Mangelhaftes Gnosis-Verständnis
Hi Fliegerbaer.
Erstens zitierst du Markschies nichtmal richtig,
Erstens könntest du, als MOD erst recht, einen Beitrag mit einer Begrüßung eröffnen.
Zweitens habe ich die Liste aus einem Text („Die Berührungspunkte von Gnosis und Judentum und ihre Widerspiegelungen in den authentischen Briefen des Paulus“) von Dr. Jaan Lahe (Uni Erfurt) über die Gnosis entnommen und sinngemäß, aber nicht sinnentstellend, umformuliert. Laahe führt mehrere Autoren an und gibt einen Überblick über deren Auflistung typisch gnostischer Systemmerkmale. „Was sind die Hauptmerkmale der Gnosis? Verschiedene Forscher bieten dafür die folgenden Merkmale“ - so leitet Lahe diesen Überblick ein. Der Vorwurf der Entstellung könnte also höchstens an Lahe gehen, der, im Unterschied zu dir, als Gnosis-Spezialist gilt.
Gerd Lüdemann schreibt im Vorwort zu seiner übersetzten Ausgabe der Nag-Hammadi-Texte:
„Diese Dokumente gnostischer Religiosität spiegeln die Vielfalt und den religiösen Reichtum der antiken Gnosis wider. Die Schriften gehören unterschiedlichen gnostischen Schulen an, zum Teil sind sie christlich, zum Teil zeugen sie von der Existenz einer außer- bzw. vorchristlichen Gnosis. Der inhaltlichen Vielfalt, die selbst Widersprüche aushält und gelten lässt, entspricht ein großer Reichtum an literarischen Formen.“
Lüdemann zweifelt also nicht an einer prinzipiellen Einheitlichkeit der Gnosis.
stellt er dies als typologisches Modell vor, um auf bestimmte
religiöse Gruppierungen Bezug nehmen zu können, die von vielen
antiken christlichen Theologen wie nichtchristlichen Denkern
als „Gnostiker“ bezeichnet wurden. Ein Modell also, das genau
dem Bild entspricht, das jene antiken Theologen und Denker von
der „Gnosis“ zeichnen.
Und das - rein zufällig - durch die gnostischen Nag-Hammadi-Texte weitestgehend bestätigt wird. Natürlich ist Markschies´ Liste ein typologisches Modell, das im Wesentlichen den Modellen anderer Forscher wie z.B. Robert Haardt, Gilles Quispel und McLachlan Wilson entspricht. Aber es widerspricht nicht den bekannten Original-Quellen.
Ein Vorschlag, FB: Vertief dich ein bisschen in die Nag-Hammadi-Texte (ich lese oft in ihnen) und leite mir aus ihnen ab, dass es ein gnostisches Basissystem nie gegeben hat, weil die gemeinsame Schnittmenge zu geringfügig ist. Viel Spaß bei diesem Unterfangen.
Zuvor, nämlich bereits in Kapitel I.1 beschreibt Markschies
genau die ursprüngliche Bedeutung des Begriffes, nämlich dem
Streben nach Wissen ohne irgendeinen spezifisch religiösen
Charakter.
Klar, die ursprüngliche Bedeutung. Im Kontext der Gnosis-Schulen ist Erkenntnis aber etwas sehr Spezifisches: die Erkenntnis des göttlichen Lichts in der eigenen Seele. DAS ist gnostisches Erkennen. Durch diesen Anspruch grenzten sich die Gnostiker von den katholischen Christen ab, die das direkte Erkennen des Göttlichen leugneten und auf den Glauben an die Wahrheit der „heiligen Texte“ pochten.
Zu sehen ist die ganze christliche-Gnosis-Auseinandersetzung
unter dem Hintergrund, dass innerhalb des breiten Spektrums
des Christentums einige bedeutende Vertreter des Ideal des
„einfachen Glaubens“ hochhielten, anstelle des ständigen
Hinterfragens, das diese (von ihnen als) „Gnostiker“
bezeichneten „Häretiker“ vertraten.
Das ist eine allzu simple Darstellung des Konflikts zwischen Gnosis und Katholizismus. Der Ausdruck „katholisch“ entstand als Reaktion auf die gnostische Lehre, dass nur bestimmte Menschen (die Pneumatiker) ins Göttliche befreit werden können. Die Katholiken hielten dagegen alle Menschen für erlösbar. Freilich auf ganze andere Art als die Gnostiker es sich dachten: diese hielten die unmittelbare Erkenntnis des Göttlichen (in der eigenen Seele) für ein Mittel der Befreiung, die Katholiken aber den festen Glauben an die christliche Botschaft. Den katholischen Menschentyp bezeichneten die Gnostiker als Psychiker, die nicht zur wahren Erkenntnis fähig sind, weil sie nur glauben statt zu wissen.
Wenn du die Gnostiker so von den Katholiken abgrenzt, indem du schreibst:
anstelle des ständigen
Hinterfragens, das diese (von ihnen als) „Gnostiker“
bezeichneten „Häretiker“ vertraten.
dann gibt das den realen Konflikt null wieder. Es zeigt mehr, dass du die gnostische Idee nicht wirklich verstanden hast.
Chan