Diagnosen geraten?

Hallo zusammen,

ein Bekannter hat psychische Probleme.
Es war bei Psychotherapeuten, Psychiatern und einmal in der Psychiatrie für 8 Tage (freiwillig).
Von jedem bekam er eine andere Diagnose (innerhalb eines Jahres):

  1. Diagnose: narzisstische Persönlichkeitsstörung
  2. Diagnose: schwere Depression
  3. Diagnose: bipolare Störung
  4. Diagnose: paranoide Persönlichkeitsstörung

Raten „Fachleute“ bei den Diagnosen nur?

Gruß
Bori

Ruhig, Brauner :wink:
Hi

  1. Diagnose: narzisstische Persönlichkeitsstörung
  2. Diagnose: schwere Depression
  3. Diagnose: bipolare Störung
  4. Diagnose: paranoide Persönlichkeitsstörung

Raten „Fachleute“ bei den Diagnosen nur?

Nein, aber viele Kollegen erfassen halt zunächst nur einen Teil der Persönlichkeit oder einen Teil der Symptomatik und da wir alle von der Kassenärztlichen Verwaltung und anderen Standesorganisationen angehalten sind, schon nach dem ersten Kontakt eine Diagnose zu schreiben (die allerdings nicht 100%ig stimmen muss) ergeben sich halt schnell verschiedene Diagnosen.
In deinem Beispiel fallen diese ja gar nicht so extrem weit auseinander: Wir können zumindest davon ausgehen, dass es sich eher um eine Persönlichkeitsstörung als um eine Neurose oder Psychosomatose handelt. Manche Persönlichkeitsstörungen lassen sich auch zunächst nicht so leicht von manchen Psychosen abgrenzen. Ein „schönes“ Beispiel ist die (leider?) selten erkannte bzw. genutzte Diagnose „schizotype Persönlichkeitsstörung“, bei der wir die üblichen akustischen Halluzinationen u.a.m. nicht finden, aber insgesamt den Eindruck eine Psychose-nahen Störung haben.
Gruß,
Branden

Schwer zu sagen. Es gibt durchaus feste Anhaltspunkte für Diagnosen. In Deutschland wird hierfür in aller das ICD-10 herangezogen. Dort sind alle möglichen Störungsbilder aufgelistet und erklärt.Es handelt sich hierbei um eine Klassifizierung von Störungsbildern. Es gibt bestimmte Voraussetzungen, die innerhalb eines bestimmten Zeitraums erfüllt sein müssen, um von einer bestimmten Diagnose zu sprechen.
Allerdings lassen sich natürlich keine Schablonen über Menschen stülpen. In der Praxis ist es durchaus denkbar, dass das ICD-10 eher als Richtlinie bewertet wird. Wenn du im Internet danach suchst und die aufgezählten Störungsbilder eingibst, wirst du definitiv etwas handfestes finden.

Milchmädchenrechnung
Hallo Bori,

machen wir mal eine „Milchmädchenrechnung“:

Es war bei Psychotherapeuten, Psychiatern

Das Jahr hat 52 Wochen. Von diesen 52 Wochen hat man ca. 6 Wochen Urlaub und ist dann noch mal 2-3 Wochen krank oder kann aus sonstigen Gründen nicht arbeiten. Das macht dann also 43 Wochen mit jeweils 50 Minuten Sitzungsdauer =gesamt knapp 36 Stunden = 1,5 Tage

und einmal in der Psychiatrie für 8 Tage (freiwillig).

8 Tage Psychiatrieaufenthalt bedeutet definitiv 1 Wochenende in der Klinik, also -2,5 Tage (da freitags nachmittags i.d.R. nicht mehr viel läuft). Pro Woche 1 Gespräch mit dem zuständigen Therapeuten, ansonsten Gruppentherapien (Morgenrunde, Ergotherapie etc.). Dazu kam wahrscheinlich das Aufnahmegespräch. Heißt: der Therapeut hat Deinen Bekannten 2x gesehen und ansonsten kaum was mitbekommen.

Nun stell Dir selbst die Frage, wie gut oder schlecht Du jemanden nach 1,5 Tagen oder nach ca. 2 Stunden (1x Therapiesitzung + Aufnahmegespräch in der Psychiatrie) kennst.
Klar ist, dass das Fachpersonal ein Schema hat, dass durchgegangen wird und wenn was passt, dann wird das halt genommen, aber ob das dann auch wirklich die Diagnose ist, die auf den Menschen zutrifft stelle ich jetzt mal in Frage.

Gruß zurück
stonehenge

Hallo,

Du hast hier bereits drei Antworten bekommen - alle unterschiedlich, aber nicht widersprüchlich, sondern sie ergänzen sich. Genauso sehe ich die von Dir genannten Diagnosen.

Weiterhin möchte ich darauf aufmerksam machen, dass ein Arzt / Therapeut erstmal nur so gut ist, wie sein Patient ist. Das bedeutet, dass je mehr und detaillierter er von sich und seinem Leiden erzählt, desto wahrscheinlicher ist es eine treffende Diagnose zu bekommen.

Ich kannte einen, der ist ins Krankenhaus gegangen und hat gesagt, dass er unerträgliche stechende Schmerzen im unteren Rücken hatte. Er bekam eine Behandlung gegen Nierensteine - dabei hatte er eine Lungenenzündung.

Ich gebe Dir vollkommen Recht, dass man erwarten möchte, dass alle Ärzte die gleiche Diagnose stellen, aber so ist es nicht. Entweder aus fehlender Kompetenz, aber eben auch oft wegen mangelnder Informationen. Gerade in den psychologischen Tests funktioniert es nur über eine absolute und schonungslose Ehrlichkeit des Patienten, was in dem Bereich allein schon wegen mangelnder Wahrnehmung bei kranken Menschen nicht immer funktioniert. Der Arzt macht auf Grund eines Gespräches einen Test auf das Vermutete - wenn dieser positiv ausfällt hört er in der Regel da auf und testet nicht weiter.

Menschen mit einer paranoiden Persönlichkeitsstörung besitzen meistens noch weitere Störungen, z.B. narzistische Persönlichkeitsstörung und die bipolare Störung ist eine Sonderform der Depression - so gesehen sind die gestellten Diagnosen nicht abwegig.

Viele Grüße

Hallo,

ich hab in einem Buch über Psychotherapie (kann sein, dass es Tut mein Therapeut mir gut? von Wolfgang Siegel war) gelesen, dass viele Psychiater ein Steckenpferd unter den Persönlichkeitsstörungen hätten, d.h. solange Psychiater A für die Station zuständig ist, kriegen 80% der Patienten die Diagnose X, dann kommt Psychiater B und plötzlich kriegen ca. 80% der Patienten die Diagnose Y.
Ich würde das also nicht allzu ernst nehmen. Das Problem ist nur, dass, wenn ich es richtig verstanden habe, Persönlichkeitsstörungen als kaum behebbar angesehen werden, d.h. wenn man so was mal in der Akte stehen hat, kann es sein, dass man quasi stigmatisiert ist. Ich gebe hier aber nur wieder (wider?), was ich gelesen habe.