Hallo Brasov,
deine Frage:Was sind denn die wichtigen Punkte über die Didaktik der Fabel in unserer Zeit?
versuche ich so zu beantworten
Fabeln als lit. Gattung ist eine lehrhafte Geschichte, bei der Tiere menschliche Charaktereigenschaften aufweisen, wie Menschen handeln. Dabei wird eine Moral, Belehrung oder allg. Wahrheit verdeutlicht. Schon in der Antike sehr beliebt, auch in der Reformation und in der Neuzeit.
Wie die Parabel geht es um eine Lehre, aber bei der Fabel treten Tiere auf.
Das besondere dabei ist, dass dadurch Distanz geschaffen wird und gleichzeitig nähe zugelassen wird. Dir Kritik kann unverhüllter geäußert und auf den Punkt gebracht werden, ohne dass man sich gelcih angeriffen fühlt oder einem dies angelastet werden kann.
Fabeln der Neuzeit: Animal farm,
Oder folgende:
Der propre Ganter (von James Thurber)
Es war einmal – und sehr lange ist das noch gar nicht her – ein wunderschöner
Ganter. Er war groß und stark, glatt und sauber und beschäftigte
sich vorwiegend damit, für seine Frau und die Kinder zu
singen. »Was für ein proprer Ganter«, bemerkte jemand, der ihn singend
im Hof auf und ab stolzieren sah. Das hörte eine alte Henne,
und sie erzählte es abends auf der Hühnerstange ihrem Gemahl.
»Von Propaganda war die Rede«, zischelte sie.
»Ich habe dem Burschen nie getraut«, versetzte der Hahn, und tags
drauf ging er im Hof umher und sagte jedem, der es hören wollte, der
schöne Ganter sei ein höchst gefährlicher Vogel, aller Wahrscheinlichkeit
nach ein Habicht im Gänserichgewand.
Eine kleine braune Henne erinnerte sich, dass sie einmal von weitem
beobachtet hatte, wie der Ganter im Walde mit einigen Habichten
sprach. »Die führten irgendwas im Schilde«, versicherte sie. Eine Ente
berichtete, der Ganter habe einmal zu ihr gesagt, er glaube an gar
nichts. »Und er hat auch gesagt, dass er Fahnen hasst«, fügte die
Ente hinzu. Das Perlhuhn entsann sich, einmal gesehen zu haben, wie
jemand, der dem Ganter auffallend ähnelte, etwas warf, was einer
Bombe auffallend ähnelte. Schließlich bewaffneten sich alle mit
Stöcken und Steinen und zogen vor des Ganters Haus. Er stolzierte
gerade im Vorgarten auf und ab und sang für Weib und Kinder. »Da ist
er!«, schrien alle. »Habichtfreund! Atheist! Fahnenhasser! Bombenwerfer!
«. Damit fielen sie über ihn her und jagten ihn aus dem Lande.
Moral: Jeder, den du und deine Frau für einen Landesverräter halten,
ist selbstverständlich auch einer.
(aus: James Thurber, 75 Fabeln für Zeitgenossen. Deutsche Übersetzung von Ulla
Hengst, Hans Reisiger, H.M. Ledig-Rowohlt.
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