Hallo Hans-Jürgen!
Wir haben keine Zustände wie zu Zeiten der Weimarer Republik. Damals gab es nicht einmal Konsens, ob das Gemeinwesen überhaupt demokratisch verfasst sein sollte. Wahlen gingen mit Straßenschlachten und vielen Toten einher. Einschließlich des mit beträchtlichen Machtbefugnissen ausgestatteten Reichspräsidenten (Paul v. Hindenburg) waren Ämter mit allen möglichen Figuren besetzt, die mit Demokratie wenig anfangen konnten und wollten. Das Parlament genoss kein besonderes Ansehen, hatte letztlich nur wenig zu melden, konnte jederzeit vom Reichspräsidenten aufgelöst werden. Monarchisten, Militaristen, Schlägertrupps, Privatarmeen und gewaltsam nach einer Räterepublik nach Sowjetmuster strebende Leute bestimmten das Bild, dazu so gar nicht zum Mythos der Goldenen Zwanziger passende Massenarmut. Das war der Nährboden für Extremismus jeder Art, so lange die Akteure versprachen, alles über den Haufen zu werfen.
Die ersten Parlamente der Bundesrepublik bestanden noch aus den gleichen Leuten (welche auch sonst…) wie zuvor in der Weimarer Republik und im Dritten Reich - Monarchisten, Nazis, Militärs, ein Haufen schräger Vögel ohne demokratische Traditionen, natürlich auch einige vernünftige Leute, die es auch schon vorher gab. Bis heute existieren in D demokratie- und verfassungsfeindliche Strömungen. Darunter auch Leute, die glauben, ihren Zielen mit Gewalt näher zu kommen, die dem politischen Diskurs mit Meinungsbildung und Kompromissen nicht zugänglich sind. Bei einigen Gruppen gibt es Ursachen für das Abgleiten. Wird Zeit, die Ursachen zu benennen und abzustellen, denn die von der Politik weitgehend ignorierten Gruppen werden größer. Mit kleinen Gruppen Verirrter werden wir aber leben müssen wie mit gelegentlich auf dem Bürgersteig liegender Hundekacke.
Keine der zur Wahl stehenden Parteien mit realistischer Chance, die 5%-Hürde zu überspringen, gehört ins verfassungsfeindliche Spektrum. Daran ändern auch vereinzelte Spinner oder verbale Entgleisungen im Wahlkampfgetöse nichts.
Sehe ich auch so. Aber im aktuellen und vorhersehbar auch im nächsten Bundestag werden nur auf dem Boden der Verfassung stehende Leute anzutreffen sein. Von Gewohntem und von der Regierungslinie abweichende Meinungen sind kein Indiz für Extremismus oder Verfassungsfeindlichkeit.
Gruß
Wolfgang