben kann, ist in einem abgeschlossenen System die Nachfrage und das Angebot jedenfalls stabil. Betrachten wir ein kleines 500 Seelen-Dorf, so gibt es dort idealerweise 1 Bäcker, 1 Post, 1 Metzger, 1 Schreiner, usw. Und keinerlei Wachstum!!! Niemand braucht dort Wachstum. Der Bäcker ist ein Privatunternehmen (nicht an der Börse notiert) und alles ist gut. Angebot und Nachfrage sind im Einklang. Und niemand will/muss wachsen und expandieren. So hat es früher doch auch funktioniert. Warum heute nicht mehr? Weil irgendwelche Großspekulanten immer nur Wachstum propagieren (obwohl es das ja nicht geben kann) und nicht nur die Unternehmen aufkaufen (schlucken), sondern die Gemeinde/Kleinstadt gleich mit. Der Wachstums-Hype ist eine künstliche Blase, die irgendwann platzt, richtig? Oder hab ich da irgendwas falsch verstanden bzw. übersehen?
Ist der Wachstums-Hype vielleicht mehr eine Globalisierungs- oder Verdrängungsdebatte? Ganz nach dem Konkurrenz- oder Heuschreckenprinzip? Hängt das Ganze vielleicht sogar mit der zunehmenden Weltbevölkerung zusammen? Zugegeben, immerhin die wächst ja tatsächlich…

Wer weiß ein paar Antworten?

Gruß,
Yedi386

Servus,

da wäre es jetzt wieder gut, Deinen Jahrgang zu kennen. Gefühlsmäßig täte ich ihn auf ca. 1970 - 1980 vermuten. Vor diesem Hintergrund hierzu:

Betrachten wir ein kleines 500 Seelen-Dorf, so gibt es dort
idealerweise 1 Bäcker, 1 Post, 1 Metzger, 1 Schreiner, usw.
Und keinerlei Wachstum!!! Niemand braucht dort Wachstum.

(…)

So hat es früher
doch auch funktioniert. Warum heute nicht mehr?

ein paar Anmerkungen von einem alten Mann:

Ich habe bis 1979 in einer Wohnung gelebt, in der von Mitte Oktober bis Ende März jeder, der reinkam (egal ob Familienmitglied oder Gast) erstmal von der Haustür in den Keller runter musste, um dann einen Füller Eierkohlen oder einen Träger Briketts drei Treppen hoch zu schleifen. Die mit solchen kleinen Hilfen in der Wohnung erzielbare mollige Wärme lag von November bis Februar in der Gegend von 16-17° C. Bis 1965 wohnten wir in einem anderen Häuslein. Dort schliefen wir vier Brüder nebst unserer Mutter in einem Raum (Abstand zwischen den Betten ca. 50cm), in dem winters schon mal die Matratzen der beiden Betten, die im Nordosteck standen, morgens steif gefroren waren. Das ganze übrigens die Familie eines Arztes, Beamter im Landesdienst, der Anfang der 1970er Jahre (war glaube ich 1972) erstmals in den Genuss einer Vierzigstundenwoche kam.

In der erwähnten Wohnung 1965 - 1979 wurde warmes Wasser zum Baden oder Duschen mit einem Badeofen erhitzt, den man wenigstens eine Stunde vor dem Baden anfeuern musste. Die Wasserspülung auf dem Tö funktionierte so, dass man eine der zu diesem Zweck vorgehaltenen Zehnliter-Gießkannen am Wasserhahn füllte, mit der linken Hand einen Handhebel links am Pott bediente, um eine Klappe zu senken, auf der das ganze Geschäft lag, und mit der rechten Hand die Gießkanne hielt und dabei möglichst geschickt zielte, um mit dem Strahl den ganzen Scheiß von der schräg gesenkten Klappe in den Orkus zu befördern.

Ich habe als kleiner Bub in diesem Ort erlebt, wie erstmals die Hauptstraße geteert wurde.

Die Leiter der Freiwilligen Feuerwehr reichte bis in den zweiten Stock. Für Dachstuhlbrände im ehemaligen Kloster, in dem ein Krankenhaus untergebracht war, wurde dort eine längere Leiter vorgehalten, die von zwei Mann im Laufschritt gezogen werden konnte, besser waren vier (die Deichsel war breit genug dafür). Auch deswegen, weil das Ding mit Handkurbeln ausgefahren wurde, so dass die Zugmannschaften am Ort möglichst nicht zu sehr außer Atem sein sollten. Bei Übungen hatten wir als neugierig zuschauende Buben großen Respekt vor dem Teil, das mit den eisenbeschlagenen Holzrädern immer einen Höllenlärm machte.

Man hatte in der Wohnung immer Taschenlampe, Kerzen und Streichhölzer griffbereit, weil es, wenn bei stürmischem Wetter oder Gewitter der elektrische Strom weg war, vielleicht eine halbe Stunde, aber schon auch einmal einen halben Tag dauern konnte, bis die Versorgung wieder funktionierte.

Die Kläranlage für die 5.000-Einwohner-Stadt bestand aus einem Rechen und zwei Absetzbecken.

Ein Zeitschriftenwerber, der von meiner Mutter zwar kein Abo, aber immerhin einen Teller Graupensuppe bekam, hätte davon fast gekotzt - er hatte seit knapp zwei Tagen nichts mehr gegessen.

Zur Schule fuhren wir mit einem Bus, der (einschließlich aller Stehplätze) für 100 Personen zugelassen war. Der Fahrer erzählte mit einem gewissen Stolz, dass er zu den großen Markttagen schon auch mal 120 hineingekriegt hat. Das funktionierte dann so, dass auf den Zweiersitzbänken jeweils vier Schulkinder untergebracht wurden; an der 9%-Steigung am Ortsausgang der Kreisstadt mussten die Schüler aussteigen und zu Fuß hinaufdackeln, weil der Bus die Rampe sonst nicht gepackt hätte.

Ein Mitschüler von mir, Sohn eines Fünfkuhbauern, kam acht Monate im Jahr barfuß zur Schule, um die Schuhe zu sparen.

Ach, ich könnt noch eine Weile so weitererzählen.

Kurzer Sinn: Das Wachstum, das seither stattgefunden hat, finde ich persönlich gar nicht so entsetzlich schlimm. Vielleicht kannst Du das verstehen.

Schöne Grüße

MM

Zweierlei Wachstum
Hallo Martin May,

auf jeden Fall kannst Du schön erzählen. Und Du hast auch Schönes zu erzählen! Aber Deine Erzählungen erinnern mich eher an die 50’er Jahre (Nachkriegszeit) als an die 70’er. Außerdem meinst Du offenbar eine andere Art von Wachstum, als ich: Du scheinst mehr von allgemein Entwicklung und Fortschritt zu sprechen. So etwas hingegen ist ja aber auch dann möglich, wenn Angebot und Nachfrage im Einklang zueinander stehen. Dazu muss der Dorfbäcker nicht unbedingt expandieren (völlig Größenwahnsinnig) und plötzlich über jegliche Dorfeigene Nachfrage hinaus auch noch alle Nachbardörfer mit dem Firmeneigenen Fuhrpark (auf Kredit) mitbeliefern. Nur um zu wachsen. Nur, um noch mehr Brötchen backen zu können (aus der unbegründeten Angst heraus, ansonsten unterzugehen). Dabei macht er natürlich die Bäcker in den Nachbardörfern platt und kann sich irgendwann eine Filial-Kette aufbauen, die später einmal als Börsenunternehmen notiert wird. Der ganze Prozess an sich ist jedoch reichlich künstlich, kapitalistisch, zerstörerisch und zudem völlig unnötig. Und genau das meine ich: Ein solches Wachstum, das wie eine künstliche Blase am Markt, an Mensch und Umwelt vorbei operiert (jeder gegen jeden, und zwar global!!!) ist total schädlich und absolut unnötig. Das ist diese Mentalität der konkurrierenden ICH-AG’s. Dadurch geht alles kaputt. Oder sehe ich das falsch? Denn schließlich sind die Bäcker aus den Nachbardörfern ja auch nicht von gestern und warten (aus lauter Angst vor feindlicher Übernahme) mit dem selben Geschäftskonzept auf. Die Folge: Totales Überangebot, Qualitätsverlust, erbitterter Konkurrenzkampf überall, Geiz-ist-Geil Mentalität bei den Nachfragenden, tausende Insolvenzen und Arbeitslose, erhöhte Umweltbelastungen, usw. Und die Einzigen, die an dem Geschäft mit der Angst und an dem Geschäft mit dem künstlichen Wachstum (den sie propagierten), verdienen, sind die Banker, die Finanzhaie und Börsenspekulanten. Nur die Globalisierung anhalten oder rückgängig machen, das können wir auch nicht. Oder?

* Yedi386

Servus,

Aber Deine Erzählungen erinnern mich eher
an die 50’er Jahre (Nachkriegszeit) als an die 70’er.

Die genannten Jahreszahlen sind echt.

Außerdem meinst Du offenbar eine andere Art von Wachstum, als ich: Du
scheinst mehr von allgemein Entwicklung und Fortschritt zu
sprechen.

Entwicklung (einzelbetrieblich und gesamtwirtschaftlich) und Fortschritt (quantitativ und qualitativ) sind Merkmale von Wachstum. Nach welchen Kriterien unterscheidest Du wünschenswertes von unerwünschtem Wachstum?

(aus der unbegründeten Angst heraus, ansonsten unterzugehen).

Ob diese begründet ist oder nicht, kann der Bäcker eventuell selber rechnen. Sicher ist, dass er zusehen muss, wie er die Produktivität seiner Bude steigert - es sei denn, er hat die Garantie, dass in den kommenden irgendwieviel Jahrzehnten die Preise für sämtliche seiner Ressourcen eingefroren bleiben, und dass es keinen Mitbewerber gibt, der seinerseits die Produktivität seiner Bude steigert.

völlig unnötig

ist das, wenn keine Steigerung der Produktivität gewünscht ist. D.h. die derzeit weltweit übern Daumen gepeilte Fünfzig- bis Sechzigstundenwoche als wünschenswertes Ende der Fahnenstange angesehen wird. Aus der Perspektive von jemandem, der auf der 37,5-h-Seite steht, stellt sich das anders dar, als von der 70-h-Seite aus betrachtet.

Dass es Gewinner und Verlierer gibt, gehört zur Marktwirtschaft (mit oder ohne Wachstum, bloß ohne Wachstum sind die Verlierer halt wesentlich härter betroffen, wie man regelmäßig in Zeiten ohne Wachstum beobachten kann).

Wo genau ist der Punkt, den man als Schlusspunkt wünschenswerten Wachstums festlegen könnte?

Schöne Grüße

MM

Das Dilemma
Hi,

Wo genau ist der Punkt, den man als Schlusspunkt
wünschenswerten Wachstums festlegen könnte?

Genau das ist ja das Dilemma! Es kann keinen geben. Stagnation bedeutet unweigerlich Rückschritt. Sollte man doch einen solchen Schlusspunkt (künstlich) herbeiführen wollen - aus Rücksicht auf Mensch, Umwelt, Leben und Qualität -, so müsste man ihn weltweit vereinbahren und auch seine Einhaltung streng kontrollieren. Ziemlich utopisch!

Nach welchen Kriterien unterscheidest Du
wünschenswertes von unerwünschtem Wachstum?

Eben danach, welches echt und notwendig ist und welches aus der Gier oder Angst heraus (als künstlicher Hype, unnötig) stattfindet.

Deshalb sprach ich von einem geschlossenen System, wo der Bäcker quasi eine dauerhaft konstante Rohstoff-, Preis- und Nachfragegarantie hat. Zugegeben, - genauso utopisch!

Trotzdem: Gelänge es, die Angst und die Gier in den heutigen Märkten abzumildern (herauszunehmen), wäre die Gesamtsituation nebst der Zukunftsaussichten wesentlich entspannter.

* Yedi386

Hi,

Eben danach, welches echt und notwendig ist und welches aus der Gier oder Angst heraus (als künstlicher Hype, unnötig) stattfindet.

Deshalb sprach ich von einem geschlossenen System, wo der Bäcker quasi eine dauerhaft konstante Rohstoff-, Preis- und Nachfragegarantie hat. Zugegeben, - genauso utopisch!

Genau, utopisch. Klingt ja alles prima und läßt sich wunderbar leicht und kurz formulieren, ist aber kaum umzusetzen - schon deshalb, weil sich die Leute nicht vorschreiben lassen, wann sie sterben oder krank werden und wann sie wieviele Kinder bekommen. Damit ist die Nachfrage unplanbar für die Versorgung mit LEbensmitteln und Medikamenten und deren Zulieferer, für die medizinischen Berufe und Lehrberufe.
Natürlich ist es jedem unbenommen, sich über Gewinnstreben aufzuregen - aber dann sollte man erst mal selbst aufhören, nach der nächsten Gehaltserhöhung zu schreien, ssondern seinen Verbrauch statt nach der Mode und dem, was alle haben / tun, nach dem eigenen Einkommen zu richten. Nicht lustig, oder?

die Franzi

Hallo Yedi,

auf jeden Fall kannst Du schön erzählen. Und Du hast auch
Schönes zu erzählen! Aber Deine Erzählungen erinnern mich eher
an die 50’er Jahre (Nachkriegszeit) als an die 70’er.

derartiges ist noch gar nicht so lange her.
Ich bin 1983 geboren, in einer kleinen Ortschaft (sehr wohl in Deutschland), und ich kenne einiges davon noch aus eigener Erfahrung (und nicht nur aus Erzählungen)!

  • der Badeofen (mit Kohle natürlich, nicht elektrisch)
  • Raumtemperaturen so um die 17 Grad wenn geheizt wurde
  • Stromausfall bei Sturm, Gewitter oder Schnee, oft einmal die Woche
  • Anschluss des Hauses an die öffentliche Kanalisation erst so um meine Geburt herum
  • vollgestopfter Schulbus
  • etc.

Viele Grüße,
Nina

Verstehe ich nicht
Hallo Franzi,

Genau, utopisch. Klingt ja alles prima und läßt sich wunderbar
leicht und kurz formulieren, ist aber kaum umzusetzen - schon
deshalb, weil sich die Leute nicht vorschreiben lassen, wann
sie sterben oder krank werden und wann sie wieviele Kinder
bekommen. Damit ist die Nachfrage unplanbar für die Versorgung
mit LEbensmitteln und Medikamenten und deren Zulieferer, für
die medizinischen Berufe und Lehrberufe.
Natürlich ist es jedem unbenommen, sich über Gewinnstreben
aufzuregen - aber dann sollte man erst mal selbst aufhören,
nach der nächsten Gehaltserhöhung zu schreien, ssondern seinen
Verbrauch statt nach der Mode und dem, was alle haben / tun,
nach dem eigenen Einkommen zu richten. Nicht lustig, oder?

Das verstehe ich nicht. Auch finde ich es eher unlustig, wenn Leute, Organisationen, Gemeinden, Staaten, etc. dauerhaft über ihre Verhältnisse leben. Das ist nämlich auf Dauer viel unlustiger (zumindest die unangenehmen Folgen davon), als wie wenn alle nüchtern nach ihrem tatsächlichen Budget leben würden. Fängt dagegen einer damit an, über seine Verhältnisse zu leben (bzw. zu wirtschaften), was einen Konkurrenzfall verursachen würde, sind die anderen im Zugzwang. Auch soetwas würde ich als eigentlich künstlichen Hype bezeichnen. Betrachtet man das zum Beispiel mal auf staatlicher Ebene.

Im Übrigen ist in einem geschlossenen System die Nachfrage idealerweise ziemlich konstant (das Angebot auch). Wenn da mal ein paar Leute sterben und auf der anderen Seite ein paar Neugeborene hinzukommen, so ist das insgesamt idealerweise konstant. Abgesehen davon wird der Dorfbäcker leichte Schwankungen ausgleichen können (wenn mal 13 Brötchen mehr oder weniger nachgefragt werden). Schließlich kann ja auch mal jemand an einem Tag mehr Appetit haben. =)

Gruß,
Yedi386

Dorf und Stadt
Hallo Nina,

ich glaube das mit den unterschiedlichen Entwicklungsverhältnissen um 1980 herum, richtet sich stark nach Dorf oder Großstadt. Und in einer Großstadt auch sicherlich noch wiederum danach, wo im WK II die Bomben genau hingefallen waren. Also wir waren in Hamburg jedenfalls um 1980 herum an die städtische Kanalisation bereits lange angeschlossen. Auch haben wir nix mehr im Haus mit Kohle beheizt, usw.

* Yedi386

Guten Tag Yedi386,

wenn alle „über die Verhältnisse leben sollten“, dann sind es mit Sicherheit nicht die Gemeinden.
Die Kommunen sind das schwächste Glied und müssen deshalb die unkoordinierte und stümperhafte Sparwut des Bundes ertragen.Würde der Bund so überlegt und verantwortungsvoll mit seinem Haushalt verfahren wie die Bürgermeister der Gemeinden, hätten wir jetzt die Hälfte der Schulden.

Gruß

Sohn Mannheims

ich wüsste mal gerne, ob der weltweit generierte
Wachstums-Hype überhaupt von Nöten ist.[…]
Mal ganz abgesehen davon, dass es ja nämlich ohnehin kein
unendliches Wachstum geben kann, ist in einem abgeschlossenen
System die Nachfrage und das Angebot jedenfalls stabil.
Betrachten wir ein kleines 500 Seelen-Dorf,

Hi,

Yedi386!

Dieses Dorf kommt mir vor, als herrsche dort noch die Tauschwirtschaft.
Bei Aristoteles liest man, und mich hat das immer überzeugt, dass mit der Erfindung des Geldes eine neue Mentalität aufkommt.
Während zur Zeit der Tauschwirtschaft für den Normalbürger, der ein Handwerk ausübt, die Bildung von Reichtum nicht möglich ist
(wenn er als Schuster mehr Schuhe produziert, als er zum Warentausch benötigt, verschimmeln sie ihm),
steht in der Geldwirtschaft der erlöste Überschuss zur Vergrößerung des Betriebs oder zur Bildung von Geldvermögen zur Verfügung.
Warum dies geschieht? Wegen der neuen Möglichkeit entsteht eine neue Haltung: Aristoteles verwendet dafür das Wort pleonexía („Mehr-haben-wollen“).
Nur wenn man wieder dahinter zurückgeht - und ich bezweifle, dass dies möglich ist - erreichen wir den von dir beschriebenen Zustand.
Schönen Gruß!
Hannes!
Ps.: Ich sehe hier ein kleines Dorf, in dem der Bäcker und der Metzger aufgegeben haben, weil entgegen einer altbewährten Absprache der Lebensmittelkramer nun auch eine Fleischtheke und einen Backwarenvertrieb hat.

Hallo Sohn,

Würde der Bund so überlegt und verantwortungsvoll mit seinem Haushalt verfahren wie die Bürgermeister der Gemeinden, hätten wir jetzt die Hälfte der Schulden.

Das mag ja für deine Vaterstadt zutreffen. Ich höre und lese immer nur von Müllverbrennungsanlagen, die nur zu 50% ausgelastet sind, Cross-Border-Leasing-Geschäften, die wegen Pleite des Leasinggebers erheblich teurer geworden sind als bei klassischer Finanzierung, Badetempeln und Fun-Parks im PPP-Modell, bei denen die Stadt nach Wegbruch des Private-Partners auf den Kosten sitzen bleibt, und so weiter…

Gruß
Rainer

Hallo RainerU,

wenn alljährlich die Zuwendung des Bundes weniger wird und gleichzeitig die Gesetzgebung die gesetzlichen Grundlagen zur Reduzierung der Gewerbesteuer oder Abwanderung von Firmen schafft - bleibt so machem Kämmerer nichts anderes übrig als eben die Kosten zu reduzieren (Cross Boarder Leasing) und erst einmal Einnahmen zu generieren.

  1. Wenn der Bund die Eigenheimzulage schafft damit viele Leute möglichst weit in die Pampas bauen können muss die Kommune investieren.
    Der Bund dann die Eigenheimzulage ohne irgendwelchen Ersatz für die Gemeinden abschafft, ziehen keine Bürger mehr in die Pampas.Die Gemeinden werden auf ihren teuer von den Grundstückseignern gekauften Bauplätzen hocken bleiben.Weniger Einwohner, wiederum weniger Zuwendung des Bundes.

Müllverbrennungsanlagen sind eine grandiose Idee der Bundespolitiker und „Umweltaktivisten“ und findigen Unternehmern, nicht der einzelnen Bürgermeister die die Situation vor Ort einschätzen könnten.Man fragt sie aber nicht.Meist geht das so:
„Wenn du nicht mit der Zeit gehst, und auf den Umweltschutz-Zug aufspringst lieber Bürgermeister/In, ist das deine Entscheidung.Allerdings hat Förderung des Umweltschutzes nun einmal aktuell Vorrang.D.h. andere Mittelzuweisungen müssen wir zugunsten der Umweltförderung anpassen.“ Bei letzterem müsste der Kämmerer der Gemeinde wiederum auf Einnahmen verzichten.Er wird also tun was man ihm sagt.

Freibäder schließen sehr oft, weil der Eintrittspreis zu niedrig ist. Weil wir Bürger ja nunmal die Geiz ist geil- Mentalität inhaliert haben.Aber auch vom Bund werden gerne Gelder zweckgebunden überwiesen,vollkommen egal ob die Kommune gerade Investition in diesem bestimmten Bereich benötigt.Je nach politischer Großwetterlage wird der Zweck den Kommunen vorgegeben.Alles intervenieren nutzt nichts:Antwort ähnlich wie oben ,nur dem Zweck entsprechend.

Ich weiss, dass diese Beispiele sehr vereinfacht sind,es mag auch Gemeinden geben in denen Verschwendung und Unfähigkeit herrscht(aber wenige),der größte Teil der Kommunalpolitiker sind gute Leute und gehen mit Geld so um " wie die schwäbische Hausfrau"(Merkelscher Ausdruck).

An der so genannten Basis (aktiv mitdenkender und mitarbeitender Bürger!)kann man sich auch gerne selbst einbringen,d.h. sich interessieren was vor Ort genau geschieht.
Aber in wievielen öffentlichen Sitzungen ist der Rathaussaal den von Bürgern überhaupt angemessen besetzt,abgesehen von den Personen des Stadt/oder Gemeinderates?
Ich erlebe ein vollen Sitzungssal nur, wenn es für Bürger irgendeinen geldwerten Vorteil zu ihren Gunsten zu holen gibt.

Ich glaube auch, sollte sich zukünftig an dieser Top - Down -Situation nichts ändern, niemand mehr bereit sein wird ein öffentliches Amt an der Basis zu übernehmen.

Grüße

Sohn Mannheims