Was trugen denn die Frauen, bevor das Dirndl in Mode
kam? Durch was also bestimmt sich sich denn das, was
„Brauchtum“ ist? Spannende Fragen.
In der Tat ist das eine spannende Frage.
Wenn man anschaut, was sich heute als „typisch schwäbische Tracht“ bei Umzügen so auf die Straße traut und dann nachforscht, woher diese Kleiderformen kommen, so wird man schnell feststellen, dass diese „Moden“ erst im Laufe des 19. Jhdts sich so ausbildeten.
Und damlas schon wurde viel über die Grenzen geschaut, auf das was die Damen oder Weiber der Nachbarländer diesseits und jenseits des Rheins und des Lechs trugen.
Die „Demokratisierung und Liberalisierung“ löschte vor allem auch die Standesgrenzen, die einst strenge Modegrenzen oder besser Kleiderordnungsgrenzen waren. Und so würde „städisch, bürgerliche oder gar großbürgerliche Tracht“ zur Landestracht.
Man hat auch einiges aus Italien abgekupfert. Dies ist wörtlich zu nehmen. Kolorierte Kupferstiche von Moden aus anderen Ländern und Kulturkreisen wurden zu Vorbildern für „typisch schwäbische“ Kleidungsstücke, seien es Röcke, Mieder, Kleider, Hauben oder Schmuck gewesen.
Wie „ärmlich“ die Kleidung der einfachen Leute im und auf dem Land waren, kann man etwa bei
Angelika Bischoff-Luithlen, Der Schwabe und sein Häs, Konrad Theiss Verlag, ISBN 3-8062-309-1
nachlesen.
Nimmt man noch dazu, was die Nazi-Ideologie dazu beigetragen hat, um „deutsche Nationaltrachten“ zu etablieren, wird man eine ganze Menge Abstriche vom „tyoisch Schwäbischen“ machen müssen.
In der Zeit kam auch die inzwischen weithin widerlegte Meinung auf, die Fastnachtsbräuche gingen auf vorchristliche, germanische Traditionen zurück.
Und ebenso dürfte es auch mit den heute bekannten Dialekten stehen. Vieles von dem, was man heute als „Schwäbisch“ hört, ist ein erst im 20. Jhdt üblich gewordenes und erst da fixiertes Idiom eines größeren Sprachraumes - etwa dem Großraum Stuttgart -, das sich da erst neu gebildet hat, in dem sich viel abgeschliffenes „Älblerisches, Oberländische, Unterländisches, Fils-, Remstälerisches, Schwarzwälderisches“ und natürlich auch „Standardsprache“, also „Hoch-, oder Schriftdeutsch“ zusammen gefunden hat.
In meiner Kindheit konnte man noch hören, ob jemand bloß aus Mundelsheim oder schon aus Gemrigheim kam. Und dazwischen liegen keine zehn Kilometer. Heute kann man bei jüngeren Leuten kaum noch sagen, aus welchem Dorf oder welcher Stadt zwischen Stuttgart und Heilbronn jemand kommt.
Wollte man dies, wie oben für andere Regionalsprachen als „eigene, eigenständige, ursprüngliche und uralte Sprache“ ansehen wollen, wie die vopn Lokalpatrioten gern getan wird, so wäre man sehr auf dem Holzweg.
Man muss da sehr viel genauer Hinsehen, sonst gerät man in die Sehweise japanischer oder amerikanischer Touristen, die das Hofbräuhaus der Lorelei benachbart sehen und gleich dahinter stehen nebeneinander Heidelberger Schloss und Neuschwanstein umgeben vom Schwarzwald.
Gruß Fritz