Hallo, ihr Dia- und Soziolektiker!
Zunächst möchte ich betonen, dass ich, wenn ich hier darstelle, was korrekt ist und was nicht der Regel der Hochsprache entspricht, keineswegs ein Purist bin. Ich habe mir in meiner Alltagssprache reichlich Dialektismen bewahrt, da wimmeln und wuseln auch Soziolektismen und ich leiste mir sogar – jetzt fehlt mir ein passendes Fremdwort, denn Solipsismen kann man ja wohl nicht sagen – also Privatbildungen, die nur wenige enge Bekannte verstehen.
Und unter meinen Bekannten und Freunden gibt es eine Reihe von bekennenden „Soziolektikern“. Wenn also manches von dem Folgenden überheblich klingt, so ist das eben der besserwisserische Lehrer, der ich auch bin, der redet. Ich versuche eine sachliche Darstellung.
Da es aber angesprochen wurde, wie ich unterscheide, bitte:
Dialekt und Soziolekt
Diese Unterscheidung ist in den Sprachwissenschaften eingeführt und soweit ich sehe weithin anerkannt. Ich habe jedenfalls nichts anderes gehört seit meiner Studienzeit. Freilich gibt es Umstrittenes und Übergänge.
Dialektale Sonderformen lassen sich regional eingrenzen und sind meist stehen gebliebene ältere Formen aus mittelhochdeutscher oder frühneuhochdeutscher Zeit, die die Entwicklung der Hochsprache nicht mitgemacht haben. Es handelt sich dabei überwiegend um Ausspracheunterschiede.
Wenn also die Alemannen am See Hûs, Wîb, nüt (hier macht der PC kein Dächle!) statt I>Haus, Weib und nicht und die Pälzer Peip, Parrer unn Perd statt Pfälzer, Pfeife, Pfarrer und Pferd sagen sind das eindeutig dialektale Phänomene.
Beim Dialekt bleibt in der Regel die Grammatik korrekt. Dennoch kann es sein, dass auch da Sonderformen, die man von der Hochsprache aus als „Fehlformen“ bezeichnen muss, entstehen. So ist z. B. in der Gegend nördlich des Bodensees, so um Stockach herum, der Akkusativ abhanden gekommen. In Wahlwies sagt man: Gib mir mal der Hammer. Dieser Fehler wird aber in der Regel in der Schule beseitigt und nur „bidungsresistente“ Leute pflegen ihn weiter.
Auch der Ersatz des Genitivs durch „dem Vater sein Hut“, die viel weiter verbreitet ist, ist ein dialektales Phänomen.
Soziolekte entstehen, wenn eine Gruppe sich einen eigenen Wort- oder Sprachschatz schafft. Ärzte, Apotheker, Seeleute, Bergleute sind Beispiele dafür. Auch hier bleibt im Normalfall die Grammatik korrekt.
Aber auch dabei kann es, etwa durch einen geringeren Bildungsstand, egal wie der zu Stande kam, zu „Fehlentwicklungen“ kommen. Ein treffendes Beispiel ist die derzeit grassierende Kanaksprak: Ich geb dich korrekt Handy! Ihr kennt das!
Bei dieser Kanaksprak gibt es keine regionale Begrenzung, da wo türkische Muttersprachler mit dem Deutschen kollidieren, entsteht sie immer neu, obwohl natürlich manche Stadtteile von Großstädten einen besonders günstigen Boden abgeben.
Die Bildungen „nach Aldi, auf Arbeit, vor Ort, unter Tage“, die am Rhein und vor allem im Ruhrgebiet umgehen und sich von dort in ganz Deutschland ausgebreitet haben, sind ebenfalls – das ist meine Meinung und Beobachtung – so entstanden.
Und zwar haben die aus Schlesien und Polen in der ersten Hälfte des 19. Jhdts zugezogenen Bergarbeiter, denen wir ja auch die typisch deutschen Namen wie Tilkowski, Waschelowsky, Kubinski und Schimanski verdanken, diese Formulierungen ihrer muttersprachlichen Grammatik entsprechend mit deutschen Wörtern geprägt. Zumindest bei „unter Tage“ und „vor Ort“ lässt sich das nachweisen. „Unter Tage“ muss man eben „vor Ort“ entscheiden, wie man den Stollen weitergräbt, da das Flöz die Richtung vorgibt.
Bei der „Polaksprak“ – wenn ich das in Anlehnung an den neueren Soziolekt so nennen darf – gab es also ursprünglich eine regionale Begrenzung, eben das Kohle- und Stahlrevier.
Inzwischen sind aber diese Phänomen so alltäglich geworden und wir haben uns daran gewöhnt, dass wir deren Herkunft vergessen haben, dass sogar Roland – Hallo du! – die korrekte Form als „gestelzt“ und die „falsche“ als normal empfindet.
Falls es noch Fragen gibt, ihr wisst ja, wo ihr mich findet.
Fritz