Servus,
da wäre es jetzt wieder gut, Deinen Jahrgang zu kennen. Gefühlsmäßig täte ich ihn auf ca. 1970 - 1980 vermuten. Vor diesem Hintergrund hierzu:
Betrachten wir ein kleines 500 Seelen-Dorf, so gibt es dort
idealerweise 1 Bäcker, 1 Post, 1 Metzger, 1 Schreiner, usw.
Und keinerlei Wachstum!!! Niemand braucht dort Wachstum.
(…)
So hat es früher
doch auch funktioniert. Warum heute nicht mehr?
ein paar Anmerkungen von einem alten Mann:
Ich habe bis 1979 in einer Wohnung gelebt, in der von Mitte Oktober bis Ende März jeder, der reinkam (egal ob Familienmitglied oder Gast) erstmal von der Haustür in den Keller runter musste, um dann einen Füller Eierkohlen oder einen Träger Briketts drei Treppen hoch zu schleifen. Die mit solchen kleinen Hilfen in der Wohnung erzielbare mollige Wärme lag von November bis Februar in der Gegend von 16-17° C. Bis 1965 wohnten wir in einem anderen Häuslein. Dort schliefen wir vier Brüder nebst unserer Mutter in einem Raum (Abstand zwischen den Betten ca. 50cm), in dem winters schon mal die Matratzen der beiden Betten, die im Nordosteck standen, morgens steif gefroren waren. Das ganze übrigens die Familie eines Arztes, Beamter im Landesdienst, der Anfang der 1970er Jahre (war glaube ich 1972) erstmals in den Genuss einer Vierzigstundenwoche kam.
In der erwähnten Wohnung 1965 - 1979 wurde warmes Wasser zum Baden oder Duschen mit einem Badeofen erhitzt, den man wenigstens eine Stunde vor dem Baden anfeuern musste. Die Wasserspülung auf dem Tö funktionierte so, dass man eine der zu diesem Zweck vorgehaltenen Zehnliter-Gießkannen am Wasserhahn füllte, mit der linken Hand einen Handhebel links am Pott bediente, um eine Klappe zu senken, auf der das ganze Geschäft lag, und mit der rechten Hand die Gießkanne hielt und dabei möglichst geschickt zielte, um mit dem Strahl den ganzen Scheiß von der schräg gesenkten Klappe in den Orkus zu befördern.
Ich habe als kleiner Bub in diesem Ort erlebt, wie erstmals die Hauptstraße geteert wurde.
Die Leiter der Freiwilligen Feuerwehr reichte bis in den zweiten Stock. Für Dachstuhlbrände im ehemaligen Kloster, in dem ein Krankenhaus untergebracht war, wurde dort eine längere Leiter vorgehalten, die von zwei Mann im Laufschritt gezogen werden konnte, besser waren vier (die Deichsel war breit genug dafür). Auch deswegen, weil das Ding mit Handkurbeln ausgefahren wurde, so dass die Zugmannschaften am Ort möglichst nicht zu sehr außer Atem sein sollten. Bei Übungen hatten wir als neugierig zuschauende Buben großen Respekt vor dem Teil, das mit den eisenbeschlagenen Holzrädern immer einen Höllenlärm machte.
Man hatte in der Wohnung immer Taschenlampe, Kerzen und Streichhölzer griffbereit, weil es, wenn bei stürmischem Wetter oder Gewitter der elektrische Strom weg war, vielleicht eine halbe Stunde, aber schon auch einmal einen halben Tag dauern konnte, bis die Versorgung wieder funktionierte.
Die Kläranlage für die 5.000-Einwohner-Stadt bestand aus einem Rechen und zwei Absetzbecken.
Ein Zeitschriftenwerber, der von meiner Mutter zwar kein Abo, aber immerhin einen Teller Graupensuppe bekam, hätte davon fast gekotzt - er hatte seit knapp zwei Tagen nichts mehr gegessen.
Zur Schule fuhren wir mit einem Bus, der (einschließlich aller Stehplätze) für 100 Personen zugelassen war. Der Fahrer erzählte mit einem gewissen Stolz, dass er zu den großen Markttagen schon auch mal 120 hineingekriegt hat. Das funktionierte dann so, dass auf den Zweiersitzbänken jeweils vier Schulkinder untergebracht wurden; an der 9%-Steigung am Ortsausgang der Kreisstadt mussten die Schüler aussteigen und zu Fuß hinaufdackeln, weil der Bus die Rampe sonst nicht gepackt hätte.
Ein Mitschüler von mir, Sohn eines Fünfkuhbauern, kam acht Monate im Jahr barfuß zur Schule, um die Schuhe zu sparen.
Ach, ich könnt noch eine Weile so weitererzählen.
Kurzer Sinn: Das Wachstum, das seither stattgefunden hat, finde ich persönlich gar nicht so entsetzlich schlimm. Vielleicht kannst Du das verstehen.
Schöne Grüße
MM