Deutsche Unkultur und Wiedervereinigung

Hallo,
ich bin grade für ein paar Tage in Berlin und hatte, ohne lange zu eruieren angenommen, hier würden jede Menge Feierlichkeiten und Events zum Jahrestag der Wiedervereinigung stattfinden, ganz unabhängig davon, daß das jeweils aktive Bundesland da selbst noch mal ordentlich nachlegen darf.

Zum zwanzigsten Jahrestag erst recht!!!

Ich kann aber kaum eine kleine Veranstaltung finden, habe heute extra noch mal beim Touristenbüro nachgefragt: Nein, man weiß von nichts, von vielleicht einer vorbereiteten Liste ganz zu schweigen. Eine kleine Rede vor dem Reichstag, eine kleine…

Also, ich finde das derart schäbig, charakterlos, kulturlos, undankbar, daß ich mich nicht fassen, nicht ausdrücken kann.

Die Franzosen hätten bei einem solchen Ereignis eine zweite Parade (wie am 14. Juli) organisiert mit Tanz auf allen Plätzen und Freibier oder Freiwein für alle, und Feuerwerk bis runter in jedes Dorf und, und, und.

Es müßte ja bei uns nicht gleich eine Militärparade auf der Straße des 17. Juli sein, aber ein bischen mehr als dieses interesselose alles Hängenlassen hätte es schon sein dürfen, Frau Merkel, Herr Wulff, Herr Lammert !!!

Überhaupt, der Herr Wulff, genauso hab´ ich mir den vorgestellt, genauso habe ich den erwartet!

Ich möcht´ grad heulen …

Antal

Tja, Antal -
zur deutschen Unkultur gehört nun mal der Föderalismus, anders als in Frankreich, wo es Kultur nur in Paris und ansonsten Provinz gibt. Glauben zumindest manche. Das ist nun wieder französische Unkultur.

Wenn Du dieses Jahr einem nationalen Harmoniebedürfnis frönen willst musst Du halt notgedrungen nach Bremen statt nach Berlin fahren. Ansonsten musst Du Dich damit zufriedengeben: http://www.belocal.de/berlin/events/tag_der_deutsche…

Freundliche Grüße,
Ralf

Hallo,

so ist der Deutsche nun mal. Immer schön problembewusst, sich aller Untiefen der eigenen Geschichte bewusst, die ihn daran hindern einfach mal hemmungslos ein Ereignis zu feiern, was dieses auf jeden Fall trotz aller damit im Zusammenhang stehenden Schwierigkeiten verdient hätte. Unser russisches Au-Pair ist auch vollkommen entsetzt. Die hat die ganze jüngere deutsche Geschichte erst bei uns gelernt, und war auch drum und dran zu den von ihr erwarteten großen Feierlichkeiten zu gehen, und dann vollkommen sprachlos.

Gruß vom Wiz

hi

so ist der Deutsche nun mal. Immer schön problembewusst, sich
aller Untiefen der eigenen Geschichte bewusst, die ihn daran
hindern einfach mal hemmungslos ein Ereignis zu feiern, was
dieses auf jeden Fall trotz aller damit im Zusammenhang
stehenden Schwierigkeiten verdient hätte.

also das stimmt aber so auch nicht. Letztes Jahr zum 20. Jahrestag des Mauerfalls waren unendlich viele Riesenfeierlichkeiten in ganz Berlin. Das muss man exakt so vielleicht nicht ein knappes Jahr später zu genaugenommen dem gleichen Thema wieder tun. Und es wird doch gefeiert, nur eben nicht mehr ganz so groß. Aber verschwindend klein nun auch nicht.

Hier steht auch noch was zum Hintergrund, warum kleine Feier:

http://www.tagesspiegel.de/berlin/3-oktober-wowereit…

gruß

Tja, Antal -
zur deutschen Unkultur gehört nun mal der Föderalismus, anders
als in Frankreich,

tja, da müßtest Du mal den 14. Juli in Lyon erleben, oder Metz, oder Straßburg: nix, nur Paris !! Und ohnehin auf jedem Dorf. Fahr doch mal ins Elsaß, nach Ville z.B.

dieses Jahr einem nationalen Harmoniebedürfnis frönen

willst

das ist kein „nationales Harmoniebedürfnis“, das ist ein Tag des Glücks und er Fröhlichkeit und Dankbarkeit (sollte er zumindest sein), darüber, daß uns das noch passiert ist, wider alles Erwarten.

Aber, mit Goethe: Wenn ihr´s nicht fühlt, ihr werdet´s …

Antal

Letztes Jahr zum 20.

Jahrestag des Mauerfalls waren unendlich viele
Riesenfeierlichkeiten in ganz Berlin.

Das war der Jahrestag des Mauerfalls. Ich spreche von unserem Nationalfeiertag. Kennst Du den Unterschied?

Und es wird doch gefeiert, nur eben

nicht mehr ganz so groß. Aber verschwindend klein nun auch
nicht.

Ach ja, erzähl doch mal, was, wann, wo?

Gruß Antal

Hi,
mir sind nationale Aufwallungen - besonders wenn sie denn von oben herab angeordnet werden oder durch die Medien hochgepeitscht werden - zutiefst suspekt. Reichsparteitage oder Beflaggung zum 20. April hatten wir eine Zeitlang ebenso wie Sonntagsreden zum 17.Juni oder 20. Juli. und Aufmärsche zum 1. Mai. Heute zeigt sich dann die nationalbewusste Volksseele in Fähnchen am Auto, wenn immer „wir“ mal wieder irgendetwas sind, sei es Papst oder Fussballkicker.

Und ob solche Demonstrationen „völkischen Bewusstseins“ nun in „Schland“, Frankreich oder sonstwo stattfinden, sie befördern Ab- und Ausgrenzung. Die Zeiten von „über alles“, „grande nation“ oder „rule the waves“ sollten endlich ein für allemal vorbei sein.

Lass uns erst wieder feiern, wenn niemand mehr seiner Hautfarbe, Religion oder Meinung wegen im Gefängnis sitzt, niemand mehr Hunger leidet und wir - alle Menschen - uns im Einklang mit unserer Natur befinden.

Blah

hi

Das war der Jahrestag des Mauerfalls. Ich spreche von unserem
Nationalfeiertag. Kennst Du den Unterschied?

Achso, Mauerfall hat nichts mit der Wiedervereinigung zu tun, ich vergaß, entschuldigung.

Und es wird doch gefeiert, nur eben

nicht mehr ganz so groß. Aber verschwindend klein nun auch
nicht.

Ach ja, erzähl doch mal, was, wann, wo?

da unten hast du doch nen Link. 1,5 km Festmeile am Brandnburger Tor. Bühne mit Musikacts. Feuerwerk.
Und dazu hab ich dir nen Link geschickt, wo erklärt wird, warum man bewusst auf noch größere Feierlichkeiten verzichtet hat.
Aber wer was zum Nölen gegen die ach so kulturlosen Deutschen sucht, wird immer was finden. Sehr „deutsch“ übrigens.

gruß

4 Like

Hallo Antal,
am Brandenburger Tor und der Straße des 17. Juni ist eine 1,5 km lange Festmeile geplant.
Weiterhin findet am Ostbahnhof ein „Riesenflohmarkt“ zum Tag der Deutschen Einheit statt (Frag mich nur, was das eine mit dem anderen zu tun hat, aber egal)
Im Deutschen Historischen Museum ist eine Sonderausstellung, und im Brauhaus Südstern ist ein Vortag zum Thema.
Reicht Dir das nicht?
Grüße
Almut

1 Like

Hallo,

ich finde es befremdlich, um nicht zu sagen erschreckend, wie Du - wie auch viele anderen - im Zusammenhang mit nationaler Identität gleich die Keule mit Allmachtsgedanken und Ausgrenzung schwingst. Wenn ich in der Familie (als kleine Analogie zum Staat) meinen Geburtstag feiere, oder in meiner Stadt ein Stadtfest zum x. Jahrestag der Stadtgründung, dann bedeutet das doch nicht, dass ich meine Familie, oder dass sich meine Stadt für etwas Besseres hält. Wir laden uns zum Geburtstag Freunde ein, zum Stadtfest kommen die Vertreter der Partnerstädte und feiern mit, und zum Nationalfeiertag ist auch jeder gerne zum Mitfeiern aufgerufen!

Unsere Zugehörigkeit zu einem Volk ist doch nichts anderes als viele andere Zugehörigkeiten, die wir nun einmal haben. Teils gewollt und freiwillig, teils rein faktisch gegeben. Und wie jeder Fußball- oder Kegelverein seine Feste feiert, sollte das auch ein Volk tun dürfen, ohne dass da jemand von Ausgrenzung und Weltherrschaftsanspruch spricht.

Ich war mal zum Nationalfeertag in Kanada. Da war dass alles sehr entspannt. Ich kam durch diverse Stadtviertel mit unterschiedlichen Einwanderern, und überall gab es die ein oder andere kleine Veranstaltung, … Niemand hat uns bedeutet: „Du gehörst hier nicht hin!“ Und ich habe bis heute keine Angst, dass Kanada uns demnächst aufgrund eines durch die Feier seines Nationalfeiertages demonstierten Weltherrschaftsanspruchs überfallen wird.

Was aber eine positiv erlebte nationale Identität tatsächlich bewirken könnte, wäre mehr „Wir-Gefühl“, mehr „Füreinander einstehen“, mehr „Verantwortung übernehmen“, und zu erkennen, dass man damit einem tumben braunen Mopp eines seiner Lieblingsthemen kamputt macht.

BTW: Ich finde es sehr schön, wenn der Däne, Franzose, Brite, Kanadier, Amerikaner, … völlig unverkrampft mit seiner Flagge umgeht und damit den Geburtstagstisch oder seine Klamotten schmückt, sie als Zeichen „ich bin da!“ am Ferienhaus hisst, … Das liegt mir jedenfalls näher als das mit Vereinsaufklebern eines irgendwo auf der Welt zusammengekauften Profivereins zugekleisterte Auto.

Gruß vom Wiz

1 Like

Und ob solche Demonstrationen „völkischen Bewusstseins“ nun in
„Schland“, Frankreich oder sonstwo stattfinden, sie befördern
Ab- und Ausgrenzung. Die Zeiten von „über alles“, „grande
nation“ oder „rule the waves“ sollten endlich ein für allemal
vorbei sein.

Lass uns erst wieder feiern, wenn niemand mehr seiner
Hautfarbe, Religion oder Meinung wegen im Gefängnis sitzt,
niemand mehr Hunger leidet und wir - alle Menschen - uns im
Einklang mit unserer Natur befinden.

Hallo Blahfasel

Du hast Erwartungen! - Dass ein Volk seine Eigenheiten herausstreicht und sich damit von den anderen abheben will, ist harmlos und wird von den übrigen gutmütig anerkannt. Sie pflegen ja ihrerseits auch ihre Besonderheiten. Ich meine sogar, dass es friedensstiftend wirkt, wenn man weiss, dass andere Volksgemeinschaften einen so respektieren, wie man ist. Es fördert einerseits das Selbstwertgefühl und ist anderseits der Antrieb für einen friedlichen Wettstreit, der die ganze Menschheit weiterbringt.

Ganz anders sieht es aus, wenn Machthungrige dieses Gefühl der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Volksgruppe für ihre Zwecke missbrauchen. Das geschieht und funktioniert dann, wenn dieses Volk Not leidet und verzweifelt ist. Es kann ihm leicht eingeredet werden, die (böswillige) Abgrenzung von anderen bis hin zum Angriff auf Menschen mit anderen Wurzeln sei der einzige Ausweg. So ist es - meiner Meinung nach - doch den Deutschen vor und während des 2. Weltkrieges widerfahren. Nachdem sie gescheitert sind, verharren nun viele Deutsche im nicht minder gefährlichen Gegenteil.

Man sollte den Jungen die Heimatliebe und Freude an der Volkszugehörigkeit zugestehen. Sie fühlen sich dann eher verpflichtet, dafür zu sorgen, dass Deutschland ein Synonym für etwas Gutes, Positives ist. Und sie sind somit auch bereit, anderen Völkern dieselben Gefühle zuzugestehen.

Findest Du nicht auch?

Es grüsst Dich: Maggie

Hallo,

Also, ich finde das derart schäbig, charakterlos, kulturlos,
undankbar, daß ich mich nicht fassen, nicht ausdrücken kann.

Naja, ist schon komisch dass da nix passiert. Ich hätt auch gedacht dass jetzt gefeiert wird. Die Bilder von früher wo sich die Leute freuen und umarmen sind schon schön. Gleichzeitig seh ich aber auch die Bilder mit den Brandstiftungen in Ausländerheimen und Häusern die n a c h der Wiedervereinigung auftraten. Also bin ich zwiegespalten was diesen Teil der Geschichte betrifft.

LG

… das man nur einen Stern vergeben kann.

Grüße
Pomm.es

[MOD] Vorübergehend abgeschlossen
Hallo,

offenbar haben einige das Thema des Brettes nicht verstanden… Es geht um Kultur, nicht um Politik. Der Thread bleibt bis zur Bearbeitung abgeschlossen.

Grüße
EP