Die 1930er-Jahre - Polizei

Hallo zusammen!

Ich mache zurzeit Recherchen für einen Kriminalroman, der 1934 in der „preußischen Provinz Niederschlesien“ - genauer in Wroclaw/Breslau - angesiedelt ist. Dazu brauche ich Euer Fachwissen bei kleinen, polizeilichen Details…

1.) War ein Polizeiphotograph damals Polizeivollzugsbeamter oder „Angestellter“? Mein Polizeiphotograph soll eine Zeiss-Kamera benutzen - ist das originalgetreu?

2.) Was für Dienstrevolver soll ich meinen Kriminalbeamten zuschreiben?

3.) Und wo trugen die Polizisten damals ihre Dienstpistolen? Gab es schon „Schulterhalfter“, wie sie aus jedem heutigen Krimi bekannt sind? Hat jemand Bilder davon???

Vielen Dank für Eure Hilfe!!!
Viele Grüße,
Kay

Moin moin,

ich fange mal mit allgemeinem an, bevor ich auf die Fragen eingehe. Die Kripo bleibt in der Weimarer Republik primär eine Erscheinung in den Großstädten. Seit 1920 gibt es zentralisierte Landeskriminalämter in den einzelnen Staaten/Ländern. Ab 1925 unterstehen die provinziellen Außenstellen des Landeskriminalamtes in Preußen der leitenden LKA Stelle in Berlin. Das Berliner Polizeipräsidium (von den dort Beschäftigten liebevoll „Fabrik“ genannt) schickt Ermittler in die preußische Provinz, wenn das nötig ist um Ermittlungen zu beschleunigen oder zu übernehmen. Hierbei erarbeitet sich die Berliner Kripo einen Weltruf, da ihre Aufklärungsrate bei Kapitalverbrechen bei 95% liegt!
In Berlin arbeiten in den Zwanzigern ca. 2500 Kripobeamte in anderen STädten (selbst mit über 100000 Einwohnern) findet man aber gar keine oder kaum Kripobeamte.

Dienstgrade Kripo (aufsteigend):

Niederer Dienst: Kriminalassistent, Kriminalsekretär, Kriminalbezirkssekretär

Höherer Dienst: Kriminalkommissar, Kriminalrat, Kriminaldirektor

Die Angehörigen des Niederen Dienstes rekrutieren sich zumeißt aus ehemaligen Angehörigen der Schupo/Sipo. Der Höhere Dienst wird hauptsächlich mit ehemaligen Offizieren der Sipo, Freiberuflern und Studienabbrechern bestückt. Mitte der Zwanziger kommen die ersten weiblichen Beamten in den kriminaldienst, hauptsächlich werden sie im psychologischen Dienst bei Sexual- und Sittendelikten eingesetzt.

1.) War ein Polizeiphotograph damals Polizeivollzugsbeamter
oder „Angestellter“? Mein Polizeiphotograph soll eine
Zeiss-Kamera benutzen - ist das originalgetreu?

Ich würde nicht unbedingt davon ausgehen, dass ein Fotograph unbedingt Beamter oder Angestellter sein muss. Zu dieser Zeit hatte die Polizei sehr viele „freie Mitarbeiter“, insbesondere Privatdetektive. Wenn dir das nicht so sehr zusagt würde ich einen Kripobeamten des niederen Dienstes zum Fotographen machen
Eine Zeiss Kamera kann der gute Mann erst ab 1926 haben, denn erst in diesem Jahr fusionierten die Firmen Contesse-Nettel, Goerz, Ernemann, Ica und Hahn zur „Zeiss-Ikon AG“. Ab 1925 gibt es die allseits beliebte „Leica Kamera“ im Vertrieb der Firma „Leitz“. Sie nutzt ein neues 24 x 36 mm-Format und es sind bis zu 36 Aufnahmen ode Unterbrechung möglich. Das Neue an dieser Kamera war, dass die Negativform nachträglich vergrößert werden konnte, was bei anderen Vorgängermodellen nicht möglich war.

2.) Was für Dienstrevolver soll ich meinen Kriminalbeamten
zuschreiben?

Nimm die gute alte „Walther PPK“. PPK heißt nicht umsonst „Polizeipistole - Kriminal“

3.) Und wo trugen die Polizisten damals ihre Dienstpistolen?
Gab es schon „Schulterhalfter“, wie sie aus jedem heutigen
Krimi bekannt sind? Hat jemand Bilder davon???

Klar gab es die Schulterholster schon - dort oder am Gürtel (innen oder außen) würde dann wohl auch eine Pistole getragen werden.

Falls noch Fragen sind. ;o)

Würde mich freuen den Roman mal vorab lesen zu dürfen.

Gruß Andreas

Ups…
Kannst eigentlich alles streichen…hatte 1924 gelesen ^^

Kannst eigentlich alles streichen…hatte 1924 gelesen ^^

Hallo Andreas,

wow - erst einmal vielen herzlichen Dank für dein geballtes Fachwissen!

Ich werde es sicher nicht „streichen“ - da die Kriminalistik in den 1920er-Jahren eines meiner „Steckenpferder“ ist :wink: Nur, an den Details scheitert es leider oftmals… Ich wünsche mir dann, einen 100-jährigen zu kennen, der dass alles einmal durchgemacht hat - aber ich habe ja dich und das ist mindestens genauso gut!

Schließlich bin ich auch der Ur-Autor des Ernst-Gennat-Artikels in der dt. Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Gennat

Nochmals Danke - den Roman darfst du selbstverständlich durchlesen! Was für eine Frage?! Allerdings hoffe ich, dass ich diesmal über die Recherche komme (ich hatte in den letzten Wochen und Monaten bereits mehrere Versuche gestartet - aber alle wieder verworfen, da es mir an Detailwissen mangelte - und gerade Details, wie „er zog seine 7,65 mm Walther PPK aus dem Schulterhaflter“ oder „der Photograph lichtete mit seiner Leica-Kamera Bilder den Unglücklichen ab“ machen eine Erzählung doch erst „lebendig“!)

Die gute alte „Fabrik“ oder auch die „Zwingburg der Gerechtigkeit“ genannt, wie du sicher weißt - ich finde es persönlich schade, dass es dieses imposante Gebäude am „Alex“ nicht mehr gibt, in dem mein fiktiver Kriminalrat seinen Dienst verrichten wird…

Ich warte gespannt auf deine Ausführungen für 1934!

P. S.: Der einzige Grund, warum ich die erzählte Zeit von 1927 (so, wie ich es ursprünglich geplant hatte) auf 1934 verlegt habe (nach der „Machtübernahme“ der Nationalsozialisten), ist den individuellen Charakteren mehr Tiefe zu verleihen. Wobei mir beim nochmaligen Durchdenken 1927 fast noch besser gefällt… Was meinst du, ist vom polizeilichen/kriminalistischen Standpunkt aus spannender???

Vielen Dank nochmals!!!

Und mit den besten Grüßen,
Kay

Ich warte gespannt auf deine Ausführungen für 1934!

Da kommt der Haken…das ist Polizeigeschichtlich nicht meine Zeit…das sind nämlich „die goldenen Zwanziger“. ;o)
Klar ist aber, dass die Nationalsozialisten die Polizei bis 34 nicht groß verändert haben, so dass tatsächlich vieles, was in den Zwanzigern gal auch hier noch gilt.

P. S.: Der einzige Grund, warum ich die erzählte Zeit von 1927
(so, wie ich es ursprünglich geplant hatte) auf 1934 verlegt
habe (nach der „Machtübernahme“ der Nationalsozialisten), ist
den individuellen Charakteren mehr Tiefe zu verleihen. Wobei
mir beim nochmaligen Durchdenken 1927 fast noch besser
gefällt… Was meinst du, ist vom
polizeilichen/kriminalistischen Standpunkt aus spannender???

Vom polizeilichen Standpunkt aus wäre '27 sicherlich bei weitem interessanter, da Deutschland immernoch ein brodelnder Kessel ist, der sich politisch nicht stabilisieren will - Straßenkämpfe sind in Deutschlands Großstädten ja an der Tagesordnung. Dementsprechend haben natürlich dann auch Polizisten ihre Schwierigkeiten (und Freiheiten) und dementsprechend farbige Charaktere gibt es überall in Deutschland. Ob es nun die Inflation und die Wirtschaftskrise, der immernoch bestehende Konflikt mit Frankreich um das bis 1925 besetzte Ruhrgebiet und Reparationszahlungen ist oder die immernoch aktiven Freikorps, die seit 1919 bestehende SA und die erstarkenden Nationalsozialisten - das alles kann man so gewinnbringend in eine Geschichte einbauen, dass ich mich eindeutig für die 20er entscheiden würde. Einen etwaigen inneren politischen Konflikt des Protagonisten könnte man in dieser Zeit - in der die Zukunft des Staates absolut offen ist - fast besser herausstellen, als nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten. Beispielsweise anhand der Gedanken, die sich der Protagonist angesichts der aktuellen Zeitungs-/Polizeimeldungen macht.

Gruß Andreas

PS: Falls dem Herrn Kriminalbeamten die PPK mal nicht ausreicht könnte er durchaus auch einen Karabiner K98 mitbringen, der wird von der Polizei nämlich durchaus auch eingesetzt.

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Hallo Andreas!

Du hast es „geschafft“ - die 1920er-Jahre erscheinen mir jetzt auch durchaus geeigneter für eine Kriminalerzählung…

Ich habe mich für das Jahr 1927 entschieden. Da waren die „Goldenen Zwanziger Jahre“ noch wirklich „golden“ - der New Yorker Börsencrash und Hitler mit seinen braunen Schergen noch „weit“ entfernt!

Das Grundgerüst steht: Ein hoch dekorierter Kriminalkommissar, der als Leiter der „aktiven Mordkommission“ in Gennat’s Mordinspektion an der Kriminalpolizeileitstelle Berlin dient, wird Sommer 1927 in die Provinz geschickt, um die Ermittlungen in einem Mordfall zu übernehmen - wie du bereits erwähnt hattest, weiß ich aus eigenen Recherchen (u. a. „Hitlers Kriminalisten“ von Patrick Wagner - sehr empfehlenswert!), dass die Berliner während den 1920er-Jahren im Freistaat Preußen ihr Kriminalitätsbekämpfungsprinzip durchgesetzt hatten und den Beamten der anderen Kripo-(Leit-)Stellen eher „arrogant“ gegenüber standen…

Ich versuche - mehr oder weniger - von dem „Moloch Berlin“ abzurücken, da ich nicht vorhabe, einen 100-%-igen „Großstadtkrimi“ zu schreiben und besinne mich mehr auf Preußens „Hinterland“.

Jetzt versuche ich eines zu rekonstruieren - dazu brauche ich deine geschätzte Hilfe: Das Nazi-System der zentral administrierten Verbrechensbekämpfung mit dem Reichskriminalpolizeiamt, einzelnen Kriminalpolizeileitstellen, nachgeordneten Stellen und Außenstellen basierte nicht zu 100 % auf den Nazis? Denn soweit ich weiß, wurde schon 1925 - nach der Gründung des preuß. LKPA - mit einer Art „Zentralisierung“ begonnen - aber sicher bin ich mir da nicht und die genauen Schritte der Zentralisierung weiß ich leider auch nicht…

Soweit ich weiß, wurde die PPK erst 1931 beim Polizeipräsidium Berlin eingeführt - 1927 muss mein „Mordkommissar“ eine andere Dienstpistole tragen… Was waren 1927 sonst so für Polizeiwaffen üblich? In einem Berliner Artikel aus der „Grünen Post“ vom 27.11.1927 wurden „Kugelsichere Panzerwesten für Kriminalbeamte“ angekündigt - wie kann man sich das vorstellen? Gibt es von solchen „Panzerwesten“ Bilder???

Und eine „automobile“ Frage, die mich quält:

Ich habe einmal einen hervorragenden Roman gelesen, der Ende 1932 angesiedelt war, indem der Protagonist - ebenfalls ein Kriminalkommissar vom Berliner Polizeipräsidium - den beschlagnahmten, schweren Horch 8 der Gebrüder Sklarek gefahren ist. Was für ein „extravagantes“ Automobil kannst du meinem Kommissar als Dienstwagen vorschlagen? Außer dem berühmten „Mordauto“ natürlich… :wink:

Danke für deine Hilfe!!!
Viele Grüße,
Kay

Jetzt versuche ich eines zu rekonstruieren - dazu brauche ich
deine geschätzte Hilfe: Das Nazi-System der zentral
administrierten Verbrechensbekämpfung mit dem
Reichskriminalpolizeiamt, einzelnen
Kriminalpolizeileitstellen, nachgeordneten Stellen und
Außenstellen basierte nicht zu 100 % auf den Nazis? Denn
soweit ich weiß, wurde schon 1925 - nach der Gründung des
preuß. LKPA - mit einer Art „Zentralisierung“ begonnen - aber
sicher bin ich mir da nicht und die genauen Schritte der
Zentralisierung weiß ich leider auch nicht…

Nun ja ich tue mich mit dem Begriff der „Zentralisierung“ immer ein wenig schwer, obwohl er vielleicht richtig ist (und auch regelmäßig verwendet wird). Meines Erachtens vermittelt er aber den Eindruck, dass ein bestehendes System zentral geordnet wird. Meiner Meinung nach kann man davon aber nicht wirklich ausgehen, da das tatsächliche System einer funktionierenden Kriminalpolizei ja hier erst aufgebaut wurde - im Falle Preußens eben von der Zentralen Dienststelle in Berlin aus.
In meinen Augen muss für eine Zentralisierung halt überhaupt ein funktionierendes System bestehen, dass ich zentralisieren kann. ;o)
Ich würde auf die Beschreibung dieses Prozesses also weniger Energien verwenden - letztlich weiß ich darüber wohl auch nicht mehr als du…wäre aber mal eine ausführliche Archivrecherche wert. ;o)

Soweit ich weiß, wurde die PPK erst 1931 beim Polizeipräsidium
Berlin eingeführt - 1927 muss mein „Mordkommissar“ eine andere
Dienstpistole tragen… Was waren 1927 sonst so für
Polizeiwaffen üblich?

Oh, richtig…hast recht. Ich habe dann aber zwei alternative Waffen, die beide um 1927 bei der Berliner Polizei eingesetzt wurden:

  • „Rheinmetall-Dreyse Modell 1907“, 7,65mm
    U.a. Standartwaffe der Polizei in Berlin. Die Produktion wurde zwar schon 1919 eingestellt, aber sie wurde selbstverständlich weiterhin verwendet.

-„Sauer&Sohn Modell 1924“, 7,65mm
Weit verbreitete Polizeiwaffe, die auch in Preußen genutzt wird. Ab 1930 gibt es noch ein leicht verbessertes „Behördenmodell“.

In einem Berliner Artikel aus der
„Grünen Post“ vom 27.11.1927 wurden „Kugelsichere Panzerwesten
für Kriminalbeamte“ angekündigt - wie kann man sich das
vorstellen? Gibt es von solchen „Panzerwesten“ Bilder???

Hm, alles, was ich aus dieser Zeit mal gesehen habe war eine Panzerweste mit schweren Metallplatten aus hellem Leinen. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, dass sie angesichts ihres stattlichen Gewichts von über 25kg wirklich im Dienst getragen werden konnte. Ob diese Weste bei der Polizei eingesetzt wurde weiß ich aber auch nicht.

Was für ein „extravagantes“ Automobil kannst du
meinem Kommissar als Dienstwagen vorschlagen?

Hm, da bestehen mehrere Möglichkeiten, je nachdem welchen Dienstgrad der Protagonist bekleidet muss man wohl auch die Preisklasse des KFz in Augenschein nehmen:

untere Preiskategorie:
-„Opel 4/12“ („Laubfrosch“ genannt"), Baujahre 1924-31, 12 PS, HG ca. 80 km/h, 2-5 Sitzplätze
-„Hanomag 2/10“ („Kommissbrot“ genannt), Baujahre 1925-28, 10 PS, HG ca 60 km/h, 2 Sitzplätze

mittlere Preiskategorie:
-„Adler Standart 6“, Baujahre 1927-33, 50 PS, HG ca 80-90 km/h, 2-5 Sitzplätze

hohe Preiskategorie:
-„Audi Typ M“, Baujahre 1923-28, 70-80 PS, 100-120 km/h, 2-5 Sitzplätze

Falls es ein anderer „Adler“ sein soll empfehle ich
http://www.adler-veteranen.de/tech/auto.jpg

Und wenn es ein Benz sein soll schau mal hier:
http://www.mb.auto.pl/dane_de_os/1009DANE.HTM

Unter http://www.zfdberlin.de/ findet sich übrigens die Beschriebung und ein Foto eines Gefangenentransporters der Berliner Polizei aus dieser Zeit.

Gruß Andreas

Hallo Andreas,

du hast vermutlich Recht mit der Zentralisierungs-Geschichte - ich werde mich nicht an der deutschen „Bürokratismus-Wut“ aufhalten - denn im Groben weiß ich ja, wie die preuß. Polizei in der Weimarer Zeit organisiert war - Details sind da glaube ich nur verwirrend - für Leser und Autor… :wink:

Ich kann mich erinnern, dass die Polizeihistorische Sammlung in Berlin historische Dienstwaffen ausstellt - aber (ich könnte mir dafür selbst in den Hintern treten) habe es versäumt, eine „Bestandsliste“ anzufertigen!

Die 7,65 mm Dreyse Modell 07 und die 7,65 mm Sauer & Sohn Modell 1924/Behördenmodell waren - so weit ich mich erinnern kann - Teil der Ausstellung - auch die 7,65 mm Walther PP (ab 1929)/PPK (ab 1931), die 9,00 mm Mauser Modell 08 (ab 1920 - 45), sowie die 7,63 mm Mauser C 96 (bis 1923) - wobei ich stark bezweifle, dass die beiden zuletzt genannten Pistolen bei der Kripo Verwendung fanden…

Trugen die Kriminalisten sonst noch erwähnenswerten „Kram“ mit sich herum? (Außer dem großen Notizblock und der Signalpfeife natürlich)… Ich meine - so in Richtung Handschellen und sonstiger Ausrüstung.

Das mit den Automobilen finde ich echt Klasse recherchiert! Großes Lob!

Ist es wirklich wahr, dass niedere Beamte im Laubfrosch oder Kommissbrot fahren durften/mussten?

Übrigens, der Adler „Standard 6“, der für Polizeiführer angeschafft wurde, war das Modell Standard 6 S, 12/50 PS von 1928 - 30 gebaut. Die Polizei beschaffte die Langversion (+ 30 cm), deshalb auch „L 6“ genannt. Der Wagen hatte - wie die regulären Streifenwägen auch - ein verstärktes Fahrgestell und wirkte dadurch schwerfälliger, da die Motorleistung nicht mitwuchs… (Das haben meine Recherchen bereits ergeben… *grins*)

Ernst Gennat hatte 1926 zusammen mit der Daimler-Benz AG das „Mordauto“ entwickelt, einen mit Büro- und Kriminaltechnik ausgestatteten Bereitschaftswagen der Mordkommission. Dem „Publikum“ präsentiert wurde der Wagen auf der „Großen Polizeiausstellung 1926“ in Berlin. Viele Polizeidienststellen im Deutschen Reich haben dieses Prinzip eines „rollenden Kriminallabors“ - in dem Platz für Ermittler, Stenotypistin, Hundeführer und dem Erkennungsdienst war - nachgebaut (so z. B. 1927 München). Kennst du dich ein wenig über das Mordauto aus? Mir sind nur die oben genannten Fakten bekannt - leider habe ich auch keine Fotos davon. Ich sehe mir die Dinge nämlich gerne an, bevor ich über sie schreibe… :wink:

Vielen Dank für dein Fachwissen!!!
Du bist mir wirklich eine große Hilfe.
Viele Grüße,
Kay

Hallo Kay,

die Firma Simson in Suhl fertigte ab 1920 9-Millimeter Waffen für die
deutsche Polizei (Pistolen).(nach 1945 bauten die dann die „Moppeds“ in der DDR…:smile: ).
Ansonsten waren aber auch weitverbreitet viele Waffen vom Typ „P08“ und diverse Revolver der Vorkriegs-Ära sowie Karabiner.

Zur Geschichte der „Kriminalpolizei“ in Deutschland:
1853 erstmalig in Hamburg „Zivile Ermittler“ im Einsatz…
1872 erstmalig in Berlin eine eigene "Kriminalpolizei…
1886 erstmalig in Berlin ein „Erkennungsdienst“…

und ab 1922 gab es die „Reichskriminalpolizei“,die jedoch nur in einigen Ländern der damaligen Weimarer Republik wirklich als
„Bundes“-Einrichtung enstand.
Erst mit der „Machtergreifung“ Adolf Hitlers kam es dann zur
„reichseinheitlichen Kripo“…

Ab 1926 wurden übrigens in Berlin auch die ersten weiblichen
„Kriminaler“ eingesetzt…

mfg

Hallo Frank!

Vielen Dank für deine Antwort!

Das mit den Simson-(Suhl)-Pistolen finde ich ja irgendwie eine seltsame Wendung - aber die Firma Rheinmetall aus Sömmerda (Thüringen), die u. a. auch die Dreyse-Pistolen für die preußische Polizei gebaut hat, hat ja u. a. auch Rechenmaschinen gebaut - von daher sind Mopeds gar nicht so abwegig… :wink:)

Danke für deinen geschichtlichen Kurzabriss! Das mit den weiblichen Kriminalbeamten wusste ich aus eigenen Recherchen - die waren im Polizeipräsidium Berlin in der Abteilung „Weibliche Kriminalpolizei“ - kurz „WKP“ - zusammengefasst. Besaßen die eigentlich die gleichen Rechte und Pflichten, wie ihre männlichen Fachgenossen?

P. S.: Kennt zufällig jemand die Amtsbezeichnungen der Münchner Kriminalpolizei aus der Weimarer Zeit (so um 1930) - niederer und höherer Dienst?

Es gab da so illustre Titel, wie z. B. „Kriminalkommissär“, „-oberkommissär“, „-inspektor“, „-oberinspektor“, „Polizeidirektor“, „Regierungsrat“, „Oberregierungsrat“ usw. usf.

Ich weiß jetzt aber nicht, ob und wie die Reihenfolge stimmt…

Vielen Dank!!!
Grüße,
Kay

Trugen die Kriminalisten sonst noch erwähnenswerten „Kram“ mit
sich herum? (Außer dem großen Notizblock und der Signalpfeife
natürlich)… Ich meine - so in Richtung Handschellen und
sonstiger Ausrüstung.

Handschellen wohl in so ziemlich jedem Fall. Kenne Geschichten von KriPo-Leuten, die sich eine Hosentasche verlängern ließen, um so verdeckt einen Schlagstock tragen zu können.

Schau mal unter http://www.biologie.de/biowiki/Ernst_Gennat
Falls der Beitrag nicht sogar von dir selbst ist ist er vielleicht ganz hilfreich, auch bezüglich des Mordautos. Die Frage ist aber: Wie viele hat es davon gegeben und wenn es mehrere waren: Konnten diese auch (von ihrer Auslastung her) überhaupt in der preußischen Provinz eingesetzt werden?

Ist es wirklich wahr, dass niedere Beamte im Laubfrosch oder
Kommissbrot fahren durften/mussten?

Gute Frage…ist wohl unwahrscheinlich, aber ausschließen möchte ich es nicht völlig.

Gruß Andreas

Beamte haben kein Geschlecht/Berlin erste 'Großsta
Hallo Kay,

Beamte haben „kein Geschlecht“…*grinz*…
sobald die „Beamter“ sind,sind dat keine normalen Menschen mehr…:smile:)

Aber jetzt im Ernst,Polizeibeamte (auch weibliche) hatten damals genau wie heute die gleichen Rechte und Pflichten…
Das diese zuerst in Berlin „auftauchten“ hängt ja ursächlich mit der
Stadtgeschichte zusammen…Berlin entwickelte sich ja vom Ende des 19. zum Beginn des 20.Jahrhunderts zur deutschen „Großstadt“ par excellence und zum Brennpunkt in jeder Hinsicht…
Von daher gingen in Bezug auf Kriminalistische Dinge seid etwa 1870
schon sozusagen „das deutsche Scotland-Yard“ von dort aus…
Aber ebenso wie ihre „Britischen Kollegen“ (Scotland Yard war ja schließlich nur die postalische Adresse der Kriminalabteilung der
Londoner Polizei) mussten auch die Berliner Kripo-Leute sehr oft
die „Drecksarbeit“ machen und ein „lokaler“ Polizei-Präsident oder
Staatsanwalt „heimste“ den Ruhm ein…

Zu den „Diensträngen“ der Bayrischen Polizei…
Bayern war schon Immer für „Extrawürste“ gut…*grinz*…
Daher gab es da auch ein „Konglomerat“ von preußischen und bayrischen
Bezeichnungen und Farben…die Polizei dort trug zeitweilig
„Preußisch Blaue“ Uniformen und zeitweise „Jägermeistergrün“ (fast wie unsere heutigen Uniformen)…
Ebendso gab es bei den „Rängen“ den „Kommissär“ (altdeutsche Bezeichnung für Kommissar) aber auch den „Inspektor“…
Und um die Verwirrung noch komplett zu machen…zeitweise führte die
„Bayrische Gendamerie“ Ärmelabzeichen,wie wir sie von der U.S.Army her kennen aus der Zeit…:smile:

mfg

Hallo Frank,

hehe, mit deiner geschlechterspezifischen Feststellung könntest du sogar Recht haben! :wink:

Der „Dämon Berlin“… Bis zur Zeit des Nationalsozialismus DER Dreh- und Angelpunkt in Europa schlechthin! Ich frage mich, ob dies auch heute noch so wäre, wenn es den braunen Sumpf nicht gegeben hätte… Naja, was geschehen ist, ist geschehen und leider nicht mehr rückgängig zu machen.

Wurde das Reichskriminalpolizeiamt am Werderschen Markt ab 1937 nicht auch „deutsches Scotland Yard“ genannt?

Ich habe das Buch „Der Kommissar vom Alexanderplatz“ von Regina Stürickow gelesen (ISBN: 3-7466-1383-3 Buch anschauen) - es enthält zwar kleinere, historische Mängel - aber dafür wird die „Drecksarbeit“ deutlich gemacht, mit der sich die Berliner Kriminalisten damals herumschlagen mussten…

Die Bayern und ihre Polizei. Du hast Recht, das ist eine lange und verwirrende Geschichte… :wink:

Bis vor kurzem wusste ich noch nicht einmal, dass es überhaupt Amtsbezeichnungen, wie „Kriminalkommissär“ in Bayern gab! Ich habe mir auf dem BR die Familien-/Kriminalserie „Die Löwengrube“ angesehen - und da haben die zu einem der Protagonisten (Karl Grandauer exzellent von Jörg Hube verkörpert), der als Kriminalist im München der 1920er - 1950er-Jahre ermittelte, „Kommissär“ gesagt.

Beim ersten Hören fragte ich mich immer, wen die wohl mit dem französischen Titel „commissaire“ meinen - bis ich darauf gekommen bin, dass die den altdeutschen „Kommissär“ meinen… :smiley:

Kennst du noch weitere interessante/lustige/seltsame Anekdoten über die deutsche Kripo der 1920er/30er-Jahre?

Danke! Und viele Grüße,
Kay

Hallo Andreas!

Die Hosentaschen verlängern lassen, um einen Schlagstock mitführen zu können, ist schon ziemlich ausgefallen! :wink:

Im Internet habe ich heute einen Berliner Artikel von 1932 gefunden, in dem verschiedene sog. „Polizeischläger“ vorgestellt werden! Er heißt „Waffentechnisches Unterrichtsbuch für den Polizeibeamten“.

(Bei Interesse: Ich schicke die acht Seiten gerne via E-Mail!)

Vorgestellt werden u. a. der „Gummiknüppel“, die „Stahlrute“, der „Schlagring“ (!) und die „Polizeigerte“…

Der Wikipedia-Artikel über Ernst Gennat ist von mir. (Der Artikel auf http://www.biologie.de ist ein „gespiegelter Klon“ von http://www.de.wikipedia.org.)

Mehr als das, was in diesem Artikel steht, weiß ich leider auch nicht über das „Mordauto“…

Sicher ist jedoch, dass die Kriminalpolizei Berlin 1926 den ersten „Mordbereitschaftswagen“ im Deutschen Reich angeschafft hat, München hat 1927 nachgezogen. Beide von der Daimler-Benz AG.

Dann waren da noch Bereitschaftswagen in Düsseldorf und Stuttgart, von denen ich 100-%-ig weiß, dass es sie gab… Mehr ist mir von diesen faszinierenden Automobilen leider auch nicht bekannt.

Berlin hat in den 1930er-Jahren auf einen schweren Maybach-Wagen gewechselt. In Regina Stürickows Buch „Der Kommissar vom Alexanderplatz“ (ISBN: 3-7466-1383-3 Buch anschauen) beschreibt die Autorin den Wagen als „Maybach Zeppelin“ - das ist so allerdings nicht ganz richtig - es handelte sich vermutlich um einen „W 5“, „W 6“ oder „DSH“.

Danke und viele Grüße!
Kay