Die 10 Gebote und ihre Formulierung

Hallo!

Noch dazu, wo doch ursprünglich das ganz einfache ungebildete Volk die Schriften nur mündlich überliefert bekam, weil kaum jemand lesen konnte.

Erstens: Du darfst davon ausgehen, dass die Leute damals sehr (also wirklich: sehr!) viel besser mit gehörten und wiedererzählten Texten umgehen konnten als wir heutzutage.

Zweitens: Gegenüber Kindern ist, finde ich, viel dran, ihnen zu sagen, was sie tun sollen statt nur das, was sie lassen sollen. Trotzdem ist es viel klarer, bestimmte Grenzmarkierungen zu ziehen, was nun wirklich nicht geht. Solche Grenzen sind die „Zehn Gebote“.

Drittens: Es heißt nicht „Du sollst nicht lügen“, sondern im guten alten Lutherdeutsch: „Du sollst kein falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten“. Und hier hat er ausnahmsweise mal gut übersetzt.
Das bedeutet: Du sollst gegen niemanden eine Falschaussage machen, niemanden verleumden, niemanden zu Unrecht belasten.

Viele Grüße,

Jule

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Hallo MM,

das dritte und vierte, mithin 20 Prozent, sind bereits positiv
formuliert.

ja, und die legen mir aktiv Pflichten auf :wink: Da bin ich froh, dass ich die anderen Verbote schon durch Nichtstun erfüllen kann :wink:

Aber ernsthaft: Ein Verbot wie „nicht (lügen | morden | stehlen | ehebrechen)“ kann man kaum sinnvoll bürdenfrei positiv formulieren.

Beispiel: Immer die Wahrheit zu sagen ist etwas ganz anderes, als nicht zu lügen. Und den Winkeladvocabolo möchte ich sehen, der „nicht lügen“ sinnvoll positiviert ohne „Wenn/Dann“ oder mehr als 20 Wörter.

Übrigens, einen formalen Trick mit „kein“, „vermeiden“, „ist von Übel“, „gefällt Gott nicht“ oder „lass es!“ halte ich für einen faulen im Sinne der Anklage des UP.

Liebe Grüße

achim

Liebe Kitty,
jetzt muss ich doch mal auf ein paar Dinge hinweisen, die bisher nicht zur Sprache gekommen sind:

  1. Die Gebote haben in der jüdischen Geschichte einen bestimmten Platz und eine bestimmte Funktion. Das bedeutet: Sie sind nicht einfach so dahingesagt wie man einem Kind - meinetwegen auch eindringlich - sagt: Pack nicht auf die heiße Herdplatte!

Die 10 Gebote - besser: Weisungen - sind dem Volk Israel am Sinai gegeben worden (Ob doe Sinaigeschichte hiistorisch ist oder nicht, ist dabei völlig ohne Belang.)
In Exodus 19, 5 steht „Wenn ihr nun auf meine Stimme hört und meinen Bund haltet, werdet von allen Völkern ihr mein Eigentum sein…“ Die zehn Weisungen sind darum das Minimum dessen, was Israel zu beachten und zu halten hat, damit der Bund, den Hott mit dem Volk geschlossen hat, unverletzt bleibt.

  1. Die Übersetzung lautet nicht „Du sollst nicht…“, sondern „Du wirst nicht…“
    Und das ist etwas anderes, denn bei „Du sollst nicht…“ hat der Mensch immer noch die Wahl, ob er gehorcht oder nicht, denn er kann ja immer noch sagen „Ja, ich soll, aber ich muss ja nicht.“
    Diese Wahl hat er bei der anderen Formulierung nicht. Die ist hinterfrag- oder verhandelbar. Wer gegen eine dieser Weosungen verstößt, hat den Bund mit Gott gebrochen, und zwar nicht nur individuell für sich, sondern sofort und zugleich für das ganze Volk. Der Bund Gottes mit Israel wäre damit zerschellt und hinfällig.

Angesichts eines solchen, und da muss man wirklich sagen: tödlichen, Ernstes sind solche Erwägungen, wie Du sie hier anstellst (die ich übrigens für absolut falsch halte, aber das wäre ein anderes Thema) unangemessen. Ich drücke mich da jetzt mal ausnahmsweise vorsichtig aus.

Aber das ist natürlich nur jemandem zugänglich, der dem Zehnwort diese besondere Qualität der Offenbarung Gottes zuerkennt.

Gruß - Rolf

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Hallo Rolf,

  1. Die Übersetzung lautet nicht „Du sollst nicht…“, sondern
    „Du wirst nicht…“

Sehr interessant und ich hatte gehofft, dass so eine Antwort wie Deine dabei ist (Jules bezieht sich ja ähnlich)- die von einer anderen Übersetzung spricht und damit ganz anders wirkt.

Angesichts eines solchen, und da muss man wirklich sagen:
tödlichen, Ernstes sind solche Erwägungen, wie Du sie hier
anstellst (die ich übrigens für absolut falsch halte, aber das
wäre ein anderes Thema) unangemessen. Ich drücke mich da jetzt
mal ausnahmsweise vorsichtig aus.

Es tut mir leid, wenn Du das so empfunden hast-- keinen Moment fehlt es mir an Respekt vor Glauben und so sollte meine Text auch keinesfalls verstanden werden.
Es ging mir um Sprache und Wirkung und eine kritische Sicht auf Vorhandenes - ohne den Respekt zu verlieren.

lg kitty

Aber ernsthaft: Ein Verbot wie „nicht (lügen | morden |
stehlen | ehebrechen)“ kann man kaum sinnvoll bürdenfrei
positiv formulieren.

Nicht? „Vögele nur deine eigene Frau!“ kommt doch ganz positiv daher :smiley:

Man weiss …? WER weiss?

Hallole,

wer zuerst weiß ich nicht. Aber Frau Birkenbihl tingelt mit solchen Weisheiten herum

http://blog.birkenbihl-sprachen.com/2013/03/bitte-ni…

Schöne Grüße

vV

Hallo,

Nicht? „Vögele nur deine eigene Frau!“ kommt doch ganz positiv daher :smiley:

ist ja ganz witzig, ist halt nur ein anderer Inhalt. Es sprach nämlich nichts dagegen, andere Frauen zu vögeln, nur halt nicht anderer Männer Weiber. Und Dein Satz macht auch nur mit Wenn/Dann sinn, nämlich wenn man vögelt, dann nur die eigene Frau (oder eine seiner). Ansonsten früge sich so mancher, wann man denn mit dem Gebot für heute endlich fertig wäre.

Gruß
achim

Einspruch
Hallo Rolf!

Wer gegen eine dieser Weosungen
verstößt, hat den Bund mit Gott gebrochen, und zwar nicht nur
individuell für sich, sondern sofort und zugleich für das
ganze Volk. Der Bund Gottes mit Israel wäre damit zerschellt
und hinfällig.
Angesichts eines solchen, und da muss man wirklich sagen:
tödlichen, Ernstes sind solche Erwägungen, wie Du sie hier
anstellst …unangemessen.

Einspruch! Es muss erlaubt sein, jeden, wirklich jeden weltanschaulichen Text mit den modernen Methoden der Wissenschaft zu untersuchen, und da ist jede rationale und nüchterne Herangehensweise angemessen.
Andernfalls machen wir die Thora, die Bibel, den Koran und unzählige weitere „heilige“ Schriften der verschiedensten religiösen Gruppen zu unantastbaren Schriften, die möglicher Weise zu schlimmsten Handlungen aufrufen, ohne dass man das sachlich betrachten dürfte.

Im übrigen musst du damit leben, dass nicht jeder so viel Ehrfurcht vor den 10 Geboten hat. Ich halte sie für ethische Regeln, die vor 2500 Jahren modern und fortschrittlich waren, inzwischen aber von anderen Schriften längst überholt wurden (z, B, vom deutschen Grundgesetz oder der Charta der Vereinten Nationen). Die Drohung eines Gottes, der noch die Enkel und Urenkel für die Schuld eines Menschen bestraft - da sind wir heute wesentlich weiter!
Gruß!
Karl

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Angemessene Methodik
Servus,

und da ist jede rationale und nüchterne Herangehensweise angemessen

das klingt angesichts der Anwendung einer Hypothese aus Pädagogik und Hypnose auf ein Thema aus (wahlweise) Theologie, Geschichte, Kulturgeschichte, Ethik, Linguistik - ggf. fortzusetzen - ungefähr wie „Es muss doch erlaubt sein, das Phänomen einer Sonnenfinsternis mit dem Massenwirkungsgesetz zu erklären, wenn man grad nichts anderes bei der Hand hat!“

Schöne Grüße

MM

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Hanoi

wenn man grad nichts anderes bei der Hand hat!"

Aber wenn sich jemand Prof oder Doktor nennt, dann haben wir dafür normalerweise Kriterien, … von Bolltigern mal abgesehen.

Und auch von den Theologen abgesehen. Die untersuchen Dinge, von denen nicht einmal klar ist, ob es die überhaupt gibt.

Und die Dogmatiker unter Ihnen haben immer einen Kloß im Hals …

Schöne Grüße

vV

Ich weiß überhaupt nicht, was Du hast, verehrter Karl.
Als historisch-kritischer Theologe tue ich nichts anderes, als die Texte des Alten und des Neuen Testaments mit diesen literarwissenschaftlichen Mitteln zu untersuchen.

Mit meinem letzten Satz wollte ich nur der auch hier beliebten Methode begegnen, die jede religiöse Haltung oder Überzeugung zuerst mal in Frage stellt - mal mit dem Hinweis, dass es keinen Gott gibt, mal mit dem Hinweis auf all die schrecklichen Dinge, die im Namen der Religion begangen worden sind.

Gruß - Rolf

mal mit dem Hinweis, dass es
keinen Gott gibt, mal mit dem Hinweis auf all die
schrecklichen Dinge, die im Namen der Religion begangen worden
sind.

Guten Morgen,

die Skeptiker haben es auch kleiner: Warum gibt es eine katholische und eine evangelische Wissenschaft?

Schöne Grüße

vV

Gibt es nicht: es gibt nut eine gute oder eine schlechte Wissenschaft.

Es gibt eine katholische und (leider auch) eine evangelische Ideologie, der die Wissenschaft sich unterordnen soll.

Gruß - Rolf

2 Like

Es gibt eine katholische und (leider auch) eine evangelische
Ideologie, der die Wissenschaft sich unterordnen soll.

Hallo Rolf,

ein Relikt aus dem Mittelalter. Ich warte darauf, dass die Professoren der anderen Fakultäten den Theologen den Zutritt verwehren und sie da hin schicken, wo sie hingehören:

Zu den älteren Frauen mit der Cellulite, die ihre Heilkraft vom Erzengel Gabriel direkt empfangen.

Ok, die Theologen können in der Regel schöner formulieren; das wissenschaftliche Niveau unterscheidet sich aber nicht wesentlich, jedenfalls wenn es sich um Dogmatiker handelt.

Laudetur Jesu Christus

vV

Da bin ich absolut anderer Meinung, lieber Vrymersfeld.
Aber nun ja, das wird uns nicht entzweien.

Gruß - Rolf

Da bin ich absolut anderer Meinung, lieber Vrymersfeld.

Hi,
du glaubst also im ernst, es gäbe Esoterikerinnen ohne Cellulite?

Gruß

vV

Nachdem man weiß, dass ein „nicht“ - eine Verneinung - vom
Gehirn nicht als solches „verstanden“ werden kann

So sehe ich das auch - zumindest so ähnlich, denn zumindest der bildhafte Teil des Denkens (und den halte ich für den wirkmächtigeren) schert sich um die Verneinung herzlich wenig.

und der
restliche Text dann als Aufforderung, wie darf man dann die 10
Gebote verstehen?

Aufforderung ist sicher zu viel gesagt, aber dass ein Gesetz nicht nur etwas untersagt, das schon vorher da war, sondern auch eine Grenze setzt, die zur Überschreitung „einlädt“, das ist sicherlich so.

Dass das Gesetz auch seit jeher die Funktion hat, die Lust an der strafenden Grausamkeit und am Leiden-Machen (darunter das Erzeugen von Schuldgefühlen) zu kultivieren, das wusste schon der olle Nietzsche (in der „Genealogie der Moral“, die Pflichtlektüre von der 1. bis zur letzten Klasse sein müsste).

Gruß
Friederich

Hi.

Nachdem man weiß, dass ein „nicht“ - eine Verneinung - vom
Gehirn nicht als solches „verstanden“ werden kann

So sehe ich das auch - zumindest so ähnlich, denn zumindest
der bildhafte Teil des Denkens (und den halte ich für den
wirkmächtigeren) schert sich um die Verneinung herzlich wenig.

Das geht aber schlecht. Die Verneinung ist halt beim gesund geborenen angeboren.
Mit drei anderen elementaren, nicht weiter auflösbaren Begriffen, die dann den Grund der Logik bilden Punkt.
Niemand kann sie umgehen.

Gruß
Friederich

Balázs

Nachdem man weiß, dass ein „nicht“ - eine Verneinung - vom
Gehirn nicht als solches „verstanden“ werden kann

So sehe ich das auch - zumindest so ähnlich, denn zumindest
der bildhafte Teil des Denkens (und den halte ich für den
wirkmächtigeren) schert sich um die Verneinung herzlich wenig.

Das geht aber schlecht. Die Verneinung ist halt beim gesund
geborenen angeboren.
Mit drei anderen elementaren, nicht weiter auflösbaren
Begriffen, die dann den Grund der Logik bilden Punkt.
Niemand kann sie umgehen.

Na, wenn du sagst „Punkt.“, dann will ich uns die Diskussion natürlich ersparen - und schließe mich vollumfänglich deiner Wahrheit an :wink:

Gruß
Ferdinand

Na, wenn du sagst „Punkt.“,

dann will ich uns die Diskussion natürlich ersparen

Leider bleibt uns nichts anderes übrig, klar da ist Ende, weil man dabei unweigerlich mit diesen vier Begriffe operieren muss.
Zugegeben keine große Auswahl aber da ist nichts zu machen für uns Menschen außer sie Wegwünschen:smile:))

  • und schließe mich vollumfänglich deiner
    Wahrheit an :wink:

An welche? Außer analytische gibt sie strickt beweisbar nicht (Verneinung:smile:

Gruß
Ferdinand

Balázs